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Gegründet 1877

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Msem. Anzeiger für die Bezirke Nagold, Talio». Sreadeaftadt Amtsklaü skr de» Bezirk Nagold a. AlteMeia-Stad!

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N»mmev 104

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ZUtensteiS. Dienstag den 6. Mai 1030

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63. Jahrgang

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Die Paradoxie des Geldes

Für den Durchschnittsmenschen ist es eine schwer ver­ständliche Tatsache, daß die internationalen Diskontsätze in der letzten Zeit einen rapiden Absturz erlebt haben, wäh­rend gleichzeitig das Geld, das die Wirtschaft sich auf dem Kapitalmarkt sucht, nach wie vor unerschwinglich teuer ist. Während also an den Geldmärkten die Flüssigkeit immer größer wird, während jetzt beispielsweise der amerikanische Diskontsatz auf 3 Proz., der französische gar auf 2V- Proz. gesenkt worden ist, hört man aus wirtschaftlichen Kreisen noch immer, daß der Kapitalmarkt sich nicht rückt und rührt.

Woher kommt das? Handelt es sich wirklich nur um ein unberechtigtes Festhalten der Großbanken an über­mäßig hohen Zinssätzen im Interesse eines unangemes­senen Verdienstes, oder liegen hier andere Gründe vor, die in der tatsächlichen Verfassung des Kapitalmarktes be­ruhen? Es ist sicher, daß auch die Großbanken einmal da­ran denken könnten, den , Abbau dieser unerträglichen Spanne zwischen Geldzins und Kapitalzins in die Wege zu leiten. Aber es gibt in der Tat Gründe, die auch die Haltung der Großbanken verständlich erscheinen lassen. Denn das Geld, das augenblicklich am Geldmarkt erscheint, und zur stufenweisen Herabdrückung des Diskontsatzes ge­führt hat, ist an den zentralen Stellen stets nur kurzfristig greifbar. Sein Zusammenströmen beruht größtenteils da­rauf, daß die Wirtschaft infolge der schlechten Konjunktur Mittel freigegeben hat, die sie sonst für Investitionen ange­wandt hätte. Wenn aber von einer Belebung der Kon­junktur die Rede sein soll, dann bedarf es dazu langfristi­ger Anlagen. Solche können aber nur mit den Mitteln des Kapitalmarktes bewerkstelligt werden, nicht mit denen des Geldmarktes, da diese stets sehr schnell abgerufen wer­den können. Wenn ein Unternehmen an den Ausbau denkt und Geld in Neuanlagen, beispielsweise in Baulichkeiten steckt, dann bedarf es dazu eines langfristigen Kredites in Gestalt von Hypotheken usw., und solche Kredite sind nur am Kapitalmarkt zu haben. Wenn eine Großbank sich heute entschließen wollte, größere Summen langfristig aus­zuleihen, dann könnte sie dadurch selbst leicht in Schwierig­keiten geraten, da von den Einlegern die meisten Gelder auf täglichen Abruf an die Banken gegeben werden.

Der Grund für die immer noch bestehende Knappheit am Kapitalmarkt liegt darin, daß das deutsche Volk nach dem währungspolitischen Zusammenbruch der Inflations­zeit noch nicht wieder so viel Kapital hat bilden können, wie für eine durchgreifende Neubildung der Konjunktur auf Grund niedrigerer Zinssätze erforderlich wäre.

Denn soweit gilt überall das Gesetz von Angebot und Nachfrage» daß der Kapitalzins Hochgetrieben wird, wenn wenig Kapital, aber zahlreiche Kapitalsuchende vorhanden sind.

Hinzu kommt, daß die Mittel des Kapitalmarktes, die ja, wie das Anwachsen der Sparguthaben zeigt, dennoch in beträchtlicher Menge vorhanden sind, zum großen Teil für die Zwecke der öffentlichen Hand in Anspruch genommen werden. Man denke daran, daß die Sparkassen sehr stark zur Vewerkstelligung der kommunalen Ümschuldungs-

aktionen herangezogen werden. Hier wird der Zusammen- " Hang zwischen der Finanzwirtschaft der öffentlichen Hand und dem Kapitalmangel der Privatwirtschaft sichtbar. Der große, ja wahrscheinlich übergroße Ausgabenstand der , öffentlichen Hand bedingt einen vielbeklagten Druck auf den > privaten Kapitalmarkt. Er führt dahin, die ohnehin ! schwachen Mittel des Kapitalmarktes für die private Wirt- ! schaft noch weiter zu verknappen. Auch solche Finanzinsti- ? tute, die nicht aus privaten Eewinnrücksichten arbeiten, j sondern auf gemeinnütziger Grundlage stehen, sind heute s nicht in der Lage, ihr Geld für langfristige Anlagen zu > einem Zinsfuß herzugeben, der für die Eesamtentwicklung ! der Wirtschaft als erträglich bezeichnet werden kann. i Vielfach sieht man das Heil in den Auslandanleihen, i Aber auch da liegen die Dinge, insofern schwierig, als auf j den ausländischen Kapitalmärkten ganz ähnliche Erschei- f nungen herrschen wie auf den deutschen. Auch in Amerika i ist beispielsweise trotz des Diskontsatzes von 3 Prozent das s Geld für langfristige Kredite recht teuer. Ob dort freilich k die gleichen Notwendigkeiten wie in Deutschland vorliegen, s ist eine andere Frage. Aber jedenfalls scheint es für die i nächste Zeit unwahrscheinlich, daß Deutschland Auslands- ? anleihen zu vernünftigen Bedingungen hereinbekommen - kann. Eine ganze Reihe fest abgeschlossener Anleihever- ! träge ist deshalb bisher in den Schreibtischen liegen geblie- ! ben, weil eine Auflegung im Auslande nicht ratsam er- r schien. In der Wirtschaft ist auch die Neigung gering, vor- s läufig zu unerträglichen Zinssätzen Auslandskapital her- ! einzunehmen, da unter den heutigen Verhältnissen die j Rente oer Wirtschaft nicht groß genug ist, um eine solche § Belastung zu ertragen. ^

Sehr maßgeblich wird Las internationale Anleihe- ^ gejchäft durch die Bedingungen beeinflußt werden, die jetzt in den Besprechungen der Finanzleute in Brüssel für die Reparationsanleihe festgelegt werden sollen. Es wäre für Deutschland, aber auch für Frankreich ein unheilvolles Er­gebnis, wenn es den Bemühungen des Hauses Morgan ge­länge, den Zinsfuß auf 6 Prozent bei einem Ausgabekurs von 97 heraufzuschrauben. Morgan begründet diesen Wunsch damit, daß sonst Schwierigkeiten für die Unter­bringung auf dem amerikanischen Markte bestünden. Für Deutschland ist der Ausgabekurs der Reparationsanleihe ^ insofern von grundsätzlicher Bedeutung, als sich die Kurse ! und Zinssätze aller künftigen Ausländsanleihen nach dis- i ser ersten Standardanleihe richten werden. k

Die Aussichten für eine baldige Besserung der Verhält- ? nisse am Kapitalmarkt find deshalb im Augenblick noch nicht als besonders günstig zu bezeichnen. Immerhin j besteht die Gewähr dafür, daß die Flüssigkeit am Geld- i markt, wenn sie anhält, allmählich doch dazu führen wird, ! auch auf dem Kapitalmarkt die gewünschte Wirkung hervor- - zurufen. Davon hängt aber E

letzten Endes die Gesundung der deutschen Wirtschaft ab, j die gegenwärtig, trotz der großen Flüssigkeit des Geldmark- j tes nicht weiß, wo sie zu erträglichen Bedingungen lang- j fristige Mittel für produktive Zwecke finden soll. t

nahmen gegen einen Mann wie Gandhi beweist die Halb losigkeit der jetzigen Zustände in Indien und die UnmöK lichkeit der Fortdauer der britischen Herrschaft im Land« Gandhis in der Form, wie dies jetzt geschieht.

Eivzelhelte» zur Verhaftung Gandhis

Bombay, 5. Mat Der Haftbefehl, auf Grund dessen Gandhi festgenommen wurde, führt u. a. aus, da die Regierung di« Tätigkeit des zu Verhaftenden mit Besorgnis betrachten müsse, werde ihm nach Maßgabe der Ordonnanz 25 vom Jahre 1827 eine Freiheitsbeschränkung auferlegt. Die angezogene Ordonnanz sieht die Möglichkeit vor, gewisse Persönlichkeiten ohne gericht» liches Urteil in Haft zu halten. Als Aufenthaltsort für Gandhi ist das Peroda-Gefängnis in Puna bestimmt.

Die Nationalistenführer der Provinz Bombay sind sofort nach vem Vekanntwerden der Nachricht von der Verhaftung Gandhis zu einem sogenannten Kriegsrat zusammengetreten und habe» beschlossen, für heute und morgen einen allgemeinen indische» Trauertag anzusetzen.

Bombay, 5 Mai. Zur Verhaftung Gandhis wird noch mil- geteilt, daß die hiesigen Regierungsbehörden und die indische Regierung im Verlaufe einer gemeinsamen Beratung zu der lleberzeugung gelangt waren, daß Gandhi nicht mehr länger in Freiheit gelassen werden könne, ohne daß die Ruhe in Indien schwer gefährdet werde. Es ist Vorsorge getroffen worden, daß Gandhis Gesundheit nicht unter der Hast leidet und daß er während seiner Gefangenschaft keine Bequemlichkeit entbehrt.

Die Gärung in Indien

London, 5. Mai. WieDaily Telegraph" feststellt, ist nach wie ror die Lage in Indien geeignet, die größte« Besorgnisse zu erregen. Das gelte besonders für den Norden, wo eine ge­wisse Unruhe unter den Grenzstämmen festgestellt worden ist. Oer Sonderkorrespondent des Blattes meldet aus Bombay: Es bestätigt sich, daß bei den Unruhen in Peschawar Truppe« eines Regiments von der Menge entwaffnet wurden. Unter de« Verlusten der Eingeborenen wurden mindestens 20 dadurch ver­ursacht, daß Panzerwagen über Leute fuhren, die sich auf den Loden geworfen hatten, in der Hoffnung, sie aufzuhalten. Der Korrespondent weist darauf hin, daß allmählich ein prominenter Führer nach dem andern verhaftet wird. Hunderte von Blätter« haben das Erscheinen eingestellt und es ist jetzt schwierig, z» finden, was vorgeht.

Daily Mail" beschäftigt sich eingehend mit einem Schreiben, das der Ausschuß des europäischen Verbandes von Bombay an den Gouverneur Fredrick Syke gerichtet hat. Das Schreiben er­sucht die Behörden, bei der Aufrechterhaltung der Ordnung fester aufzutreten. Alle Personen, von denen das Volk aufgehetzt werde, Gesetze zu verletzen, seien zu verhaften. Die augenblickliche Po­litik der Regierung könne nur als Schwäche ausgelegt werden

Straßenkämpfe in Peschawar?

Moskau, 5. Mai. Die Telegraphenagentur der Sowjetunion meldet aus Kabuls, daß nach dort aus Indien eingelaufene» Berichten indische Aufständische das die Stadt Peschawar be­herrschende Fort erobert hätten. Peschawar sei zwar noch i« den Händen der englischen Kommandantur. In der Stadt feie« jedoch heftige Straßenkämpfe entbrannt.

Uuterhausanfrage über die Lage in Indien

London, 5. Mai. Im Unterhaus erklärte der Staatssekretär für Indien, Wedswood Venn, auf die Anfrage, ob Gandhi ab­geurteilt werden würde, dies werde nicht der Fall sei»; man werde ihn aber auf Grund einer Verordnung vom Jahre 1027 in Haft behalte«. Auf die Anfrage, ob man angesichts der ern­sten Lage für Indien die äußersten Bemühungen machen werde, zu einer Verständigung zu kommen, antwortete Venn, die Poli­tik der Regierung, die indischen Führer zu einer Konferenz ein« zuladen, bleibe trotz allen Vorkommnissen die gleiche. Die Be­hörden m Peschawar seien in ernster Lage.

Die Gründe der Verhaftung Gandhis

Bombay, 5. Mai. In einer amtlichen Erklärung zur Verhak- tung Gandhis heißt es: Der Feldzug der Gehorsamsverweige­rung hatte eine weitverbreitete Mißachtung von Recht und Ord­nung und schwere Störungen des öffentlichen Lebens in ganz Indien zur Folge. An und für sich die Gewaltanwendung ver- werfend, führte er unvermeidlich zu Gewalttätigkeiten. Je mehl diese um sich griffen, um so schwächer wurden die Proteste Gand­his gegen das Verhalten seiner unbotmäßigen Anhänger, und e, war offenbar nicht mehr in der Lage, sie in der Sand zu be­halten. In der Erklärung wird sodann auf den strengen gesell­schaftlichen Boykott in einigen Distrikten bingewiesen, der sich bis zur Entziehung von Nahrung und Wasser steigerte und viel« Ortsoorsteher rum Rücktritt veranlaßte, ferner auf Gandhi» Aufforderung zur Nichtbezahlung der Landrenten und feine am» gekündigte Absicht, das Salzbergwerk zu stürmen. Die Regitz

Der Mm Sandl» in Fast

Das Unvermeidliche ist geschehen: Gandhi ist verhaftet Er ist einer der letzten gewesen, der in Freiheit gelassen wurde. Lange haben die Engländer gezögert, ehe sie sich an den großen indischen Nationalhelden herangewagt haben Keiner durfte unbehelligt das Salzmonopol brechen nru Gandhi hat es getan, ohne lange Zeit hindurch von dev Kritischen Behörden daran verhindert zu werden. Aber schließlich mußte auch an ihn die Reihe kommen. Nachdem seine Söhne, nachdem schließlich der Vorsitzende des indi­schen Nationalkongresses, Nehru, in den Kerker geworfen wurden, war es klar, daß es nicht mehr lange bis zur Ver­haftung Gandhis dauern könne.

Die Engländer sind zu dieser äußersten Maßnahme sehr «ngern geschritten. Sie wissen sehr gut, daß sie sich selbst dadurch nur schaden. Aber anders konnten sie auch nichi handeln, ohne sich selbst untreu zu werden. Genau gesehen, mußte jeder unvoreingenommene Engländer schon die Tat- einige tausend seiner Landsleute ein altes Kulturvolk von etwa 330 Millionen Seelen beherrscht, als ungerecht empfinden. Da aber die Engländer einmal in Indien sind und es nicht freiwillig verlassen wollen unk bas wollen sie nicht! müssen sie sich dort auch zu be- oaupten suchen. Gandhi hat das Gesetz überschritten unk seine Volksgenossen zu der lleberschreitung des Gesetzes

ausgefordert. Er mußte dieses sein Verbrechen büßen, als, mußte Gandhi verhaftet werden.

Es war vom englischen Standpunkt aus schon ein Fehler, daß Gandhi so lange in Freiheit gelassen wurde. Die bri­tischen Behörden wollten bekanntlich vermeiden, aus Gandhi einen Märtyrer zu machen. Durch die gleichzeitige Haftung seiner Anhänger wollten sie jedoch zeigen, t die Macht in ihren Händen haben. Sie haben nun err^...,r daß die Inder die Sonderstellung Gandhis nur noch mehi empfanden und dabei jegliche Achtung vor den britisches Gesetzen, die von den Briten selbst durch ihr Zögern miß­achtet wurden, verloren haben. Andererseits wird du Empörung der Inder nicht dadurch geringer, daß Gandhi jetzt und nicht schon Wochen vorher ins Gefängnis geworfen wurde.

Was wird nun geschehen? Es ist außerordentlich schwer, sichere Voraussagen zu machen. Die Nachwirkungen der Verhaftung Gandhis werden außerordentlich tief sein, ganz unabhängig davon, ob es den Engländern diesmal noch gelingen wird, die Welle der Empörung einzudämmen unk die Ordnung im Lande wieder herzustellen. Durch die In­haftierung des indischen Nationalhelden hat das britisch« Weltreich einen schweren politischen und moralischen Stotz erhalten. Gerade die Notwendigkeit solcher brutaler Maß-

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