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Urrmrrrer 249
Kitenjleig» Freitag den 24. Oktober 1980
S3. Kahrgang
Die Rkltimgsarbeit in Mdori — W» Air
Löke md Wirth vir dem Sevtschen Beamtenbmd
Alsdorf, 23. Oktober. Die letzten offiziellen Meldungen berichten von 255 Toten und 1V3 Verletzten. In der letzten Nacht sind verschiedene Verunglückte noch lebend geborgen worden. Teilweise nach 5vstiindigem Aufenthalt im zusammengestürzten Schacht. Es stellt sich ferner heraus, daß offenbar auch noch Leute der Nachtschicht von der Katastrophe betroffen wurden, so daß es noch schwieriger geworden ist, festzustellen, wieviel Mann sich im Augenblick der Katastrophe tatsächlich in der Grube befunden haben. Man glaubt nicht, dag noch weitere Tote im unterirdischen Betriebe liegen, dagegen ist es noch immer sehr wahrscheinlich, daß unter den Trümmern des Förderturmes noch Tote zu finden sind. Man hat daher gerade an dieser Stelle starke Arbeitskolonnen eingesetzt, die mit dem Fortschaffen der Trümmer beschäftigt find.
Die Arbeit geht verhältnismäßig langsam vorwärts, da wegen der zu vermutenden Toten die Eeröllmassen sehr vorsichtig hinweggeschafft werden muffen. Zudem müssen die eisernen Träger des Fördertnrmgerüstes Stück für Stück auseinandergeschweißt werden. In den Krankenhäusern ringen neun der schwerverletzten Bergknappen mit dem Tode. Von den Toten konnten bisher 149 identifiziert werden. Man ist jetzt dabei, die unglücklichen Opfer, soweit sie erkannt sind, einzusargen. Sie sind in einer großen leeren Halle der Zeche aufgebahrt. Die Beisetzung ist für Samstag mittag vorgesehen.
Die Rettungsmannschaften, die teilweise 24 Stunden ununterbrochen arbeiteten, haben Uebermenschliches geleistet. Seit gestern sind auch holländische Mannschaften, die sofort zur Hilfeleistung herbeigeeilt waren, im Schacht eingesetzt. 'Einer der ersten, die am tiefsten Punkt des Schachtes ihren Dienst versahen, wurde verletzt.
Das Rätsel der Alsdorfer Erubenkatastrophe
Alsdorf, 22. Okt. Der llnfallausschub der Grubensicherheitskom- mission des Oberbergamtes teilt mit: Der llnfallausschub hat in Anwesenheit von Vertretern des Erubensicherheitsamtes Berlin, des Oberbergamtes Bonn und der zuständigen Bergrevierbeamten unter Hinzuziehung der Sachverständigen der Hauptrettungsstelle Essen und der Versuchsstrecke zu Dortmund-Herne sowie der Chemisch-Technischen Reichsanstalt die Grube Anna 2 befahren. Fm Anschluß an die Befahrung fand eine Zeugenvernehmung und eingehende Beratung statt. Die Ursache des Unglücks ist noch nicht geklärt. Fest steht, daß die Svrengstofflager auf sämtlichen Stollen der Grube vorhanden sind. Die zunächst angenommene Explosion eines Svrengstofflagers scheidet somit als Ursache des Unglücks aus. Soweit weiter festgestellt werden konnte, ist auch an dem Unglückstage kein Sprengstofftransport in die Grube hineingebracht worden. Bei der Befahrung der Grube find bisher Anzeichen einer Kohlenstaubexplosion unter Tage nicht ermittelt worden. Die Befahrungen und Untersuchungen werden fortgesetzt.
Der Ursprung der Alsdorfer Katastrophe noch rätselhafter als bisher
Berlin, 23. Okt. Wie von unterrichteter Seite verlautet, beträgt die Zahl der Toten des Unglücks von Alsdorf bisher 255 einschließlich von 16 Bergleuten, die im Krankenhaus starben. Im Krankenhaus liegen jetzt noch 92 Verletzte. Die Zahl der Toten, die noch unter Tage liegen, dürfte gering sein. — Me die Untersuchung weiter ergeben hat, ist das kleine Venzinlager über Tage unversehrt die Benzoltankwagen der Benzollokomotiveu unter Tage sind unbeschädigt vorgefunden worden. Damit ist die Ursache der Explosion noch rätselhafter geworden als bisher. Am Donnerstag nachmittag wurde aus den Trümern des Verwaltungsgebäudes ein weiteres Todesopfer geborgen. Unter den Massen, die sich vor den Absperrungen drängen oder auf der Straße bewegen, werden kommunistische Flugblätter verteilt, die zu eintägigem Proteststreik am Samstag auffordern.
Donnerstag vormittag wurde den Angehörigen der Grubenopfer der Zutritt zu den Leichenhallen gestattet. Die Absperrungen sind weiter rückwärts verlegt worden, da sich der Bevölkerung eine gewisse Erregung bemächtigt hat. Auf den Straßen sieht man sehr viele weinende Frauen und Mädchen.
Die letzte Ruhestätte der Opfer des Bergwerlsunglücks
Alsdorf, 23. Oktober. Die Gemeinde Alsdorf hat einen Friedhof abstechen lassen, der morgen von 200 Arbeitern vorbereitet werden wird. Das Gelände liegt zwischen Tannenwald und Weidenbäumen. Es sind vier große Eräberreihen vorgesehen, durch deren Mitte der Weg führen wird. Diese Stätte wird der Mittelpunkt des zukünftigen Gemeindefriedhofes sein. An eine Trauerfeier, die am Samstag vormittag um */s10 Uhr im Verwaltungsgebäude der Grube „Anna I" stattfindet, wird sich die Beerdigung anschließen. — Der Westdeutsche Rundfunk wird
die ganze Trauerfeier auf alle deutschen Sender übertragen. — Die Beisetzung der Toten wird, soweit auswärtige Friedhöfe in Frage kommen, am Nachmittag desselben Tages erfolgen.
Kundgebung zum Aachener Unglück
Die Sitzung des Reichsrats am Donnerstag wurde mit einer Trauerkundgebung für die Opfer des Aachener Grubenunglücks eingeleitet. Der Vorsitzende, Reichsinnenminister Dr. Wirth, gab der Trauer des Reichsrats über die furchtbare Katastrophe Ausdruck. Der Reichsrat stimmte dann den vom Reichstag angenommenen Gesetzentwürfen über die Schuldentilgung und zur Durchführung der Entschädigung auf Grund des deutsch-polnischen Liquidationsavkommens endgültig zu, ebenso der Ergänzung zum Handelsabkommen mit Finnland. Auch bezüglich der vom Reichstag beschlossenen Amnestie wurde gegen die Stimmen der Provinz Hessen-Nassau und Sachsen von der Einlegung eines Einspruches abgesehen.
Das Beileid des Auslandes
Berlin, 23 Okt. Zum Grubenunglück in Alsdorf hat der Reichsverweser von Ungarn dem Herrn Reichspräsidenten telegraphisch sein Beileid übermittelt. — Weiterhin haben der Reichsregierung der britische, französische rnd spanische Botschafter, der russische Geschäftsträger, ferner der belgische, lettländifche und polnische Gesandte sowie der rumänische Geschäftsträger ihre Anteilnahme bekundet. — Der Reichskanzler hat 6999 RM. gespendet, die Regierungskommission des Saargebietes 299 999 Franken.
Rachverhmdlmge« in der Berliner Meillllikdustie
Berlin, 23. Oktober. Wie wir erfahren, haben die Nachverhandlungen über den Schiedsspruch für die Berliner Metallindustrie heute nachmittag um 5 Uhr im Reichsarbeitsministerium begonnen. Sie werden von Ministerialdirigent Mews geleitet. In unterrichteten Kreisen nimmt man an, daß sie sich bis in die tiefe Nacht hinziehen werden. Daraus wird geschlossen, daß die mannigfachen Vorbesprechungen noch nicht zu einer Einigung geführt haben. Immerhin besteht auf beiden Seiten der Wunsch, die Verständigung zu fördern. Deshalb ist man übereingekommen, für die Nachverhandlungen eine besondere Kommission zu bilden, damit sie sich in einem möglichst kleinen Kreise abspielen, der eine bessere Gewähr für sachliche Arbeit bietet. Das Ergebnis der Nachverhandlungen wird sogleich in einer amtlichen Mitteilung bekanntgegeben werden.
Die Verhandlungen im Berliner Metallkonflikt
Berlin, 24. Oktober. Die gestrigen Verhandlungen über die Beilegung des Konflikts in der Berliner Metallindustrie gliedern sich in zwei Teile: Zunächst fanden die eigentlichen Vorverhandlungen statt. Sie waren offenbar nur von verhältnismäßig kurzer Dauer, denn es zeigte sich schon sehr schnell, daß eine Einigung über den Schiedsspruch nicht zu erzielen war. Der Vorsitzende des Metallarbeiterkartells gab noch einmal eine kurze Begründung dafür, daß die Gewerkschaften den Schiedsspruch ablehnen. Nach ihrer Ansicht sei die Lohnsenkung nach der Wirtschaftslage nicht gerechtfertigt. Auf der anderen Seite verwies der Syndikus des Verbandes Berliner Metallindustrieller, Rechtsanwalt Oppenheimer, darauf, daß die Arbeitgeberseite die Verbindlichkeitserklärung des Schiedsspruches beantragt habe, obgleich er nicht voll den Wünschen der Metallindustriellen entspreche. Dabei bezog sich Oppenheimer auf die Begründung, die der Schlichter dem Schiedsspruch angefügt hat.
Damit war festgestellt, daß eine Einigung auf diese Weise aussichtslos ist. Der Vorsitzende, Ministerialdirigent Dr. Vend, machte nun den Versuch, die beiden Parteien doch noch in anderer Form zusammenzubringen. Es wurde deshalb eine Kommission gebildet, über die wir bereits berichtet haben. Sie besteht aus je fünf Vertretern der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber. Aber auch diese Verhandlungen führten trotz mehrstündiger Dauer zu keinem Ergebnis, so daß man sie vertagen mutzte. Formell liegt nun die Entscheidung beim Reichsarbeitsminister, der darüber zu befinden hat, ob er nach dem Scheitern der Verhandlungen den Schiedsspruch für verbindlich erklären will oder nicht. Der Leiter der Verhandlungen wird ihm heute vormittag Vortrag halten.
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Berlin, 23. Okt. Der Deutsche Beamtenbund veranstaltete im Rahmen seines 7. Bundestages im großen Festsaal bei Kroll unter außerordentlich zahlreicher Beteiligung eine Kundgebung. An der Spitze der Regierungsvertreter aus Reich und Ländern waren Reichsminister des Innern Dr. Wirth erschienen. Der Bndesvorsitzende Flügel betonte nochmals die Bereitschaft der Beamten, daran mitzuhelsen, ans der großen Wirtschaftsnot herauszukommen. „Ich lege Wert darauf", schloß der Redner, „in dieser ernsten Stunde vor aller Oeffentlichkeit festzustellen: der Deutsche Beamtenbund ist willens, alles zu tun, was in seinen Kräften steht, um den deutschen Bolksstaat vor jedem Versuch einer gewaltsamen Aenderung seines verfassungs- und gesetzmäßigen Zustandes zu schützen. Es möge dieser Versuch kommen, woher er wolle".
Reichstagspräsident Lobe begrüßte im Namen des Reichstages und des preußischen Landtages den Bundestag. Reichsminister des Innern Dr. Wirth hielt einen Vortrag über „das deutsche Bcrussbeamtentum im Volksstaat der Gegenwart". Die Regierung, so führte er aus, hält am Berufsbeamtentum fest. Ich hoffe und vertraue, daß die Beamtenschaft im Glauben an diesem Standpunkt der Regierung festhält. Gewiß, der Beamtenschaft wird in dieser Zeit viel, reichlich viel zugemutet, was schmerzlich in ihre Interessen eingreift. Aber wahrlich, die Regierung hätte sich zu solchen Maßnahmen nicht entschlossen, wenn sie eine andere Möglichkeit zur Rettung der Lage gesehen hätte. Wo die Gesamtheit in ihren Lebensbedingungen erschüttert wird, kann nicht ein einzelner Berufsstand davon unberührt bleiben, am wenigsten der Beamtenstand, der am stärksten in der Gesamtheit wurzelt. Durch unser Volk geht, wie das Ergebnis der letzten Reichstagswahlen deutlich gezeigt hat, eine starke Welle des Radikalismus. Sowohl die kommunistische wie auch die nationalsozialistische Bewegung hat, soweit man den Stimm-"" zettel als einen Ausdruck ihrpr Stärke ansehen darf, in letzter Zeit erheblich zugenommen. Wir alle wissen, daß die Ungunst der Wirtschaftslage und die gewaltigen finanziellen Lasten, insbesondere die Tributverpflichtungen, die auf unserem Volke lasten und die so entstandene große Arbeitslosigkeit an dieser Radikalisierung die erste Schuld tragen. Aber die Ursachen liegen nicht nur auf dem wirtschaftspolitischen Gebiet. Der Radikalismus lauert nur darauf, daß die heutige demokratische Slaats- führung in ihrem Willen unsicher wird und Augenblicke der Schwäche zeigt. Ich glaube, daß es in der Natur jedes loyal denkenden Beamten liegt, daß er eine starke Stäatsautorität verlangt, die auch die Fähigkeit besitzt, ihren Willen durchzusetzen.
Ich zweifle nicht daran, daß der gegenwärtige Staat trotz der gewaltigen Schwierigkeiten und trotz der groben Anforderungen, die er in seiner finanziellen Existenz in dieser Zeit an das deutsche Beamtentum stellen muß, gerade in dieser Beamtenschaft eine seiner stärksten Stützen hat und haben wird. Dem deutschen Verufsbeamtentum aber spreche ich gern an dieser Stelle die volle Anerkennung der Reichsregierung aus, daß es sich trotz aller Angriffe und Feindseligkeiten noch keinen Augenblick vom Wege ruhiger Pflichterfüllung bat abbringen lassen.
Ich habe die volle Zuversicht, daß das deutsche Berufsbeamtentum, wenn es treu und unbeirrt seinen Weg in uneigennützigem Dienste am Volksganzen weiter verfolgt, auch einmal wieder besseren Tagen entgegengeht. Das ist mein aufrichtiger Wunsch. (Beifall.)
Neues vom Tage
Landvolkvertreter beim Reichspräsidenten
Berlin, 23. Okt. Der Herr Reichspräsident empfing heute in Gegenwart des Reichsministers Dr. Schiele die Vertreter der Fraktion Deutsches Landvolk, die Abgeordneten Döbrich, Eereke und Hepp, zu einer längeren Aussprache über die vom Deutschen Landvolk zur Linderung der Notlage der deutschen Landwirtschaft vorgeschlagenen Maßnahmen.
Vom Reichslandbund
Berlin, 23. Okt. Der Bundesvorstand des Reichslandbundes hat zu Präsidenten gewählt die Herren Vethke, Hepp, Graf von Kalckreuth, zum Vorsitzenden Präsidenten (an Stelle des Ministers Schiele) dann Graf v. Kalckreuth gewählt. Präsident Hepp legte daraufhin sein Amt nieder. Die dadurch von neuem erforderlich gewordene Wahl eines dritten Präsidenten soll bei der nächsten Bundesvorstandssitzung stattfrnden.
Bekommt Berlin einen neuen Polizeipräsidenten?
Berlin, 23. Okt. Ein großer Teil der Berliner Blätter bringt Nachrichten über den Wechsel in der Leitung des Berliner Polizeipräsidiums, der uns, wie gemeldet, als nicht in Frage kommend bezeichnet worden ist. Der „Vorsen- zeitung" zufolge soll das preußische Staatsministerium in einer Sitzung diese Frage erörtert haben. Das Blatt bezeichnet es, wie die meisten anderen Blätter, als sicher, Laß der frühere Innenminister Erzesinsky Nachfolger des Präsidenten Zörgiebel werden soll. Präsident Zörgiebel soll für ein Regierungspräsidium in Aussicht genommen sein.