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Urrmmev 238 j

ALtensteig» Donnerstag den 10. Oktober 1989

53. Jahrgang

Reichsinneumiilister Severins Wer das Vslksdesehre»

Reichsminister Severing hielt heute im Rundfunk eine Rede gegen das Volksbegehren. Er nahm eingehend Stellung zu den einzelnen Paragraphen des Eesetzesent- wurfs und nannte das Unterfangen der Herren Seldte und Hugenberg aussichtslos. Er schloß seine Rede mit den Worten:

Das Volksbegehren nennt sich ein Gesetz gegen die Versklavung des deutschen Volkes. Es kann nur das Gegenteil bewirken. Würde nach dem Volksbegehren verfahren werden, so stürze das deutsche Volk wiederum in ein furchtbares Chaos, in neue Besatzung, neue Blockade, neue Inflation und dazu in eine Verwirrung und Ver­hetzung, wie sie maßloser nicht vorstellbar sind. Es trifft sich gut, daß gerade in diesem Augenblick ernste und ein­flußreiche englische Politiker uns erklären, daß nur der Be­stand der Republik und das Vertrauen zu ihr die inter­alliierten Mächte bewogen haben, uns Konzessionen zu machen. Und diese Atmosphäre des Vertrauens, diese Vor­aussetzung für weitere Zugeständnisse wollen wir nicht zer­stören und darum sind wir gegen das Volksbegehren. Glauben die Unternehmer des Volksbegehrens übrigens selbst an ihren Erfolg? Es ist schwer vorstellbar, daß ver­nünftige Menschen damit rechnen können, das Volksbegeh­ren durch den Volksentscheid zum Siege zu führen. Der eigentliche Zweck des ganzen Unternehmens zielt auf völ­lige Verwirrung des politischen Lebens, auf Lahmlegung des Parlaments und des Parlamentarismus, auf eine Katastrophe der Demokratie hin.

Wer für das Volksbegehren ist, gräbt der deutschen Demokratie, gräbt dem deutschen Volke und seiner Welt­geltung das Grab. Darum muß jeder, dem der Freiheits­kampf des deutschen Volkes keine bloße Redensart ist, der sich für das deutsche Volk verantwortlich fühlt, dem Volks­begehren der Herren Seldte und Hugenberg die Unter­stützung verweigern. Selbstvertrauen in die eigene Kraft und Vertrauen auf unser Recht, das find die seelischen Waffen, mit denen wir unseren Freiheitskampf führen. Und diesen Kampf werden wir gewinnen."

Ins Verfahre« HM Volksbegehren

Bon zuständiger Seite wird mitgeteilt:

Der Reichsminister des Innern bat auf Antrag desReichs- «msschusses für das Deutsche Volksbegehren" ein Volksbegehren «it dem KennwortFreibeitsgesetz", das auf die Einbringung einesGesetzentwurfs gegen die Versklavung des Deutschen Vol­les" gerichtet ist, zugelassen.

Auf Grund der Zulassung des Volksbegehrens findet zunächst ein Eintragungsverfahren statt. Es ist Sache der Antragsteller des Volksbegehrens, den Gemeindebehörden die hierzu not­wendigen vorschriftsmäßigen Vordrucke für die Eintragungsli» ften rechtzeitig zugehen zu lassen; die Behörden find nicht ver- vflichtet, sich Hierwegen zu bemühen. Nach Eingang der Listen haben die Gemeindebehörden den Eintragungsberechtigten die Möglichkeit zu geben, sich in die Listen einzutragen. Soweit ein Bedürfnis besteht, ist auch an den in die Frist fallenden Sonn­tagen (20. und 27. Oktober) eine Eintragungsmöglichkeit zu ge­währen. Wer das Volksbegehren unterstützen will, bat innerhalb der von Mittwoch, den 18. Oktober bis Dienstag, den 29. Okto­ber laufenden Cintragungssrtst zu den von der Gemeindebehörde Lekanntgegebenen Zeiten und an dem von ihr bekanntgegebenen Ort seine Unterschrift in die Liste einrutragen. Zur Eintragung berechtigt ist jeder, der am Tage der Eintragung das Wahlrecht zum Reichstag besitzt, an diesem Tage also Reichsangehöriger «nd mindestens 20 Jahre alt ist.

Einen Eiutragungsschein kann ein in die Stimmliste (Stimm- kartei) eingetragener Wahlberechtigter bei der Gemeindebehörde, i» deren Liste (Kartei) er eingetragen ist, dazu beantragen, wenn er während der ganzen Eintragungszeit (also nicht nur an eimelnen Tagen) aus zwingenden Gründen (z. B. wesen Krank­heit oder beruflicher Abwesenheit) außerhalb seines Wohnortes sich aufhält, oder wenn er infolge eines körperlichen Leidens oder Gebrechens in seiner Bewegungsfähigkeit behindert ist.

Wer gegen das VolksbegehrenFreiheitsgesetz" ist, braucht sich in keine Liste einzutragen und kann zu Hause bleiben.

Der Vorgang bei der Eintragung ist folgender: Der Eintra­gungsberechtigte nennt dem Beamten seinen Namen und seine Wohnung; auf Erfordern hat er sich über seine Person auszu­weisen. Der Beamte stellt darauf fest, ob der Name in der Stimmliste (Stimmkartei) aufgeführt ist. Hat der Beamte den

Namen aufgefunden, so macht er daselbst in der für den Ver­merk der erfolgten Stimmabgabe bestimmten Spalte einen Ver­merk und läßt sodann den Eintragungsberechtigten zur Eintra­gung zu. Der Eintragungsberechtiüte hat hierauf in die aus- gelegte Eimragungsliste Vor- und Zuname, eine verheiratete oder verheiratet gewesene Frau auch den Geburtsnamen, ferner Stand, Beruf oder Gewerbe und Wohnung lesbar einzutragen. Erklärt ein Eintragungsberechtigter, daß er nicht schreiben kann, so hat der Beamte diese Erklärung in der Eintragungsliste un­ter Angabe des Tages der Erklärungsabgabe zu beurkunden.

Das Volksbegehren ist zustande gekommen, wenn ein Zehntel Mer Stimmberechtigten sich in gültiger Weise in die Eintra­gungslisten eingetragen hat. Als Zahl der sämtlichen Stimmbe­rechtigten ist die amtlich ermittelte Zahl der Stimmberechtigten bei der letzten Reichstagswahl vom 20. Mai 1928 maßgebend. Da bei dieser Wahl insgesamt 11244 733 Stimmberechtigte im Deutschen Reich (ohne Saargebiet) festgestellt wurden, so ist das Volksbegehren zustande gekommen, wenn 4 124 473 gültige Un­terschriften dafür abgegeben worden find. In diesem Fall hat die Reichsregierung den begehrten Gesetzentwurf gegen die Verskla­vung des Deutschen Volks unter Darlegung ihrer Stellungnahme im Reichstag einzubringen. Nimmt der Reichstag den Gesetzent­wurf unverändert an, so findet der Volksentscheid, weil über­flüssig, nicht statt. Wenn aber der Reichstag den begehrten Ge­setzentwurf verwirft oder Aenderungen an ihm vornimmt, so ist der begehrte Gesetzentwurf und ein vom Reichstag etwa beschlos­senes abweichendes Gesetz zur Volksabstimmung zu bringen.

Ser Verlincr Skandal

Der Fall Sklarek zieht immer weitere Kreise. Nachdem, wie eine amtliche Mitteilung des Nachrichtenamts der Stadt Berlin besagt, unter den 1700 Kunden der Firma Sklarek zahlreiche hö­here städtische Beamte gewesen find, muß die Frage geprüft wer­den, ob hier Bestechungen vorliegen, deren Umfang geradezu ungeheuerlich wäre. Max Sklarek belastet die Leiter der Ber­liner Stadtbank in sehr erheblicher Weise. Er erklärte nämlich, daß von Betrügereien oder Urkundenfälschungen keine Rede sein könne. Die Leiter der Stadtbank seien vollkommen im Bilde gewesen. Die Forderung, Unterlagen für die Kredite in Form der Rechnungen zu schaffen, sei lediglich eine Farce gewesen und die Stadtbank habe keineswegs stets eine ernsthafte Prü­fung der Kredit-Unterlagen vorgenommen. Maßgebend für die Hergabe der Millionen Mark sei eben der Monovolvertrag ge­wesen, den die Stadtbank genau kannte. Ebenso, behauptete Mar Sklarek, sei die Stadtbank über den Wert der Wechsel, di« er einreichte, durchaus im klaren gewesen.

Von den Beamten scheint der Bürgermeister des Bezirksamts Milte, Schneider, bisher am meisten belastet, da er nach der Vossischen Zeitung" wiederholt bewußt unwahre Darstellungen gegeben und der Wahrheit zuwider bisher erklärt hat, kein Kunde der Sklareks gewesen zu sein. In Wirklichkeit hat er feinste Garderobe zu niedrigen Preisen bezogen.

Deru Pelzmantel der Frau Oberbürgermeister

Berlin^ g. Okt. DieB. Z." schreibt: Der Magistrat der Stadt Berlin hat an den Oberbürgermeister Büß nach San Franziska ein dringendes Kabeltelegramm gerichtet, in dem ihm ganz aus­führlich die neueste Entwicklung der Dinge im Skandal Sklarek- Stadtbank dargelegt wurde. Der verhaftete Buchhalter Leh­mann hat erklärt, daß er noch weitere Angaben über seine Aus­sage hinaus zu machen wünsche, und zwar erklärt er, daß im vorigen Winter von der Firma Sklarek an Frau Oberbürger­meister Büß ein Pelzmantel geliefert wurde. Dieser Pelzmantel wurde mit einer Rechnung über 400 Mark ins Haus geschickt. Die Firma Sklarek hat den Pelzmantel in einem angesehenen Pelzhause gekauft und dort 4000 Mark dafür bezahlt. Die Rech­nung über 4000 Mark ist noch nicht bezahlt worden. Zu den Kleiderkunden der Firma Sklarek gehört ein Büß junior. Es ist die Tochter des Oberbürgermeisters Frl. Böb. Diese hat nämlich von den Sklareks Reithosen bezogen, und wegen dieser Reithosen wurde sie in den Büchern als männlicher Kunde ge­führt.

Sklarek-Konkurs

Wie dasTempo" meldet, stellen sich die Privatschulden der Sklarek aus laufenden Geschäftsverbindlichkeiten nach vorläu­figer Schätzung auf etwas mehr als 1 Million Mark, aber in diesem Vekag sind die Wechselschulden der Brüder nicht berück­sichtigt. Einer der größten Gläubiger der Sklareks ist ein süd­deutscher Schuhfabrikant, der rund ISO 000 Mark zu forden bat; es folgt eine Berliner Firma mit etwa 120 000 Mark. Auch kleine Geschäftsleute und Handwerker mit Forderungen von 100 bis 1000 Mark sind unter den Sklarekgläubigern. Einschließlich des erschwindelten 10 Millionen-Kredits wird die Deckung der Verbindlichkeiten der Brüder Sklareks auf 78 Millionen Mark geschätzt, doch muß berücksichtigt werden, daß eine Konkursmasse im allgemeinen nur stark unter dem Werte abzustoßen ist.

Oberbürgermeister Böß soll zurückkehren Berlin, 10. Oktober. Die kommunistische Stadtverord­netenfraktion hat einen Dringlichkeitsantrag eingebracht, durch den der Magistrat ersucht wird, den Oberbürger­meister Böß und die mit ihm reisenden Stadträte sofort

telegraphisch zurückzurufen, damit er zur Verantwortung gezogen werden könne für die gegen ihn erhobenen Be­schuldigungen.

Ein neuer Berliner Millionenskandal

DasTempo" berichtet von einem eigenartigen Geschäft das die Berliner Verkehrs-A.-E. mit einer Kies-Firma betreibt und das in seinen finanziellen Umfängenvielleicht nicht weit hin­ter der Sklarek-Asfäre zurückbleibt." Die bevorzugte Firma heißt, nach demTempo", F. Dutt und Lo. und hat ihre Büros in Lichtenberg. Sie bat das Monopol für die Lieferung von Ma­terial für Straßenbahnbauten, Kies, Schotter usw., aber auch für die Durchführung der Bauten. Tatsache ist, daß alle anderen Firmen bei Lieferungsangeboten an die Verkehrs-A.-G. immer dieselbe Antwort bekommen:Wir arbeiten nur mit Dutt und Co." Das Tempo schreibt weiter: Was den Skandal rn seiner vollen Größe beleuchtet, ist die Tatsache, daß die Firma nicht nur das Ausschließlichkeitsrecht hatte, sondern daß direkt ihr zu­liebe Straßenbahnarbeiten, Umbauten und Gleisanlagen vor» genommen wurden. Die Firma Dutt war bis vor zehn Jahren ein ganz unbedeutendes Haus. Sie ist seit der Uebernahme der Straßenbahn durch die Stadt grob geworden. Heute gehört sie zu den reichsten Firmen der Branche. Vor kurzem hat die Stadt Butt und Co. noch einen besonderen Liebesdienst durch die Uebernahme eines gröberen Aktienpackels erwiesen.

GroßseucrUönigsberg

Nachts entstand in einem ehemaligen Wagenschuppen der Heeresverwaltung, in der eine Kraftverkehrsgesellschaft ihre Werkstätten und Garagen untergebracht hatte, ein Brand. Ja dem 80 Meter langen Gebäude befand sich auch das Wohlfahrts­amt. Dort waren Sachen und Möbel von obdachlosen Familien untergebracht. Mit unheimlicher Schnelligkeit verbreitete sich das Feuer über das ganze Gebäude. Durch Funkenflug gerieten die Dachgeschosse von etwa zehn gegenüberliegenden Häusern, die zum Teil mit Dachpappe gedeckt waren, in Brand. Das Gebäude einschließlich des Möbellagers des Wohlfahrtsamts ist dis auf die Grundmauern niedergebrannt. Von den von dem Brand er- faßten Häusern ist die Dachkonstruktion fast vollständig sowie de, größte Teil der Wohnungen in den oberen Geschossen aus. gebrannt. Leichte Verletzungen haben, soweit festgestellt werden konnte, sechs Personen davongetragen.

Zu dem Eroßfeuer in der letzten Nacht wird ergänzend g«. meldet, daß die Dachstühle von 11 Häusern mit ihrem Inhalt völlig vernichtet wurden. Insgesamt mußten 130 Familien von den gefährdeten Wohngebäuden entfernt werden. Acht Familie» find obdachlos geworden. Die Einwohner haben durch Feuer riesigen Schaden erlitten. Außerdem find 8 neue Personenauto- mobile und 12 ältere Lastkraftwagen ein Raub der Flammen geworden.

Aus den Reichstags-Ausschüssen

Handelspolitischer Ausschuß des Reichstags Der handelspolitische Ausschuß des Reichstags setzte am Diens­tag bis in die Abendstunden die vertrauliche Aussprache über den Stand der schwebenden Handelsvertragsverhandlungen fort. Er konte jedoch weder in der Angelegenheit noch in den weiter auf der Tagesordnung agrarischen Fragen, bei denen es sich hauptsächlich um neue Vieh- und Fleisch- sowie Kartoffel- und Getreidezöllc handelt, abschließend Stellung nehmen. Zur Sitzung waren nämlich die Vertreter der Demokraten, der So­zialdemokraten und der Kommunisten nicht erschienen, womit der Ausschuß beschlußunfähig war. Wie verlautet, wollten die Fehlenden damit demonstrativ zum Ausdruck bringen, Laß ibrer Meinung nach, der jetzige Augenblick technisch ungeeigne 'iir die Erledigung der Tagesordnung ist.

Die Zollerhöhungsanträge vom Mittwoch Die Deutsche Volkspartei, Zentrum und Deutscher Bauern­bund vertraten die Auffassung, daß die Lage der Landwirt­schaft keine Verzögerung bei der Verabschiedung höherer Zölle vertrage. Dagegen machten die Demokraten geltend, man müsse die angekündigte Regierungsvorlage abwarten. Der Ausschuß stimmt jedoch über einen Zollerhöhungsantrag der Deutschna­tionalen und des Zentrums ab, der auch mit den Stimmen der Rechtsparteien Annahme fand. Dadurch tritt bei Rindvieh zu Schlachtzwecken eine Erhöhung des Zolles von mindestens 13 auf mindestens 24.50 Reichsmark pro Doppelzentner Lebendge­wicht ein. Bei Schafen zu Schlachtzwecken eine solche von min­destens 13 aus mindestens 22.50 Reichsmark, während bei Rind­fleisch und Schaffleisch, frisch oder gefroren, der Zollsatz minde­stens 45 Reichsmark pro Doppelzentner betragen soll. Wie in parlamentarischen Kreisen vertäuter, hat sich der Reichsernäb- rungsminister mit diesen Zollsätzen einverstanden erklärt. Ei» ausdrücklicher Beschluß über die Erhöhung der Zölle für Schweine und Schweinefleisch wurde nicht gefaßt, dagegen mit Mehrheit ein Antrag angenommen, der die Reichsregierung er­sucht, in den schwebenden Handelsvertragsverbandlungen ohne vorherige Zustimmung des handelspolitischen Ausschusses des Reichstages keine Bindung der Zölle für lebende Schweine und Schweinefleisch zu vereinbaren. Darauf fand ein sozialdemokra­tischer Antrag Annahme, nunmehr die weiteren Verhandlung« zu vertagen