Veite 2

Schwarzwälder Sonntagsblatt

Nr. 18/102

Nach Tagen endlich war Knut bei voller Besinnung und verlangte nach seiner Frau.

Ms Lilli in das Krankenzimmer trat, streckte sr ihr die abgezehrte Hand entgegen und bat:

,Mlli vergib . .

Ruhig sagte sie, da die.Schwester ihr eingeschärst hatte, jede Aufregung zu vermeiden:

Ich habe dir nichts zu verzeihen."

Unruhig warf sich der Patient hin und her, Lilli beugte sich über ihn.

Was ist dir? Was quält dich?" fragte sie sorgend.

Du hast ja nichts zum Leben . . . Der Chef hat mich rvegen einer unterlassenen Eintragung fristlos entlassen, dabei war das Geld doch da."

Sorge dich nicht darum, Knut, wir brauchen niemand."

Ja, aber woher das Geld nehmen? . . fing Knut wieder an.

Beruhige dich, ich habe genug."

Hat der Fürst dir eine Summe geschenkt? . . ."

Lilli verlor alle Farbe.-So niedrig dachte er

selbst in seinem jetzigen Zustand? Eine heftige Entgegnung schwebte ihr auf der Zunge, aber sie unterdrückte sie und sagte lächelnd:

Die alte Berta ist gekommen. Sie brachte mir Nachricht von Hause und eine größere Summe. Außerdem hast du recht, es hilft mir ein Maharadscha, aber nicht Fürst Amiran, sondern der Maharadscha von Rampur, er ist, wie sich jetzt herausgestellt hat, der Vater meiner Mutter."

Die Augen Knuts wurden groß.

Was sagst du?" stammelte er.Wer Hilst uns?..."

Der Vater meiner Mutter."

. . . Und das ist ein indischer Herrscher?"

Ja. . ."

Beschämt ließ Knut die Lider sinken. Ein Mrstenkind war sein Weib und er hatte sogar die Hand gegen sie er­hoben.

Die Tage vergingen, aber keine Nachricht kam von Kennapur.

Lilli hatte ihrem Mann nicht die ganze Wahrheit ge­sagt, um jede Aufregung zu verhindern. Ganz fest war es keinesfalls, daß sie den alten Herrn als Verwandten an­erkennen durfte, wenn es auch den Tatsachen entsprach. Aber würde der Herrscher von Rampur die Schmach ver­gessen können, die ihm einst seine Tochter, sein eigen Fleisch und Blut, angetan hatte?

Fürst Amiran hatte versprochen, alles in die Hand zu nehmen, und nun hörte sie überhaupt nichts.

Wenn er sie nun nicht anerkennen würde als Enkelin, dieser indische Fürst? Was dann? . . .

Durch die Krankenkosten ging das Geld rapide zur Neige, und ehe erst Hilfe aus Hamburg kam, hatte sie schon lange nichts mehr und war gezwungen, Schulden zu machen .Knut jedenfalls durfte nichts davon ahnen.

Grübelnd saß Lilli im Lehnstuhl und hielt Wache bei dem Kranken. Es klopfte.

Die alte Berta, die bei der Pflege half, sah nach und meldete: lange Mogel is da."

Abu Mogul trat ein, legte die Hand an die Stirne und verbeugte sich tief.

Er reichte der jungen Frau einen Brief und sagte leise, um den Kranken nicht zu stören:

Der Sahib Sultamet läßt dir sagen, daß alles bereit ist, dich an den Ort deines Glücks zu bringen."

Lilli öffnete das Schreiben und las:

Ein Glücklicher möchte seiner Sehnsucht Flügel ver­leihen, um das Kind seiner Tochter in seine Arme zu schließen. Alles Gute in der neuen Heimat wünscht Ihnen

Amiran

Fürst von Kennapur."

MaidMche

kp. Wenn der Mai heute gelegentlich mit dem altdeut­schen AusdruckWonnemond" bezeichnet wird, so bringen wohl die meisten diesen Namen mit dem BegriffFreude' in Verbindung. Wonne oder Winne ist jedoch das alte Wort für Weide, Wonnemond bedeutet also den Monat, in dem das Vieh aus die Weide getrieben wird. Die im jungen Grün und in der verschwenderischen Fülle der Blü­ten so recht sichtbare junge Lebenskraft wird in zahlreichen alten Bräuchen gefeiert. So wurde dem Mai tau, der am Morgen wie Millionen köstlicher Edelsteine aus Wiesen und in Gärten funkelt, eine besondere Aufmerksamkeit zu­gewandt. Am 1. Mai sollte das Mädchen in die Wiese gehen, den Tau von den Gräsern streifen und damit die Kühe bestreichen, um sie vor Krankheit zu schützen. Auch bei slawischen Volksstämmen wird der Maitau zur Bestrei­chung des Viehes verwendet; die Kühe sollen davon mehr Milch geben und die Schafe besonders viele Lämmer setzen. Auch die Bienenkörbe soll man mit Maitau bespritzen. Neben dem Fruchtbarkeitszauber hat der Tau verschönende und heilende Wirkung. Die jungen Mädchen sammelten ihn, um sich schön zu erhalten. Man wusch sich im Mai­trank und trank ihn; das Trinken sollte die Anziehungs­kraft der Mädchen erhöhen. Alte Menschen sollte er von Gebrechen und Altersbeschwerden heilen, so daß früher beim Maitausammeln auch die ältesten Dorfbewohner nicht fehlen mochten. In manchen Gegenden durfte man beim Einsammeln des Maitaues kein Wort sprechen. Das be­kannteste Zeichen der Frühlingskrast aber ist wohl der Mai bäum. In feierlichen Zügen holte man ihn aus dem Walde, pflanzte ihn im Dorf aus und machte ihn zum Mittelpunkt von Tänzen und Spielen. Auch m Stall und Wohnhaus brachte man das Maiengrun, um die Lebens­kraft des Maisegens gegen Krankheit an Mensch und Vieh nahe M haben. Gegen die gefährlichen Einflüsse der Wal­purgisnacht. der Nacht zum 1. Mai, in der die Hexen ihr Wesen treiben sollten, muhte das Peitschenknallen m der Nacht oder das Einläute n des Maie s mit den Kir­chenglocken Helsen. Ein Hufeisen auf die Schwelle gena­gelt oder das Zeichen des Pentagramms desDruden­fußes", sollte den Hexen den Eintritt ins Haus unmöglich machen. In Winzergegenden wurde und wird der Ur­bantag, der 25. Mai, besonders begangen. Von dem Wetter dieses Tages hängt die Weinlese im Herbst ab; nur

Ewiger Ring

Ich liebe den lichten Frühmond,

Der in weihen Frühlingswolken steht,

Und ich liebe den klirrenden Lenzwind,

Der über die ahnenden Fluren geht.

Ich liebe den herben Werdeduft,

Der aus frischgebrochener Scholle steigt,

Liebe der Blumen scheues Kinderhaupt,

Das sich zur Mutter Erde herniederneigt.

Und der jungen Vögel hungrige Brut,

Im weichen Nest noch gebettet,

Eines Kindes blutwarme, zarte Hand,

Mit der Mutterhand eng verkettet,

Was von Erde kommt, zur Erde geht,

Zum heiligen Ringe geründet,

Mir, der Sterblichen Ewiges Leben verkündet.

Clara Blüthgen.

Wenn du geliebt, wenn du gehofft,

Wenn du gestrebt, gerungen.

Wenn du mit starkem Willen oft Dein blutend Herz bezwungen:

Dann fühlst du, wie zu vollem Wert Erwacht dein ganzes Leben,

Denn jeder Schmerz, der dich beschwert,

Wird dich nur höher heben.

Otto Roquette.

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wenn die im Mai blühenden Weinstöcke gut über diesen Tag wegkommen, wird der Herbst gut. Daher fand an die­sem Tage das Urbansreiten statt: der Weinheilige zog aus einem Schimmel durch die Stadt, wo er in jedem Wirts­haus einkehrte. In anderen Gegenden wurde ein Bild St. Urbans, dasRebenmännchen", in Prozession umher­getragen. Zum Schluß sei noch des Maitrankes. der Waldmeisterbowle, gedacht, die schon vor Jahrhunderten bekannt war und der man sogar heilende Wirkungen zu­schrieb.

Wieder 3mg!

Skizze von Clara Antonie Schwelger k. Eine Geige singt. Ein Klavier begleitet. Alte, liebe Volkslieder! Leise geht der Tag zur Ruhe. Däm­merung kommt. Die Geige klingt und klingt. Die weißen Frauenhände am Klavier folgen ihr durch das Gewirr der Töne.Aus der Jugendzeit, aus der Jugendzeit", spielt die Geige. Die Frau am Klavier horcht auf. Einen Miß­akkord greifen ihre Hände, eine schrille Dissonanz. Sie springt auf, schlägt den Klavierdeckel zu. Der Mann stutzt, läßt den Bogen sinken. Was hat nur Mechtild? Warum spielt sie nicht weiter? Hat er sie erzürnt? Ihr Zusammenspiel klang so schön, fast so schön wie früher, als sie noch täglich zusammenspielen konnten. Dieses Lied mußt du nicht spielen, Alex!".Ja, warum denn nicht?" Jäh wandte sich der Mann um und schaute Mechthild an. Den Ausdruck ihrer Augen konnte er nicht mehr erkennen, dazu war es zu dunkel.Unsere Jugendzeit, Alex, war schwer, sehr schwer! Kämpfen, sorgen, arbeiten und ringen

. Heute haben wir graue Haare, doch unser Herz

ist jung geblieben. Jetzt kommt unsere späte Jugend, und die wird schön, wunderbar schön. Nun bist du frei! Nun gehörst du mir, wie du mir noch nie gehört hast." Mechtild knipste das Licht an und führte ihren Mann zum gemüt­lichen Lehnstuhl. Aus dem Schrank nahm sie ein Pracht­werk, Spanien stand auf dem Deckel, legte es auf den Tisch und schlug es aus.So Alex, heute reisen wir in Gedanken durch Spanien. Doch im Frühling schauen wir die Alham­bra in Wirklichkeit." Der Mann blätterte langsam um, Bild für Bild. Seine Frau lehnte sich an ihn und blickte über seine Schulter.In unserer Jugendzeit kamen wir um unsereHochzeitsreise. Die holen wir jetzt nach. Alex!"

Rur eine Bitte

Skizze von Paulrichard Sense I.

Als Werner Rung den Arm hob, um erneut den Kellner her­anzuwinken, legre sich Ilse Mertens kleine Hand abwehrend darauf:Nicht mehr, bitte, nein, nein es ist ja schon so spät, ich muß mich beeilen."

Rung sah sie etwas verwundert an:So früh wollen Sie schon fort? Nun sind wir gerade beim behaglichsten Plaudern."

Ja, es war lieb heute. Aber um sieben wartet Herter auf mich ach, ich hatte wohl vergessen, es Ihnen zu sagen. Ich möchte wirklich nicht zu spät kommen."

Die Augen des jungen Mannes blickten verstört in das un­befangene Gesicht des jungen Mädchens. Ja, war das denn möglich? Er freute sich dieses Zusammenseins, es bedeutete ihm unendlich viel, und sie sagte mit dieser unheimlichen Selbstver­ständlichkeit, daß sie noch eine Verabredung mit einem anderen habe.

Machen Sie doch nicht solches Gesicht", sagte Ilse.Sie wissen doch, daß Herter bei uns zu Hause verkehrt. Warum soll ich nicht mit ihm ins Theater gehen? Was ich Ihnen verspreche, halte ich. Warum soll ich anderen gegenüber schlechter verfahren?"

Rung erhob sich.Ja. warum? Also, dann will ich Sie nicht auihalten."

Sie hielt im Pudern inne und zog die Augenbraunen hoch: Aber ich rechnete natürlich damit, daß Sie mich in Ihrem Wagen hinbringen. Wie soll ich denn sonst rechtzeitig kommen? Das dürfen Sie mir doch nicht abschlagen, Werner.. "

Er biß sich auf die LippenSie zu einem anderen Manne zu fahren, mit dem Sie diesen Abend zu Ende verleben wollen das ist sehr viel verlangt. Ilse"

..-^knn ich Sie um etwas bitte?" Sie machte ihr verführe- ilschstes Gesicht.Werner, Sie sagen doch immer, daß Sie mich lieb haben. Und Sie wißen doch, daß ich auch. . also wenn ich lebt sage, es kommt nur sehr darauf an, jetzt in kiir- zester Zeit mein Ziel zu erreichen, und wenn ich Sie darum bitte, mrr dazu zu verhelfen das wollen Sie nicht tun? Wer­ner, das glaube ich nicht."

Er nahm mit einem Ruck seinen Mantel von dem Haken. Draußen stand der kleine Zweisitzer. Ganz sachlich fragte jetzt Werner:Um sieben Uhr, sagten Sie? Es ist fast unmöglich bei diesem Regenwetter."

Machen Sie es möglich", sagte sie und drückte heimlich seine« Arm.

Lautlos fuhr der Wagen an. An der nächsten Straßenkreu­zung Halt? Nervenerregendes Vorbeischieben und lleber- bolen. Werner suchte durch Nebenstraßen schneller vorwärts z» kommen. An jeder Biegung konnte der Wagen in diesem Tempo auf dem Asphalt ins Schleudern kommen. Aber nur vorwärts. Ilse batte ihn gebeten.

Er sab auf die Ubr. Sie sprachen kein Wort. Die Räder fegte« durch Pfützen

Als der Wagen hielt, nahm Werner die Hand vom Steuer un» legte sie auf Ilses Arm.Ich habe Ihren Wunsch erfüllt. Ilse. Wißen Sie nun, daß ich Sie liebe?"

Sie sah ihn mit einem langen Blick an. Dann sagte sie in ihrer sicheren, unsentimentalen Art:Nein, mein Freund, nein. Wären Sie rebellisch geworden, hätten Sie Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, hätten Sie irgend etwas getan, um mich in diesem entscheidenden Augenblicke festzuhalten ich hätte mich gefreut. Und ich hätte Ihnen gestanden, daß es nur eine Laune von mir war. was Sie so erregte. Aber eine Frau r« einem anderen zu fahren, nur weil sie darum bittet etwas Törichtes zu tun sie vielleicht gar dem anderen überlassen das ist keine Liebe, auf die ich mich verlassen kann. Werner. Es wäre schön gewesen, wenn ich Ihnen nicht hätte zu danken brauchen aber nun: Dank für die Fahrt!"

Sie gab ihm die Hand und stieg schnell aus. Noch ehe er ein Wort finden konnte, war sie verschwunden.

Erste Liebe

Skizze von Lothar Schmid».

t-!,: neues oder, wenn man will, sehr altes Gesellschafts­spiel. Jeder von uns bejahrten Tischgenossen sollte nach dem Kaffee irgendeine Begebenheit aus seinem Leben erzählen. Nun kam auch die Reihe an mich:

Von meiner ersten Liebe, so gut wie ein Sechzigjähriger, ohne lange nachzudenken, sich daran erinnern mag, will ich Ihnen, verehrte Damen und Herren, erzählen. Tursenjeff, mein grober russischer Kollege, berichtet einmal, daß die Amme seine erste Liebe gewesen. Das ist natürlich Scherz. Manche mögen ja frei­lich zeitig angefangen haben, der Liebe Leid und Seligkeit »u verspüren. Ich aber zählte bereits ein Dutzend Jahre, als es über mich kam. Sie hieß Regina und war ein schönes, schlankes, schwarzes Mädchen von südlichem Typ, obwohl sie nur aus Erätz in Posen stammte, wo das berühmte Grätzer Bier her­kommt. Regina war in meine märkische Vaterstadt hergereist zu ihrer verheirateten Schwester, der Frau eines Dachpappenfabri­kanten. um hier ihre letzten Schuljahre zu absolvieren und gleich­zeitig wohl auch ein bißchen Hauswirtschaft zu lernen. Ihr er­ster Anblick war für mich entscheidend. Er fand unter nicht all­täglichen Umständen statt. Ich verliebte mich sozusagen bei ben­galischer Beleuchtung. Eines Abends im Sommer war vor den Toren der Stadt ein grobes Schadenfeuer ausgebrochen. Was so ein Unglück. Jungen in dem Alter, für einen Heidenspaß macht, das rufen sich vielleicht die Herren mit den grauesten Köpfen noch ins Gedächtnis zurück. Hinter der Feuerspritze rasten wir Buben wie die Besessenen dahin, wo der Himmel in blutige Glut getaucht war. Die Dachpappenfabrik des Herrn R .. stand in Flammen. Mächtige Feuergarben schossen durch ein Gewölk von Qualm aus dem Gebäude hervor. In gebührender Entfer­nung von dem Brand stand ein Paar; ein Mann, wie sestge- bannt, mit verschränkten Armen; und an ihn gelehnt, bebend vor Angst, ein kleines Mädchen, aus deren weit aufgerissenen dunklen Augen der Wiederschein der Flammen zuckte Jetzt, ganz von ungefähr, irrte ihr Blick ab, auf mich. Ich kann nichr be­schreiben, was in mir vorging. Die anderen Jungen schafften hurtig Wasser herbei, halfen die Pumpen in Bewegung setzen, lärmten und johlten. Ich aber rührte mich nicht von der Stelle

Erst als die Fabrik bis auf die wenigen Umfassungsmauern niedergebrannt war, gingen die Beiden nach Hause. Ich auch Nachts weckte mich mein älterer Bruder:Was quatschst du denn in einem kort: Regina? Laß mich doch schlafen!"

Am nächsten Tage, in der Lateinstunde, bildete ich das furcht­bare Perfektum oenivi. Was das bedeutet, meine Damen und Herren, das mögen Sie sich von kundigen Quartanern erklären lassen. Es war übe Haupt das größte Verbrechen gegen den hei­ligen Geist der Grammatik. Daß ich nachher in der Geographie die königliche Haupt- und Residenzstadt Breslau auf der Karte von Kleinasien suchte, war ein harmloses Vergehen dagegen.

Reginas Verwandte wohnten in einem Eckbaus am Markt­platz. Dort, an einem Fenster des ersten Stockes, über dem La­den des Kolonialwarenhändlers Siebenlist, war sie, auf erhöh­ter Estrade sitzend und mit einer Handarbeit beschäftigt, fast jeden Nachmittag im Halbformat sichtbar. Wie oft ich stunden­lang im Quadrat um das Rathaus herumging wer hätte das zählen mögen? Und wurde meine Ausdauer auch nur einmal durch den Anblick des schwarzbezopften Mädels hinter der Gar­dine belohnt, so war schon die Seligkeit grob. Zuweilen tauchte neben dem Kopf Reginas auch der Kopf eines riesigen Bern- hardinerhundes auf. Das Tier hatte die Vorderpfoten auf dem Fensterbrett und verfolgte mit Interesse die Vorgänge auf dem Markte.Ach, wenn ich bloß der Hund wäre!" dachte ich. Nicht nur, weil die feine, weiße Hand Reginas mir dann manchmal den Schädel gekraut hätte, sondern weil ich auch immer in ihrer Nähe hätte sein dürfen. Und wirklich, in meiner Phantasie war ich dieser glückliche Bernhardiner. Treu lag ich zu Reginas Fü­ßen, jedes Winkes gewärtig. Ich schützte sie vor Gefahren, die meine Romantik erfand. Und einmal sprang ich einem Kerl an die Kehle, der ihr heimlich die schwarzen Zöpfe abschneiden wollte.

Eines Tages, an dem ich vergeblich Reginas Erscheinen am Fenster erwartete, winkte mich der Kolonialwarenhändler Sie­benlist herbei. Er stand wie gewöhnlich mit seiner langen Ta­bakspfeife vor der Tür:Du kleener Schmidt, was rennste den« eegentlich wie'n wahnsinniger Häring um den Markt?? Haste denn jarnischt zu arbeeten?"

Ich wurde rot bis an den Hals.

Machst woll dem Mädchen da oben Fensterpromenaden, du Lausebengel? Wart', das werd' ich deinem Vater sagen, damit er dir ordentlich das Fell jerbt. Ein nettes Früchte! biste! Weeste denn übrigens nich, daß sie den Dachpappenfritzen beut' früh einjelocht haben, weil er selber seine Fabrik bat aniezunden?*

Ich weiß nicht, wie mir geschah. Ich brachte kein Wort heraus. Als ich mich wiederfand, lag ich auf meinem Bette und heulte.