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Mrrrnmer 101

Aitenftetg» Fveltag den 2. Mai 1930

63. Jahrgang

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Die Maikundgebung der Sozialdemokraten

Berlin, 1 Mai. Der Aufmarsch der sozialdemokratischen Or­ganisationen zur Maifeier im Lustgarten erfolgte in den ersten Stunden des Nachmittags gemäß dem vorher vereinbarten Pro­gramm, das eine möglichst weitgehende Trennung der kommu­nistischen und der sozialdemokratischen Kundgebung vorsah. Die Mitglieder der sozialdemokratischen Verbände hatten sich vor­mittags in den 23 größten Sälen Berlins versammelt und setzten sich von dort aus allmählich in einzelnen Abteilungen in Marsch. Die Polizei beschränkte sich auf den Ordnungsdienst vor öffent­lichen Gebäuden. Von der Rednertribüne vor dem Alten Mu­seum aus sprach der Vundesvorsitzende des Allgemeinen Deut­schen Eewerkschaftsbunds, der Reichstagsabgeordnete Peter Eratz- mau«, der gegen das Kabinett polemisierend u. a. eine Ver­kürzung der Arbeitszeit sowie den Ausbau der Arbeitslosen­versicherung als notwendige Forderungen bezeichnet«. Der ge­samte An- und Abmarsch, der mehrere Stunden in Anspruch »ahm. verlief bis auf kleinere Zwischenfälle reibungslos.

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Die Maifeier der Kommunisten in Berlin

Berlin, 1. Mai. Die Maifeier der Kommunisten verstopfte die Zugangsstraßen zum Lustgarten und zum Schlobvlatz. Die Ver­anstalter batten alles aufgeboten, um ihre Kundgebung recht eindrucksvoll zu gestalten. Ein besonders aufreizend zusammen- »estellter Zug von Kriegsbeschädigten marschierte um den ganzen Lustgarten beraum Eine große Anzahl von Tafeln und raren Sahnen ragte über die Köpfe der Massen empor. Nach dem ge­meinsamen Gesang der Internationale sprachen die Abgeordne- ten Thälmann. Neumann und Pieck, sowie führende Arbeiter­funktionäre der Berliner Großbetriebe und der revolutionären Gewerkschaftsopposition. Nach dem Fanfarenmarsch, der von den mitgefübrten Kapellen gespielt wurde, legten die Demonstran­ten ein Massengelöbnis ab, für den Kommunismus zu kämpfen. An der Demonstration batten ungefähr 50 000 Menschen reilge­nommen, während nur 32 000 der Polizei angesagt worden wa­ren. Beim Abmarsch der Demonstranten, die in zwei Hauvtzü- »en nach Neukölln und zwei großen Zügen nach dem Norden zo­te«, wurden Rot-Front-Rufe laut. Vor dem Alten Museum brachte die Menge ein dreifachesPfui Deibel" auf Zörgiebel «nd die Schupo aus. Während des Aufmarsches gab es ver­einzelte Ausschreitungen.

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Die Maifeiern in Hamburg

Hamburg, 1 .Mai. Die traditionellen Maidemonstrationen find bis zum Mittag bei völliger Feiertagsruhe und begünstigt von schönstem Frühlingswetter ruhig verlaufen.

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Die Maifeiern in Münchkn

München, 1. Mai. Etwa 15 000 Teilnehmer des Maiumzuges versammelten sich auf der Theresienwiese vor dem Standbild der Bavaria, wo Reichstagsabgeordneter Tarnow-Berlin eine Anspracheüber 40 Jahre Maifeier" hielt. Die Kundgebung »ing in vollkommener Ordnung auseinander. Während der Kundgebung versuchten Kommunisten in einem geschlossenen Zuge etwa 200 Mann gleichfalls auf die Theresienwiese zu «eben. Der Zug wurde von Schutzleuten aufgelöst. Wie die Blät­ter melden, wollten in der Nacht rum 1. Mai die Kommunisten au den Kirchen Münchens religionsfeindliche Inschriften an- bnnaen. Die Polizei beugte durch verstärkten Patrouillendienst vor. Emrge Kirchen batten auch einen eigenen Schutzdienst ein- «ruylet.

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Ruhiger Verlauf im Ruhrgebiet

Esten, 1. Mai. Nach den bisher vorliegenden Meldungen ist der 1. Mai im ganzen Ruhrgebiet ruhig verlaufen. Die Be­teiligung an den Umzügen der beiden Linksparteien war nicht besonders zahlreich, zum Teil noch schwacher als im Doriayre. In den Betrieben wurde fast vollzählig gearbeitet. So fehlten u. a. bei der Firma Krupp in Esten 5,4 Prozent der Belegschaft, und im Rubrberabau feierten 12,07 Prozent der Belegschaft.

Maifeiern der Arbeiterschaft

Stuttgart, 1. Mai. Der Parole der Gewerkschaft« folgend, herrschte in der Industrie Arbeitsruhe, der sich auch die tech­nischen Arbeiter und Angestellten der Verkehrsunternehmungen angeschlosfen haben. Straßenbahn und Autobusgesellschaft haben dagegen in ihrem fahrplanmäßigen Verkehr keine Aenderung eintreten lasten. Die der Sozialdemokratie angehörige Arbeiter­schaft sammelte sich vormittags am Feuerseeplatz und veranstal­tete unter Begleitung von mehreren Musikkapellen und Mit­führung zahlreicher roter Fahnen und Transparente einen großen Demonstrationszug durch die Stadt zur Stadthalle, wo die eigentliche Feier stattfand. Die kommunistischen Arbeiter

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j kamen auf polizeiliche Anordnung, damit keine Kollisston enl- k stehen konnte, erst zwei Stunden später um 11 Uhr auf dem ! Marktplatz zusammen, von wo sie nach einer kurzen Kundgebung ! mit Ansprachen ebenfalls einen Demonstrationszug durch ver­schiedene Straßen der Stadt veranstalteten. In dem kommu­nistischen Zuge, der etwa 1 Kilometer lang war und eine Stö­rung des Straßenbahnverkehrs auf die Dauer von einer Viertel­stunde zur Folge hatte, fielen besonders die zahlreichen Schul­kinder auf. Die Kundgebungen verliefen sämtlich ohne Störung.

Die Maikundgebung in Dresden

Dresden, 1. Mai. Der 1. Mai ist hier bis in die Abend­stunden in vollkommener Ruhe verlaufen. Die S.P.D. veranstaltete nachmittags in der dritten Stunde auf dem Theaterplatz eine Kundgebung, an der nach polizeilicher Schlitzung etwa 910 000 Personen teilgenommen haben. An dem Demonstrationszug der Kommunisten nahmen etwa 3500 Personen teil. Weder bei den Veranstaltungen selbst, noch beim Abmarsch der Teilnehmer brauchte die Polizei einzuschreiten. *

Ruhiger I. Mai im Rheinland

Köln, 1. Mai. Nach den bisher vorliegenden Meldun­gen ist der 1. Mai in Köln ohne jeden Zwischenfall verlau­fen. Die Kommunisten und die Sozialdemokraten ver­anstalteten Umzüge, die eine große Beteiligung aufwiesen. Nach den bis 6 Uhr abends vorliegenden Meldungen ist der Tag auch in der Stadt Wuppertal, sowie in den größeren und kleineren Städten des belgischen Landes ruhig ver­laufen.

Zwischenfälle bei der Wiener Maifeier

Wien, 1. Mai. Der heutige Mai-Aufmarsch der Sozial­demokratischen Partei zum Rathaus ist ohne nennenswerte Zwischenfälle verlaufen. Auch die Versammlung der Kom- munnistischen Partei auf dem Freiheitsplatz und der an­schließende Zug über die Ringstraße nahmen den pro­grammgemäßen Verlauf. Mehrere Tafeln mit Aufschriften und Karikaturen gesetzwidrigen Inhalts, welche die Kom­munisten in ihrem Zuge mitzuführen beabsichtigten, wur­den beschlagnahmt. Während des Marsches der Kommu­nisten auf die Ringstraße störten Nationalsozialisten durch Rufe, wobei es zu einem Zusammenstoß zwischen ihnen und den Zugteilnehmern zu kommen drohte. Die Sicherheits­wache trennte die Gegner. Als das Ende des kommunisti­schen Zuges im Begriff war, den Schwarzenberg-Platz zu verlaßen, machte eine Gruppe der kommunistischen Zug­teilnehmer Miene, sich gegen einen Zug sozialdemokratischer Turner zu wenden. Als die Sicherheitswache einschritt, nahmen die Kommunisten gegen die Sicherheitsbeamten Stellung, so daß sie unter Anwendung des Gummiknüp­pels zerstreut werden mußten. Im Zusammenhang mit den erwähnten Kundgebungen wurden insgesamt 25 Per­sonen den zuständigen Bezirkspolizeikommissariaten zu­geführt. E

1. Mai in Frankreich

Paris, 1. Mai. Der 1. Mai ist nach den bisherigen Berichten in Paris und in der Provinz fast völlig ruhig verlaufen. Keine der in Paris angekiindigten Kundgebungen hat wegen Mangels an Beteiligung stattgefunden. Demonstrationsversuche wurden durch die Polizei verhindert. Zu kleineren Zwischenfällen kam es im Pariser Vorort St. Denis, wo der kommunistische Bürger­meister und Abg. Doriot eine Straßenkundgebung organisieren wollten. Doriot und mehrere kommunistische Eemeinderäte find verhaftet worden. Die Gesamtzahl der Verhaftete» in Paris »nd Umgegend beträgt 223, darunter 43 Ausländer. Die Ver­haftungen erfolgten wegen unbefugten Waffentragens, Arbeits­behinderung und Flugschriftenoerteilung. In Lyon wurde ein Italiener wegen Verteilung von Flugschriften festgenommen. Zn St. Etienne sind 13, in Firminy 15 Verhaftungen vorgenom­men worden. Unter den Verhafteten befinden sich ein Lehrer und eine Lehrerin. In Paris und Umgegend feiern 112 951 von insgesamt 587 460 Arbeitern.

Die Maifeier in Moskau

Moskau, 1. Mai. An der Maifeier in Moskau haben über 850 000 Personen teilgenommen. Auf dem Roten Platz fand in Anwesenheit der Mitglieder der Regierung, des diplomati­schen Corps, einer Reihe von Arbeiterdelegationen aus dem Auslande und aus verschiedenen Städten der Sowjetunion die traditionelle Parade der Roten Armee statt, die Woroschilafs abnahm. Die gesamten Feierlichkeiten find auf zwei Tag- berechnet.

Tagung der WittWstMttei

Für ein Arbeitsdienstvilichtjahr

Berlin, 1. Mai. Der Reichsausschuß der Reichspartei de« Deutschen Mittelstandes lWirtschaftsparteil trat am Donners­tag im Reichstag zu einer Sitzung zusammen, an der Reichs- justizminister Dr. Brcdt, die Fraktionen des Reichstages und der Landtag sowie die Vertreter der Wahlkreisverbände teilnab« men. Nach dem Bericht des Parteivorsitzenden Drewitz über die politische Lage unter besonderer Hervorhebung der Gründe, die die Wirtschaftsvartei zum Eintritt in die Regierung bewogen hätten, wurde einstimmig ohne Aussprache folgende Entschlie­ßung angenommen: Der Reichsausschuß der Wirtschaftspartei billigt nach der Entgegennahme des ausführlichen Berichtes des Parteioorsitzenden Drewitz über die Gründe der Beteiligung der Wirtschaftsvartei an dem Kabinett Brüning einstimmig das Verhalten der Reichstagsfraktion und spricht dem Parteivor­sitzenden Drewitz sowie der Reichstagsfraktion das volle Ver­trauen aus.

Ueber die Reform der Arbeitslosenversicherung berichtete Abg. Freidel. Im Anschluß an diesen Bericht sprach der Reichsaus­schutz in einer Entschließung einstimmig die Meinung aus, daß an eine weitere Erhöhung der Beiträge zur Arbeitslosenversiche­rung in den kommenden Jahren nicht gedacht werden könne. Man werde vielmehr versuchen müssen, den Beitrag wieder auf 3 Prozent zu senken. Besonders notwendig sei es, die Arbeitslo­senfürsorge produktiv zu gestalten Der in diesem Sinne gehal­tene Antrag der Reichstagsfraktion werde voll gebilligt. Die fortschreitende Rationalisierung auf allen Gebieten des Wirt­schaftslebens werde aber auch in den kommenden Jahren ein großes Arbeitslosenheer zur Folge haben. Darum sei es not­wendig. neben der produktiven Erwerbslosenfürsorge an die Einführung eines Arbeitsdienstpflichtjahres heranzugehen. Die Wirtschaftsvartei sehe hierin die einzige Lösung zur wirklichen Behebung der Arbeitslosigkeit in Deutschland. Eine Kommission zur Bearbeitung dieser Fragen unter dem Vorsitz des Staats­ministers a. D. Wilhelm-Dresden wurde eingesetzt

Partei -er Reichserneuerung"

Eine programmatische Rede des Borfitzenden der Deutschen Volkspartei

Königsberg, 1. Mai. Auf einem von der Deutschen Volkspartei veranstalteten staatspolitischen Abend hielt der Parteivorsitzende Reichsminister a. D. Dr. Scholz eine Rede zur politischen Lage, in der er u. a. aussührte:

Zn den vergangenen Monaten seit dem Tode unseres unvergeßlichen Stresemann ergaben sich für die aktive Politik der Deutschen Volkspartei große Aufgaben, zumal die Fortführung der Außenpolitik Stresemanns bis zum vorläufigen Abschluß der Annahme der Pounggesetze und der damit verbundenen Erreichung der Befreiung des be­setzten Gebietes zum 30- Juni. Das führte zur einheit­lichen Stellungnahme der Fraktion und der Partei für die Annahme der Tributgesetze trotz lebhafter Be­denken, führte auch zur Annahme der Liquidationsabkom­men. Die Deutsche Volkspartei war bereit, diese große« Aufgaben mit der Sozialdemokratie zu lösen und hat bis zur Preisgabe wirtschaftlicher Grundanschauungen die Hand zum Kompromiß geboten. Die Sozialdemokratie hat dieses Kompromiß, das die von ihr selbst geführte Regierung sich zu eigen machte, abgelehnt und damit die Krise herbei­geführt. Die Entschlußkraft Hindenburgs schuf binnen weniger Tage das Kabinett Brüning, das die volle Unter­stützung der Deutschen Volkspartei genießt, das sich in schweren parlamentarischen Kämpfen behauptete und die Grundlage des Haushalts für 1S3V durch Annahme einer Reihe indirekter Steuern, ferner die Agrarreform geschaffen

hat. Die nächste politische Arbeit unserer Fraktion im Reichstag wird der Erfüllung des Versprechens der fühl­baren Senkung der direkten Steuern (Real- und Einkom­mensteuer) von 1931, einer damit untrennbar verbundenen starken Sparsamkeitsaktion auf allen Gebieten des Haus­halts, einem vernünftigen Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden und dem großen Problem der Reichsreform zu gelten haben. Eine durchgreifende Hilfe für den Osten im Sinne des Hindenburgprogramms wird ihre Unterstützung finden, damit der deutsche Osten ein festes Bollwerk sei und bleibe gegen das zersetzende Ele­ment des Bolschewismus. Die alten nationalen und libe­ralen Zdeen der Deutschen Volkspartei sind noch immer lebendig und lebenskräftig. Gleiche Ideen haben vor 120 Jahren das niedergeschlagene Preußen wieder groß ge­macht und die alte Nationalliberale Partei wurde mit dem EhrennamenPartei der Reichsgrllndung" bedacht. Möge die Deutsche Volkspartei dereinst diePartei der Reichs­erneuerung" genannt werden!