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ZUtensteig, Dienstag den 29. April 1930.
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Am 30. April werden in Paris die Verhandlungen über das Saargebiet wieder ausgenommen. An der Spitze der deutschen Delegation steht der frühere Staatssekretär Dr, von Simson, an der Spitze der französischen Abordnung ein Mitgl des französischen Kabinetts, Minister Pernot. Die Verhandlungen dauern bereits seit dem 11. November 1929. Eine Einigung ist bisher noch in keinem wesentlichen Punkte erzielt worden. Nach dem Versailler Vertrag soll im Jahre 1936 eine Volksabstimmung der Saarländer darüber stattfinden, ob das bisherige Völkerbundsregimc weiterdauern, ob das Saarland zu Deutschland zurückkehren oder aber in den Verband des französischen Staates übergehen soll. Die jetzigen deutsch-französischen Verhandlungen bezwecken die Erledigung der Saarfrage vor der Volksabstimmung, da kein Zweifel darüber besteht, daß die Saarländer mit erdrückender Mehrheit für die Rückkehr zu Deutschland stimmen werden.
Die Verhandlungen drehen sich zurzeit in erster Linie um zwei wirtschaftliche Fragen: 1. um die künftige Behandlung der Saarkohlengruben und 2. um das Zollübergangsregime. —
Die Saarkohlengruben waren seinerzeit an Frankreich abgetreten worden, um den Franzosen für die zerstörten nordostfranzösischen Steinkohlengruben Ersatz zu schaffen. Inzwischen fördern die Franzosen aus ihren nordöstlichen Gruben mehr Kohlen als je in der Vorkriegszeit. Die Saarkohlen sind für Frankreich keine reine Freude, sondern eher eine Last, die nur dadurch tragbar wird, daß Deutschland sich bereit erklärt hat, einen Teil der Saarkohlen abzunehmen. Die Absicht der französischen Regierung geht dahin, im Saargebiet ein Kondominium Frankreichs und Deutschlands in bezug auf die Kohlengruben zu schaffen. Die Reichsregierung widersetzt sich einem solchen Plan, da sie unter keinen Umständen in eine Minderung der deutsche« Souveränität willigen möchte. Dagegen wird es sich nicht ganz vermeiden lassen, daß den Franzosen eine gewisse Beteiligung an einigen Saargruben zugestanden wird. Dies gilt besonders für die Gruben im südlichen Saargebiet, de»
Warndt, das von französischen Gruben auf lothringischen Boden in Ausbeutung genommen worden ist. Da sich di< angrenzenden französischen Gebiete auf den Bezug vor Saarkohlen eingestellt haben, wird Frankreich gewisse Be ,üge von Saarkohle auch unter dem deutschen Regime fort- zssetzt haben wollen. Zur wichtigen Frage, zu welchem Preise Deutschland die Saargruben von Frankreich zurück- rrwerben soll, muß hervorgehoben werden, daß bei dem lioßen internationalen Kohlenüberfluß die Bewertung der vaargruben, wie sie vor zehn Jahren vorgenommen wor- »en ist, einer gründlichen Revision unterzogen werden muß.
Die zweite wirtschaftliche Saarfrage, die des Zollüber- prngsregimes, wird nicht viel leichter zu lösen sein als di- erste. Wie unvernünftig die Einfügung des Saarlandes in das französische Zollgebiet war, ergibt sich aus der Tatsache, daß das Saarland ohne die Zugeständnisse Deutschlands auf zollpolitischem Gebiete (Gewährung zollfreier Kontingente auf deutsche Waren) gar nicht lebensfähig gewesen wäre. Deutschland und Frankreich haben neben dem eigentlichen Handelsvertrag ein Sonderabkommen über die wirtschaftliche Behandlung des Saargebietes abgeschlossen. Das französische Zollregime an der Saar soll bis zum Abstimmungstermin (also bis zum Jahre 1935) dauern. Aus eine frühere Preisgabe ihrer Rechte werden sich die Franzosen kaum einlassen. Aber deutscherseits muß verlangt werden, daß die llebergangsbeftimmungen nach dem Jahre 1935 so kurz wie irgend möglich bemessen werden. Es wird schon schwierig genug sein, unter deutschem Regime Jahre hindurch französisches Zollrecht anwenden zu lasten. Wenn behauptet wird, Deutschland habe ein alleiniges Interests au der frühzeitigen Erledigung des heutigen Saarregimes, so entspricht das nicht den Tatsachen. Frankreich hat nur die Wahl, jetzt auf dem Verhandlungswege deutsche Zugeständnisse auf wirtschaftlichem Gebiete zu erzielen oder aber der Gewißheit entgegenzugehen, daß sich im Jahre 1935 die Saarbevölkerung mit überwältigender Mehrheit für Deutschland erklärt und Frankreich leer ausgeht.
Dr Groll.
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WW. Im Agrarreformgesetz, das kurz vor Ostern ver rbschiedet worden ist, hat die Reichsregierung einige Er «ächtigungen erhalten, die es ihr ermöglichen werden, aus »em Verordnungswege Maßnahmen zu treffen, die kurz- sristig in Kraft treten sollen. Bereits zwei Tage später — am Gründonnerstag — hat Las Reichskabinett von »iesem Recht erstmalig Gebrauch gemacht. Es hat den aus L RM. je Doppelzentner festgesetzten Weizenzoll auf 15 RM. erhöht, und zwar mit Wirkung ab 25. April. Da im Agrar- ceformgesetz vorgesehen war, daß der Zoll für Braugerste ich nach dem Weizenzoll richten soll, ist in der gleichen Verordnung auch der Braugerstenzoll auf 15 RM. je Doppel- »entner erhöht worden. Der Zoll für Futtergerste wird lO RM. betragen. Gegen diese erste Agrarverordnung ist -ingewandt worden, daß sie ungerechtfertigt sei, da der Preis für Weizen an den deutschen Produktenbörsen de« Nichtpreis von 260 RM. die Tonne bisher nicht unter- chritten habe. An amtlicher Stelle wird hierzu bemerkt, >aß die Preisentwicklung auf dem internationalen Weizen- "arkt die Befürchtung aufkommen lasse, der deutsche Wei- Mpreis werde unter die Richtzahl von 260 RM. je Tonne zedrückt werden. Nach dem Gesetz vom 15. April müsse im Jahresdurchschnitt ein Preis von 260 RM. erzielt werde«. Das sei nicht möglich, wenn der Preis auch nur einige Zeit hindurch Wesentlich unter die genannte Grenze sinke. —> Weitergehende Anregungen des Reichsernährungsministers sind bis nach der Osterpause verschoben worden. Diese Anregungen bezogen sich auf eine Erhöhung des Erbsenzolls, auf Werterhöhung der Einfuhrscheine für Roggen, Hafer and Gerste und auf Einführung von Einfuhrscheinen für »md- und Hammelfleisch sowie für Kartoffelstärke.
Eine Ermächtigung, die der Reichsregierung auf lange Frist erteilt worden ist, erstreckt sich auf die Schaffung von vtempelvorschriften für die aus dem deutschen Markte zum verkauf gestellten Eier. Die auf Bereitstellung eines deutschen Qualitätseies gerichteten Bestrebungen haben bisher «rr geringen Erfolg gehabt. Wohl find die mit dem Adler- jtempel versehenen Jnlandseier qualitativ einwandfrei, sie stammen zumeist von Genossenschaften, die sich auch im
Kamen ihrer Mitglieder zur strengen iLinyanung gewlger Bedingungen verpflichtet haben. Aber dies Qualitätsei wird noch nicht in ausreichenden Mengen angeboten. Der deutsche Jnlandsmarkt ist mit Kühlhauseiern überschwemmt, die meist aus dem Ausland stammen, und die häufig irreführende, auf deutschen Ursprung hinweisende Stempel tragen. Das Reichsernährungsministerium bereitet eine Verordnung vor, der zufolge künftig alle Auslandseier den herkunftsstempel tragen müssen. Gleichzeitig muß die qualitative Hebung des deutschen Jnlandseies fortgesetzt werden. Es muß dahin kommen, daß alle deutschen Frischeier einheitlich geprüft und qualitativ bezeichnet werden Dann läßt sich auch ein Preis erzielen, der es den deutschen Züchtern lohnend erscheinen läßt, der Eierproduktion zrößere Sorgfalt zu widmen, als das bisher geschehen ist. Das Ziel ist natürlich das, Deutschland aus eigener Äeber- >eugung mit Eiern zu versorgen und die rung 400 Millio- aen RM. zu sparen, die wir jährlich für importierte Eiei rn das Ausland bezahlen. Mit Regierungsverordnungen ttlein läßt sich ein Wirtschaftszweig natürlich nicht sanieren vielmehr muß die Energie und die Einsicht der Produzenten hinzukommen. Das wird gelingen, wenn durch die Regierungsverordnungen glaubhaft gemacht wird, daß der fleißige und gewissenhafte Produzent auch den materiellen Loh« für seine Mühe ernten wird.
Reue reutschaattonale Spaltmg?
Berlin, 29. April. Die Mehrheit der deutschnationalen Reichstagsfraktion wird sich am Donnerstag abend unter dem Vorsitz des Grafen Westarp in einer Sondersitzung mit der Entschließung des deutschnationalen Parteivorstandes beschäftigen. In der Einladung, die Graf Westarp zu dieser Sitzung hat ergehen lassen, nennt er die Entschließung des deutschnationalen Parteivorstandes u. a. einen „unzulässigen Eingriff in die Freiheit" der deutschnationalen Reichstagsfraktion. Wie die deutschnationale Fraktionsmehrheit im einzelnen Vorgehen wird, soll am Donnerstag abend entschieden werden. Die Frage, ob der Bruch mit Hugenberg schon jetzt erfolgen soll, wird, wie der „Vor
wärts" wissen will, in maßgebenden deutschnationalen Kreisen in dem Sinne als entschieden betrachtet, daß 31 deutschnationale Abgeordnete die deutschnationale Reichstagsfraktion am 1. Mai unter Protest verlassen.
In einer Zuschrift an die „Deutsche Tageszeitung" „von unterrichteter Seite" heißt es: „Wir glauben richtig orientiert zu sein, daß die Fraktionsmehrheit sich dem Beschluß des Parteivorstandes nicht fügen wird. Die deutsch- nationale Reichstagsfraktion hat zu viel selbständige Persönlichkeiten und die Dinge sind viel zu weit fortgeschritten, als daß mit einer Duldung derartiger Provokationen zu rechnen wäre. Dazu sind auch die Kräfte zu stark, die hinter der Fraktionsmehrheit stehen.
Unter der Ueberschrift „Fraktion Schiele?" sagt die „Deutsche Zeitung": Wenn sich erst innerhalb der Fraktion eine Sonderfraktion bildet, die zu Sondersitzungen Zusammentritt, dann wird die „Fraktion Schiele" als verlängertes Zentrum zur politischen Tatsache. Man darf nur dem Parteivorstand und der Parteivertretung, die schließlich die Träger der Bewegung sind, nicht zumuten, daß sie dann den offensichtlichen Mißbrauch des Namens „Deutschnational" noch dulden.
Deutscher Bsdeurefomtag
Würzburg, 28. April. Der Bund Deutscher Bodenreformer hält unter dem Vorsitz seines langjährigen Führers Dr. h. c. Adoll Damaschke seinen 33. Bundestag ab. Nachdem Vorstand unk Mitgliederversammlung geschlossene Sitzungen abgehalten hatten, wurde die öffentliche Tagung eingeleitet durch eine Ansprache des Regierungsrats Dr. Seilmann vom Reichsarbeits- Ministerium. Nach weiteren Begrüßungsansprachen nahm der Bundesvorfitzende Dr. Damaschke das Wort zu einem Vortrar über Arbeit und Aufgaben des Bundes deutscher Bodenreformen Nach einem lleberblick über die bodenreformerische Literatur d« letzten Zeit kam er auf die aktuellen Fragen der Lodenreforme- rischen Arbeit zu sprechen. Nur mit großer Sorge kann d« Wissende die Entwicklung unseres Hypothekenmarktes verfolge« Gerade jet-.t fühlt das Großkapital sich stark genug, einen Verstoß zu wagen, den unser Bund vor dreißig Jahren in schwerste» Kamvke abgewehrt bat: die privaten Hypothekenbanken forder» -ür ihre Pfandbriefe die Mündelstcherbeit. Bisher ist es uns ge Zungen, diese drohende Gefahr abzuwenden. Wohin das heutig« Bodimrecht führt, das hat sich bei den Verhandlungen des Preußischen Untersuchungsausschusses über die Grundstückssejchäft, der C-üdt Berlin gezeigt. Berlin har über Hunderte von Millionen in den Bodenkauf bineinsefteckt. Mil Recht erheben sich gegen eine solche Festlegung bei unseren heutigen Zinssätze» ernste Bedenken. Eine solche Bodenpolitik wäre unnötig, wän unser Wobnbeimftättengesetz in Kraft.
Am Schluß seiner mit stürmischem Beifall aufgenommener Ausführungen wies Dr. Damaschke darauf hin, daß ein Wobn- heimftättengesetz, wie es die Bodenreformer fordern, auch durch Schaffung gesunder Eigenheime die Stellung der arbeitender deutschen Frau verbessern und sie aus der bedrängten Lage retten könne, die jetzt zu so furchtbaren Familientragödien, Kindermißhandlungen und schließlich auch zum Geburtenrückgang führe „Die Heimstättenfrage in ihrer religiös-sittlichen Bedeutung* erörterten als Vertreter der katholischen Kirche Prälat Dr Kreutz, der Präsident des Deutschen Caritas-Verbandes- unk Reichstagsabgeordneter Dr. Mumm, als Vertreter der evangelischen Kirche.
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Vorverhandlungen über die Poungplan-Anleihe Paris, 28. April. Wie die Agentur Havas berichtet, werden seit einigen Tagen in Paris Verhandlungen über die Auflegung »er ersten Houngplananleihe gepflogen Der Präsident des Ber- waltungsrates der internationalen Zahlungsbank, Mac Garrah. hatte bereits mehrere Unterredungen mit dem Teilhaber der Morgan-Vank, Lamont, und mit einem Delegierten des Ver- valtungsrats dieser Bank, der eigens aus Neuyork nach Paris gekommen ist. Hierbei handelt es sich nach der Agentur Havas lediglich um eine Fühlungnahme zur Erleichterung der späteren Beratungen, jedoch sei noch keine Entscheidung irgend welcher Art getroffen worden. Der Meinungsaustausch werde die ganze Woche über andauern. Am Dienstag findet «. a. eine Besprechung der Delegierte» der Banken aller an der Auslegung »er Anleihe interessierten Rationen in Brüssel statt. Eine zweite Vorbesprechung wird wahrscheinlich am nächsten Montag i« Paris stattfinden, an der außer den Vertretern der Banken auch Vertreter der Schatzämter der interessierten Länder teilnehmen dürsten. Nach dieser Beratung dürfte alsbald eine Vollsitzung jtattfinden, an der teilnehmen Mitglieder des Verwaltungsrates der B.J.Z., die Delegierten der Banken, die Vertreter der Schatzämter und die Vertreter der interessierten Regierungen. List während dieser Vollversammlung können durch gemeinschaftliche Absprache die Bedingungen der Auflegung der ersten Branche der Youngobligationen festgelegt werden. Alle früheren Nachrichten über die Emisstonseinzelheiten können daher mit zrSßtem Vorbehalt ausgenommen werden.