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Attensteig. Freitag den 6 None der 1931
84. Jah rgang
Ablage des Zentrums an dle Rationallorlalllten
Brüning und Stegerwald zur Lage !
Berlin, 5. Nov. Im Plenarsitzungssaal des Reichstages trat am Donnerstag der aus allen Teilen Deutschlands stark besuchte Reichsparteiausschuß des Zentrums zusammen. Der Parteivorsitzende, Prälat Kaas, wies auf Len Ernst der politischen Entscheidungen bin, die in diesen Tagen zu treffen seien. Es gelte jetzt. Vas Auseinanderbrechen des Volkes in zwei gleichstarke, den gegenseitigen Vernichtungskamvf proklamierende Lager unter allen Umständen zu verhindern. Wenn irgend wann, so ist jetzt Bolkssammlung die Forderung der Stunde und nicht Volksent- zweiung. In der gegenwärtigen Lage hätten koalitionsvolitischc Erörterungen keinen Platz. Die Stunde gehöre der staatspoliti- fchen Tat und nicht dem unfruchtbaren Partei- und koalitionspolitischen Palaver.
Darauf hielt Generalsekretär Ruffini-Köln sein Referat über die Frage „Wie sehen Land und Volk die Politik des Kabinetts Brüning?" Der Redner stellte fest, daß der Kanzler deshalb gesiegt und sein zweites Kabinett die Arbeit des ersten fortsetzen könne, weil das Volk aus dem richtigen Gedanken heraus: „Hände weg von der Währung!" jede nationalsozialistische Binnenwährung und jede deutschnationale Helfferich-Mark ablehnte. Die Zusammenfassung aller positiv schaffenden Kräfte, wo immer sie stehen mögen, sei eine unbedingte Notwendigkeit, um die tiefe nationale Not, in der wir uns befinden, zu bannen. Um das Ringen erfolgreich durchzuführen, sei es innenpolitisch notwendig, ein Auseinanderfallen des Volkes in zwei Kampffronten zu verhindern. Es mutz beschleunigt dafür gesorgt werden, daß es gewissen Kreisen in allen deutschen Ländern unmöglich gemacht wird, sich gegenseitig durch öffentliche politische Demonstrationen bis aufs Blut zu reizen. Der Redner verlangte dringend eine Notgemeinschaft zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Ein weiterer allgemeiner Lohn- und Gehaltsabbau sei nach Meinung srotzer Volkskreise kein Heilmittel mehr.
Im Reichsparteiausschuß waren auch Dr. Stegerwald. die preußischen Zentrumsminister Dr. Steiger. Dr. öirtsiefer und Dr. Schmidt, der badische Minister Dr. Baumgartner, der hessische Minister Kinreberger und der württembergische Minister Veyerle anwesend.
Der Parteioorsitzende Prälat Kaas gedachte der verstorbenen führenden Parteimitglieder Schober, Porsch, Herold. Mausbach und Wittemann und führte u. a. aus: In einer solchen Zeit, wo Tag für Tag wahre Trommelfeuer der Entstellung und Verzerrung, der Verhetzung und Verunglimpfung, des Klassen- und Rassenkampfes und leider auch des steigenden konfessionellen Streites die politischen Fronten überschütten, in solchen Tagen, wo die Easschwaden der Demagogie weiten Kreisen des Volkes den Blick für die Wirklichkeit trüben, da erachtet es die Parteileitung als eine besondere Notwendigkeit, den zentralen Parteiinstanzen die Möglichkeit zu offenem und sachlich ernstem Gedankenaustausch zu geben. Wenn irgend eine politische Machtgruppe in Deutschland, dann ist die Zentrumspartei davon überzeugt, daß Len himmelschreienden Nöten unserer Zeit nicht mit Worten und Resolutionen beizukommen ist, sondern nur mir Taten. Nicht mit Worten und Resolutionen, auch nicht mit Gesprächen über die Möglichkeit oder Unmöglichkeit unserer koalitionspolitischer Frontbildungen. Die deutsche Zentrumspartei hat wahrhaftig wichtigeres zu tun, als sich mit dem koalitionsvolitischen Gerede auseinaderzusetzen, das in den letzten Wochen gewisse Kreise außerhalb unserer Reiben in der Oeffentlichkeit beschäftigt hat und anscheinend noch beschäftigt. Vor dem zweiten Kabinett Brüning und damit auch vor der dieses Kabinett aus staatspolitischer Ueberzeugung stützenden deutschen Zentrumspartei stehen außenpolitische Aufgaben von geradezu gigantischer Größe und von schicksalsentscheidender Auswirkung für Staat und Volk.
Rede des Reichskanzlers
Berlin, 5. Nov. Im Reichsparteiausschutz des Zentrums ergriff auch Reichskanzler Dr. Brüning das Wort und gab einen ausführlichen Ueberblick über die politischen und wirtschaftlichen Ereignisse der letzten Monate. Der Kanzler setzte sich mit dem Verhalten der einzelnen Parteien auseinander und dankte der Zen- trumsvartei für ihr festes und verantwortungsbereites Handeln, mit dem sie allem Ansturm gegenüber ausgehalten habe. Wenn andere Parteien denselben Mut gehabt hätten, dann würden sie beute nicht derartige Verluste an die radikalen Parteien zu verzeichnen haben. Der Kanzler erklärte weiter, daß er nicht beabsichtige, das Parlament dauernd oder auf längere Zeit auszu- schalten, die Regierung brauche lediglich Zeit zur Arbeit. Es gehe «icht an, in dieser Notzeit überstürzte Entscheidungen zu treffen, die Hauptsache sei, das Vertrauen des deutschen Volkes zu erringen und zu erhalten. Der Kanzler erklärte, er würde sich bis zum letzten dagegen wehren, irgend eine inflationistische Maßnahme « treffen. Die Etatslage des Jahres 1932 bezeichnete der Kanzler als schwierig und ernst. Es werde wohl ohne neue Opfer des Volkes nicht abseheu. Nötig sei aber unbedingt, den Schrumpfungsprozeß in der Wirtschaft, Industrie und Handwerk aufzu- dalten. Außerdem müßte eine Lösung des Revarationsproblems «folgen, die für das deutsche Volk erträglich sei und der ganzen Welt das Vertrauen wiedergibt. In diesem Zusammenhänge be
rührte der Kanzler auch die Stillhaltungsfragr, die so gelöst wer- ? den müsse, daß neben einer Beruhigung im In- und Auslande .. auch eine Sicherstellung unserer wirtschaftlichen Unrsrnebmungen erzielt wird. Die ewige politische Agitation, das Predigen von Experimenten müsse aufhören, damit in Deutschland und in der r übrigen Welt die Vertrauensatmosphäre die allgemeine Nervo- : sität überwindet. Das Jahr 1932 wird für Reich. Länder und Ge- ! meinden in finanzieller Hinsicht das allerschwerste sein. Sicherlich ! wird gerade dieser Winter dem deutschen Volk die schwerste Ner- ! venprobe auferlegen. Aber das deutsche Volk darf nicht im letzten ; Augenblick, gerade wo man so weit ist, daß man die Aussicht in eine bessere Zukunft bat. die Nerven verlieren. Man darf nicht s nur an das Ebaos glauben und in Resignation verfallen, sondern muß einen religiösen Glauben haben und ans diesem Glauben die Kraft gewinnen, mutig de» Dingen entgegenzutreten, : mutig in die Zukunft zu schauen. Hat man diese Geisteseinstel- ! lung im deutschen Volke wieder erreicht, so wird nichts das deut- ; sche Volk bedrücken können, so wird das deutsche Volk, das gevei- - nigt und bedrückt ist. sich letzten Endes trotz aller Schwierigkei- s ten in der Welt, auf Grund seines Glaubens, auf Grund seiner : Kraft, auf Grund seines Fleißes endlich einmal sicher durchsetzen. !
Stegerwald über unsere Verschuldung !
Reichsarbeitsminister Dr. Stegerwald erklärte im Reichsaus- s schuß des Zentrums, eine koalitionspolitische Frontoerbreiterung r sei heute nicht möglich, weder nach links noch nach rechts. Nach ^ links deshalb nicht, weil damit eine Mehrheit nicht zu erzielen ; wäre, und nach rechts nicht, weil,-ann außenpolitische Erschwe- i rungen bei den Reparations- und Stillhaltungsverbandlungen eintreten würden. Der Minister gab dann einen Bericht über die deutsche Verschuldung und Zinsenlast und erklärte, daß wir unbedingt zu Preissenkungen kommen müßten, da dem deutschen Volke eine zweite Inflation nicht rusemutet werden könne. Der Reallohn müsse bei vermindertem Nominallohn bestehen bleiben. ! das Geld müsse also verstärkte Kaufkraft gewinnen. Der Minister sprach sich dann noch für die Aufrechterbaltung der Kollektivver- : träge und der Verbindlichkeitserklärungen aus. Die nationalso- s zialistische Partei sei kein homogen gewachsenes Gebilde, womit S die schwierigen Aufgaben der Regierung in dem bevorstehenden H schweren Winter gelöst werden können. Die Gruppen, die in ! der gegenwärtigen Stunde eine Heranziehung der Rechten zur i Regierung wünschen, tun das nicht aus staatspolitischen Grün- , den. sondern aus der Hoffnung heraus, daß dabei die Gruppen ! der Rechtsovvosition auseinanderfallen und abwirtschaften wür- j den, sodaß nach dem Zusammenbruch der bürgerlichen Milte i durch ein solches Experiment neue Zukunftsmöglichkeiten für bür- ! «erliche Mittelvarteien sich ergeben würden. In einer Stunde s aber, wo es um Kopf und Kragen eines 60 Millionen-Volkes t geht, kann man nicht taktisch overleren, sondern muß die Politik ! «ach sachlichen Gesichtspunkten machen. (Lebhafter Beifall.) s
Außenpolitisch haben wir in Sen nächsten Wochen uns darüber ? z« entscheiden, ob wir für einige Jahre noch die Zähne aufeinan- s Verbeißen, oder ob wir uns für Jahrzehnte in die Gefangenschaft ' anderer Völker begeben wollen. Daneben ist die Außenpolitik der : nächsten Monate eine große finanzpolitische Transaktion. Wir s find gegenwärtig mit etwa 11—12 Milliarden kurzfristig, mit et- ' wa einer gleichen Summe langfristig verschuldet und dazu kom- : men etwa 4—5 Milliarden ausländische Beteiligungen an der deutschen Wirtschaft, sodaß die gesamte deutsche Schuldenlast an > das Ausland 27—28 Milliarden beträgt. Dazu kommen noch die politischen Schulden. i
Eine ähnliche Schuldenlast hatte ein moderner Staat in der ! »eueren Geschichte noch nicht aufzuweisen. Wir haben allerdings - ruch Auslandsguthaben, die zwischen 7 vis 9 Milliarden NM. s setragen dürften. Unsere Zinsenlast beträgt für die langfristigen s Schulden etwa 700 Millionen RM. und für die kurzfristigen s »icht viel weniger als eine Milliarde. Dazu kommen noch die Dividenden für die Ausländsbeteiligung an deutschen Wirt- ! jchaftsunternehmungen und endlich die politischen Leistungen an i Reparationen. In den nächsten Wochen wird der außenpolitische i Kampf darum entbrennen, ob und wie die politischen Schulden s gleichberechtigt neben den privaten behandelt werden könnnen. ; Deutschland hat nie bestritten, privaten Schulden verzinst und i iurllckerstattet werden müssen. Wir sind aber nicht in der Lage, ^ daneben noch politische Schulden in größeren Beträgen zu be- - kahlen. Erst wenn wir Klarheit über den Stand der Repara- . iions- und Stilihaltesragen haben, ist die feste Basis gewonnen s für eine starke deutsche Innenpolitik. Wir kommen auch um ' eine innere Stillhalteaktion nicht herum. Diese Basis ist not- ! wendig, damit wir auch an die Zinsenfrage herankommen kön- , nen. Die Regierung ist der Meinung, daß dem deutschen Volk s eine zweite Inflation innerhalb eines Jahrzehntes nicht zu- - gemutet werden kann. (Beifall.) Durch inflatorische Maßnäh- : men, von denen man in Deutschland wohl den Anfang, aber s nicht das Ende sieht, würde bei uns der Spargedanke zerschlagen s werden und ohne den Spargedanken ist es ausgeschlossen, daß f wir wieder zu einem vernünftigen Kreditaufbau in Deutschland > kommen können. Wenn aber 25 Länder der Welt sich auf dem
Jnflationsweg befinden, dann muß Deutschland, um seine Währung zu halten, sich dem Preisniveau der übrigen Welt anpassen. Das deutsche Volkseinkommen, das 1913 etwa 42 Milliarden betrug, beträgt heute rund 58 Milliarden gegen 70 Milliarden RM. im Jahre 1929. Wir werden, wenn wir nicht inflatorische Wege gehen wollen, für die nächsten Jahre den jetzigen nominellen Stand des Volkseinkommens nicht halten können, sondern werden uns mit einem kleineren Einkommen begnügen müssen. Der Reallohn muß bei vermindertem Nominallohn bestehen bleiben, das Geld muß verstärkte Kaufkraft gewinnen. Das Jahr 1932 wird das schlimmste Jahr für die öffentliche Hand werden. Reich, Länder und Gemeinden werden infolge des verminderten Steueraufkommens ein großes Defizit habe». Mit Veränderungen der Umsatzsteuer kann man unmöglich de« Einnahmeausfall der Länder, Gemeinden und des Reiches ansgleichen. Wenn man nur nach den Notverordnungen sieht, so ist es richtig, daß die Arbeitnehmerschaft die größten Opfer gebracht hat: im ganzen gesehen ist es anders. Die Löhne find im letzten Jahre um etwa 2 Milliarde» gekürzt worden. Wenn wir aber die Vilanzwahrheit mit dem neuen Aktienrecht durchführen» dann wird sich Herausstellen, daß von den 24 Milliarde», die i» unseren Aktiengesellschaften investiert sind, kaum viel mehr als 10 Milliarden erhalten bleiben werden.
Im sozialen Abbau ist schon viel mehr geschehen, als di« Oeffentlichkeit glaubt. An der Arbeitslosenfürsorge find mindestens 750 Millionen in den letzten Jahren praktisch gekürzt worden. Wir haben ,m nächsten Winter zwar eine größere Arbeitslosigkeit als im letzten Winter zu erwarten, aber sie wird uns nicht mehr kosten als im letzten Winter. Weitere Ersparnisse sind in der Arbeitslosenfürsorge nicht zu schaffen, wenn nicht eine Preissenkung großen Stils kommt. In der Jnvaliden- und Unfallversicherung werden wir »och zu größeren Veränderungen kommen müssen. Es bleibt im übrigen dabei, daß ich den Kern der Sozialversicherung zu erhalten suche, und ebenso den Kollektivvertrag und die Verbindlichkeitserklärung, wenn auch in der Handhabung Aenderungen in mancher Hinsicht getroffen werden müssen. Darüber wird in der nächsten Woche im Unterausschuß des Wirtschaftsbeirats gesprochen werden.
Wir werden bestimmt über den Winter hinwegkommen. Mn müssen und werden dafür sorgen, daß das Volk nicht zu Hunger« braucht. ^
Zahlen zur deutschen Krise
Der Rückgang der Produktion in den Hauptindustriestaate»
Der Produktionsabstieg von 1929 auf 1930 betrug in Deutschland 32 Prozent ! / in England 26 Prozent
in US.-Amerika 29 Prozent
In Frankreich begann die Krise erst 1930..der Produktionsrück, gang beträgt erst 9 Prozent. Die deutsche Produktionsschrumpfun« war also am stärksten. Sie betrug rund ein Drittel. Im Jahr 1931 bat sich die deutsche Krise noch weiter verschärft.
Die zunehmende Zahl von Zwangsversteigerungen. Land- und, forstwirtschaftliche Grundstücke wurden in ganz Deutschland (ohne Baden und Thüringen) versteigert: ,
Im Jabr Anzahl der Betriebe :
> 1927/28 37 875 Hektar 2403
. 1928/29 50 432 Hektar 2367
'»29/30 111841 Sektor 3131
In der Industrie war die Entwicklung ganz ähnlich, die Zahl der zusammengebrochenen Betriebe sogar noch viel größer. 193h. find 15 000 gewerbliche Betriebe mehr in Konkurs geraten, als neu gegründet wurden.
Die Entwicklung der deutschen Aktienkurse. Ein gutes Bild für den Ertragsrückgang der Industrie bietet die Kursentwicklung iii Jndustrieaktien. Setzt man den Aktienindex 1924/26 gleich 100, so war die Entwicklung die folgende:
Durschnittliche Bewertung deutscher Aktien
1927 im Avril 1930 im Avril 1930 im Oktober
1930 im Dezember
1931 im Januar 1931 im Juni
177,4
122,2
95.8 87,3
81.8 75.9.
Der Einnahmerückgang bei den Reichssteuern. Die Krise wirkt sich auch darin aus. daß die Steuerrückgänge hinter der erwarteten Höbe immer mehr zuriickbleiben. Im Rechnungsjahr 1930/31 waren gegenüber 1929/30 die verschiedenen Steueraufkommen wie folgt gesunken:
Kapitalverkebrssteuer um 33.5 Prozent
Körperschaftssteuer um 19.4 Prozent
Besörderungssteuer um 13.3 Prozent
Veranlagte Einkommensteuer um 10,8 Prozent
Lohnsteuer um 8.2 Prozent
Den stärksten Rückgang weisen also die Aufbringungen der wirtschaftlichen Unternehmungen und das Einkommen der selbständig Berufstätigen auf. Der Rückgang des Einkommens der