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Nr. 27

Nimlizmlnister Sr. Schlinger im LandwirtschasMen Bezirksvereln Freubenstadt

Die am gestrigen Dienstagnachmittag imDreikönigs­saal" in Freudenstadt stattgefundene jährliche Haupt- oersammlungdes LaNdw. Bezirksvereins Freuden­stadt bekam dadurch eine besondere Note, daß vom Verein der württembergische Finanzminister vr. Dehlinger als Redner gewonnen war. Vor seinem Erscheinen nahm zunächst der Vorstand des Vereins, Bürgermeister Braun- Schopfloch das Wort und begrüßte die außerordentlich gut besuchte Versammlung herzlich. Besonders hieß er Land­rat Knapp, Regierungsrat Knittel, die sonstigen Beamten und die Gäste aus den Nachbaroberämtern herzlich will­kommen. Er warf dann einen Rückblick auf das vergangene Fahr, das er als ein Jahr reich an Mühe und Arbeit und arm an Einnahmen bezeichnete. Ernst und bitter sei die Zeit, in der wir leben und niemand wisse, wie es weiter gehe. Das Wetter sei im vergangenen Jahr abnorm ge­wesen. Das schlechte Wetter im August und September habe die Hoffnungen auf einen guten Jahrgang zunichte gemacht. Die Ernte und das Oehmd seien nur mit Mühe und Not, meist nur schlecht geborgen worden, wodurch große Verluste eingetreten seien. Die Erträge des Wintergetrei­des seien schlecht gewesen und stehen hinter dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre. Die Bestellung der Wintersaat sei eine beschwerliche gewesen. Der Redner gab die Mahnung, den Dinkelbau nicht ganz aufzugeben. Dinkel und Gerste gebe eine gute Mischung. Der Haber sei dem zehnjährigen Durchschnitt am nächsten gekommen, er habe aber nicht be­friedigt. Stroh und Oehmd seien minderwertig gewesen. Die widerstandsfähigen Kartoffelsorten hätten gute Er­träge gebracht mit verhältnismäßig wenig schlechten Kar­toffeln, während die Sorten Industrie, Plochinger und rote Riesen nur ganz geringe Erträge mit 3V Prozent und mehr kranken Kartoffeln ergeben hätten. Der Obstertrag sei ein reicher gewesen. Wenn auch das Erntejahr 1931 sehr unge­nügend gewesen sei, so dürfe man doch nicht murren und nicht vergessen, Dank zu sagen dem Geber aller Gaben. Was die erzielten Preise anbelange, so seien diese teils über und teils unter dem Lebensindex gestanden. Der Redner kam dann auf die sehr heruntergegangenen Viehpreise und auf die minimalen Holzerlöse zu sprechen und fragt, wie es bei den geringen Erlösen werden solle, wenn die Schulden des Landwirts immer zunehmen? Die Ueberschuldung der Landwirtschaft habe schon voriges Jahr 28 Prozent betra­gen und Heuer werde sie noch viel höher sein. Nur 27 Pro­zent der Landwirte haben einen kleinen Gewinn erzielen können. In manchen Betrieben bringe die Milch dis Haupteinnahme. Was das Milchgesetz anbelange, so bringe es allerhand Belastungen und er glaube, daß dadurch der Milchanfall etwas zurückgehe. Den Bemühungen des Hauptverbandes sei es gelungen, den Milchbearbeitungs- zwang für den Bezirk zu vermeiden; dieses Ziel zu erreichen habe einen schweren Kampf erfordert. Ein wunder Punkt seien die zu hohen Kunstdüngerpreise. Man sei auf den Kunstdünger im Bezirk angewiesen; ohne ihn könne man keine großen Ergebnisse erzielen. Die Landwirte sollen aber nur so viel KUnstdüngbr anwenden, wie sie rechnerisch ertragen können. Bedauerlich sei, daß der Kunstdünger ins Ausland billiger geliefert werde, als man ihn im In­land erhalte. Der Redner meinte, es wäre besser gewesen, wenn durch die Notverordnungen der Preis von oben her­unter diktiert worden wäre, statt unten im Detailverkauf anzufangen. Er kam dann auf die zunehmenden Zwangs­versteigerungen in der Landwirtschaft zu sprechen und wie die Wirtschaftsnot auch das Kleinhandwerk und teilweise auch den Handel erfasse. Die darniederliegende Holz­industrie und die Stillegung der Sägewerke habe eine Zu- rückschraubung der Erlöse des Landwirts, aber auch der Arbeiterschaft gebracht und eine Mehrleistung für die Ar­beitslosen zur Folge gehabt. Durch die Not gäre es im Volke, denn Armut sei eine Haderkatze. Daß wir arm seien und noch ärmer werden, sehe man jetzt erst ein. Die jetzigen Notverhältnisse hätten den Verein veranlaßt, nach einem tüchtigen Redner für die Hauptversammlung zu sehen, was in der Person des Finanzministers vr. Dehlinger gelungen fei. Der Redner kam schließlich auf die diesjährigen Ernte- ausflchten zu sprechen, die in Anbetracht der schlechten Saat­frucht keine guten seien. Er berichtete noch über die Be­mühungen zur Herabsetzung der Strompreise beim Ueber- landwerk (O.E.W.), wozu dann Landrat Knapp das Wort ergriff und berichtete, daß die erreichte Herabsetzung des Strompreises um 10 Prozent dem Werk einen Ausfall von V- bis eine ganze Million bringe, was keine Kleinig­keit sei. Die Vertreter des Bezirks beim O.E.W. würden die vorgebrachten Wünsche auf weitere Herabsetzung vertre­ten, er bat aber, mit den Wünschen nicht zu weit zu gehen.

Inzwischen war Finanzminister vr. Dehlinger einge­troffen, den der Vorsitzende herzlich willkommen hieß und ihm von Herzen dafür dankte, daß er in den Schwarzwald gekommen sei, hoffend, daß er einen Lichtblick bringe. Bür­germeister Braun schilderte dann kurz die Notlage der Landwirtschaft, betonte die Notwendigkeit der Herabsetzung des Waldkatasters, den wunden Punkt der sozialen Lasten, die 19 Mark pro Hektar ausmachen, die allzuhohe landw. Umlage, die höher sei als die Staatssteuer, den hohen Zins­fuß und daß die Banken zu jüdisch geworden seien. Auch der Zentralkaffe müsse man den Vorwurf der Bereicherung machen. Die Baukreditanstalt hätte lieber weniger Geld hergeben sollen, statt dieses jetzt plötzlich zu kündigen. Er bat den Finanzminister um Hilfe und versprach anderer­seits, den Finanzminister zu unterstützen.

Finanzminister vr. Dehlinger überDie Rettung aus der deutschen Not"

Finanzminister vr. Dehlinger dankte zunächst für die freundlichen Begrüßungsworte und wies auf seine alten Beziehungen zu dem Bezirk und zu Freudenstadt selbst hin, wo sein Vater früher einige Jahre Umgeldkommiffar ge­wesen und wo er selbst vor zwanzig Jahren eine Visitation des Finanzamts vorgenommen habe. Dortmals habe man noch nicht gedacht, daß man heute vor dem Abgrund und vor dem Bolschewismus stehen wurde. Er ging dann auf sein Thema über und führte u. a. aus:

Die Zeichen unserer Not find sechs Millionen Arbeitslose. Diese Arbeitslosigkeit einschließlich des Ausfalls von produktiver

Arbeit bildet für Deutschland einen Passivposten von 13'/- Mil­liarden Mark. Dazu kommen die Kriegstributc von 3'/- Mil­liarden Mark, die aber nach dem heutigen Geldstande und um­gerechnet auf den internationalen Einkaufswert 4*/- Milliarden ausmachen. Das kommt einem Ertrag von t2 Milliarden deut­scher Arbeitsstunden gleich, die wir für die Feinde jährlich zu leisten haben.

Wohl sind vorerst die Tributzahlungen ausgesetzt. Frankreich besteht aber darauf, daß sie nach dem Feierjahr wieder in Kraft treten. Jetzt war ein Sonderausschuß der B.J.Z. einberufen, der bestimmen sollte, wie die Reparationsleistungen neu geregelt werden können. Einen weiteren Milliardenverlust der deutschen Wirtschaft, an den zunächst nicht jeder denkt, haben wir in der sogen.Bananenfeuche", oder in demAuslandsfimmel", in dem alten deutschen Erbübel, die deutschen Waren geringzufchätzen und die Auslandsware vorzuziehen. 4 Milliarden Devisen sind dafür jährlich zu beschaffen. Würden dafür einheimische Er­zeugnisse gekauft, so wäre damit im Inland Arbeit und Verdienst geschaffen für unzählige deutsche Arbeiter. An Südfrüchten wer­den pro Kopf der Bevölkerung 16 Pfund eingeführt. Durch diese Zustände schrumpft unsere Wirtschaft immer weiter ein. Das Vermögen der Sozialversicherungen und damit die Anwartschaft der Arbeiter und Angestellten aus Unterstützung ist aufs schwerste gefährdet. Die Landwirtschaft muß ihre Erzeugnisse verschleu­dern oder verfaulen lassen. Für die notwendigen Bedarfsarti­kel hat die Landwirtschaft keine Mittel mehr; auch sie ist mit der Vernichtung bedroht. Ihr Vieh mußte sie ein Jahr lang um­sonst füttern, denn es wird für das Vieh heute weniger bezahlt, als wie es der Landwirt im vorigen Jahr selbst einkauftc. Das Holz im Walde verfault. Ueberall haben wir Abnahme des Wohlstandes, Verschlechterung der. Lebenshaltung, Not und Hunger, Verelendung.

Wie wirkt sich das auf die öffentlichen Haushalte von Reich, Staat und Gemeinden aus? Verheerend und katastrophal. Die deutschen Finanzen sind in größter Unordnung. Kaum ist der Abmangel gedeckt, tritt wieder neuer Abmangel ein. Das Auf­kommen an Steuern geht fortdauern zurück. Statt einer Steuer­senkung von ^ Milliarden, die dem deutschen Volke vor An­nahme des Poungplanes in Aussicht gestellt wurde, mußten ihm Milliarden neue Steuern auferlegt werden. Die Sachausgaben sind bis zum äußersten eingeschränkt worden. Die Beamten haben eine Gehaltskürzung nach der andern über sich ergehen lassen müssen und sind mit der Zahlungseinstellung bedroht, falls sie nicht weitere Opfer auf sich nehmen wollen. Verschärft wird unsere Finanzlage durch die Rückzahlung der kurzfristigen Aus­landskredite. Noch vor kurzem sind sie auf 12 Milliarden berech­net worden. 4 Milliarden sind schon abgezogen worden, denn das Vertrauen des Auslandes ist erschüttert. Das Ausland sucht von feinem Gelde eben noch soviel als möglich zu retten. Der schwarze Juli hat gezeigt, daß ausländisches, kurzfristiges Kapi­tal Gift für das deutsche Volk ist und eine unheimliche Waffe gegen Deutschland darstellt. Das deutsche Volk hat den Glauben an sich selbst verloren, sonst hätte es nicht 1 Milliarde Reichs­mark gehamstert und in den Strumpf versteckt. Wir sind ein armes Volk geworden, das schwer verschuldet ist und vor dem Bankerott, vor dem Zusammenbruch steht.

Was ist schuld daran? Wenn man helfen will, dann muß man, wie der Arzt, erst die Ursache der Krankheit feststellen. Zu­erst muß der Krankheitsstoff heraus, dann erst kann einer gefun­den. Als Ursache unserer Not bezeichnete Redner die verfehlte Steuer-, Lohn- und Sozialpolitik, und vor allem die seitherige Erfüllungspolitik und belegte dies mit Ausladungen führender Männer aus Wirtschaft und Politik.

Unser Land und Volk sind bisher eine der besten Ordnungs­zellen im Deutschen Reich gewesen. Die Arbeitslosigkeit ist in Württemberg immer noch am geringsten im Vergleich zu den übrigen Staaten des Reiches. Württemberg würde mit 3'/- Prozent Arbeitslosenversicherungsbeitrag auskommen. Wir haben auch die niedrigste Zahl der Wohlsahrtserwerbslosen. In Hessen und Preußen ist ihre Zahl viermal so hoch. Auch die Finanzen von Staat und Gemeinden im allgemeinen konnten bisher in Ordnung gehalten werden. Das hat seinen Grund einmal in dem gediegenen Volkscharakter unserer Württembergs!, verbunden mit zähem Fleiß, mit Gründlichkeit, Zuverlässigkeit, Anspruchs­losigkeit, Gottesfurcht und Eottvertrauen, und in gesunder Mischung von Landwirtschaft und Industrie, in der Mischung von Klein-, Mittel- und Großbetrieben. Schließlich kommt noch dazu, daß wir eine von marxistischem Diktat wenig beeinflußte Finanzpolitik in der Staatsregierung in den letzten siebenein­halb Jahren getrieben haben.

Wir haben stets nach dem Grundsatz gehandelt: keine Aus­gabe ohne Deckung. Wir haben unsere Finanzpolitik auf weite Sicht eingestellt. Wir haben lieber gespart, als Schulden gemacht und machten vor allen Dingen keine kurzfristigen Schulden. Wir haben uns gleich im Jahre 1924 ein Betriebs- und Vorrats­kapital von 16 Millionen geschaffen. Wir haben keine Tages­politik getrieben und damit den Massen geschmeichelt. Wir haben auch die Gemeinden zum Sparen gezwungen dadurch, daß uns alle Haushalte, sosern durch sie eine höhere als 12prozentige Um­lage vorgesehen war, zur Genehmigung vorgelegt werden mutz­ten, weiterhin dadurch, daß Mittel aus dem Ausgleichstock ge­geben wurden, wobei auch eine genaue Prüfung der Gemeinde­haushalte vorausging. Es war möglich, während der sieben Jahre 1924/1930 den Staatshaushalt auszugleichen und trotz­dem die Staatssteuern in dieser Zeit von 8 auf 5 Prozent herab­zusetzen.

Gerade infolge dieser vorsichtigen Finanzpolitik ist es uns gelungen, noch kurz vor 12 Uhr langfristige Schweizer Anleihen hereinzubekommen. Eine Anleihe von 25 Millionen ist im April sogar achtfach überzeichnet worden. Keinem anderen Land ist es gelungen, um diese Zeit langfristiges Geld zu bekommen. Durch unsere Finanzpolitik hatten wir also Mittel, unser Volk und Land vorwärts zu bringen. Es konnten große Arbeiten in An­griff genommen werden, durch die die Arbeitslosigkeit vermin­dert wird. So u. a. durch den zweigleisigen Ausbau der Nord- Südbahn Osterburken Heilbronn Rottweil Tuttlingen Jmmendingen und durch die Elektrifizierung von Bahnen. Für den Ausbau unserer Staatsstraßen wurden ebenfalls außer­ordentliche Mittel aufgewandt. Es war auch für den Haushalt 1931/32 ein Ausgleich der Einnahmen und Ausgaben erreicht worden. Allerdings nur durch scharfe Abdrosfelung der Aus­gaben. Verschiedene Ausgaben mußten bis zur Hälfte gestrichen werden. Dann aber sind weitere Einnahmeausfälle eingetreten, die die Regierung nicht verhindern konnte. Die wirtschaftliche Not, der Rückgang der Reichssteuern, der Ueberweisungssteuern, sind hauptsächlich schuld daran. Vom gesamten Hagelschaden im ganzen Reich entfallen auf Württemberg 25 Prozent. Der Holz- Reinertrag ist um 10 Millionen Mark zurückgegangen. Es muß­ten die gesamten Restmittel mit 17'/- Millionen eingeworfen werden. Die Einnahmen gingen weiter bedeutend zurück, sodaß auch in unserem Staatshaushalt schließlich ein Abmangel von 15 Millionen eiMand. Der Ausgleich des Haushalts ist aber das wichtigste. Wenn man das unterläßt, so treibt man dem Bankerott zu und wird schließlich der Gnade des Reiches ausge­liefert. Um dies zu verhüten, mußten wir im September mit neuen Maßnahmen beginnen, wodurch wir den Ahmangel auf 10 Millionen Herabdrücken koirnten. Darunter war eine Ge­haltskürzung für die Beamten von 5 Prozent ab 1. Oktober ent­

halten. Der Württ. Beamtenbund hat den Finanzminister wegen dieser Maßnahme schwer angegriffen. Der Minister recht­fertigte sich gegenüber diesen Angriffen und auch gegenüber An­griffen wegen Maßnahmen, für die er gar nicht zuständig sei, ja oft nicht einmal die Landesregierung, sondern allein die Reichsregierung.

Was das Volk am meisten drückt, ist die Tribut-, Steuer-, Lohn- und Sozialpolitik des Reiches. Der Redner kommt dann auf die einzelnen, besonders bedrückenden Steuern zu sprechen. In Württemberg herrscht das Bestreben vor, die Steuern so ge­recht wie irgend möglich zu verteilen. Gegen die Gcbäudeent- schuldungssteuer habe er schon jahrelang gekämpft, leider ohne bei der Reichsregierung einen Erfolg gehabt zu haben. Die Landwirtschaft ist von der Gebäudeentschuldungssteuer befreit, was oft zu Mißstimmung führt. Aber man bedenke, daß jede Steuer brutal ist. Auf die Eesamtbelastung kommt es an.

Württemberg ist durch die Entwicklung der deutschen Not mit in die Katastrophe hineingerissen, weil es Lurch die Weimarer Verfassung noch viel mehr mit den Gesetzen des Reiches und der Bürokratie des Reiches verflochten ist. Zu all dem drohen uns in Württemberg noch besondere Gefahren, denn die Reichsregie­rung nimmt keine Rücksicht auf unsere bestimmten Verhältnisse. Wir werden ganz schematisch und schablonenhaft eingespannt. Durch die Reichsarbeitslosenoersicherung fließen jeden Monat aus Württemberg Millionen hinaus in die anderen Länder. Genau so ist es bei der Landesversicherungsanstalt. Unsere gute württembergische Post haben wir ans Reich abgetreten und im ganzen bis jetzt 7 Millionen Mark Abschlagszahlung bekommen (die Veranschlagung der Post betrug 250 Millionen Mark, für die uns das Reich zuerst 14'/-, dann 28, 35 und schließlich 48 Mil­lionen bot, was wir abgelehnt haben), während wir vor dem Kriege aus ihr jährlich 9 Millionen Reinertrag herausgezogen haben. Das Reich erreicht aus ihr 12 Millionen jährlich. Was man aus Württemberg zuviel hcrausholt, wird uns in keiner Weise angerechnet. Man nimmt keine Rücksicht auf den beson­deren Schaden, den wir durch Holzeinfuhr und Hagelwetter er­leiden. So stehen wir vor der Gefahr, daß auch wir ausgesogen werden. Das, was wir schaffen und ersparen, verbrauchen die, anderen. Darüber herrscht allmählich eine furchtbare Erbitte-' rung in unserem Land. Eine der wichtigsten Ausgaben unserer Landespolitik ist deshalb, die Selbständigkeit und die Eigenper­sönlichkeit unseres wllrttembergischen Staates zu erhalten. Darin liegt unsere Kraft und unsere Stärke, dies aber dient auch dem Reich.

Alles drängt auf die letzte Entscheidung. Die Reichsregierung hat versucht, durch eine außerordentliche Zahl von Einzelmaß­nahmen und eine Fülle von Notverordnungen der Not zu steuern. Man hat den Eindruck, als ob das Volk allmählich selbst einsieht, daß es mit Egoismus, Selbstsucht, Klaffengeist, keine Rettung mehr gibt. Wer nur an sich, seine Partei denkt und nicht das Eesamtwohl im Auge hat, der treibt unser Volk dem Abgrund zu. Jeder erkennt, jetzt geht es ums Ganze. Einzel­maßnahmen genügen nicht mehr, man muß dem Uebel an die Wurzel gehen, man muß ganze und rasche Arbeit machen, sonst ist es zu spät. Bloß mit wirtschaftlichen oder finanziellen Mit­teln kann unsere Not nicht beseitigt werden. Man muß das Rad herumdrehen, das jetzige System umstellen. Notwendig ist vor allem eine andere Gesinnung; es müssen wieder lebendig sein die alten großen Ideen der Volksgemeinschaft, der Vaterlandsliebe, der Wehrhaftigkeit und der Religiosität. All unsere Gedanken, Worte und Werke müssen getragen sein von dem unerschütter­lichen Glauben an Deutschlands Auferstehung und dem Ziel der Befreiung unseres Volkes von seinen inneren und äußeren Fein­den. Die Umstellung des Systems heißt: Los von der Erfül­lungspolitik, los vom Sozialismus. Die Erfüllungspolitik be­ruht auf dem Diktat von Versailles, der Kriegsschuldlüge, der Kolonialschuldlüge und dem Bruch des Vorfriedensoertrags von 1918, der auf Grund der 14 Punkte Wilsons ahgeschlossen wor­den ist. Die Reichspolitik war dahin gerichtet, den Nachweis zu erbringen, daß wir nicht mehr bezahlen können. Immer hieß es, zuerst sanieren, dann revidieren; nun sind wir mit der Kunst des Sanierens am Ende angelangt. Die Gesinnung, die Frank­reich seit Jahrhunderten und insbesondere in den letzten dreizehn Zähren zum Ausdruck gebracht hat, läßt bezweifeln, daß sich Frankreich ohne für uns harte politische Zugeständnisse dazu ent­schließt, auf die Tribute verzichten. Die Verständigungspoli­tik führt nicht zum Ziele, wenn auch Loebe gesagt hat: Gelöst werden die Probleme erst dann, wenn der deutsche und fran­zösische Proletarier die Hände ineinanderlegen und die Geschicke beider Länder lenken. Wir müssen los vom Sozialismus, unsere Wirtschafts-, Steuer- und Sozialpolitik und die Privatwirtschaft befreien von den Fesseln des Sozialismus. Wir müssen ins­besondere aufheben die Zwangsbewirtschaftung der Arbeits­kräfte, den starren Tarifzwang, die politischen Löhne. Das starre Lohnsystem steigert die Arbeitslosigkeit und fördert die Waren­einfuhr, weil die Auslandswaren billiger erzeugt werden können. Mit der Lösung vom Sozialismus muß verbunden sein die Rückkehr zur Nationalwirtschaft mit dem Ziele, die landwirt­schaftliche Rente wiederherzustellen und die Kaufkraft der Land­wirtschaft zu heben. Mit der Landwirtschaft steht und fällt ein Volk.

Bei einer solchen Politik wird das deutsche Volk darauf ver­trauen können, daß die Opfer, die es zu bringen hat, nicht in ein tiaß ohne Boden fallen und vergeblich gebracht werden. Nicht Interessen- und Klassenpolitik dürfen wir treiben, wir müssen das Ganze im Auge behalten. Wir müssen auch den Weg zu Gott zurückfinden, er allein kann uns retten. Mit ihm werden wir dann mutig und zielbewußt die ungeheueren Schwierigkeiten bekämpfen und siegen zum Segen für unser Volk und Vaterland.

Nach der mit großem Beifall aufgenommenen Rede des Finanzministers sprach ihm der Borsitzende den Dank für seine Ausführungen aus und stellte den Vortrag zur Dis­kussion. An dieser beteiligten sich zahlreiche Redner, denen Finanzminister vr. Dehlinger auf ihre Anfragen bereit­willigst Antwort gab. Bezüglich der Höhen st raßen bemerkte er, daß er für den Bau derselben eingetreten fei. Man wolle es schaffen, aber könne nicht alles auf einmal machen. In der S p a r k a s s e n f r a g e, ein schwieriges Problem, das von Landrat Knapp vorgetragen wurde, ver­sprach er, mit dem Innenminister zu verhandeln. Finanz­politik sei ein Teil unserer gesamten Wirtschaftspolitik. In der Zinsfrage sei alles im Rollen und er habe den Eindruck, daß nun auch das Reich an dieses Problem gehe. Bei dem Punkt S t r a ß e n l a st e n, den Bürgermeister Küenzlen-Pfalzgrasenweiler aufwarf, betonte er. daß es sich darum gehandelt habe, könne man der Wirtschaft neue schwere Lasten auflegen oder nicht. Hätte man es mit der Straßenunterhaltung anders gemacht, so hätte die Staatssteuer erhöht werden müssen. Mit Rücksicht aber gerade auf die Landwirtschaft habe er sich gegen eine Er­höhung der Staatssteuer gestemmt. Die Waldkata­strophe sei ihm eine schwere Sorge. Die Frage des W a l d k a ta st e r s sei für 1932 vorgemerkt. Bezüglich des A r b e i t s l 0 s e n p r 0 b l em s führte er aus, daß wir in Württemberg mit dem freiwilligen Arbeitsdienst seither gute Erfahrungen gemacht haben und man sei dabei so weir, als Mittel zur Verfügung ständen, ihn auszubauen. Be­züglich der von ihm angeführten und in der Diskussion von