Sette 2
SchwarzwSlder Tageszeitung „Aus de« Tannen*
Nr. 178
Ministerpräsident Briand sprach sich zuerst über die Bedingungen aus, unter denen er sein neues Kabinett gebildet habe. Das Ministerium von heute sei eigentlich das Ministerium von ge« stern. Seit drei Jahren habe diese Regierung immer die Mehrheit des Parlaments an ihrer Seite gehabt. Ei sei immer der Ansicht gewesen, daß es in der Frage der Außenpolitik keine unüberwindlichen Hindernisse geben könne und habe gehasst, das am Vorabend der Konferenz im Haag es möglich wäre, eine erweiterte Mehrheit zustande zu bringen, die den ausgesprochenen Zweck bat, der Regierung zu helfen, die Interessen Frankreichs aus der Konferenz zu vertreten. Die radikale Partei habe abgelehnt und er habe sich beugen müssen. Da es ihm unmöglich gewesen wäre, die Krise länger andauer« zu lassen, habe er die jetzige Regierung gebildet, nicht für lange, sondern nur siir die Erfüllung einer genau begrenzte« Aufgabe. Wenn die Konferenz von Haag beendet sei und zu einem bestimmten Ergebnis geführt habe, werde das Parlament zusammenberufen werden, um die notwendige Ratifizierung zu vollziehen. Von diesem Augenblick an werde die Jnenvolitik wieder zu ihrem Recht gelangen.
ZlllN MUMM GrMMgM
27 Todesopfer des WaldenLnrger Grubenunglücks
Waldenburg. 31 Juli. Das Waldenburger Grubenunglück forderte noch weitere Opfer. Drei Schwerverletzte sind gestorben, so daß jetzt insgesamt 27 Todesopfer zu verzeichnen sind. Auch für die anderen Verletzten besteht nach wie vor Lebensgefahr. Mit dem Leben davonkommen dürften die beiden Hauer Rösner und Franz.
Spende des Reichspräsidenten für die Waldenburger Opfer
Berlin, 31. Juli. Der Herr Reichspräsident hat für di« Opfer des Waldenburger Grubenunglücks als erste Hilf« einen Betrag von 6000 Mark zur Verfügung gestellt.
Die Untersuchung in Waldenburg
Berlin» 1. August. Im Laufe des heutigen Tages wird sich, laut „Vossischer Zeitung", der höchste preußische Bergbaubeamte, Oberberghauptmann Eeheimrat Flemming vom preußischen Handelsministerium, und der Chef der Sicherheitskommission, Bergrat Hatzfeldt, an die llnglücks- stätte auf der „Elückhilf-Friedens-Hoffnungs-Erube" begeben, um die Ursache der Katastrophe festzustellen.
Gewerkschaften unk Arkeitrlostn- versichernas
Berlin, 1. August. Der Bundesausschuß des Allgem. Deutschen Eewerkschaftsbundes nahm auf seiner Tagung am 30. und 31. Juli zur Reform der Arbeitslosenversicherung eine Entschließung an, in der es heißt:
„Der Bundesrat lehnt die von der Mehrheit des Sachverständigenausschusses zur Reform der Arbeitslosenversicherung gemachten Vorschläge, soweit diese über die Beseitigung öffentlicher Mißbräuche und sozialpolitisch unerwünschter Eesetzesauswirkungen hinaus eine allgemeine Verschlechterung der Versicherungsleistung eintreten lassen, entschieden ab.
Ein Abbau der Arbeitslosenunterstützung läßt sich umso weniger begründen, als tatsächlich die von der Mehrheit der Sachverständigenkommission empfohlene Beitragserhöhung um ein halbes Prozent in Verbindung mit einer erträglichen Regelung der Saisonarbeiterunterstlltzung ausreichen würde, um die Sanierung der Versicherung herbeizuführen.
Der Vundesausschuß verlangt von der Regierung und dem Reichstag die Ablehnung aller auf den grundsätzlichen Abbau der Versicherungsleistungen gerichteten Bestrebungen.
Länderkonferenz über Arbeitslosenfrage Berlin, 31. Juli. In der nächsten Woche wird unter dem Vorsitz des Reichsarbeitsministers Wisiell in München eine Konferenz der Länderminister über die Neuregelung der Arbeitslosenversicherung stattfinden.
Kundgebungen W1. Asgust
Berlin, 31. Juki. Die Behörden sehen dem 1. August mit völliger Ruhe entgegen. Die Demonstration hat man gestattet. Selbstverständlich lassen sich bei solchen Menschenmassen, wie sie für Berlin in Betracht kommen, einzelne Zwischenfälle und Zusammenstöße nie mit voller Sicherheit vermeiden. Man hat es auch nicht für nötig gehalten, die Bersiner Polizei für diesen Tag von außerhalb zu verstärken. Man darf mithin erwarten, daß der 1. August im ganzen ruhig und ohne ernste Zwischenfälle verlaufen wird.
München, 30. Juli. Der Bezirk Südbayern der Kommunistischen Partei beabsichtigt am 1. August eine Antikriegskundgebung und eine Demonstration durch die Stadt. Um Störungen der öffentlichen Ruhe und Sicherheit zu vermeiden, wurden diese Demonstrationen wie auch alle für den 1. August geplanten öffentlichen Versammlungen in geschlossenen Räumen verboten.
Kundgebungen zum.1. August
Moskau, 30. Juli. Für den 1. August sind in Moskau eine Parade und Kundgebungen von Arbeitern und Jugendverbänden vor der Parteileitung angesagt. Abends soll in allen Lichtspieltheatern Moskaus ein Film „Der Weltkrieg" gezeigt werden, der eigens zur Propaganda hergestellt wurde.
Paris, 31. Juli. In Paris siehr man den von der Kommunistischen Partei für den 1. August in Aussicht gestellten Kundgebungen ohne Furcht entgegen. Die amtlichen Stellen haben bekanntgegeben: Jede kommunistische Ansammlung auf den Straßen ist streng untersagt. Alle Versuche zu Unruhen und Gewalttätigkeiten sollen mit äußerster Gewalt unterdrückt werden. Ausländer, die bei einer Kundgebung betroffen werden, werden mit Landesverweisung bestraft. Außer Polizei, Republikanischer Garde und Gendarmerie sind auch Truppen des Heeres zum Schutz aufgeboten.
Neues vom Tage
Dr. Stresemann wieder in Berlin Berlin, 31. Juli. Reichsaußenininister Dr. Stressmann ist heute abend aus seinem Urlaub nach Berlin zurückgekehrt und hat die Amtsgeschäfte wieder übernommen.
Gegen das llmgemeindungsgesetz .
Berlin, 31. Juli. Namens 19 rheinisch-westfälischer Städte, Gemeinden und Aemter hat der Verwaltungsrechtsrat, Ministerialrat z. D. Schellen bei dem Staatsgerichtshof beantragt, das llmgemeindungsgesetz für rechtsungültig zu erklären. Als Grund wurde angeführt, daß die Abstimmung im Staatsrat über einen eventuell zu erhebenden Einspruch entgegen der Verfassung nicht namentlich war.
Die Folgen des Arbeitskampfes in England London, 31. Juli. Die Blätter weisen auf den Ernst der Arbeitseinstellung in der Baumwollindustrie von Lan- cashire hin, die weitere Industrien in Mitleidenschaft zu ziehen beginnt. Aus Manchester berichtet „Daily Telegraph", eine zuständige Persönlichkeit habe eine lange Dauer des Konfliktes sowie eine Ausdehnung auf weitere Werke vokausgesagt. Während sich „Daily Mail" aus Lille melden läßt, die Textilindustrie Nordfrankreichs bringe infolge des Vaumwollkonfliktes in Lancashire eine goldene Ernte ein, erklärt „Daily Expreß", Englands Verlust sei Deutschlands Chance.
„Die blonde Bonizetta"
Roman von Leontine von Winterfeld-Plate«
Copyright by Ereiner L Co., Berlin llVk 6 (36. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)
„Sonnt^?Q^ Bub.^ch wekn, Leid und Sonnenschein
wachsen außerhalb der Klostermanern eb. vte drinnen. Das ist wohl tn der gan-LN Kraffto runzelte wieder die Stirn.
miteinander gleich.«
„Du sollst so nicht reden, Bonizetta. Oy, könnt ich dir so viel Sonne bringen, daß du alles Leid darüber vergißt!"
Behende sprang er vom Pferde und pflückte ihr einen Busch purpurner Kaltwellen vom Wegrand, den hielt er ihr lachend entgegen. ;
„Schau, soviel Sonne, Bonizetta! Magst du ihn?'« ? Sie hielt ihr Roß an, und, die Hand ausstreckend nach j den roten Blüten, wandte sie sich halb um zu WM. j „Und du. WM, war bringst du mir?" s
Will riß vom alten Etchenstamm ein dunkelgrün Efeu« ; geraut.
,_»Das Leid. Bonizetta. Das muß oftmals ein Mensch
dem andern bringen, ohne daß er dafür gekonnt. ES war dann nimmer seine Schuld, wenn's anders kam. als er geglaubt."
Ties beugte sie sich herab im Sattel und sah ernst ruf vte beiden Brüder. '
. beut mir sonderbare Gabe, Sonnenschein und Leid. Gebt mir beides!"
Und sie streckte die Hand aus.
Fetzt tönte ein Schrei durch die „Ein Reiher! Ein Reiher!"
Krieüel wies mit der Hand nach oben.
Da segelte tm wolkenlosen Blau einsam schwimmend «tu Fischreiher.
tznell löste Kraffto seinem Kalken die Kappe und ihn frei. Einen Augenblick noch saß das Tier, die blühend, erstaunt auf seiner Kaust. Dann klang hellch schrille Schrei, venu er hatte seinen Feind erspäht. Hoch empor schoß er tn die goldene Lust, und dann veacrnn dort oben ein Kamst aut Tod und Leben.
gab ihr Fevern der HAI
Luft.
Bonizetta aber hatte von der Efeuranke ein Blatt gelöst und unter ihren Brustlatz geschoben und wußte, daß sie nun das Leid erkoren, aus der Hand des tollen WM. -
19. Kapitel.
Vor seiner Hüttentür saß Mtgaroß und flocht gebückt an einem Wetvenkorb. Bon Zeit zu Zeit fuhr er sich mit dem Handrücken über die Augen. Dann stand er aus, müde und schwerfällig, und kramte lange juchend tn seiner Hütte. AIS er wieder aus der Tür trat, hatte er ein winzig WSmsletn tn der Hand. Das legte er vor sich aus den rohen Holzttsch und faltete die braunen Hände darüber. Er starrte es an mtt nassen Augen, wie etn wundersützes Heiligtum.
Waren's nicht heute just 20 Jahre her. daß ihm sein Weid einen Buben geschenkt? Er schloß die Augen und lehnte das greise Haupt an die Huttenwand. Alles sah er deutlich vor sich, so greifbar nahe und wirklich. Die bunte Holzwiege, die der arme Narr des Nachts an seines Weibes Lager geschnitzt, die blonden Locken seines Buben und die lachenden, blauen Augen, die er von der Mutter hatte. Und dann, als er di« ersten Worte lallte und die ersten Schrittchen tat — ängstlich, uttftcher — und doch so stolz, wenn er das Ziel erreicht
— dt« wett ausgebreiteten Arme der Mutter, die am Boden kniete. Oh. durch dte Finger rieselte eS dem alten Manne heiß und unaushörltch. Oh, wie war er so reich gewesen damals. Ob sie auch am Hoj des Psalzgrasen lachten über thu und ihn einen armen, törichten Narren schalten
— mochten sie doch! Et, mochten sie dochl Ein Fleckchen gab es ja doch aus der weiten Welt, wo er König war — er ganz allein.
Und wie der Bub dann größer und größer wurde, bis dte heiße Wanderlust nicht mehr zu bändigen war tn ihm, bis er Vater und Mutter Lag und Nacht tn den Ohren lag, ihn ziehen zu lassen, fort — mtt des Kaisers Heer. Und dann — Mtgaroß stöhnte — kam der »reuzzug, und als er hetmkehrte. war sein Weib tot Und sein Bub fort.
Unbeweglich faß der Alte und starrte auf das Ktn- derwämSletn. das etnst sein Bub getragen.
Die Aussperrung in der englischen Baumwollindustrie Manchester, 31. Juli. Die Vertreter der Organisation der Spinnereiarbeiter beschlossen nach einer zweistündigen Debatte über den Vaumwollkonflikt, daß die ganze Frage den Vezirksorganisationen vorgelegt werden sollte mit der Empfehlung, daß die Frage in den Händen des Vollzugsausschusses bleibe.
Die englische Regierung und die Baumwollindustrie London» 31. Juli. Macdonald ernannte heute eine Kommission zur Untersuchung der gegenwärtigen Lage und der Aussichten der Baumwollindustrie. Die Mitglieder der Kommission sind der Handelsminister, der erste Lord der Admiralität und drei andere.
Hoover über die Flottenparität mit England Washington, 31. Juli. In einem Brief an den Kam- Mandanten der amerikanischen Nationallegion, Mc. Rutt. schreibt Präsident Hoover, daß die Parität mit Großbritannien das sei, was die amerikanischen Marinebehörde» fit, eine vollständige Verteidigung der Vereinigten Staaten al» notwendig verstünden. Er fügte hinzu, Verteidigung sei alle», was A»n-rUa wünsche.
Französisch-amerikanischer Notenaustausch Washington» 31. Juli. Staatssekretär Mellon tauscht, mit dem französischen Botschafter Claudel Noten aus, i, denen der Aufschub der Tilgung der 4VV Millionen Doll« Kriegsmaterial-Schuld entsprechend der Entschließung de» Kongreßes jetzt in Kraft tritt, da Frankreich das Mellon, Verenger-Abkommen vor dem 1. August ratifiziert hat.
Der neue amerikanische Danerflngrekord St. Louis. 31. Juli. Die Flieger Jackson und O'Vrian. di, Montag abend gelandet sind, waren mit ihrem Flugzeug „St Louis Robin" genau 120 Stunden und 21 Minuten, d. h. nmd 18 Tage und 17 Nächte ununterbrochen in der Lust. Bei der Landung des Flugzeuges „St. Louis Robin" waren 15 000 Z». schauer zugegen. Die beiden Flieger wurden nach der Landung ärztlich untersucht. Ihr Befinden war ausgezeichnet. Sie erhalten für den Dauerslug zusammen 31285 Dollar, außerdem 27S« Dollar an Geschenken. Die von den Fliegern zurückgelegte Gesamtstrecke beträgt 10 320 Kilometer. Sie haben über 16 000 Liter Brennstoff verbraucht, der 48 mal ergänzt worden ist.
Beginn der russisch-chinesischen Besprechungen London, 31. Juli. Wie Reuter aus Schanghai meldet, hat gestern in Mandschuli zwischen dem sowjetrussischen Generalkonsul in Charbin und dem Vertreter deschinesischen Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten die erste Vorbesprechung zur Beilegung des russisch-chinesischen Konflikts stattgefunden. Gegenstand der Besprechung waren Zeitpunkt und Ort einer offiziellen russisch-chinesischen Konferenz.
Das Verschwinden des Lcknd.qerichtsdirektors Bombe Dis Mordkommission greift ein Berlin, 1. August. Seit gestern nachmittag beschäftigt sich nunmehr auch die Berliner Mordkommission mit der Aufklärung des rätselhaften Verschwindens des Land- gerichtsdirektvrs Dr. Bombe. Nachdem das Absuchsn der Wälder in der Gegend von Neu-Elobsow und Rheinberg bisher ergebnislos geblieben ist, neigt man im Polizeipräsidium der Ansicht zu, daß Landgerichtsdirektor Bombe vielleicht doch einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist. Eins genaue Vernehmung seiner Wirtschafterin soll vorgenommen werden. Die Wirtschafterin ist über 30 Jahre in dem Haushalt Dr. Bombes beschäftigt und daher mtt den Lebensgepflogenheiten des Vermißten genau vertraut.
Uederm Wald aber stand dte Mittagssonne, und mit schrillem Schrei flog dte Wtldgans nach Süden.
Der Alte hob den Kopf, wie traumverloren. Klang nicht Hufjchlag tm Tann? Hufschlag wie von viele« Rosien?
Da kamen die jungen Grafen und Bonizetta auf vi» Lichtung getrabt, dte Wangen heiß vom Ritt» dte Augen leuchtend vor Jagdlust und Herbstfreude. Gemächlich hinterdrein die zwei Knechte. Schnell wischte Mtgaroß dt« Tränen ad und ging ihnen entgegen.
Will gab ihm vom Pferd herunter dte Hand. Aba Mtgaroß war nicht zufrieden damit.
„Wollt Ihr nicht absteigen, Herr? Ich hol Euch rasch einen Imbiß."
Hellauf lachte Will.
„Guter Alter, das würde btt wohl schwer werden« für uns süns hungrige Weidleute heut einen Jmdttz z» schaffen."
„Wir waren den ganzen Morgen unterwegs aus da Retyerbetze, weißt du," rief Kraffto, „und spüren jetzt große Sehnsucht nach dem Wetnkellerschlüsiel vom Neuenar."
Ttesatmend hatte Bonizetta sich umgesehen aus der wetten, sonnigen Lichtung.
,^OH, es ist so wunderschön hier. Laßt uns etn wenig rasten, Buben l Seid ihr gar so hungrig, so bereit ich euch schnell etn Mahl."
„Ach ja, Bonizetta, das wird lustig! Ein Mahl tm Grünen. Komm" — und schon stand Kraffto vor ihr, um sie aus dem Sattel zu Heven.
Aber sie sah noch fragend zu Will herüber.
Als der die helle Freude über den Einfall tn ihrem Antlitz sah, nickte er.
„So kommen wir zu dtr zu Gast, Mtgaroß, und was dir noch fehlt, können Wulf und Friede! vom 'Neuen« holen."
Ei, wie erstaunte da dte stille Waldlichtung und dt« schiefe Einsiedelhütte am Felshang. Denn es war et» gar hurtig Treiben, das jetzt begann. Reisig ward geschichtet zum lodernden Feuer, emsig schuppte die geschürzte Bonizetta die silbernen Fische aus des Alten BorratS- butte am Quell, lieber dem Feuer brodelte tn rußigem Topf duftende Kräutersuppe. Kraffto und AM aber lag« müma im GraS und laben bebaaltck dem Treiben «v (Fortsetzung folgt.)