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Schwarzwälder Tageszeitung „Aus deu Tauueu*
Nr. 101
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Das Grobkreuz der Ehrenlegion für Dr. Schober
Paris, 1 . Mai. Der Präsident der Republik hat heute nachmittag den österreichischen Bundeskanzler Dr. Schober empfangen und ihm bei dieser Gelegenheit die Abzeichen des Eroßkreuzes der Ehrenlegion überreicht. Im Anschluß an seinen Besuch im Elysee wurde Dr. Schober von Ministerpräsident Tardieu empfangen.
Der österreichische Bundeskanzler Dr. Schober hat heute nachmittag die Vertreter der Presse empfangen und in französischer Sprache eine Erklärung abgegeben, in der er nach einem Rückblick auf die wirtschaftliche Entwicklung Oesterreichs in den lebten zehn Jahren seine Dankbarkeit gegenüber der französischen Regierung für ihre Mithilfe am Wiederaufbau des Landes betonte. Nichts liege für die österreichische Handelspolitik näher als das Bestreben, sich nach Möglichkeit Absatzgebiete zu erhalten. Leider werde dies durch die zollpolitische Entwicklung der anderen Länder wesentlich erschwert.
Das Ideal Oesterreichs sei die möglichst grobe wirtschaftliche Freizügigkeit
Daher hätten die Anregungen, die Briand im Sinne einer wirtschaftlichen Annäherung in Europa gemacht habe, vielleicht in keinem anderen Lande begeistertere Zustimmung gefunden als gerade in Oesterreich. In keinem Staat sei auch die Ueberzeugung von der Notwendigkeit der friedlichen Beseitigung aller Konflikte stärker als in Oesterreich. Sein Besuch in Paris, so schloß Schober, habe ihm große Genugtuung bereitet, um so mehr, als manche hoch- gestellte französische Persönlichkeit sich wiederholt in einer sein Vaterland ehrenden Weise ausgesprochen habe.
Oesterreich werde diese Kundgebungen einer ihm wertvollen Freundschaft nicht vergessen In Beantwortung einer Anfrage über den Anschlußgedanken wiederholte Schober in deutscher Sprache die gestrige Bemerkung an die französische Presse, daß Deutschland und Oesterreich ein Volk, aber zwei Staaten seien, und der österreichische Gesandte fügte auf französisch hinzu: Bolk gleich Rasse, gleich Nation. Ebenfalls in Beantwortung einer Anfrage erklärte Schober noch, er werde die Beschwerde wegen der angeblichen Nichtentwaffnung Oesterreichs nachprüfen und nicht nur den gesetzlichen Bestimmungen über das Waffentragen Achtung verschaffen, sondern strengere Bestimmungen über den Waffenbesitz ein- führen. Schober bemerkte, in Oesterreich sei keine besondere Bürgerkriegsgefahr vorhanden, im Notfall habe die Staatsgewalt stets die Macht in der Hand.
Dr. Schober teilte dem Pariser Korrespondenten des : Reuterbüros mit, alles sei für die Ausschreibung einer österreichischen Anleihe innerhalb der nächsten zwei Monate vorbereitet. Die Ausgabe werde in den Händen der Firma I. P. Morgan ». Co. liegen und der Betrag werde 1ÜV Millionen nicht überschreiten. Der Ertrag werde ausschließlich für die Erfordernisse der Post und für den Ausbau der Eisenbahn verwandt werden. Schober sagte weiter, das erste, was er in London tun werde, sei, der britischen Regierung für alle Unterstützung, die sie Oesterreich im Haag zuteil werden ließ, erneut seinen Dank auszusprechen. Bezüglich der Anschlußfrage entwickelte sich folgende Unterhaltung: Frage: Es wird berichtet, daß Sie die Haltung Oesterreichs gegenüber Deutschland als „eine Nation, zwei Staaten" definiert haben; stimmt dies? — Antwort Schobers: Ich habe dies stets aufrechterhalten.
— Frage: Eine politische Union kommt demnach nicht in Frage? — Antwort Schobers: Nein.
Telegrammwechsel Schober-Tardieu Paris, 1. Mai. Der österreichische Bundeskanzler Dr. Schober hat an den Ministerpräsidenten Tardieu ein Telegramm gerichtet, in welchem er seinen Dank für die Gastfreundschaft, die ihm in Paris zuteil wurde, zum Ausdruck bringt. Zum Schluß gibt er dem Wunsche Ausdruck, daß sein Aufenthalt in Paris dazu beitragen möge, die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Frankreich und Oesterreich noch enger zu gestalten.
Hierauf antwortete Ministerpräsident Tardieu: Die französische Regierung werde seinen Besuch in Paris gern in Erinnerung behalten und er dürfe versichert sein, daß der Besuch in hohem Maße dazu beitragen werde, die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Oesterreich und Frankreich noch enger zu knüpfen.
Schober in London
London, 1. Mai. Der österreichische Bundeskanzler Schober ist heute nachmittag halb 4 Uhr hier eingetroffen. Er wurde vom österreichischen Gesandten, den Mitgliedern der Gesandtschaft und einem Vertreter des Foreign Office begrüßt.
Bundeskanzler Schober in London London, 1 . Mai. Der englische Außenminister gab zu Ehren des österreichischen Bundeskanzlers Dr. Schober heute abend im Foreign Office ein Essen, an dem u. a. der Premierminister und die übrigen Mitglieder der Regierung, sowie Lord Cecil, der Lordmayor von London und der Gouverneur der Bank von England teilnahmen. Morgen wird Dr. Schober mit dem Premierminister frühstücken und am Samstag wird er vom König empfangen werden.
Bei der Ankunft am Viktoria-Bahnhof gab Schober der Hoffnung Ausdruck, sein Besuch werde gute Ergebnisse haben. Morgen nachmittag empfängt Schober in der österreichischen (Äsandtschaft die Presse. Der österreichische Gesandte Franckenstein veranstaltete heute abend zu Ehren Dr. Schobers einen Empfang.
„Manchester Guardian" schreibt in einem Leitartikel, Schober, großes Werk, die Befriedung Oesterreichs, werde ! ihm in England eine besonders herzliche Aufnahme sichern.
Scheiden tut weh
Abschied der ausländische» Mitglieder im Generalrat der Reichsbank
Berlin, 30. Avril. Im Anschluß an die Generalssitzung dev Reichsbank hatte Reichsbankpräsident Dr. Luther die Mitglieder des Generalrats zu einer Abschiedsseier eingeladen. Bei dieser Gelegenheit hielt Dr. Luther eine Ansprache, in der er u. a. den scheidenden ausländischen Mitgliedern des Eeneralrats seinen Dank übermittelte und dann ausführte:
„Wenn wir in Erwartung der bevorstehenden Ratifikation )es Voungplanes durch die erforderliche Anzahl von vertrag- chließenden Staaten und heute von Ihnen verabschieden, so vollen wir nicht gleichzeitig von der aufbauenden Kraft des Vertrauens Abschied nehmen, die Sie uns geschenkt haben. Wir Deutschen empfinden es als eine Erlösung von schwerer Last, laß durch die Annahme des Voungplanes die ausländischen itontrollbefugnisse wegfallen. Ich möchte wünschen, daß, nachdem rus dem Mißtrauen des Dawesvlans einstmals das Vertrauen reboren worden ist, nun aus dem Vertrauen des Voungplanes ruch Ihr Vertrauen auf Deutschlands Zukunft eine« neue« An
trieb erfährt, die durch die tatsächliche Entwicklung gerechtfertigt werden möge.
Am wichtigsten aber erscheint mir auch in dieser Stunde das drängende Problem der Gegenwart und naben Zukunft, vor dem nicht nur Deutschland steht: das Problem des Kapitalverkehrs zwischen den Nationen. Wenn der Geldstrom über die Erde beute wieder mit einiger Leichtigkeit fließt, so ist der Kavital- strom an manchen Stellen noch aufgestaut und andere Flächen entbehren deshalb der Befruchtung durch jenen wunderwirkenden Nilschlamm, dem im Wirtschaftsleben das für produktive Zwecke geliehene Kapital darstellt. Daß Deutschland dieses Nilschlammes besonders bedarf, brauche ich nicht näher zu erläutern. Daß hier im Vordergrund die Umwandlung des kurzfristigen Kredits in langfristigen Kredit siebt, ist Ihnen genau so bekannt wie mir. Eine mächtige Kraft zur Unterböblung und Nie- derlegung der Stauwehre liegt in einem wachsenden Vertraue» der Völker zueinander. Sie, meine Herren, können Ihre Arbeit auf das fruchtbringendste fortsetzen, wenn Sie weiter dahin wirken. auch in der breiten Masse der Kapitalisten des Auslandes das Zutrauen zum deutschen Volk und seiner Wirtschaft zu festigen und zu erhöben. Gerade Sie, meine Herren, wissen ja auch auf das genaueste, daß auf die Dauer das deutsche Wirtschaftsleben und damit die Fähigkeit Deutschlands, seine internationalen Verpflichtungen zu erfüllen, von nichts mehr abhängt als von der Bereitwilligkeit der ausländische« Märkte.
Neues vom Tage
Sitzung des Reichskabinetts — Osthilfe Berlin, 1. Mai. Die Reichsregierung trat heute vormittag zu der angekündigten Kabinettssitzung zusammen. Auf der Tagesordnung steht die Erledigung einer Reihe geschäftlicher Angelegenheiten, die sich in der Osterpause angesam- melt haben, ferner vor allem die Osthilfe. Die Grundlage der Beratung bildet die Vorlage, die das Reichsinnenministerium unter Beteiligung der übrigen interessierten Ministerien ausgearbeitet hat. In politischen Kreisen herrscht der Eindruck vor, daß diese Vorlage in den letzten Tage» noch wesentlich ergänzt wurde durch eine stärkere Einbeziehung des Siedlungsgedankens.
Um die Aufhebung des Stahlhelmverbots Berlin, 1. Mai. Die vom Reichskanzler Brüning wegen der Aufhebung des Stahlhelmverbots für Rheinland und Westfalen gewünschte Besprechung zwischen Ressorts des Reiches und dem preußischen Innenministerium, ist, laut Börsenkurier, von Reichsinnenminister Dr. Wirth zu» 9. Mai einberufen worden.
Die Arbeiten der Saarkonferenz Paris, 1. Mai. Die erste Unterkommission der Sparkonferenz (für Erubenfragen) hat eine Sitzung abgehalten. Am 2. Mai wird die zweite Unterkommission (für Zoll- und Handelsfragen) zusammentreten. Damit haben die beide« Unterkommisstonen ihre Arbeiten gemäß dem vor Oster« zwischen den Führer der beiden Saardelegationen vereinbarten Arbeitsproaramm ausgenommen.
Fortsetzung der Kabinettsberatungen Freitag vormittag Berlin, 1. Mai. Die Sitzung des Kabinetts wurde gegen 2 Uhr abgebrochen; sie wird Freitag vormittag fortgesetzt werden. Die Frage der Rückkehr des Staatssekretär» Schmidt, mit der sich das Kabinett gleichfalls befassen wollt«, ist noch nicht zur Erörterung gelangt.
Lest imsm »rilung!
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Urheber-Rechtsschutz durch Verlag Oskar Meister. Werdau (8. Fortsetzung.)
Als der Kreis abgeschritten ist, winkt der König den Musikanten und befiehlt einen Mazurka.
„Er ist doch ein Kavalier. Zeig' Er es uns. Tanz' Er. Er darf sich die Schönste wählen."
Da kommt ein wilder Trotz über den Jungen. Du sollst mich nicht unterkriegen, denkt er übermütig. Ich bin ich, Herr König.
„Wie Ew. Majestät befehlen!" schmetterte seine kraftvolle Helle Stimme durch den Saal. Seine prachtvolle Gestalt strafft sich, und ohne weitere Worte des Königs abzuwarten, tritt er zur Fürstin von Leuchtenburg.
Er verbeugt sich, als habe er nie einen Hammer geschwungen, als sei er zeitlebens ein Kavalier gewesen, und bittet: „Darf ich Ew. Fürstliche Hoheit um die Gnade eines Tanzes bitten?"
Die junge, schöne Frau sieht ihn fassungslos an, dann blickt sie auf ihren Gatten, der an ihr vorbeisieht.
Der König hat gesprochen. Sie darf es und tut es.
Der Schmied tanzt mit der Fürstin. Die ganze Hofgesellschaft steht starr.
Friedrich Augsburger kann tanzen. Sicher hält er die Fürstin im Arm und führt sie über das spiegelglatte Parkett. Die prächtige Musik dringt ihm durch alle Glieder und löst alles Schwere in ihm.
Die Fürstin tanzt wie im Traum. Sie denkt keinen Augenblick daran, daß sie mit dem Schmied von Jlsleben tanzt, sie sieht nur seine jugendschöne Erscheinung, seine feuersprühenden Augen und das weiche, lockige Haar.
Sie fühlt mit einem Male, daß das Herz in der Brust kein toter Stein ist, daß die Sehnsucht nach etwas Glück in ihr erwacht, die sieghafte Schönheit des Tänzers reißt sie fort. Dich könnte ich lieben, du Stolzer!
Als sie geendet haben und der junge Schmied seine Tänzerin zurückgeführt hat, herrscht Totenstille im Saal.
„Hör' Er, Friedrich Augsburger. Sein König hat nicht gescherzt. Er ist von heute ab Rittmeister bei den Garde-Ulanen. Ich verleihe Ihm den Adel. Er heißt von heute Friedrich von Augsburger und kehrt mit mir morgen zum Hofe zurück. Hat Er mich verstanden?"
3.
Eine wertvolle Aussprache Als der neugebackene Rittmeister Friedrich von Augs- ' burger mit dem König in Berlin eintraf, erregte seine ungewöhnliche Schönheit bei den Berlinern sofort Aufsehen. :
Der Hof steckte sofort die Köpfe zusammen und riet nach allen Himmelsrichtungen. ^
Bald kam es heraus: Rittmeister Friedrich von Augs- ! burger! s
Man sah sich an und strengte den Geist an, der bei ' vielen gar nicht vorhanden war. i
Rittmeister von Augsburger. j
Keiner kannte die Familie. s
Da steckte irgendein Geheimnis dahinter! Und man s beschloß, die Augen aufzuhalten. i
Der König schmunzelte innerlich, als er die gespannten s Gesichter sah. »
Aber er schwieg. s
Selbst sein Kammerdiener Eversmann, der die seltene s Kunst verstand, alles aus dem König herauszuholen, ver- i sagte. j
Am Tage nach dem Eintreffen ließ der König den Eene- f ral seiner Grenadiere, von Klettenberg, zu sich kommen, i „Klettenberg, hör' Er! Ich habe da einen jungen > Mann mitgebracht. Den Herrn von Augsburger, den ich ? zum Rittmeister ernannt habe. Hör' Er, der Mosjö ist k Rittmeister, aber er versteht von militärischen Dingen ° nichts. Was machen wir da, Klettenberg?" '
' Der General legte die Stirn in Falten und tat, als > ob er überlegte. Aber er gab sich in Wirklichkeit keine ! Mühe, denn er wußte, daß der König, so leicht er in vielen Dingen zu beeinflussen war, dann keinen Rat haben s wollte, wenn er einmal scheinbar um Rat bat.
^ „Ew. Majestät —!" ^
' „Halt, ich hab's, Klettenberg. Hör' Er! Ich geb' Ihm - Order, aus dem jungen Mann einen tüchtigen Offizier zu ; machen. Er hat im 2. Grenadier-Regiment den Feldwebel s Wohrizek. Der soll ihn einexerzieren. Hör' Er, Kletten- ! . berg. Wie einen gewöhnlichen Rekruten."
„Majestät wollen bedenken, der Wohrizek ist ein guter Soldat, aber ein grober Kerl."
^ „Was tut das, Klettenberg. Mag er ihn schurigeln.
, In acht nehmen soll er sich aber, der Augsburger ist ein ! , noch gröberer Kerl." ;
„Majestät wollen bedenken, Herr von Augsburger ist; : Rittmeister." s
? „Den Deubel! — Ja Er hat recht. Den Deubel! Was I tun wir denn da ' Klettenberg, ich habe einen Gedanken, l
Ich werde ihn selbst einexerzieren. Ich, sein König! Das soll mir eine Freude sein."
General von Klettenberg machte ein Gesicht, für das man nur eine unparlamentarische Bezeichnung haben konnte.
Was bedeutet das alles? Der König exerziert den Rittmeister selbst ein. Wer ist der Rittmeister von Augsburger? Der König ist höchst interessiert für ihn.
Das muß er Erumbkow melden.
Als er das Schloß verließ, traf er wie zufällig auf den Kammerherrn von Metzingen, einen dicken, kleinen Herrn j mit gutmütigen Zügen.
„Guten Morgen, Exzellenz", begrüßte Herr von Metzingen den General. „Sie kommen von Sr. Majestät?"
„Jawohl, Herr Kammerherr."
„Immer im Dienste, Herr von Klettenberg. Wahrhaftig, ich beneide Sie nicht."
Als er das aussprach, verging er vor Neugierde. Das wußte der General. Aber die Schmeichelei verfehlte ihre Wirkung nicht.
„Dieser Augsburger!"
„Meinen Sie den jungen Menschen, den Majestät mitgebracht haben?"
Der General nickte.
„Man wird nicht klug, was mit dem Herrn von Augsburger los ist. Ein exzellenter, scharmanter Mensch, Herr Kammerherr. Haben Sie ihn schon kennengelernt?"
„Noch nicht, Herr von Klettenberg. Sie vermuten i» ihm eine Persönlichkeit, eine Hoheit vielleicht?"
„Wer weiß es", brummte der General. „Sicher ist, daß er vom König selbst für die preußische Armee ausgebildet wird."
Nach den Worten reichte er dem Kammerherrn die Rechte, grüßte und trat aus dem Schloß.
Der Kammerherr stand noch eine Weile sinnend da. bis er sich entschloß, bei der Königin um Audienz zu bitten.
Zwei Minuten dauerte die Unterredung.
Als der Kammerherr die Königin verließ, strahlte sein dickes Gesicht vor Befriedigung.
Dem neugebackenen Rittmeister wurde auf Befehl des Königs ein Zimmer im Schlosse durch den Schlotzhaupt- mann Soldin angewiesen. Auch Eversmann, der Kammerdiener des Königs, war dabei.
Als Friedrich in das schmucklose, kahle Zimmer trat, wehte ihm ein muffiger Geruch entgegen.
(Fortsetzung folgt.)