AMN. Anzeiger siir die Bezirke Ragnlk. Calw ». Sreudesstadt — Amtsblatt skr de» Bezirk Ragald«. Meaitein-Stadt
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Altenfteig, Donnerstag den 18. Dezernver 1830
53. Jahrgang
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Ae KabineMrratungrn am Mittwoch
Amtliche Feier des Reichsgriindungstages — Graf Bern-- ftorff berichtet — Die Reichskanzlei zieht um
Berlin» 17. Dsz. Das Reichskabinet hat sich heute nachmittag u. a. mit der Frage beschäftigt, wie am 18. Januar die KVjährige Wiederkehr der Reichsgründung gefeiert werden soll. Wie wir hören, ist eine amtliche Feier geplant, die etwa denselben Charakter trägt, wie die üblichen Verfassungsfeiern am 11. August. Ursprünglich war wohl der Gedanke erwogen, die Ministerpräsidenten der Länder besonders nach Berlin einzuladen' mit Rücksicht auf die Kosten hat man davon Abstand genommen. Die Hauptfeier wird im Reichstage stattfinden, und zwar wahrscheinlich unter Teilnahme des Reichspräsidenten.
Mit der Preisfrage für Markenartikel hat sich das Kabinett heute noch nicht beschäftigt, dagegen hat Graf Bern- ftorff in einer Ministerbesprechung über die Abrüstungs- Verhandlungen berichtet. Die Besprechung galt naturgemäß der Vorbereitung der morgigen Sitzung des Auswärtigen Ausschusses.
Vor Weihnachten wird nun am Freitag noch eine Kabinettsberatung statts.nden. Es wird nicht nur die letzte dieses Jahres sein, sondern auch die letzte in dem alten Gebäude der Reichskanzlei. Zwischen Weihnachten und Neujahr wird der Erweiterungsbau bezogen werden, der irun fertiggestellt ist.
Besprechung zwischen dem Reichskanzler und dem Parteiführer der Deutsche» Volkspartei
Berlin, 17. Dez. Der Parteiführer der Deutschen Volksvartei, Abgeordneter Dingeldey, ist auf seinen eigenen Wunsch vom Reichskanzlei Dr. Brüning empfangen worden. In der längeren Unterredung wies Abgeordneter Dingeldey insbesondere auf den von der Reichstagsfraktion der Deutschen Volkspartei gestellten Antrag hin, in dem bekanntlich weitere Ersparnisse im Reichshaushalt für 1SS1 gefordert werden. Dieser Antrag sei auf Grund sorgfältiger Erwägungen über die gesamte finanz- und wirt- fchaftspolitische Frage festgestellt worden und drücke den bestimmten Wunsch der Deutschen Volkspartei aus, unter allen Umständen den neuen Reichshaushaltsplan vor jeder Gefahr zu bewahren. Die Deutsche Volkspartei sehe die innen- und außenpolitischen Folgen einer durch Konjunkturschwankungen eintretenden Gefährdung des Reichshaushalts als so schwerwiegend an, daß sie unbedingt auf der rechtzeitigen gesetzlichen Sicherstellung der von ihr beantragten Einsparung bestehen müsse. Die Besprechung ist nicht endgültig abgeschlossen, vielmehr sind noch für die Zeit nach Neujahr weiter Besprechungen über diese und die schwebenden Fragen der Gesamtpolitik vorgesehn.
Die Me m Epmnen
Paris, 17. Dezember. Nach einer Nachricht des Sonderberichterstatters der Zeitung „La France de Bordeaux" aus Hendaye sollen aus Madrid angekommene Reisende erklärt haben, daß in der Hauptstadt völlige Ruhe herrsche und der Straßenverkehr normal sei. An den Hauptplätzen der Stadt ständen Militärposten. In Santander dauere der Streik an. Die am Motttag in Madrid verfügte allgemeine Mobilisierung soll 320 000 Mann umfaßt haben. Nach den Unruhezentren in der Provinz seien Truppen abgesandt worden mit dem Befehl, die Ruhe um jeden Preis aufrecht zu erhalten. Die spanische Regierung soll die Auslieferung des spanischen Fliegermajors Franco beantragt haben mit der Begründung, er habe Militärflugzeuge entwendet und mit diesen fremdes Gebiet, nämlich Portugal, überflogen.
Wie Havas aus Madrid berichtte, hat dort eine Besprechung spanischer Führer stattgefunden. Nach dieser Besprechung wurde den Journalisten mitgeteilt, daß die betreffenden Persönlichkeiten hinsichtlich der politischen Lage in Spanien übereinstimmend der Ansicht seien, daß es angesichts der gegenwärtigen Vorkommnisse nicht mehr möglich sei, ohne Einberufung der Kammer die gegenwärtige schwierige Lage zu lösen.
Marokkanische Truppenverstärkungeu für Madrid Paris, 17. Dez. Aus Madrid wird berichtet, daß ein Bataillon spanischer Fremdenlegionäre und eine Abteilung marokkanischer Zivilgard« vorgestern abend in Algeciras gelandet und nach Madrid befördert wurde. Weitere Abteilungen würden erwartet. Die regulären Regimenter sollen über die Ankunft der marokkanischen Truppen die doppelten Sold erhalten, unzufrieden sein. In Algeciras ist das Staudrecht verhängt worden. Zahlreiche Verhaftungen wurde» v»r g »« a mm«» .
Ae Gewalttaten m Nreft-Mwsk
Interpellation u-nen Porgänze in Brest-Litows!
Warschau, 17. Dez Wenige Minuten vor Schluß der heutigen Nachtfitzung des Sejms wurde von den Abgeordneten der Zentro- linken Partei eine Interpellation eingebracht, in der die furchtbare Behandlung der im Militärgefängnis von Brest-Litowsk eingekerkerten oppositionellen Politiker geschildert wird. Die Interpellation betont, daß die oppositionellen Führer in geschlossenen Wagen in unbekannter Richtung verschleppt wurden. Aus der Fahrt wurden sie beschimpft und bedroht. Etwas spater blieb das Auto in einem Walde stehen und der sozialistische Führer Dr Liebermann wurde mit Kolbenstoßen in den Wald getrieben. Er wurde dann entkleidet und nochmals geschlagen, so daß er über 26 blutige Wunden davontrug. Gleichzeitig rief man ihm zu„Du Haft es gewagt, Deine Stimme gegen den Herrn Marschall zu erheben."
Im Gefängnis wurden die Gefangenen von wachthabenden Offizieren und Gendarmen mit den gemeinsten Schimpfworten belegt. Der Abgeordnete Popier wurde eines Nachts in -men dunklen Raum gesperrt und von zwei Gendarmen auf einen Tisch geworfen. Dann legte man ihm ein nasses Tuch aus den Rücken und versetzte ihm mit einem eisernen Stäbchen 36 Hiebe. Popiel verlor dabei die Besinnung. Ebenso wie Popier find auch noch Korfanty und der Bauernabgeordnete Baginski verprügelt worden.
Der Eefängniskommandant, Oberst Biernacki, erklärte Dr. Liebermann, daß das Schicksal der Gefangenen vom Befehl des Marschalls Pilsudk' abhänge.
Weiter bestätigt die Interpellation die schon vom polnischen Richterspruch gemeldeten Scheinrichtungen. Die Unterzeichneten fragen zum Schluß, was der Ministerpräsident zu tun beabsichtige, um die Schuldigen der verdienten Strafe zuzuführen — Die Interpellation erregt natürlich ungeheures Aufsehen, wird aber nur in einem Teil der heutigen Morgenpresse veröffentlicht.
Der Sejm geht in die Weihnachtsserieu
Warschau, 17. Dez. Der Sejm hat heute nacht seine Beratungen beendet. Die nächste Sitzung wird erst in der ersten Januar- Hälfte stattsinden.
Neues vom Tage
Verschärfte Waffenbestimmungen Berlin, 18. Dezember. Der Reichsminister des Innern hat, der „Vossischen Zeitung" zufolge, dem Reichsrat den Entwurf eines Gesetzes gegen Waffenmißbrauch vorgelegt. Die entscheidenden Bestimmungen lauten u. a.:
Wer außerhalb seiner Wohnung, seiner Geschäftsräume oder seines befriedeten Besitztums eine Waffe führt, die ihrer Natur nach dazu bestimmt ist, durch Hieb, Stoß oder Stich Verletzungen beizubringen (Hieb- oder Stoßwaffen) wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr, wenn mildernde Umstände vorliegen, mit Geldstrafe bestraft. Wer gemeinsam mit anderen zu politischen Zwecken an öffentlichen Orten erscheint und dabei bewaffnet ist, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft.
Die Führer -er «Grünen Front" beim Reichspräsidenten Berlin, 17. Dez. Der Herr Reichspräsident empfing heute die Führer der „Grünen Front", Graf Kalckreuth, Dr. Brandes, Dr. Hermes Dr. Fehl- und nahm von ihnen einen gemeinsamen Bericht über die ernste Lage der deutschen Landwirtschaft, insbesondere der bäuerlichen Veredelungswirtschaft, entgegen.
Die Denkschrift über die Besteuerung der Kraftfahrzeuge vom Reichskabinett genehmigt Berlin, 17. Dez. Das Reichskabinett genehmigte in feiner heutigen Sitzung die seinerzeit von dem Reichstag gewünschte Denkschrift über die Besteuerung der Kraftfahrzeuge. Die Denkschrift wird dem Reichstag alsbald zugeleitet und als Reichstagsdrucksache der Oeffentlichkeit zugänglich gemacht. Gleichzeitig wurde beschlossen, es grundsätzlich Lei der derzeitigen Regelung einweilen zu belasten, jedoch unter Einführung der in der Denkschrift vorgefchlagenen Aenderungen.
Neue französische Kabinettskrise in Sicht Paris, 17. Dez. Die nationalistische Zeitung „L'Ordre" will erfahren haben, daß, wenn am Donnerstag die Sozialisten für das Kabinett stimmen sollten, wenigstens zwei Mitglieder der Regierung, der llnterstaatssekretär im Ministerium des Innern, Loty, und der Penfionsminister Thoumire, zurückzutreten beabsichtigen sollen, weil sie nicht einer Kombination angehören wollten, die sich auf das ehemalige Kartell der Linken stützt. Sie hätten sich in diesem Sinne mehreren Mitgliedern der Fraktion der Linksrepu-
Die Pirmasenfer Bombenfundc Pirmasens, 17. Dezember. Zu den Vombenfunden bei Pirmasens, über die wir vor einigen Tagen berichteten, werden jetzt noch folgende Einzelheiten bekannt. Die Bomben stammen aus Beständen einer bei Winzeln in der Pfalz stationiert gewesenen Fliegerabwehrbatterie. Kurz vor dem Einmarsch der Franzosen im Herbst 1918 waren die Granaten in einem Weiher bei Winzeln versenkt worden. Dieser Weiher wurde später von einem Kommunisten gepachtet und nach den Granaten abgefifcht. Die Kommunisten arbeiteten die gefundenen Granaten in hochexplosible Bomben um. In dem Weiher sollen sich noch weitere Granate« befinden. Weiter wurden bei den von der Polizei vorgenommenen Haussuchungen in Pirmasens zahlreiche Revol« ver, Totschläger und andere Stich- und Hiebwaffen gefunden.
In Neustadt a. d. H. wurden heute bei einer Haussuchung bei Kommunisten zwei Granaten gefunden. Auf dem Exerzierplatz in Zweibrücken wurde heute nachmittag von der Polizei die Entladung der in Pirmasens gefundenen Bomben vorgenommen. Es wurde festgestellt, daß die Bomben eine große Sprengwirkung aufwiejen.
Schwerer politischer Zusammenstoß in Neustadt a. d. H.
Neustadt a. d. H.» 18. Dezember. Mittwoch abend kam es in der hiesigen Turnhalle gelegentlich einer sozialdemokratischen Versammlung zu einer schweren Schlägerei zwischen Nationalsozialisten und sozialdemokratischen Versammlungsteilnehmern. Ein Nationalsozialist, der eine« Revolverschutz abgefeuert haben soll, wurde so zugerichtet» daß er mit lebensgefährlichen Verletzungen darniederliegt. E,n Versammlungsteilnehmer erhielt einen Messerstich in den Unterleib. Zahlreiche weitere Anhänger beider Parteien wurden mehr oder weniger schwer verletzt.
Weitere Vankschließungen in Amerika Rewyork, 17. Dezember. Nach hier vorliegenden Meldungen haben heute weitere zwanzig Banken ihre Zahlungen eingestellt. Es handelt sich ausschließlich um kleiner? Provinzbanken, von denen sich zehn im Staate Arkansas befinden.
Sitlerversammlung in Magdeburg verboten Magdeburg, 17. Dez. Die für Donnerstag, den 18. Dezember geplante Kundgebung der Nationalsozialisten, in der Adolf Hitler sprechen sollte, sowie die am gleichen Tage geplanten Eesen- kundgebungen des' Reichsbanners und der Kommunisten sind vom Polizeipräsidenten verboten worden. Das Verbot erstreckt sich sowohl auf Versammlungen unter freiem Himmel, wie auch in geschlossenen Räumen.
Das Alkoholverbot in Amerika verfassungswidrig? Reuyork, 17. Dez. Der Bundesbezirksrichter Clark in Newark (Neujersey) hat eine Entscheidung gefällt, wonach die 18. Ver- iassungsergänzung, die das Alkoholvcrbot enthält, ungültig je«. In der Begründung zu dieser Entscheidung, die größtes Aufsehen erregt, heißt es, eine Ergänzung zur Verfassung könne nur von einem verfassungsmäßig einberufenen Konvent, aber nicht von den gesetzgebenden Körperschaften der einzelnen Staaten ratifiziert werden. Richter Clark beruft sich dabei auf etwa 160 Autoritäten.
Revolutionäre Erhebung in Guatemala Reuyork, 17. Dez. Associated Preß meldet aus Mexiko: Aus Guatemala sind Funkmeldungen eingetroffen, denen zufolge dort gestern eine bewaffnete Erhebung ausgebrochen ist. In de« Straßen der Stadt ist es zu Feuergeiechten gekommen.
Zerstörungen an Fernleitungen Berlin, 17. Dez. Umfangreiche Zerstörungen sind in der vergangenen Nacht von Kupferdieben auf der Strecke zwischen Bernau und Melchow au der Settiner Bahn angerichtet worden. Es wurden in einer Ausdehnung von 2 Kilometern von 38 Telegraphenstangen die Bronzedrähte der Fernleitung abgeschnitten. Die Drähte haben ein Gesamtgewicht von über 36 Zentnern. Es scheint, daß verschiedene Banden sich zusammengant haben, denn es ist ausgeschlossen, daß wenige Personen die Riesenmenge Draht hätten sortschasfen können.
Italienischer Eeschwaderslug nach Brasilien Orvetello, 17. Dez. Zwölf Wasserflugzeuge sind am Mittwoch früh 7.15 Uhr unter dem Befehl des Lustfahrtministers Bald» zum Fluge nach Brasilien aufgestiegen. Das Ziel des ersten Flugabschnittes ist die spanische Hafenstadt Cartagena.
Drangsale deutscher Missionare in China Hongkong, 17. Dez. Die der Basler Mission angehörenden deutschen Missionare Fischle und Walter aus Württemberg, die, wie gemeldet aus der Gefangenschaft chinesischer Räuber befreit wurden, sind heute in stark erschöpftem Zustande hier angekom- men. Sie sind halb verhungert und leiden an Malaria. Sie waren monatelang gezwungen, barfuß und schlecht gekleidet bei jedem Wetter von Ort zu Ort zu ziehen, wobei sie für den Fall eines Fluchtversuches wiederholt mit Erschießen bedroht wurden. Die Gefangenen wurden bei Nacht mit dem Hals und de» Fußen zusammengekettet. Sie übernachteten in Höhlen oder i»r Freien, stet s bewa ch t von dr ei bewaffn eten säubern. Die Flucht