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Aitensteig, Montag den 1. Dezember: 1330

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Ser Skandal von Genf

Di« Konferenz zur Behinderung des Friedens

Bisher sprach man allgemein von der Abrüstungskomödie i« Genf jetzt ist die Zeit gekommen, anstelle des Wortes Komödie das Wort Skandal zu setzen. Gleichzeitig mutz aber gefragt werden: Wie lange macht Deutschland den Skandal von Genf noch mit? Wie lange begnügt es sich mit Protesten gegen die kriegsverbrecherifchen Machinationen der Vor­bereitenden Abriistungskommisfion? Wann verläßt endlich der deutsche Hauptdelegierte, Graf Bernstorff, diese Stätte des Unheils?

Die Ereignisse der letzten Tage haben ganz unzweideutig gezeigt, daß Frankreich, England und Amerika gewillt find, ihre Rüstungen fortzusetzen und die im Versailler Vertrag festgesetzte These, dah Deutschlands Abrüstung de« Anfang einer allgemeinen Rüstungsbeschränkung darstellt, z» ver­letze«. Der Franzose Massigli, der Engländer Cecil und der Amerikaner Gibson haben es deutlich genug zum Ausdruck gebracht. Im Entwurf einer Abrüstungskonven­tion, an dem seit fünf Jahren gearbeitet wird, und auf der jetzigen 7. Tagung der Vorbereitenden Abrüstungskom­mission fertiggestellt wird, befindet sich als Ergebnis der Ab­stimmung vom 27. November ein französischer Zusatzpara­graph, der nichts anderes besagt, als daß die Entwaffnung Deutschlands ohne Rückwirkung auf den Gang der Rüstun­gen anderer Staaten bleibt. Dieser skandalöse Zusatzantrag wurde von dem französischen Delegierten Massigli, vor allen Dingen aber von dem englischen Hauptdelegierten Lord Ro­bert Eecil, zum Anlatz der Angriffe gegen Graf Bernstorff genommen, die an Gehässigkeit und Zynis­mus den Höhepunkt dessen darstellen, was die Geschichte der Diplomatie an ähnlichen Vorkommnissen zu verzeichnen hat.

Dabei verdient der Fall Cecil besondere Beachtung. Dieser führende englische Politiker, der seinem berühmten Vater, Marquis of Salisbury, alle Ehre macht, war bisher als ein eifriger Verfechter einer weitgehenden allgemeinen Abrüstung bekannt. Als ein solcher trat er im Herbst 1927 von seinem Ministerposten in dem konservativen Kabinett Baldwin zurück: er war mit der Taktik des konservativen Kabinetts in der Abrüstungsfrage nicht einverstanden Aus demselben Grunde legte er seinen Posten als englischer Völ- kerbundsdelegiertsr nieder. Erst die Arbeiter-Regierung Macdonald hat ihn zur aktiven politischen Tätigkeit zurück­gerufen. Es war anzunehmen, daß Lord Cecil als Beauf­tragter einer Linksregierung seine Friedensliebe besonders deutlich zum Ausdruck bringen würde. Es hat sich aber her­ausgestellt, daß er nicht umsonst während des Krieges Blockade-Minister war. Sein kriegerischer Geist ist plötzlich entflammt, und die Rolle, die er jetzt in Genf spielt, ist noch gefährlicher und peinlicher als die Rolle seines Vorgängers, des starrsinnigen und hartnäckigen Rüstungsfreundes Lord Lushendun.

Daß die siebente Tagung der Vorbereitenden Abrüstungs­kommission nur Enttäuschungen bringen würde, war zu er­warten. Aber man hatte allgemein angenommen, daß die Vertreter der Rüstungsmächte wenigstens den Schein wah­ren würden. Das haben sie aber nicht getan. Sie haben vielmehr die Maske abgsworfen und sich als das gezeigt, was sie in Wahrheit sind, nämlich Männer, die auf den nächsten Krieg hinarbeiten. Die Westmiichte wollen nicht ab- rüsten, die deutsche Abrüstung soll eine einseitige bleiben das ist der Sinn der letzten Genfer Beschlüsse. Daß der Vertreter Englands die Beschlußfassung mit böswilligen und verletzenden Bemerkungen an die Adresse Deutschlands be­gleitet hat, hat die Unerträglichkeit der Situation nur noch betont.

Der deutschen Delegation bleibt nichts anderes übrig, als Folgerungen aus den skandalösen Vorgängen in Genf zu ziehen.Gewisse Staaten, die dank der zahlenmäßigen und qualitativen Ueberlegenheit ihrer Waffen eine herrschende Stellung in der Welt einnehmen, sind fest entschlossen, ihre militärische Macht für keinen Fall zu vermindern. Die Vor­bereitende Abrllstungskommission deckt diese Tendenz." Mit diesen Worten, die der russische Volkskommissar des Aeuße- ren, Litwinow, auf seiner Heimreise in Berlin ausgesprochen hat, wird sich selb der verbissenste Sowjetfeind einverstan­den erklären muffen. Litwinow hat Genf vorzeitig ver­lassen, weil er dort nichts mehr zu tun hat. Der Augenblick scheint gekommen zu sein, wo der deutsche Hauptdelegierte dem Beispiel seines russischen Kollegen getrost folgen könnte, An einer Konferenz zur Behinderung des Friedens ist das Dentsche Reich nicht interessiert.

Die Geheimhaltung der Rüstungen beschlossen!

Senf, 28. Nov. Der deutsche Antrag auf Offenlegung des ge­samte« Rüstungsstandes beschäftigte den Vorbereitenden Abrü­stungsausschuß. Graf Bernstorff begründete den Antrag, der von der Erwägung ausgeht, daß die Abrüstungskonferenz nur dann irgend einen Erfolg haben kann, wenn zu Beginn der Konferenz genaue und vollständige Eingaben über den Rüstungsstand der einzelnen Staaten vorliegen. In den Beratungen wurde ei« fran­zösischer Antra« zur Frage der Publizität der Rüstungen im Rahmes der ALrüstungskonvention angenommen. Danach sollen die Regierungen lediglich verpflichtet werden, alljährlich die Summen aarugeben, die im abgelaufenen Jahr für die Unter­haltung, de« Kauf und die Herstellung des Landrüstungsmate­rials ausseseben worden sind. Gegen diesen Antrag stimmte« die Derterter Deutschlands, Italiens, der Vereinigten Staate«, Holland, Schweden, Rußland und Spanien.

Württembergischer Landtag

Büroersteuer angenommen Das Wohnungsbauprogramm

Stuttgart, 29. Nov. Der Landtag verabschiedete das Gesetz über die Bürgersteuer. Berichterstatter ist der Abg. Dr. Burger lDVp.). Abg. Winker lS.) meinte, es sei nicht ausgeschlossen, daß der Reichstag noch wesentliche Aenderungen am Gesetz vor­nimmt, namentlich hinsichtlich der Staffelung. Deshalb sei auf die Annahme der vorliegenden Entschließung großer Wert zu legen. Das Gesetz selbst lehnen wir ab. Abs. Dr. Häcker (BB.) weist die gegen das Gesetz erhobenen Einwürfe zurück Wir stim­men zu. Abg. Dr. Brücker (DBP.) wendet sich u. a. gegen den AusdruckNegersteuer",- eine ganze Reibe von Staaten mit frei­heitlichen Verfassungen, Amerika, Schweden und die Schweiz usw. haben eine solche Steuer in Form einer sog. Verwaltungs- abgabe. Er betont ihre erzieherische Aufgabe im Sinn größeren Verantwortungsgefühls. Ministerialdirektor Fischer hebt hervor, daß das vorliegende Ausführungsgesetz nicht mehr bringe, als was durch Reichsrecht vorgeschrieben sei. Die Angriffe gegen den Steuerverteilungsausschuß seien unbegründet und müssen zurück­gewiesen werden.

Es sprachen noch die Abg. Alb.Fischer (K.), Winker (S.1, Bausch (CbrVD.). Dr. Häcker (BB.). Abg. Rath (DBP.) und Kling (CbrVD.). Hierauf wird das Gesetz in zweiter und dann sofort in dritter Lesung angenommen. Dagegen stimmten Sozial­demokraten und Kommunisten. Die Entschließung findet ohne Widerspruch Annahme

Man gebt über zur Großen Anfrage der Abs. Schüler und Gen. (S.) an das Staatsministerium betr. den Wohnungsbau in Verbindung mit einigen kommunistischen Anträgen.

Abg. Schüler (S.) begründet die Anfrage. Das Reich will von 800 Millionen Mark, die bisher aus den Erträgnissen der Ee- bäudeentschuldungsstener jährlich für den Wohnungsbau zur Verfügung gestellt wurden, 400 Millionen für allgemeine Staats- bedürfnisse in Anspruch nehmen. Außerdem soll die Verwendung der Mittel für den Wohnungsbau beim Reich zentralisiert wer­den. Dadurch wird der Wohnungsbau in Württemberg sehr ge­fährdet, auch die Wirtschaftskrise verschärft. Der Mietwucher wird einmal Orgien feiern. Württemberg muß nun sein Woh­nungsbauprogramm auf die Hälfte kürzen. Der Redner bean­tragt, den Plänen des Reiches entgegenzntrete« der Wöhnunss- kreditanstalt im Jahr 1931 die gleichen Beträge zu geben wie i« diesem Jahr, die Deleibungsgrenre Mr Baugenossenschaften ber- aufzusetzen, von der geplanten Aufhebung des Wohnunssman- gelgesetzes in den württ. Gemeinden unter 50 000 Einwohner» abzusehe«

Staatspräsident Bolz beantwortet die Anfrage: Württemberg ist auch im Jahr 1930 im Wohnungsbau ein erhebliches Stück vorwärtsgekommen. Es wurden 29 Millionen Mark ausgegeben. 13,6 Millionen aus Steuermitteln, 13,6 Millionen ans Anleihen. Dazu kommen 2,8 Millionen Treubanddarlehen des Reichs. Im Ganzen wurden 9246 Neubauwohnungen finanziert. 1,3 Mil­lionen wurden für Instandsetzung alter Wohnungen ausgegeben. Seit Bestehen der württ. Wobnungsbauförderung wurden im Ganzen bisher 54VV0 Wohnungen erstellt. Die Bewirtschaftung des Wohnraums hat sich allmählich überlebt, doch die Mieter müssen weiter geschützt werden gegen willkürliche Kündigungen und Mietzinssteigerungen. Die Wohnungskreditanstalt ist in sich sehr gefestigt. Sie kommt auch nicht in Verlegenheit, wenn sie einmal keine Steue-rmittel bekommt. Vom Standpunkt des Woh­nungsbaues ist es mißlich, daß das Reich die Länder zwingt, die Hälfte der bisher für Wohnungsbau verwandten Mittel der Gebäudeentschuldungssteuer für den allgemeinen Finanzbedarf zu verwenden, um dafür die Realsteuern zu senken. Für Würt­temberg sind diese Bestimmungen allerdings etwas gemildert. Aber ein Hebel ist es, wenn man nun anfangen will, auch im Wohuungsbau von Berlin aus einzugreifen und einen General- plan von reichswegen aufzustellen. Nicht zu ertragen ist es, daß das Reich ans den gekürzten Wobnungsbaumitteln noch einmerl 40 Millionen für Siedlungszwecke im Norden beransnebmen will. Der Zwang des Reiches, möglichst kleine Wohnungen zu bauen, bat seine Bedenken aus sittlichen und hygienischen Grün­den. Einzimmerwohnungen lehnen wir ab. Die Banstoffpreise sind bereits zurückgesansen. Die Erhöhung der Darlehen be­schränkt die Zahl der Wohnungen. Bis jetzt bat die Württ. Wohnungskreditanstalt noch fast gar keinen Ausfall gehabt. Bei 17S Millionen sind es nur 504 Mark. Die Darlehenszinsen kön­nen wir allein nicht herabsetzen. Wir wollen keine Gewinne ma­chen, aber die Aktiv- und die Passiv-Zinsen müssen in einem ge­wissen Verhältnis bleiben. Der gute Ruf der Wohnungskredit­anstalt und ihre Kreditfähigkeit sind allgemein anerkannt. Wir hoffen auch für 1931 mit einem günstigen Ergebnis. Bestimmte Angaben kann ist beute noch nicht machen. Es muß die Entwick­lung im Reich und die Aufstellung des württ. Etats für 1931 abgewartet werden.

Abg. Andre (Z.): Die Kleinstwobnungen entsprechen nicht dem Sinne des Wobnungsbauprogramms, weil sie für Familien mit Kindern zu klein sind. Für die Altwohnungen darf vorerst keine weitere Erhöhung der Mietpreise stattfinden. Es muß ein Unter­schied zwischen Alt- und Neuwobnungen gemacht werden. Jetzt wird wieder billiger gebaut als in den letzten Jahren. Wer von 1924 bis 1930 baute, wohnt viel teurer, als wer jetzt erst baut. Auch in Stuttgart und Ulm muß die Wobnungsbewrrtschaftung in absehbarer Jett fallen. Sie ist durch die Entwicklung über­holt. Der Staat muß den Mut haben, hier Schluß zu mache«

Abg. Roth (Dem.): Von der gestrigen Rede des Staatsprä­sidenten hatten wir den Eindruck, daß er mit mehr Befriedigung zurück als in die Zukunft schaut. Der Respekt vor dem Reichs­mietengesetz ist nicht sehr groß, denn überall zeigt sich, daß die Mietpreise nicht eingehalten werden. In einer Periode der all­gemeinen Lohn- und Gehaltssenkung darf es keine Mretrins- steigerung geben. Mit Kleinstwobnungen von 38 Quadratmeter kann man nichts anfangen.

Sodann werden die gestern znrückgestellten Abstimmungen vor­genommen. Die Anträge der Soz., Kom. und des CVD. betr. Winterbeihilfe für Erwerbslose werden dem Finanzausschuß überwiesen. Dem Staatsvertra« mit dem Reich betr. Reckarta- MldurMich würd zusestmmrl. Der Antra« des LbrMichen

Volksdienstes betr. nochmaliger Prüfung der Rentabilität des Neckarkanals wird abgelehnt. Weitere kommunistische Anträge betr. die Arbeitsbeschaffung werden abgelehnk.

Abg. Mößmer (S.): Wenn die Wirtschaftsverbältnisse sich nicht bald wesentlich bessern, werden schon im nächsten Jabre viele Schuldner ihre Zinsen an die Wohnnngskreditanstalt nicht mehr bezahlen können. Es ist anzunebmen, daß die Anstalt den Wohnungsbau in Württemberg wesentlich gefördert bat.

Präsident Dr. Aichele: Zinszuschüsse sind ein unwirtschaftliches System. Für kleinste Hypotheken kann die Bürgschaft des Staa­tes in Aussicht genommen werden. Auch für die Wobnungskredit- anstalt kann eine Krisenzeit kommen, aber sie muß nicht kommen. Jmerbin werden für eine solche Zeit Reserven eingestellt. Man darf nicht pessimistisch sein. Daß die Anstalt bis jetzt bei 177 Millionen Mark Ausleihungen nur 504 Mark Ausfall hatte, ist ein glänzender Beweis von dem Sparstnn der württ. Bevölke­rung.

Abg. Dr. Wider (BP.) begründet Anträge der Rechten, des Zentrums, der Demokratie und der Deutschen Volksvartei: Das Staatsministerium rn ersuchen, zum Zwecke der Förderung des Wohnungsbaus und zur teilweise» Behebung der Arbeitslosig­keit folgendes zu bestimmen: Ans der gesamten Wohnungs­zwangswirtschaft werden herausgenommen Wohnungen mit einer Friedensmiete von 1500 und mehr Reichsmark in Stuttgart, 800 und mehr Reichsmark in Ulm, Seilbronn, Eßlingen, Reutlingen, Tübingen, Göppingen, Ludwigsburg, Feuerbach und Zuffenhau­sen, 60 und mehr Reichsmark in den übrigen Städten mit über 10 000 Einwohnern, sowie in Hall und Ellwansen, 400 und mehr Reichsmark in den übrigen Gemeinden des Landes. Seit dem 1. Avril 1928 neu einsefiibrte Haussebühren und Hausabgaben, so­wie seit diesem Zeitpunkt eingetretene Gebührenerhebungen kön­nen umgelegk werden. Ferner das Staatsministerium zu ersu­chen, raschestens durch die Wohnungskreditanstalt den Betrag von 5 Millionen zu 4 Prozent für Jnstandsetzungsarbeiten von Alt­wohnungen zur Verfügung zu stellen.

Abg. Albert Fischer (K.): Die Wohnungen für die Arbeiter find zu teuer. 50 Mark im Monat kann der Arbeiter nicht aus­legen. Von einer sozialen Einstellung der Vermieter ist nichts zu spüren.

AufwertiMskoilsmnz in Stuttgart

Stuttgart, 28. Nov. Der auf zwei Tage berechnete Deutsche Aufwertungs- und Wirtschaftskongreb, veranstaltet vom Deut­schen Svarer- und Rentnerbund, wurde im großen Festsaal des Hindenburgbanes eröffnet. Zu dem Kongreß batten sich neben Vertretern von Behörden Männer und Frauen aus dem ganzen Reiche eingefunden. Als Gäste waren anwesend Direktor Müller vom evangelischen Oberkirchenrat, Bürgermeister Dr. Klein für die Stadt Stuttgart, Direktor Aldinger vom städt. Wohlfahrts­amt u. a. Der Vorsitzende des Svarerbunds, Landtagsabgeordne­ter Oberstudiendirektor Vauser-Nagold begrüßte die Mitglieder und Gäste und gab Schreiben des Reichskanzlers Dr. Brüning, des Reichsgerichtspräsidenten Dr. Bumke, des Staatspräsidenten Dr. Bolz bekannt, die ihr Fernbleiben entschuldigten. Der Vor­sitzende betonte, baß auf dem Kongreß die Frage gründlich und sachlich sevttist werden soll, wie man das Unrecht der Aufroer- tungsgesetzgebung wieder gutmachen kann und muß, um aus der heutige» Krise herauszukommen. Durchgreifende, energische Re­formen find notwendig, und zwar vor allem die Reform der un­gerechten Aufwertungsgesetze. Man muß das Uebel bei der Wur­zel packen. Entweder es kommt eine gerechte Lösung der Aufwer­tungsfrage oder aber die heutige Gesellschaftsordnung wird eines Tages ans gewaltsame Werse beseitigt werden. Die Alternative ist heut« nur noch: Reform oder Gewalt. Der Kongreß will mit dazu dienen, durch energische Taten aus der heutigen Krise ber- ausznkommen. Den Vorsitz übernahm dann Landtagsabgeordneter Rechtsanwalt Dr. Sasel-Stuttgart der ausfübrte, daß wir nicht solche Ideologe« find, zu glauben das Unrechte der Aufwert-ungs- gesetzgebung könne lOOvrozentig wieder gutgemacht weiden. Jeder Ungerechtigkeit wird ein Mangel anhaften vermöge der Mangel­haftigkeit der Menschen, die diese Gerechtigkeit zu schaffen und auszuübe« haben. Sehr vieles kann und mutz man aber wieder gutmachen aus moralischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Grün­den, wenn nicht das Vertrauen zum Staat, zu den Gerichten, ja zu einer höheren Gerechtigkeit schwinden soll. Eine Sanierung der deutschen Wirtschaft, ein Gesunden des deutschen Volkes, ein Herausarbeiten aus dem Jnflationskampf kann nicht stattfinden wenn nicht mit anderen Problemen auch dem Problem der Re­form der Aufwertungsgesetzgebung energisch zu Leibe gerückt wird. Sodann wurden eine Reihe Vorträge gehalten und zwar sprachen Oberstudiendirektor Bauser über Inflation und Aufwer­tungspolitik und über das deutsche Zinsvroblem, Major a. D. Pohl-Ehrenbreitstein, M. d. preuß. Landt. über die Lösung der Hauszrnssteuerfrage, Justizrat Brink-Berlin über Einzelfragen des Aufwertungsproblems und Schriftsteller Dr. Aust-Berlin über Wirtschaft und Währung. An die Vorträge schloß sich eine Aussprache an.

Bei einer öffentlichen Kundgebung des Deutschen Aufwer­tungs- und Wirtschaftskongresses wurde nachstehende Entschlie- ßnng angenommen: Die Wiedergutmachung des Unrechts der In- klationsvolitik und der Aufwertungsgesetzgebung ist nicht an, aus rechtlichen, moralischen und staatspolitischen, sondern auch aus volkswirtschaftlichen Gründen dringend notwendig. Die spa- rerfeindliche Politik der letzten zwölf Jabre, die in der Auf» wsrtungsgesetzgebung gipfelt, trägt die Schuld an den volks- . wirtschaftlich untragbar hoben Zinsen und an der Störung der inländischen Kapitalbildung; sie bat in den Sparerkreisen das Vertrauen zerstört und damit die tiefste Ursache der Kapitalflucht gebracht; sie hat auch in mannigfacher Weise zu der deutschen Arbeitslosigkeit beigetragen. Es ist höchste Zeit zur Umkehr ge­worden. Wir fordern für die Zukunft eine pflegliche Behandlung des deutschen Sparkapitals; eine bewußt sparerfreundliche Wirt­schaftspolitik. Wir fordern die Einsetzung eines besonderen Sach- verständigen-Ausschusses durch die Neichsregierung mit der Auf­gabe, die Frage einer Reform der Aufwertungsgesetzgebung im Zusammenhang mit den anderen brennenden Problemen des staatlichen und wirtschaftlichen Lebens gründlich-sachlich zu prü­fen und der Regierung Vorschläge zur Behebung der Not su un-