Oesrüriöet 1877

Wem. Anzeiger für die Bez irk Rogald, Calw a. SreadeaKM Amtsblatt skr den Bezirk Nagold a. Alteufteig-StM

^uftrSge iier,ehme« «tr Iei»e Sewtlhr. Rabatt »ach Tarif, der jedoch bei erscheint wöchentl. 6mal. / Bezugspreis: Monatl. 1.56 Mk., die Einzelnummer kostet 10 Pfa.

«ird. LrsLll»«a»ort Altensteia. Serichtaftand Raaold. Bei Nichterscheinen der Zeitung infolge höh. Gewalt od. Betriebsstörung besteht kein Anspruch a»I »azrigenprei«. Die einspaltige Zeile »der deren Na »«1b Pfg., die Reklamezeile 4b Pf». Lieferung der Zeitung / Postscheck-Konto Stuttgart 5780 / Telegr.-Adr.:Tannenblatt" / Telef. 11.

I 84. Jahrgang

Kammer 214

Erscheint wöchentl. 6 mal. / Bezugspreis:

Bei Nichterscheinen der Lieferung der Zeitung/

Altensteig» Montag den 14» September 1931

SeimwrbrmilM in Sellemi»

Wien. 13. Sept. Ein Teil des Heimtschutzes unter Führung > non Dr. Pfrieme, hat heute nacht in einigen Orten Nord-Stei- ' crmarks sowie in einige« kleineren Orten Oberösterreichs und > Salzburgs einen Putschversuch unternommen. Dr. Pfriemer hat ! an die Bevölkerung eine Proklamation gerichtet, in der es heißt, der Heimatschutz habe die Macht im State übernommen. Die Bundesregierung hat alle Mahnahmen getroffen, um die Ord­nung wieder Herrustellen und Polizei. Gendarmerie und Vun- desheer in Vereitschaftszustand gefetzt. An einigen Orten sind die vom Heimatschutz in Besitz genommenen staatlichen Gebäude nieder geräumt worden. In Kirchdorf in Oberösterreich find zwei Führer des Heimatschutzes verhaftet worden. In Wien und im übrigen Bundesgebiet herrscht vollständige Ruhe.

Zum Seimwehrvntsch in Oesterreich Wien, 13. Sept. Zu den Vorgängen in der Steiermark wird noch folgendes vom Berichterstatter des WTB. gemeldet: In den obersteierischen Ortschaften Bruck, Katzenberg. Jugenburg und Schladming erschien beute um 2 Uhr bewaffnete Heimwebr und versuchte, die Städte militärisch zu besetzen. Der Bundesfiibrer der Heimewhr. Dr. Pfriemer. versammelte um 2.30 Uhr früh in Jugenburg die Unterführer um sich. Auf seine Weisung wurden in einigen Ortschaften Plakate angeschlagen, in denen es heiht. daß alle Gendarmerie- und Heeresbeamten ihres Dienstes ent­hoben seien. Die Heimwehr übernehme mit dem heutigen Tage die Staatsgewalt.

Wien, 13. Sem. Wie aus Graz gemeldet wird, herrscht dort vollkommene Ruhe. Nach Bruck. Jugenburg und in das Mürztal ich mittags je ein Bataillon des Bundesheeres gesandt worden.

In Bruck waren die Amtsgebäude von der Heimwebr besetzt, sie sind aber bereits wieder frei.

Das militärische Vorgehen gegen die Heimwehrvutschisten Graz, 13. Sevt. Die Heimwehrabteilungen, die an den Putsch beteiligt sind, werden zwischen Leoben und Jugenburg zusammen­gedrängt. JnfanLerieabteilungen find von Klagenfurt im An­marsch und dürsten binnen wenigen Stunden aktiv in die Aktion eingreisen. Truvven der Garnison Graz stehen in Bruck an der Mur. was bereits von Heimwehren gesäubert ist. und bei Ka- vienberg. Zwischen Loeben und Donawitz haben sich etwa 1000 Heimwehrleute angesammelt. Das Militär ist mit Maschinenge­wehren ausgerüstet, auch Artillerie ist an der Aktion beteilig!.

Die Lage in Wie»

Wien, 13. Sevt. Di« Wiener Polizei wurde um 2.30 Uhr srüh alarmiert und besetzte sämtliche Bundesgebäude, ebenso wurde die Stadtgrenze von Polizeiabteilungen besetzt. Die Sozialde­mokratische Partei und die Gewerkschaften stellten eine ultimative Forderung, worin sie u. a. verlangen: Sofortige Niederwerfung des Purschversuches. Verhaftung der Rädelsführer und Gewähr­leistung der Sicherheit durch die Regierung. Bundeskanzler Dr. Buresch erklärte, dah es im Laufe des Sonntag zweifellos gelin­gen werde, den Putsch mederzuwerfen. Die Regierung habe alle Machtmittel des States aufgeboten. Mittlerweile find wie wei­ter verlautet, von der Regierung eine Reihe von Haftbefehlen ergangen, darunter gegen Dr. Pfriemer gegen einen Graf Jo­hann Lamberg und gegen den Landesinbrer Rauter.

Das militärische Vorgehen gegen die Seimwehrputschisten Als die Gendarmerie in Kopfenburg den Platz vor dem Ar­beiterheim von Heimwebrleuten säuberte, gab die Heimwehr bei ihrem Rückzug mehrere Schüsse gegen das Arbciterheim ab, wo­bei ein Mann getötet und einer schwer verwundet wurde.

1 Uhr nachmittags. Etwa 4000 Putschisten stehen bei Leoben, je 1000 in der Umgebung von Knirtelfeld und Judenburg. Der Bahnhof von Selztal und Hengstunbad. ferner Erödnitz und Lie­sen find noch von den Heimwehren besetzt.

ö Uhr abends. Die Heimwehraktion in Nordsteiermark kann ak gescheitert selten. Die bei Leoben versammelten Heimat- schiitzler haben erklärt, abziehen zu wollen. Man erwartet, dah t«s Militär innerhalb der nächsten halben Stunde in Leoben entrücken wird.

Leoben 5 Uhr. Während sich die Heimwebr vor dem Militär rurückzog. sammelten sich die Kommunisten in Stärke von meh­reren hundert Personen, um gegen die Heimwehren vorzugehen. Das Militär wurde infolgedessen genötigr. sich gegen die Kom­munisten zu wenden.

260 bewaffnete Heimwehrleute bei Wien verhaftet Wien, 13. Sept. Die bei Klosterneuburg versammelten be­waffneten Heimwehrleute, etwa 260 Mann, wurden von Wiener Polizei, die in Automobilen nach Klosterneuburg kam. verhakter.

He die Truppe ihre Absicht, nach Wien zu ziehen, verwirkliche» Knute. Die Heimwehr leistete keinerlei Widerstand.

Die Nationalsozialisten gegen den Heimwehrvutsch Wien. 13. Sevt. Die Landesleitung der Narionalsozialistische« Arbeiterpartei (Hitlerbewegung) erklärt, dah sie mit der Aktion kr Heimwehr m keinerlei Verbindung stehe und diese auch ab- lchne.

Bundesführer Pfriemer bricht die Aktion ab

Eraz, 13 September. Die Pressestelle der Bundessüh-

rung des Heimatschutzverbandes Oesterreich verlautbart in später Abendstunde folgenden Befehl des Bundessiihrers Dr. Walter Pfriemer:

An alle Heimatschutzführer Oesterreichs!

Die Notlage des Bauernstandes, das Elend weiter Kreise und der Arbeiterschaft, sowie der schaffenden Teile unseres Volkes hat mich veranlaßt, einen letzten Rettungs­versuch zu machen, um es vor der Auslandsversklanung und Niedergang zu bewahren. Obwohl wir nicht nur ganz Steiermark mit Ausnahme von Graz besetzt, sondern weit darüber hinausgegriffen haben, breche ich, um Blutver­gießen zwischen Heimatschutz und Exekutive zu vermeiden, die Aktion ab. Alle Heimatschutzabteilungen haben sofort geschlossen in ihre Heimatgemeinden abzuriicksn. Mein Dank als Bundesführer des Heimatbundes gilt allen

z Führern und Kameraden, die gleich mir alles versucht - haben, die Idee unseres Heimatbundes durchzusetzen. Ins­besondere danke ich allen steierischen Kameraden für ihre ! Opfer, die sie der Bewegung brachten. Gleichzeitig teile ich mit, daß ich meine Führerstelle dem Heimatschutz zurückgebe.

Dr. Walter Pfriemer.

Rauther hat seine Funktionen im Heimatschutz ebenfalls niedergelegt.

Maßnahmen gegen die am österreichischen Putsch beteiligten Beamten

Wien, 13. September. Die Bundesregierung hat ver­fügt, daß alle Vundesministerien und Amtsstellen ange- l wiesen werden, die vorläufige Suspendierung aller jener Beamten, die sich an dem heutigen Anschläge des Heimat­schußes irgendwie beteiligt haben, ungesäumt zu verfügen« Gegen die Schuldtragenden wird aus disziplinär- oder straf- oerichtlichem Wege vorgegangen werden.

Äirtios-RM ln Senf

über wirtschaftliche Zusammenarbeit und Abrüstung

Gens, 12. Sevt. Als zweiter Redner der Samstag-Sitzung der Völfcrbnnvewersammlung ergriff Reichsauhenminister Dr. Cur- tius das Wort.

Die Lage der diesjährigen Bundesversammlung, erklärte er u. a.. wird vor allem durch zwei Tatsachen bestimmt: Durch die furchtbare wirtschaftliche Notlage, in der sich die meisten Länder befinden, und durch die bevorstehende Abrüstungskonferenz. Von diesen beiden Tatsachen müssen wir ausgehen, wenn wir uns darüber klar werden wollen, welche Möglichkeiten der Völker­bund llberbauvt unter den gegenwärtigen Verhältnissen bietet und wobei es auf die diesjährigen Beschlüße ankommt. Ich möchte mich deshalb wie viele meiner Vorredner in der Haupt­sache mit diesen beiden Fragen beschäftigen. Ich glaube aber, daß die Augen der Völker jetzt auf Genf gerichtet sind, die vor allen Dingen wißen wollen, ob die hier versammelten Staars- männer imstande sind, einen Ausweg aus der Not zu finden oder wenigstens vorzubereiten, und ob wir eine berechtigte Hoff­nung darauf geben können, datz es in der brennenden Frage der Abrüstung bei der bevorstehenden Konferenz zu greifbaren Er­gebnissen kommt.

Die Gefahren der Wirtschaftslage haben sich aufs äußerste zu- gesvitzt. Magazinierung von Rohstoffen und Lebensmitteln auf der einen Seite. Mangel und Hunger am der anderen. Zusam­menballung von Kavital und Anhäufung von Gold in wenigen Ländern, in anderen Entblößung von Kavital und unerträglicher Zinsdruck und als furchtbarste Erscheinung der Zerrüttung der internationalen Wirtschaft die Arbeitslosigkeit in den Industrie­ländern. die sich im kommenden Winter in einer noch nicht ab­sehbaren Weise steigern wird. Ein Heer von restlos Verzweifel­ten. die radikalen und revolutionären Einflüßen nur zu leicht zugänglich sind. Niemand darf sich darüber täuschen, daß die Erde bebt, auf der der Vau unseres heutigen Wirtschafts- und Währungssystems, sowie unserer Kultur errichtet ist..

Es erbebr sich die ernste Frage, ob die diesjährigen Ergebnisse der Völkerbundsarbeit den dringenden Forderungen der Gegen­wart auch nur einigermaßen gerecht werde». Keiner meiner Vor­redner hat das zu bejahen gewagt, und ich glaube deshalb, wir find uns einig darüber, daß alles wichtige noch zu tun bleibt.

Das bedeutsamste Ergebnis der bisherigen Arbeit des euro­päischen Studienkomitees ist der Bericht, den der Ausschuß der Wirtschaftssachverständigen erstattet hat und der auch dem Völ­kerbund vorliegr. Der Ausschuß siebt eigentlich als einziges Mit­tel für eine durchgreifende Beßerung der europäischen Wirt­schaft die wirtschaftliche Annäherung, den wirtschaftlichen Zu­sammenschluß an. Die Verwirklichung solcher Pläne kann nur im Einvernehmen mit den außereuropäischen Ländern erfolgen, sie muß zu einer gemäßigteren Zollpolitik als gegenwärtig führen. Sicherungen, die das Mrßtrauen anderer Kontinente gegen diese europäischen Pläne zerstreuen sollen. Die Regierungen müssen unverzüglich an die Aufgabe berantreten den Gedanken des wirt­schaftlichen Zusammenschlußes so umfassend wie möglich schon i« der nächsten Zeit in die Wirklichkeit umzusetzen. Das Ergebnis dieser Bemühungen wird ein Prüfstein dafür sein, wie weit heute in Eurova der Wille zu großzügiger, praktischer Zusammenarbeit wirklich vorhanden ist

Auch das Problem der Zollvräserenze» für Getreide bezeichnet« der Minister als einen solchen Prüfstein für den Willen zur Zu­sammenarbeit. Er verwies auf die Vorschläge des Eurova-Komi- rees. die Zollpräferenzen für Getreide als Ausnahme von der Meistbegünstigung empfehlen, und gab der Erwartung Ausdruck, daß es gelinge, diesen Plan zur Annahme zu bringen, indem sich auch die außereuropäischen Länder davon überzeugten, daß die Hebung der europäischen Kaufkraft schließlich auch ihnen zugute komme. So gewiß die außereuropäischen Staaten ihren Anteil an dem Erfolg hätten, den der Völkerbund in der europäischen Wirtschaft zu erreichen hoffe, so beachtenswert erscheine es ihm, grobe Energie unmittelbar aus die Bebebuna der außereuro­

päischen Wirtjchaitsnot zu verwenden. Die Anregung, kleine Sachverständigenkomrrees nach den Hauvtwirtschairszentren rn Asien und Latein-Amerika zu schicken, um dort dre Lage zu stu­dieren und dann an die Bundesversammlung des Jahres 1932 ge­eignete Vorschläge zu richten, erscheine ihm beachtenswert. Viel­leicht sei es doch möglich, ohne solche Prüfung aui einem Sonder­gebiet. der Produktionse.nschränkung und -Regelung in der Landwirtschaft, zu praktischen Maßnahmen zu gelangen Rur internationale Kooveratron je- imstande, wirkliche Hilfe zu lei­sten. Er hoffe, daß diese kurze Anregung vertieft und Vorschläge für die Bundesversammlung gemacht werden könnten.

Hierauf wandte sich Dr. Curtius dem finanziellen Problem der Krise zu.

Wir stehen, jagte er. vor einer Verwirrung der ganzen Eeld- uud Kreditwirtschakt. Das Einilieben von Kapital aus den ka­pitalreichen in die kapitalarmen Länder bat nicht nur ganz aui- gebörr. die kaviialreichen Länder baden sogar den kavitalarmen Ländern in einem niemals vorherznsebenden Umfang die kurz- iristigen Mittel, die sie dort angelegt hatten, wieder entzogen. Schwere Zusammenbrüche von Banken und ein hierdurch notwen­dig gewordener Eingriff der Regierung in die private Bank- wirtschait find die bedauerliche aber unvermeidliche Folge gewe­sen.

Diese Vorgänge haben ihren Hintergrund in der Lage der internationalen Finanzbeziehongen, die durch die bestehenden Schulden politischen Charakters geschaffen worden sind. Die ge­waltigen politischen Zahlungen von Land zu Land erfolgten ohne wirtschaftliche Gegenleistung. Sie entzogen dem an sich schon kavitalarmen Schuldnerland andauernd grobe Kavitalmengen und zwängen diese Länder im Interesse des Schutzes ihrer Wäh­rung zu deflationistischen Maßnahmen, die sich in hoben Zins­sätzen. schwindender Kaufkraft, daher fallender Einfuhr und Steigerung der Ausfuhr äußerten. Ein Fortdauern dieser Ent­wicklung, d. h. die Ermöglichung der Zahlung politischer Schul­den durch Drosselung der Einruhr und forcierte Steigerung der Ausfuhr der Schuldnerländer muß nicht nur iür diese Länder, sondern für die gesamte Weltwirtschaft die verderblichsten Fol­gen haben. Das bat auch der bekannte Bericht des Baseler Sach- oerständigenausschußes deutlich betont. Infolge dieser Störung der internationalen Kredit- und Geldbeziehungen häuft sich das Gold in einzelnen Zentren. Dort ruht es in völliger Unfrucht­barkeit. Die Goldwährung ist einer der Hauptfaktoren der wirt­schaftlichen Entwicklung der Welt in den letzten hundert Jahren gewesen. Jetzt besteht die Ge abr. daß sie sich selbst ad absurdum iübrt.

Es ist ein geschichtliches Verdienst des Herrn Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, daß er in klarer Erkenntnis der Gefahr eine einjährige Pause kür die Zahlungen der politi­schen Schulden vorgeschlagen und erreicht hat. Als Vertreter Deutschland liegt mir daran, auch von dieser Stelle aus. die Großzügigkeit des Hoover-Planes und die Erleichterung, die er iür mein Land gebracht bat. anzuerkennen. Aber das Feierjahr schafft nur eine vorübergehende Atempause. Von verschiedenen Vorrednern ist mit aller Deutlichkeit die Notwendigkeit betont worden, daß das Problem der internationalen politischen Zah­lungen im Allgemeinintereße eine Gesamtlösung erfordere, dir der Krise wirklich ein Ende mache. Das ist die große Aufgabe, vor die die Welt sich gestellt siebt. Internationale Zusammenarbeit auf diesem Gebiete kann selbstverständlich nur dann Erfolg haben, wenn jedes Land iür sich alle ihm gegebenen Möglichkeiten für die Ueberroindung der Krise erschövft. Ich kann iür die deutsche Regierung in Ansvruch nebmen. daß sie dies getan hat and daber auch nicht vor den ernstesten Maßnahmen und Eingriffen zu­rückgescheut ist. Das berechtigt mich nicht nur im Interesse meines Landes, sondern in gleichem Maße auch im allgemeinen Inter­esse die Forderung zu stellen, daß das, was auf diesem Gebiete nur durch internationale Zusammenarbeit bewirkt werden kann.