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Nr. ^76. Amts- und Anzeigeblatl für den Oberamlsbezirk Lalw. 8g. Jahrgang.
IilchkinungSweise: Sinai wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamts- l»m kalw für die einspaltige Borgiszeile lO Psg.. außerhalb desselben 12 Psg-, »tllamen LS Psg. Schluß stlr Jnseratannahme IS Uhr vormittag«. Teleson S. I
Freitag, -»n Ssf. Juli
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In ernster Stunde.
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Rußland hat mobilisiert, zwar nur einen Teil seiner Riesenarmee, aber die Tatsache, daß die Mobilisation gegeben ist, beherrscht als oberster, ernstester Eindruck die Lage. Die Gefahr, daß sich der furchtbare europäische Krieg aufrollt, ist größer, als die Möglichkeit, ihn zu verhüten. Aber trotz allem und allem: Alle Hoffnung ist noch nicht geschwunden. Rußland und Oesterreich haben die diplomatischen Beziehungen noch nicht abgebrochen, England setzt sich mit seinem ganzen diplomatischen Gewicht für die Verhinderung des Aeußersten ein und auch in Berlin ist man bei aller Bereitschaft und richtiger Bewertung des Einsts der Lage immer noch zuversichtlich und behält kaltes Blut.
Von wichtigen militärischen Meldungen liegt wenig vor; aus Wien wird gemeldet, daß man dort noch nichts von der Einnahme Belgrads durch die Oesterreicher weiß. Im übrigen folgen hier die letzten Nachrichten :
Die russische Mobilmachung.
Es unterliegt jetzt keinem Zweifel mehr, daß für einen großen Teil der russischen Armee die Mobilmachung angeordnet ist. Die Meldungen, es handle sich dabei um den Süden und Südwesten, werden dahin erweitert, daß auch die Militärbezirke Moskau und Kasan von der Maßregel betroffen seien. Es kommen in Betracht die Militärbezirke Kiew mit dem 9., 10., 11., 12.. 16. Korps, Odessa mit dem 7. und 8., Moskau mit dem Grenadier-, 3., 13., 17., und 25. Korps, Kasan mit dem 16. und 24. Korps. Von ihnen liegen die Friedensquartiere des 9. in Kiew, 10. in Charkow, 11. in Rowno, 12. in Winnitza, 21. in Kiew, 7. in Simferopol, 8. in Odessa, Grenadiere, 17., und 25. in Moskau, 5. in Wo- ronesch, 16. in Kasan und 24. in Samara. An der österreichisch-ungarischen Grenze stehen das 11. und 12., an der rumänischen das 8., das mit dem 7. auch die nördlichen Küstenstriche des Schwarzen Meers besetzt hält. In zweiter Linie stehen die Korps in Kiew und Charkow, während die Militärbezirke Moskau ganz Mittelrußland und den Osten bis nach der europäisch- asiatischen Grenze erfüllen. Die Mobilmachung dieser Truppen schließt die Vorbereitung für den Transport an die Westgrenze in sich, der bei den weiten zurückzulegenden Entfernungen größere Zeit erfordert. Auf diese Weise läßt sich der Borsprung, den die Mobilmachung in Oesterreich-Ungarn und Deutschland durch eine Reihe von Umständen hat, wieder einbringen.
Belgrad noch nicht eingenommen!
Wien, 30. Juli. (Wien. Korr.-Bur.) Hier ist nichts davon bekant, daß Belgrad eingenommen worden sei.
Budapest, 30. Juli. Die mit allerlei Einzelheiten ausgeschmückten Berichte, welche alle gestrigen Buda- ?stei Abendblätter auf Grund der Meldungen ihrer bemliner Berichterstatter über den Fall Belgrads gemacht und zum Teil durch Anschläge verbreitet haben, wobei sie ihnen den Anstrich zensurierter, also amtlich genehmigter Depeschen gaben, haben sich als unrichtig erwiesen. Daher werden auch die Budapests! Blätter von heute an Meldungen vom Kriegsschauplatz nur mit vorheriger Genehmigung der militärischen Stellen veröffentlichen dürfen. Das Feuer dauerte gegen die Belgrader Festung bis gestern abend und bildete die Antwort auf die Sprengung der Sawebrücke. Drei mit Wagen beladene serbische Schleppschiffe wurden beschlagnahmt. — Einige Banken sowie öffentliche und private Gebäude, besonders die englische Gesandtschaft, sollen während des Bombardements getroffen worden sein.
Nisch, 30. Juli. (Pet. Tel.-Ag.) Bei Kicznicy und Smederowo hat ein Artilleriekampf begonnen.
Wien, 30. Juli. Etwa um Mitternacht begann auf der Belgrader Seite nach längerer Ruhe wieder Maschinengewehrfeuer, worauf die österreichischen Monitoren die Stadt beschossen. Gegen 1 Uhr nachts explodierte infolge dieses Bombardements in der Stadt ein Pulverturm. Heute beim Morgengrauen versuchten die Serben abermals erfolglos die Brücke zu sprengen und die Brückenpfeiler, die sich gesenkt haben, zum Einsturz zu bringen. Als vom serbischen Zollhaus auf die österreichische Artillerie geschossen wurde, richtete die österreichische Artillerie ihr Feuer auf dieses Gebäude, das kurz darauf in Schutt lag. Sodann ließ sich wieder Gewehrfeuer hören. Gleichzeitig waren in Belgrad mehrere Feuersbrünste bemerkbar. Im Verlaufe der verschiedenen serbischen Versuche, die Brücke zu sprengen, wurden 16 Serben gefangen genommen. — Gerüchte wollen wißen, daß in Neuserbien Unruhen bedeutenderen Umfangs ausgebrochen sind. Die nichtserbischen Elemente weigern sich, in die Armee einzutreten, so daß sich bei Aufstellung neuer Regimenter erhebliche Schwierigkeiten ergeben.
Wien, 30. Juli. Wie nach Lage der Dinge nicht anders zu erwarten war, beschränken sich die bisherigen Kriegsereignisse auf unbedeutende Plänkeleien. Wiederholt kam es bei Patrouil- lcngängen zum Austausch von Gewehrschüssen, die jedoch keinen nennenswerten Verlust im Gefolge hatten. Einen etwas ernsteren Charakter hatten die kleineren Gefechte, die sich an der Sem- liner Brücke entspannen. In der Nacht vom Dienstag auf Mittwoch sprengten, wie schon gemeldet, die Serben die genannte Brücke, doch war der Erfolg unzureichend. Die Serben bemühten sich, das Zerstörungswerk zu vollenden, wurden jedoch daran durch die österreichischen Vorposten, unterstützt von Land- und Schiffsartillerie, verhindert. Bei Brogor an der Save scheiterte der Versuch einer irregulären serbischen Bande von 60 Mann, den Fluß zu überschreiten, an der Wachsamkeit der österreichischen Vorposten. Endlich gelang es der österreichischen, am Ufer gegenüber Velko Gradiste aufgefahrcnen Artillerie, 2 in Ausrüstung befindliche feindliche Dampfer unter Feuer zu nehmen und zu vernichten.
Kaiser Franz wieder in Wien.
Wien, 30. Juli. Der Kaiser und der Thronfolger sind heute mittag in Wien eingetroffen und haben sich nach Schönbrunn begeben. Die Begrüßung des greisen Monarchen durch die seit dem frühen Morgen ihres Kaisers harrende Wiener Bevölkerung, von der sich Hun- dettausende an der Einfahrtsstraße eingefunden hatten, gestaltete sich zu einer einzigartigen und überwältigenden Kundgebung der Herrscher- und Vaterlandsliebe.
Banken und Börsen.
Wien, 30. Juli. In der Zeit von X>1 Uhr bis )42 Uhr mittags fand die Versorgung sowohl per Wochenarrangements als per Ultimo statt. Die Prolongation gestaltete sich unregelmäßig. Der Zinsfuß wurde seitens der Danken auf 5)4 festgesetzt. Beruhigenden Eindruck machte die namens der Banken abgegebene Erklärung, nach der die unversorgt gebliebenen, heute im Laufe des Nachmittags beim Wiener Giro- und Kassenverein aufgegebenen Positionen seitens der Bankinstitute zu den tiefsten Kursen vom letzten Freitag mit einem Zuschuß von 20 übernommen werden.
Paris, 30. Juli. Die Bank von England hat den Diskont von 3)4 A auf 4)4 erhöht.
Noch lange nicht alle Hoffnung geschwunden.
Berlin, 30. Juli. Die herrschende politische Spannung drückt sich auch heute im Straßenleben Berlins unverkennbar aus. Vor dem Palais des Reichskanzlers
sammelten sich um die Mittagsstunden, als die Minister beim Kanzler zur Besprechung erschienen, größere Menschengruppen an, die Während der ganzen Dauer des Ministerrats beisammen blieben, und die Minister beim Verlassen des Reichskanzlerpalais still aber achtungsvoll begrüßten. Natürlich bildete der vermutliche Gegenstand der Ministerbesprechung, die völlig geheimgehalten wurde, das Thema der allgemeinen Unterhaltung. Von der Börse her wurde das Gerücht bekannt, daß das Königsberger Armeekorps mobilisiert sei, doch maß man dem Gerücht, da eine Bestätigung ausblieb, ebenso wenig Bedeutung bei, wie der Behauptung, daß der Bundesrat telegraphisch zusammenberufen sei. Unter den Linden bildeten sich an verschiedenen Stellen große Menschenansammlungen. Die vor der russischen Botschaft stehende Schutzmannschaft hatte keine-Ai Anlaß, irgendwie einzuschreiten, weil dort wie überall volle Ruhe beobachtet wurde. Ebenso zeigte sich in der Umgebung des Schlosses eine gewisse Ergriffenheit des Publikums, die sich in der Bildung von Menschengruppen kundtat. Der Erundzug der allgemeinen Stimmung ist Zuversicht und Vertrauen in die weitere Entwickelung. Ueb- rigens heißt es, daß die Bemühungen, eine Einigung zwischen Oesterreich-Ungarn und Rußland herbeizuführen, auch jetzt noch nicht aufgegeben worden seien, und noch lange nicht alle Hoffnung geschwunden sei.
Vorlauten Zeitungen auf die Finger geklopft.
Berlin, 30. Juli. Diejennigen Exemplare der Berliner Neuesten Nachrichten, der Deutschen Zeitung, der Deutschen Nachrichten und der Deutschen Warte, die die Meldung enthielten, daß mobilisiert sei, sind von der Polizeibehörde wegen groben Unfugs angehalten worden. (Eine ähnliche Maßregel wäre auch „Süddeutschen" Zeitungen gegenüber sehr angebracht.)
Ruhig Blut!
Karlsruhe. 30. Juli. Wie wir zuverlässig erfahren, sind in den letzten drei Tagen auf der Sparkasse über 400000 mehr abgehoben als einbezahlt worden. Die Bevölkerung kann gar nicht genug vor dem Abheben ihrer Spargelder gewarnt und nicht eindringlich genug daran erinnert werden, daß jedermann der Sicherheit wegen seine verfügbaren Gelder gerade auf die Sparkasse bringen müßte. — Der Eroßh. Amtsvorstand in Karlsruhe ersucht die Presse, die Verbreitung sensationeller Gerüchte und ebenso auch Nachrichten über inländische militärische Maßnahmen tunlichst zu unterlaßen. Mit Rücksicht auf die gespannte politische Lage und die bereits eingetretene Beunruhigung, die schon weite Kreise der Bevölkerung erfaßt hat, wird di Presse ferner gebeten, in den Blättern vor übermäßigem Zusammenscharen, vor sensationellen Plakaten und insbesondere auch von Veranstaltung von Umzügen abzuraten.
Sozialdemokraten für den Krieg.
Magdeburg, 30. Juli. In einer sozialdemokratischen Versammlung, die von Tausenden besucht war, verwarf der Redner, Reichstagsabgeordneter Landsberg, den Krieg im Grundsatz, ermahnte aber zur Verteidigung der Nation, wenn der Krieg aufgezwungen würde. Die Versammlung ging ruhig auseinander.
Ausfuhrverbot.
Berlin, 3t. Juli. Der Bundesrat stimmte 3 Verordnungen betreffend Ausfuhrverbot von Verpflegung-, Streu- und Futtermitteln, Tieren, tie» rischen Erzeugnißen, Kraftfahrzeugen, Mineralroh- Oelen, Steinkohlenteer und daraus hergestellten Oelen zu. Die Verordnungen gelten sofort.