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SchwarzivSwer Tageszeit««, „Ans de» Tannen
Nr. 9
Neues vom Tage
Skuhrschiedsspruch für verbindlich erMrt ^ Berlin, 12. Za«. Z« der Lohnstreitigkeit i« Ruhr» kohlenbergbau hat der Reichsarbeitsminifter de« Schiedsspruch vom 10. Zanuar 1931 im öffentlichen Interesse für verbindlich erklärt.
Brüning im Zentrumsvorstand Berlin, 12. Jan. Reichskanzler Dr. Brüning nahm heute an einer wichtigen Sitzung des Zentrumsvorstandes teil, die sich mit der politischen Lage und den nächsten Ausgaben der Regierungspolitik beschäftigten.
Die Besprechungen über das Osthilfegesetz Berlin, 12. Jan. Wie wir erfahren, wurde in der Besprechung, die unter dem Vorsitz des Reichsministers Treviranus stattfand, das Osthilfegesetz, das vom Reichskabinelt am 19. Dezember grundsätzlich beschlossen worden ist, in seine« Einzelheiten durchberaten. An der Besprechung nahmen wie üblich, die Vertreter der beteiligten Ministerien des Reiches, der preußischen Regierung, der Reichsbank und der Preußenkasse teil. Der Gesetzentwurf wird nun aur Grund der heutigen Besprechung noch einmal durchgearbeitet und dann den gesetzgebenden Körperschaften zugeleitet. Sa viel gilt als sicher, daß der bekannte Silberbergsche Vorichlag. der eine Verewigung der Jndustriebelastung bedeuten würde, dem Inhalt des Gesetzes nicht zugrunde liegt.
Ein polnischer Flieger stark belastet LerN», 12 Ion. Durch das Ergebnis der bisherigen Untersuchung über die Landung der beiden polnischen Militärflieger in Oppeln find dem „Lokalanzeiger" zufolge, soweit bis jetzt feststeht die Polen schwer belastet. Die UntersuchungskommPion die aus Offizieren der zweiten Kavalleriedivision bestehr har im Gegensatz zu den Angaben des polnischen Fliegerpiloten Wolf einwandfrei sestaestellt, daß der Kompaß in dem Fllhrerflugzeug vollkommen intakt war. Inzwischen find auch Zweifel dirüber »ufgetaucht, ob die Angaben des polnischen Fliegers Mali, eaß er in Krakau in Garnison stehe, den Tatsachen entsprechen. Man oermutet vielmehr, daß Wolf in Kattowitz bei den dortigen Fliegern garnisoniert ist. Weiterhin steht fest, daß Wolf un- «ittelbar nack seiner Festnahme durch den wachthabenden Reichsvehrobergefreiten an diesen die Frage richtete: „Ist Reichskanzler kriining heute >n Oppeln?" Diese Frage läßt klar erkennen daß »er polnische Flieger genau wußte, daß er sich über Oppeln und eicht, wie er später angab, über Thorn befand. Die anderen An- laben, daß er die Oder mit der Weichsel verwechselt habe, werden »amit auch unwahrscheinlich
Verbot einer Rekchsbanuerversammlung in Weimar Weimar, 12. Jan. Die Ortsgruppe Weimar des Reichsbanners satte für heute abend eine Versammlung in das Stadthaus »nberusen Die thüringische Polizeidirektion verbot jedoch diese Serfammlung mit der Begründung, daß bei der zur Zeit be- tehenden politischen Hochspannung mit schweren Ausschreitungen «rechnet werden müßte.
Folgenschwerer Zusammenstoß — Vier Verletzte
Dortmund, 13. Jan. Montag abend stieß ein Straßendahnzug der Linie 3 mit einem Lastkraftwagen mit Anhänger zusammen. Der Führer des mit großer Geschwindigkeit fahrenden Lastkraftwagens ließ das Vorfahrtsrecht der Straßenbahn außer Acht und wollte noch vor der Straßenbahn die Hohestraße kreuzen. Dies gelang ihm jedoch nicht und mit voller Wucht sauste der Lastkraftwagen gegen die vordere Plattform der Straßenbahn. Der Führer j der Straßenbahn erlitt schwere Fußverletzungen und wurde . dem Krankenhause zugeführt; drei Fahrgäste, die auf der Plattform standen, erlitten gleichfalls Fußverletzungen und durch Elassplitter Schnittwunden im Gesicht. Der Straßenbahnverkehr war für einige Zeit unterbunden und mußte umgeleitet werden. Der Lastkraftwagen, der nur leicht beschädigt wurde, konnte seine Fahrt fortsetzen.
Roman von I. Schneider-Förstl Nachdruck verboten.
3. Fortsetzung.
„War er nicht lieb zu dir?" Voll Zorn und Angst Wiederholte Hanna ihre Frage und ließ ihren Liebling dabei nicht aus den Augen.
„O doch!" sagte Elisabeth. „Warum sollte er nicht?"
Sie band eine große weiße Schürze vor und sah abwesenden Blickes, wie die Alte an dem großen Herd Ringe zur Seite schob. Hannas Körperfülle wies trotz der meist sehr schmalen Kost eine beneidenswerte Rundung auf. Sie aß eben alles, das Wählerischsein hatte sie sich längst abgewöhnt. Die besten Stücke bekam der Baron, für Elisabeth wanderte immer noch ein geheimer Teller voll beiseite. Das stellte Hanna dann so zufällig in die Speisekammer und die kleine Liese fand es als Vesperbrot. Dann lachten Hannas Augen aus dem noch immer faltenlosen, gesund geröteten Gesicht. Und sie konnte ganz erbost werden, wenn das Kind nicht alles essen wollte.
„Hanna!"
„Ja, mein Kindchen!"
„Wenn ich nur wüßte, woher ich Geld nehmen könnte!"
„Geld? — Du heiliger Gott! Wozu brauchst du Geld?"
Elisabeth lachte und legte von rückwärts beide Arme um ihren Hals. „Wozu braucht man denn Geld? — Zum Kaufen? — Nicht?"
„Ja, wahrhastig, zum Kausen, ja! Was willst du denn kaufen, kleine Liese?"
„Mein Brautkleid!"
„Kein seidenes, Hanna! Ganz einfach darf es sein. Ander Schleier — nicht gestickt — weißt du, so einer käme zu teuer, und Myrten, ach Myrten haben wir selbst. Meine Stöcke blühen so reich. Hanna, sag' doch, wird's für ein Brautkleid reichen?"
„Ja, Kind, ja! Ueber Jahr und Tag legt sich der Pfennig zum Pfennig, 's wird eine Mark draus, und werden ihrer zwei und mehr."
Keine Auflösung der Reichsbannergruppe Gera Berlin, 12. Jan. Die Reichsregierung sieht nach eingehender Prüfung den Tatbestand des Reichsgesetzes vom 22. März 1921 zur Durchführung der Artikel 177, 178 des Versailler Vertrages durch die Betätigung der Ortsgruppe Gera des Reichsbannes Schwarz-Rot-Gold nicht als erfüllt an und hat sich daher nicht entschließen können, dem thüringischen Ministerium des Innern die Genehmigung zur Auslösung der Ortsgruppe zu erteile«.
Im Ruhrbergbau alles zur Arbeit erschiene«
Essen, 12. Jan. Soweit bisher festgestellt werden konnte, hat sich der auf der gestrigen Konferenz des R E.O in Duisburg gefaßte neuerliche Streikbeschluß nicht auswirken können, da die Bergarbeiterjchaft des Ruhrerbgbaues zur heutigen Morgenschicht vollzählig eingefahren ist.
Opfer der Kälte in China
Schanghai, 12. Jan. Ueber ganz China ist «in derart strenger Winter hereingebrochen, wie er seit Menschengedenken nicht zu verzeichnen war und bereits Hunderte von Opfern unter der ärmeren Bevölkerung gefordert hat. In Chardin sank das Thermometer auf 48 Grad unter den Gefrierpunkt. Peking wurde von einem überaus heftigen Schneesturm beimgesucht. In Tientsin verzeichnet man bis jetzt mehr als 3V Todesopfer. Der Peiho- Flutz ist binnen einer Nacht zngeiroren und Kat den Hakenverkehr von Tientsin völlig lahmgelegt wo über 28 Kiistendamvker im Eise eingeschlosfen liegen. Auch Mittelchina wurde von einem Schneesturm beimgesucht, der so gut wie sämtliche Verkedrsver- bindungen unterbrach.
Schwere Schueeftiirme in Japan Loki», 12. Jan. Ganz Japan wird von heftigen Schneestiir- men heimgesucht, die bereits ungeheuren Schaden angerichtet haben. Der Verkehr ist an vielen Stellen unterbrochen. Zahlreiche Personen wurden getötet und verletzt. In der Hauptstadt herrscht strenge Kälte. Man befürchtet, daß viele Schiffe auf See untergegangen find.
Aus Stadt und Land
Altensteig, den 13. Januar 1931.
Amtliches. Der Herr Staatspräsident hat den Obersekretär Berger in Freudenstadt, zur Zeit Rotarstellver- treter in Unterboihingen, zum Bezirksnotar in Bodels- hausen ernannt.
Wiirttembergische Volksbühne. Wir verweisen nochmals auf den am 17. Januar 1931, abends 8 Uhr in Nagold im „Löwensaal" stattsindenden heiteren Klasstkerabend. Zur Ausführung gelangen „Die Mitschuldigen", Lustspiel in drei Aufzügen von Goethe, in der Inszenierung des Intendanten Hans Herbert Michels und den Darstellern Erna Pyr- kosch, Kurt Bittler, Hans Neumeister, Kurt Rasche und Hans Röhr, sowie „Der zerbrochene Krug", Lustspiel in 1 Aufzug von H. v. Kleist in der Inszenierung von Hans Neumeister, mit dem Intendanten Hans Herbert Michels in der Rolle des Dorfrichters Adam, und den Damen Burkhardt, Gittinger, Pyrkosch, Schumann und Steinberg und den Herren Bittler, Böttcher, Jeglinger, Rasche und Röhr. Bühnenbilder Erik Homann-Webau. Kostüme Landestheater Stuttgart. Vorverkauf Vuchdruckerei Zaiser und Buchhandlung Klumpp, Nagold.
— Schiilerserienkarten. Nach einer am 1. April 1930 i« Kraft getretenen Aenderung der Tarifbestimmungen de» Reichsbahn werden Schülerferienkarten nur zum Beginn und am Schluß des Schuljahres sowie zum Beginn and am Schluß größerer Ferien (von mindestens 7 Tagen Dauer! ausgegeben. Für die Psingstferien werden bis auf weiterem ohne Rücksicht auf ihre Dauer ausnahmsweise ebenfalls Schülerferienkarten gewährt.
HSngt jetzt Fliegenfänger auf! Wir werden gebeten, darauf aufmerksam zu machen, daß in den geheizten Räumen unserer Wohnungen, besonders aber auch in den Viehställen, jetzt die eierträchtigen Weibchen überwintern. Diese wegzufangen ist viel wichtiger als die übliche Massenvertil- gung der Fliegen im Hochsommer. Die Fliegenjagd kann den ganzen Winter über mit gutem Erfolg und viel rationeller betrieben werden.
Calw, 12. Januar. (Bürgermeisterwahl in Monatam.) Bei der am letzten Samstag stattgehabten Bürgermeisterwahl in Monakam erhielt E. Volle 74 Stimmen und Joh. Weber 63 Stimmen. Der bischerige Ortsvorsteher Kusterer tritt vor Ende seiner Amtszeit zurück. E zieht im Februar nach Rorddeutschland, wo er ein Gut gekauft hat. Die Bürgerschaft steht ihn ungern scheiden, war er doch mit Rat und Tat allezeit hilfsbereit, und wünscht ihm und seiner Familie alles gute in der neuen Heimat.
Kniebis, 12. Januar. Gestern nachmittag um V»5 Uhr stieß zwischen „Waldhorn" und „Ochsen" ein Freudenpädter Personenkraftwagen und ein Wagen des Stuttgarter Kraftverkehrs zusammen. Der Personenkraftwagen wurde sehr stark beschädigt. Eine Insassin wurde durch Elassplitter a« der Stirn erheblich verletzt und mußte ins Krankenhaus verbracht werden, wo sie genäht wurde. Die übrigen Insassen kamen mit dem Schrecken davon. Eine Schuld scheint keinem Fahrer beizumessen sein.
Freudenstadt, 12. Januar. (Das lieb« Fräulein aus der Residenz. — Betrügereien eines Hausierers.) Ein hiesiges Dienstmädchen sprach dieser Tage in Stuttgart auf der Treppe eines großen Kaufhauses eine Unbekannte an und bat diese um eine Auskunft. Bereitwilligst wurde ihr die Auskunft erteilt, ja das Fräulein war so liebenswürdig, sie durch das Kaufhaus zu sichren, und sie auch noch nachher in ein Kaffee und auf den Bahnhof zu begleiten. Da angeblich ihre Herrschaft verreist sei, sie somit einige Tage Urlaub habe und sich in Stuttgart langweile, ist sie sogar noch mit nach Freudenstadt gefahren. Kaum hier angekommen, vermißte sie aber schon ihren Geldbeutel mit 588 -K Inhalt. Das Schlimmste an der Sache war, daß das Geld angeblich nicht ihr selbst, sondern ihrer Herrschaft gehöre und sie damit hätte Rechnungen bezahlen sollen. Sie jammerte erbärmlich und getraute sich nicht mehr heim, bis sich ihre Bekannte erbarmte, auf der Sparkasse von ihrem sauer ersparten Gelbe 398 abhob und ihr aushändigte. Sie versprach, das Geld sofort wieder zu schicken, denn sie habe in Stuttgart auf einer Sparkasse über 2888 -K angelegt. Auffallend rasch und ohne sich weiter um den Verlust der 508 -tl zu bekümmern, reiste sie nach Empfang des Geldes wieder ab. Die Hereingelegte selbst zeigte den Verlust nachher beim Fundamt an und wurde dort belehrt, daß sie nach Sachlage wahrscheinlich einer Betrügerin in die Hände gefallen sein dürfte. Die sofort eingeleiteten Fahndungsmatznahmen haben diesen Verdacht in vollem Umfange bestätigt. Die Täterin hat in Stuttgart bald ergriffen und ihr noch 388 -1l abgenommen werden können. Sie hat mit diesem Trick schon länger gearbeitet, und in letzter Zeit schon mehrere Opfer auf die gleiche Weise geschädigt Und soll auch schon erheblich vorbestraft sein. — Wiederholt haben sich in letzter Zeit hiesige Geschäftsleute darüber beklagt, dah sie ein Bürstenhaufierer, mit Erfolg, zum Abkauf seiner Waren animierte, indem er ihnen die Lieferung der Aussteuer seiner Schwester, die demnächst heirate, versprochen habe. In allen Fällen ist aber trotz des großen Einkaufes ein diesbezüglicher Auftrag ausgeblieben. Es wird daher vor diesem Hausierer gewarnt.
Birkenfeld, 12. Januar. (Ehrung eines verdienten Lehrers.) Der Gemeinderat hat einer Straße, an der von der Gemeinnützigen Ballgesellschaft „Auf der kleinen Höhe" Wohnhäuser erstellt werden und die zukünftig von der Eräfenhäuserstraße bis zur „Sonne" führt, zu Ehren des verstorbenen früheren Oberlehrers Eöhner (Vater von Bürgermeister Eöhner in Calw) den Namen „Göhner- straße" gegeben. Mit dieser Straße soll der Name des Dichters des Birtenfelder Heimatliedes „Mein Birkenfeld, wie bist du so schön", der mit seiner Familie dort zu größtem Nutzen und Segen der Gemeinde lange Jahre gewirkt hat, der Nachwelt überliefert werden.
„Es müßte bald sein, Hanna!"
„Bald! Herr Jesus!"
Das Schmalz auf der Pfanne fing Feuer und brannte lichterloh. Elisabeth erschrak. Hanna noch mehr. Das gute Schmalz! So rar, so kostbar, und so wenig im Topf.
Wie die Laute sich in Hannas Ohr schmeichelten — und klangen doch wie Donnerwetter in ihr Herz, als Elisabeth nun gestand: „In vierzehn Tagen bin ich Frau Doktor Reichmann!"
„Liese!"_
,M will's so haben!"
Hanna blies mit breitgezogenen Lippen ihre Finger, welche dem Schmalzbrand zu nahe gekommen waren. „O Gott, o Gott, dieser Doktor Reichmann mit seinem Eisenkopf!" Da hatte man's nun!
Hanna, wenn ich in vierzehn Tagen seine Frau nicht werden kann, werde ich es vielleicht nie mehr. Er geht fort. Wer weiß, ob er wiederkommt — und ich habe ihn so lieb, Hanna!"
„Fort will er, dein Doktor? Wohin denn, mein Kindchen? Nach Afrika! Hu! Zu den Wilden! Herr Jesus! Will er dich etwa gar mitnehmen?"
„Nein!"
Hanna atmete auf, wenn er ihr nur das Kind ließ, durfte er selber gehen, so weit er wollte. Da mußte er natürlich noch Hochzeit mit Liese machen. So ein Mann, der war wie ein Sieb! Guckten fünfzig Mädels zu den Löchern hinein, machte er jeder schöne Augen und rüttelte sie, wenn es ihm nimmer paßte, daß keine hängenblieb, und ihr Kind, das sollte sich nicht die Augen rot weinen. Schlimm genug, wenn er so weit weg war! Man sollte einem Eheherrn nicht weiter trauen, als um die nächste Häuserecke.
„Wenn nur Vater es wüßte! — Wenn er nein sagt, Hanna?"
„Sorge dich nicht, Liese, ich bringe es ihm bei. Natürlich, auf einmal darf man es nicht sagen. Alle Heiligen, gab' das ein Wetter! Und bis er es erfährt, der Zeit schaffe ich dir das Brautkleid und ein bißchen Wäsche und was man so braucht und . . ."
„Rein, Hanna, nein! Keinen Pfennig von deinem Geld! Ich tu's nicht! Er nimmt mich auch so! Ohne alles? Ich dachte nur. Hanna, wenn du mir raten könntest, woher
ich's nehmen soll. Haben wir nichts mehr zu verkaufen an Obst und so . .
Ein schrilles Klingelzeichen unterbrach die Rede. Elisabeth sprang auf! Ihr Gesicht war ganz blaß geworden.
„Ich habe solche Angst, Hanna!"
„Laß nur, kleine Liese, wird alles wieder recht. Ist schon so vieles recht geworden! — Sag', daß der gnädige Herr in einer Viertelstunde essen kann. Und sag' dem Friedrich, er soll kommen und servieren."
Sie wandte sich eilig nach dem Herd und nickte Elisabeth im Hinausgehen ermunternd zu.
„Sund und Schande", murmelte sie. „Das einzige Kind und muß den Vater fürchten!"
*
Elisabeth wischte sich die letzten Tränenspuren von den Wimpern, atmete ein paarmal aus aller Tiefe und lies dann hastig die Treppe zum ersten Stock hinauf.
„Na, na, na, na! Willst mich wohl über den Haufen rennen, du Wildfang!"
Baron Mertens Hünengestalt kam ihr von oben entgegen.
„Verzeih, Vater, ich habe dich nicht gesehen!"
„Natürlich nicht! Habe ich schon gespürt! — Wo willst du denn hin? — Zu mir? — Na also, dann komm' Friedrich ist so gut wie vom Erdboden verschwunden. Da läute und klingle ich in alle Ewigkeit für die Katz! Hat die Hanna was zu essen? — Was Ordentliches? — Ich habe Hunger. Nimm mir dann die Stiefel herunter, Liesl, und bringe mir meinen bequemen Hausrock und wenn du noch eine Zigarre findest irgendwo. Aber eine gute! Sonst kann ich auch darauf verzichten."
Mit schwerem Schritt trat er in das einfach möblierte Eßzimmer. Der bequeme Lehnstuhl krachte unter der Bürde seines Leibes. Er streckte die mit schweren Schaftstiefeln bekleideten Füße weit von sich und fuhr einige Male glättend durch den noch immer dichten dunklen Vollbart. Dabei streiften seine Augen — genau dieselben, wie sie in dem Gesichte seiner Tochter standen — ungeduldig durch den Raum. Mertens Gesicht war gesund und gerötet und von starken, knochigen Formen. Alles an diesem Manne war massiv. Nichts störte die Harmonie! Es paßte alles zusammen.
(Fortsetzung folgt.)