Dann wandte sich der Vortragende der Besprechung der Gefahren der inneren und äußeren Politik zu, dem offiziellen Hauptthema des Abends. Als eine Gefahr der inneren Politik bezeich­net Dr. Kauffmann, indem er das in kurzer Abhandlung begründete, die zun eh mende Energielosigkeit bei der Reichs­leitung und die zunehmende Extremität einer klei­nen Gruppe Konservativer, die den Kaiser und den Reichskanzler umgibt und sich jetzt auch in recht unan­genehmer Weise der Person des Kronprinzen bemächtigt habe. Eindrucksvoll und stimmungskräftig hörte sich die Darstellung der Gefahren der äußeren Politik an, stellenweise geradezu dramatisch. Dr. Kauffmann steht nicht auf dem Standpunkt, daß der Tag unter allen Umständen kommen muß. an dem das deutsche Volk den großen, gewaltigsten Kampf um seine Existenz zu kämpfen hat, aber niemand könne behaupten, es sei aus­geschlossen, daß dieser Tag Hereinbreche. Die dem groß­zügigen Vortrage folgende Aussprache wurde von den Vorständen der beiden liberalen Parteien, Wagner und Staudenmeyer, und Handelsschuldirektor Zügel bestritten. Die Redner dankten in kurzen Wor­ten für die Einladung und den vortrefflichen Vortrag, wie es auch der Vorsitzende, Herr Roller, getan hatte. Auch wurde nachdrücklich zum Beitritt in den jungliberalen Verein aufgefordert. Gegen ll Uhr konnte der Vorsitzende schließen.

Goldener Hochzeitstag. Im Kreise ihrer Söhne und einiger Enkel begehen am Ostermontag, den 13. April die Schuhmachermeister Bastian'schen Ehe­leute hier das seltene Fest der goldenen Hochzeit. We­gen Kränklichkeit der Braut findet die Feier im engsten Familienkreise statt. Möge dem Brautpaar ein un­getrübter Lebensabend beschieden sein!

st. Von der Schule. Eine ständige Lehrstelle in Ochsen­bach OA. Brackenheim ist dem Unterlehrer August Hagner hier übertragen worden.

st Erste Dienstprüfung für Volksschullehrer. Auf Grund der im Januar, Februar und März d. Js. an den staatlichen Lehrerseminaren in Eßlingen, Nürtingen, Nagold, Backnang und Heilbronn sowie an der privaten Lehrerbildungsanstalt in Tempelhof OA. Crailsheim abgehaltenen 1. Dienstprü­fung für Volksschullehrer sind u. a. nachstehende Lehramts­kandidaten zur Versehung unständiger Lehrstellen an Volks­und Mittelschulen für befähigt erklärt worden: Eugen Bosler und Gustav Bosler von Unterhaugstett (Heilbronner Semi­nar), Gotthilf Wacker von Holzbronn (Tempelhofer Anstalt).

Der Name des Osterfestes ist altgermanischen Ur­sprungs und bedeutet das Fest der Göttin Ostara, der Göttin der Liebe, der Fruchtbarkeit und des erwachenden Lebens. Obgleich das Osterfest heute ein rein christ­liches Kirchenfest ist, wurde es von den alten Germanen doch schon lange vor dem Christentum gefeiert, ja es ist vielleicht eins der allerältesten Feste unserer Vorfahren überhaupt. Es hatte bei den alten Germanen den Cha­rakter des Frühlingsfestes, das zur Zeit der Frühlings- Tag- und Nachtgleiche, zur Zeit des wieder ewachenden Lebens in der Natur gefeiert worden ist. Die Kirche gab sich alle Mühe, die Bedeutung des Festes aus- zumerzen und ihm den kirchlichen Charakter zu geben, den es heute trägt. Hand in Hand mit diesen Bestreb­ungen ging auch das, den kirchlichen Namen Paschah oder Paska (nach dem jüdischen ijsirssah) einzuführen. Bei den meisten Völkern gelang dieses Bestreben, auch bei den skandinavischen Stämmen. Nur zwei germani­sche Völker nahmen die fremde Bezeichnung nicht an: die Deutschen und Engländer, die beide an der alt­germanischen Bezeichnung festhielten; so heißt es bei uns

noch heute Ostern und bei den Engländern Easter. Die Namen hafteten so fest im Bewußtsein dieser Völker, daß die Kirche schließlich ihre Bemühungen aufgab und die alte germanische Bezeichnung anerkannte, die nun wahr­scheinlich bei uns für alle Zeiten bestehen bleiben wird.

Knospen. Der Frühling regt sich überall im Wald und Feld, in Parkanlagen und Gärten. Aus dem Erd­boden sprießen die Krautgewächse des Frühlings hervor, an den Strüuchern und Baumzweigen brechen je nach der den einzelnen Arten zugemessenen Zeit die Blatt- und Blütenknospen auf, und das Auge wird durch neues, in seiner Farbe erfrischend wirkendes Grün erquickt, durch bunten Blumenflor nach der Eisesnacht des Winters entzückt. Geschäftig eilen Bienen und ander Insekten umher, um neue Nahrung, die ihnen in den honigab- sondernden Blumen geboten wird, einzuheimsen und dabei unbewußt das Geschäft der Befruchtung der letzteren zu besorgen und die Entstehung neuen Lebens im nächsten Jahre durch Frucht- und Camenbildung vorzubereiten. Emsig sein heißt es; ist doch der Som­mer so kurz! Von besonderem Reize ist es, gerade das Ausbrechen der von der schützenden braunen Knospen­hülle umgebenen Blattknospen zu betrachten. Die jun­gen Blätter sind schon angelegt, sie entfalten sich nur. strecken ihre Stiele und nehmen selbst an Ausdehnung zu, während sie der neu hervorragende Stengelteil dem Lichte entgegenträgt. Sie erstarken mehr und mehr, führen der Pflanze Nahrung in Gestalt der Kohlen­säure der Luft zu und verarbeiten diese und das aus dem Boden durch die Wurzel aufgenommene Wasser zu den den Pflanzenleib bildenden Stoffen.

Nicht zündeln! Mit dem Eintritt der besseren warmen Witterung beginnt auch in unserer Gegend wieder die Unsitte des sogen. Rainbrennens, um die darauf stehenden Hecken zu zerstören.. Dieses Treiben kann nicht genug beklagt werden, denn nicht nur werden in den angekohlten Hecken und Büschen eine Zahl Nester von Heckenbrütern zerstört, sondern die Vögel aller Art, hauptsächlich auch die Rebhühner, verlieren dadurch ih­ren natürlichsten Schutz. Durch Gesetze und Polizei­verordnungen sucht man die nützlichen Vögel aller Art zu schützen und zu hegen, durch das Heckenbrennen wird aber gerade das Gegenteil bewirkt. Daß durch das vollständige Ausrotten des Eebüschs usw. die Gegend an Schönheit und Reiz verliert, ist selbstverständlich. Möge die Polizei überall recht scharf gegen das Rain­brennen Vorgehen.

Württemberg.

Württembergischer Landtag.

Stuttgart, 4. April.

Die Erste Kammer trat heute in die Besprechung des Berichts seines Volkswirtschaftlichen Ausschusses über das Verding ungswesen,. dessen erster Teil denange­messenen Preis" behandelt, ein. Der Ausschuß bean­tragt, daß bei handwerksmäßigen Arbeiten der Zuschlag zu einem angemessenen Preis zu erteilen ist und daß diejenigen Gebote auszuscheiden haben, die um mehr als der von den zuständigen Ministerien bestimmte Prozentsatz unter dem vor der Ausschreibung festzusetzenden Kostenvoranschlag bleiben und daß ferner im Bedürfnisfall Sachverständige aus dem Handwerk bei der Ausstellung der behördlichen Kostenvoran­schläge zu hören sind. Das andere Haus> hatte beschlossen, daß in der Regel solche Sachverständige zuzuziehen seien und als Zuschlagsgrenze unter dem- behördlichen Voranschlag 7 Proz. festgesetzt. Der Ausschußantrag wurde angenommen. Bezüg­lich verschiedener anderer Punkte trat das Haus den Be­schlüssen der Zweiten Kammer teils bei»teils nicht. Es lehnte verschiedene vom Vertreter der Handwerker, Flaschnermeister Lorenz zugunsten des Handwerks gestellte Anträge, die

Das Iischermädchen.

22) ^ Novellevon Björnstjerne Björnson.

Und wohin dann? Sie besaß nichts, sie kannte keinen Weg; aber irgendwo mußte es wohl barmherzige Menschen geben, wie es einen barmherzigen Gott gab. Er wußte, daß, was sie auch verbrochen, sie nicht aus Schlechtig­keit getan hatte, er kannte ihre Reue, er kannte auch ihre Hilflosigkeit. Sie lauschte, ob sie die Schritte der Mutter unten vernehmen könnte, aber sie hörte nichts, sie zitterte bei dem Gedanken, die Mutter könnte die Treppe heraufkommen, aber sie kam nicht. Das Mädchen, das ihnen im Hause half, mußte wohl davongelaufen sein, denn es kam niemand mit Essen zu ihr herauf. Sie selbst wagte nicht, hinunterzugehn, auch nicht ans Fenster zu keten, denn es konnte jemand da draußen stehn und auf sie warten. Durch die zerschlagne Fen­sterscheibe hatte es am Morgen kalt hereingezogen, und jetzt, wo es Abend wurde, tat es das noch stärker. Sie hatte ein Keines Bündel mit Kleidern zusammengepackt, und sie hatte sich sorgsam angekleidet, um bereit zu sein. Aber sie mußte den rasenden Haufen abwarten und durchmachen, was da kommen würde.

Da waren sie wieder! Das Pfeifen, das Rufen, das Werfen begann von neuem, ärger, weit ärger noch als am vergangnen Abend; sie kroch in ihre Ecke, faltete die Hände und betete und betete. Nur daß die Mutter nicht zu ihnen hinausging, nur daß sie nicht einbrachen! Da fingen sie an zu singen, es war ein Spottlied, und obwohl jedes Wort sie wie ein Messer schnitt, so mußte sie doch horchen und lauschen.

Kaum aber vernahm sie» daß sie die Mutter mit hineinzogen, daß sie sich einer so schamlosen Ungerechtigkeit schuldig machten, als sie sich erhob, als sie vorwärts stürzte; sie wollte mit dem feigen Gesindel reden oder sich auf die Menge Hinab­stürzen; da aber flog ein Stein und noch einer und ein ganzer Hagel von Steinen durch das Fenster, Glasscherben klirrten, die Steine sausten durch den Raum, und sie verkroch sich wieder. Schweiß, bedeckte sie, als stünde sie in der glühend­sten Tonne; aber sie weinte nicht mehr und fürchtete sich auch nicht mehr.

Nach und nach legte sich der Lärm; sie wagte sich hervor, und sobald sie nichts mehr hörte, wollte sie ans Fenster treten, um hinauszusehen; aber sie trat in Glasscherben und wich zurück; sie trat auf Steine und stand still, daß man sie nicht hören sollte, denn jetzt galt es, davonzuschleichen. Nachdem sie noch eine halbe Stunde gewartet hatte, zog sie ihre Schuhe aus, nahm das Bündel und öffnete leise die Tür. Abermals wartete sie fünf Minuten, und dann schlich sie leise die Treppe hinunter. Sie empfand einen bittern Schmerz bei dem Ge- oanken, die Mutter, nachdem sie ihr diesen Kummer bereite hatte, ohne Abschied verlassen zu müssen; aber die Angst trieb sie vorwärts. Leb wohl, Mutter! Leb wohl, Mutter! flüsterte sie bei jedem Schritt, den sie auf der Treppe machte, vor sich hin. Leb wohl, Mutter! Sie stand unten, atmete ein paarmal tief auf, um Luft zu bekommen, und ging dann auf die Haustür zu. Da packte sie jemand von hinten am Arm, sie stieß einen leisen Schrei aus und wandte sich um . es war die Mutter. Gunlaug hatte die Tür gehn hören, sie wußte sofort, was die Tochter wollte, und wartete hier auf sie.

sich mit solchen des andern Hauses deckten, ab. .Dienstag Fortsetzung.

Die Zweite Kämmet erledigte heute die Beratung der abweichenden Beschlüsse des anderen Hauses zum Körperschaftsbeamten - Pensionsgesetz. Zur Debatte stand die Frage des Beitritts der Staats­kasse an die Pensionskasse und die körperschaftlichen Pen­sionsanstalten für die Ruhegehälter der Ortsvorsteher. Die Erste Kammer hatte diesen Beitrag auf ein Sechstel festgesetzt, der Ausschußantrag ging auf die Hälfte. Nach Ablehnung eines Antrags Vaumann wurde der er­wähnte Kommissionsantrag angenommen und in der Schlußabstimmung dem ganzen Gesetz einmütig zuge­stimmt. Das Haus beriet dann einen Antrag des Abg. Dr. Nübling (B.K.) und Genossen, die Re­gierung möge im Dundesrat dafür Eintreten, daß den zum dreijährigen Dienst Eingezogenen Mannschaften des stehenden Heeres eine einmalige angemessene Ent­schädigung als Ersatz des Entgangs von Arbeits­verdienst und des entstandenen persönlichen Mehrauf­wands gewährt wird. Der Antragsteller bezeichnete den Antrag als eine Forderung der Gerechtigkeit, die trotz Erledigung der Wehrvorlage nicht veraltet sei. Die Prämie für das dritte Jahr sollte einem Knechts- oder Eesellenlohn entsprechen. Der Mehraufwand würde 6 bis 6)4 Millionen betragen. Sommer (Ztr.) war für lleberweisung an den Volkswirtschaftlichen Ausschuß. Minister v. Fleischhauer erinnerte daran, daß der Reichstag und vor diesen gehöre der Antrag 7)4 Millionen zu diesem Zweck bereitgestellt habe. Herr­mann (Vp.) und Keil (Soz.) sprachen sich u. a. für zweijährige Dienstzeit der Kavallerie aus. Der Antrag ging darauf an den Ausschuß. Es folgte die Be­ratung des Antrages Kiene und Genossen (Z.) be­treffend die Errichtung eines La n deskreditin st i- tuts, das mit Hilfe des Staates dem strebsamen und kreditwürdigen Mittelstand in Landwirtschaft, Gewerbe und Handel einen billigen Kredit gewahren soll. Graf begründete den Antrag. Montag )44 Uhr Fortsetzung.

Die wiirttembergischen Jungliberalen.

In einer vollzählig besuchten Vorstandssitzung des Württ. Landesverbandes der Jungliberalen am 3. ds. wurde zur inneren Lage in der Partei nachstehende Resolution gefaßt:

Der Landesverband der württ. Jungliberalen sieht in dem Beschluß des Zentralvorstandes der Partei Ver­handlungen einzuleiten, um die gleichzeitige Auflösung des Mngliberalen und des altncrtionalliberalen Ver­bandes herbeizuführen, einen im Interesse der für die Partei notwendigen Jugendbewegung bedauerlichen Schritt und spricht gleichzeitig die Erwartung aus. daß der Jungliberale Reichsverband auch fernerhin aufrecht erhalten werde. Jeder Eingriff in den Bestand und die Organisation des Württ. Landesverbandes und seiner Vereine ist angesichts der gegenseitigen guten Beziehun­gen und der auch Letzt wieder erklärten Stellungnahme der Leitung der Nationalliberalen Partei Württem­bergs ausgeschlossen. (Dgl. auch unter Lokales den Vortrag von Dr. Kauffmann.)

Eine neue Leistung von Helmut Hirth.

Cannstatt, 3. April. Bei dem Wettbewerb in einem mit 100 000 Francs als erstem Preis dotierten Sternflug nach Monaco galt bis jetzt der französische Flieger Brindejonc des Moulineaux, der von Madrid hevflog, als Sieger. Nun hat Helmut Hirth seine Zeit um 1 Stunde und 3 Minuten für dieselbe Entfernung geschlagen. Hirth ist in einem Albatros­doppeldecker von Berlin ausgestiegen, hat bei einer Zwischen­landung in Gotha Benzin nachgefüllt und ist dann mit seinem Begleiter in einer Tour nach Dijon geflogen, wo nochmals

Petra Mite, daß sie nicht ohne Kampf an ihr vorbeikommen könnte. Eine Erklärung würde fruchtlos fein; was sie auch sagen mochte, die Mutter würde ihr nicht glauben. Also mußte sie kämpfen! Nichts in der Welt war schlimmer als das Schlimmste, und das hatte sie jetzt erlebt. Die Mutter fragte leise: Wo willst du hin? Sie antwortete ebenso leise mit pochendem Herzen: Ich will fliehen! Wohin willst du fliehen? Das weiß ich nicht aber ich muß fort von hier! Sie preßte das Bündel fester an sich und tat einen Schritt vorwärts. Nein, komm mit mir! sagte die Mutter und hielt sie am Arm fest; ich habe für alles ge­sorgt. Sofort gab Petra ihren Willen auf, wie man eine allzu schwere Last fallen läßt; sie atmete auf wie nach einem Kampf und gab sich der Mutter hin. Diese ging vor ihr her in einen kleinen Verschlag hinter der Küche, worin kein Fenster war, und wo ein Licht brannte hier hatte sie sich verborgen gehalten, während die da draußen gelärmt hatten. Der Verschlag war so eng, daß sie sich kaum darin rühren konnten; die Mutter zog ein Bündel hervor, das etwas kleiner war als das, das Petra trug, öffnete es und entnahm ihm einen Matrosenanzug. Zieh das an, flüsterte sie. Petra begriff sofort, weshalb sie es tun sollte, aber daß die Mutter den Grund nicht nannte, rührte sie. Sie entkleidete sich und zog die Sachen an, die Mutter war ihr dabei behilflich und kam dabei einmal dem Talglicht so nahe, daß Petra ihr Gesicht sehen konnte, und zum erstenmal sah sie, daß Gunlaug alt war. War sie das in diesen Tagen geworden, oder hatte Petra es bisher nicht gesehen?

(Fortsetzung folgt)