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Schwarzwalder Tageszeitung „Aus den Dannen"
schon Staat noch nicht erfolgt ist. Bulgarien muß nun also, bevor es die internationale Anleihe unter Dach und Fach bringen kann, diese Streitfragen zur Lösung bringen. Aehn- lich Rumänien. Zwischen Deutschland und Rumänien bestehen bekanntlich seit Kriegsende langwierige Verhandlungen wegen der Anerkennung der deutschen Vorkriegs- Anleihen, die von Rumänien bisher diskriminiert wurden. Die Verhältnisse sind deshalb so verwickelt, weil Rumänien gegenüber den deutschen Forderungen Gegenforderungen erhebt, die aus den sog. Vanca-Generala-Noten entspringen. Das sind Noten, die während des Krieges von der deutschen Regierung ausgegeben wurden. Es besteht aber kein Zweifel, daß durch die jährliche Dawes-Annuitüt, die Rumänien zugewiesen erhält, diese Forderungen mehr als abgegolten sind. Der Besuch des Präsidenten der Bank von Frankreich, Morea, in Berlin, der vor einigen Wochen erfolgte, hatte nicht zum wenigsten die Bereinigung der Streitfragen, die zwischen Rumänien und Deutschland schweben, zum Ziel. Soviel steht jedenfalls fest: Bevor Rumänien nicht irgendwie die deutschen Vorkriegs-Forderungen anerkennt, ist an eine Anleihe eines internationalen Finanzkonsortiums nicht zu denken. Noch verwickelter liegen die Dinge bei der Südslavien-Anleihe. Die Stabilisierung des Dinar ist auch unter keinen Umstünden ohne fremde Hilfe durchzuführen. London will aber die Anleihe nur dann gewähren, wenn Südslavien sich zur Bereinigung seiner außenpolitischen Verhältnisse durch die llnterzeich- uung der Nettuno-Verträge entschließt. Wie weit Südslavien davon aber entfernt ist, zeigen die blutigen Vorgänge der letzten Tage in der Skupschtina und dis Barrikadenkämpfe in den Straßen von Belgrad.
Portugal hat bereits auch um eine Völkerbunds-Anleihe nachgesucht, um seine Währung in Ordnung zu bringen. Sie ist bisher zwar noch nicht gewährt worden, aber es besteht kein Zweifel, daß in absehbarer Zeit Portugal die finanziellen Mittel erhalten wird, um zu stabilisieren. Als letztes und wichtigstes Land bleibt noch Spanien. Der Ps- setenkurs hat in letzter Zeit wieder stark angezogen, so daß die Differenz zwischen Vorkriegs- und jetzigem Werte nur mehr 10 Prozent beträgt. Allerdings sind die üblichen Deflationswirkungen auch nicht ausgeblieben, und sie werden sich bei völliger Angleichung an den Friedenskurs noch empfindlicher bemerkbar machen. Alles in allem ist zu hoffen, daß die europäische Währungssanierung in absehbarer Zeit ihren endgültigen Abschluß finden wird.
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Der deutsche Industrie- uud Hmidelrtag «ud die Eiseuiahutarissrage
Mannheim, 30. Juni. Der Hauptausschuß des Deutschen Industrie- und Handelstages hat auf seiner anläßlich des 200jäh- rigen Jubiläums der Handelskammer Mannheim hier abgehal- tenen Tagung u. a. eine Entschließung angenommen, die sich mit Sen Tariferhöhungswünschen der Reichsbahn befaßt und eine Erhöhung der Personen- und Gütertarife als nicht geboten bezeichnet. Für den Fall, daß die Einnahmesteigerung zur Ausbringung der erforderlichen Anlagemittel nicht ausreicht, wird oorgeschlagen: 1. Die Reaktivierung eines Teiles des im Jahrs 1927 auf Vetriebsrechnung übernommenen Anlagezuwachses von insgesamt 348 Millionen Reichsmark und die Üebernahme des reaktivierten Betrages auf Anleihekonto. 2. Die Entlastung der Reichsbahn von den sogenannten politischen Lasten soweit diese sich aus der Erhöhung der Pensionslast ergeben, also im Betrag von 212 Millionen Reichsmark seitens des Reichs, schließlich 3. eine Vereinbarung mit der Reichsregierung, durch welche die Verpflichtung der Reichsbahngesellschaft, die Reichsbahn mit allem Zuwachs Ende 1964 lastenfrei an das Reich zurückzugeben, abgemildert wird, sodatz die entsprechenden Rückstellungen für Betriebsrechtsabschreiung ermäßigt bezw. vorübergehend ganz beseitigt werden. Zum Schluß erklärte die Entschließung, daß, falls trotz allem eine Tariferhöhung nicht umgehbar ist, keinesfalls der Güterverkehr allein damit belastet werden dürfe.
Aus dem Gerichlssaol
Kindstötung
Hall, 29. Juni. Unter Ausschluß der Öffentlichkeit wurde vom Schwurgericht gegen die led. Modistin M. Binder wegen Kindstötung verhandelt. Sie wurde bei Zubilligung von mildernden Umständen zu der gesetzlichen Mindeststrafe von zwei Jahren Gefängnis sowie zur Tragung der Kosten verurteilt.
Die Verfehlungen bei der Tuttlinger Orskrankenkasse vor Gericht
Rottweil, 29. Juni. Vor dem Schöffengericht hatte sich am Dienstag und Mittwoch der Kassier Karl Edelmann der Tuttlinger Ortskrankenkasse zu verantworten. Wie bereits gemeldet, wurden bei der Tuttlinger Ortskrankenkasse bei einer unvermuteten Revision große Unterschleife entdeckt, die zur Festnahme des Kassiers Edelmann und seines Hilfsarbeiters Beck führten. Beck wurde aber bald wieder außer Verfolgung gesetzt, da sich keine Anhaltspunkte der Mittäterschaft desselben ergaben. Durch den Sachverständigen und Revisor, Oberrechnungsrat Breusch, wurde einwandfrei festgestellt, daß die falschen Buchungen von November 1923 bis Mai 1927 fortgesetzt wurden; sie betrafen Beträge von insgesamt 32 000 Mark. Diese wurden teilweise aufgeklärt, sodaß schließlich als effektiv unterschlagen noch die'Summe von 19 OM Mark sich ergab. Die Bücher waren vielfach unrichtig geführt, es fanden sich verschiedene Doppeleinträge und Rasuren vor, au-h waren verschiedene Einnahmen gar nicht gebucht. Der Beschuldigte entschuldigte sich mit Eeschäftsüberhäufung. Darüber, wo die 19 000 Mark hingekommen sind, konnte nichts festgestellt werden, aber das Gericht hat angenommen, daß Edelmann es für sich verwendet hat. Edelmann war nun angeklagt wegen Unterschlagung, Untreue und Betrug. Das Urteil lautet: Wegen Unterschlagung und Untreue im Sinne der Reichsversicherungsordnung auf 1 Jahr 5 Monate Gefängnis, wegen Betrugs auf 6 Monate Gefängnis, und somit auf eine Eesamtgefängnisstrafe von 1 Jahr 8 Monaten. Eine Urkundenfälschung hat das Gericht nicht angenommen.
Darlehensbetrügereien
Ravensburg. 29. Juni. Wegen Darlehensbetrügereien in 75 teils vollendeten, teils versuchten Fällen verurteilte das hiesige Amtsgericht die 56 Jahre alte Versicherungsinspektorswitwe Marie Ehe aus Ravensburg zu 1 Monat und l5 Tagen Gefängnis.
Vermischtes.
— Zehn Gebote für heiße Tage. 1. Stehe früh auf, lüfte zeitig das Bettwerk und schließe spätestens gegen 7 Uhr dis Fenster und Läden. 2. Im Zimmer lasse Wasser verdunsten in möglichst zahlreichen und flachen Gefäßen und du wirft über die angenehme Kühle erstaunt sein. 3. Bei Spaziergängen trage leichte Kleidung und in praller Sonnenhitze eine ebensolche Kopfbedeckung. 4. Beim Trinken vermeide alle Hast und kühle dich erst gehörig ab. Das Durstgefühl läßt ganz bedeutend nach, wenn man einen Schluck Wasser solange im Munde behält, bis es warm geworden ist. 5. Plötzliche kalte Bäder an heißen Sommertagen können den Tod zur Folge haben. Abkühlung des Körpers und eins schnelle kalte Abreibung der Arme und Brust ist dringendes Erfordernis. 6. Am Abend nach Untergang der Sonne öffne alle Fenster und Türen und lasse sie während der Nacht möglichst offen. Alle übermäßig warmen Decken beim Schlafen sind zu vermeiden. 7. Sei vorsichtig mit Speisen. Unter keinen Umständen dürfen leicht verderbliche Lebensmittet der Sonne ausgesetzt werden. Der jetzt unbenutzte Zimmerofen ist für kleine Gegenstände eine vorzügliche Kühlstätte. 8. Habe ein besonderes Augenmerk auf Magen und Wohlbefinden der Säuglinge. Hitzwellen haben fast stets größere Säuglingssterblichkeit zur Folge. Die junge Mutter stille ihr Kind nach Möglichkeit selbst. 9. Eingetretene Hitzschläge suche bis zum Eintreffen des Arztes durch Oeffnen der Kleider und Abwaschungen des Kopfes und Körpers mit kaltem Wasser abzudämmen. 10. Gedenke auch der Tiere in dieser heißen Jahreszeit. Vieh, insbesondere Pferde und Rindvieh, aber auch die Kleintiere aller Art der Sonne stundenlang auszusetzen, sie womöglich festzubinden, ist eins arge Tierquälerei. Sorge deinen Haustieren mehrmals am Tage für sauberes, frisches Trinkwasser.
Abschaffung der Kinderehe
Eine in die Kulturgeschichte der Familie und namentlich der Frau tief eingreifende Entschließung hat kürzlich der gesetzgebende Rat von Madras gefaßt. Er nahm einen Antrag der Frau Dr. Ammal an, wonach das Heiratsalter für Männer und Mädchen auf 21 bezw. 16 Jahre festgesetzt wird. Diese Entschließung ist ein Ausschnitt aus dem Kampf, den seit mehr als einem Jahrhundert christliche Missionare und einsichtige Eingeborene gegen eine tief eingewurzelte Sitte führen. Nach indischer Sitte muß das Verlöbnis möglichst früh, für Mädchen keineswegs nach dem 12. Jahr stattfinden. Ausgangs des letzten Jahrhunderts gelang es, das gesetzliche Alter für den Vollzug der Ehe trotz allem Widerstand der Hinduistischen Gesellschaft, die darin einen Eingriff in ihre Religion sah, vom 10. aus das 12. Jahr hinaufzurücken. Trotzdem gab es noch gegen 400 000 Witwen unter 15 Iahen, deren Los bekanntlich meist sehr traurig ist, namentlich da für sie großenteils ein religiöses Verbot der Wiederverheiratung besteht. Neuerdings hat sich Gandhi in seinen LeLenserinnerungen auf Grund seiner eigenenErfahrung mit aller Schärfe gegen die Kinderehen ausgesprochen.
Die Amputation als Schönheitsmittel
„Hoffahrt muß leiden!" sagt ein altes Sprichwort, und damit soll ausgedrückt werden, daß mancher sich um der lieben Eitelkeit willen die größten Schmerzen und Unbequemlichkeiten auferlegt. Besonders gilt dies von der holden Weiblichkeit, die von jeher wahre Märtyrerinnentalente entwickelte, wenn es galr, einem Moden- oder Schönheitsideal nachzueifern und die Natur sich dabei als Hindernis erwies. — An das Märchen vom Aschenbrödel und dem goldenen Schuh wird man unwillkürlich erinnert, wenn man den Vortrag liest, den einer der bekanntesten und gesuchtesten Brüsseler Aerzte, der namentlich wegen seiner „Schönheitsoperationen" berühmt ist, kürzlich auf dem 1. Pariser „Verjüngungskongreß" hielt. Dieser Kongreß, der von den namhaftesten englischen, französischen, belgischen und schwedischen Aerzten besucht wurde, war schon an und für sich von besonderem Interesse für die Frauenwelt, weil er unter dem Hauptthema „Verjüngunsmöglichkeiten für die Frau" stand. Im Anschluß hieran wurden aber auch allgemeine Fragen, so auch die der weiblichen Schönheitspflege, erörtert. Bei dieser Gelegenheit nun teilte der belgische Arzt Leon de Page mit, daß seine ärztliche Tätigkeit in den letzten Monaten hauptsächlich darin bestander habe, eine Schönheitsoperation eigener Erfindung an den prominentesten Damen der Gesellschaft, an Bühnenkünstlerinnen, Filmschauspielerinnen ete. vorzunehmen, die „auf zu großem Fuße", dies wörtlich genommen, lebten. Wie die Stiefmutter im Märchen von Aschenbrödel sei er zu der Ueberzeugung gekommen: „Was zuviel ist, daß hackt man ab!", nur mit dem Unterschiede, daß er dies wissenschaftlich betreibe. Demgemäß amputierte er seinen Klientinnen, die einen zierlichen Fuß ersehnen, ohne von der Natur damit begnadet zu sein, kurzerhand die kleine Zehe! Diese Operation habe sich auf das Veste bewährt, und die Patientinnen hätten nun die Freude und Genugtuung, ihr Schuhwerk um mindestens drei Nummern kleiner wählen zu können, ohne, wie sonst, die Qualen des aus Schönheitsgründen zu eng getragenen Schuhs ertragen zu müssen! — Wir sind ja hier in Europa von den chinesischen Fußverkrüppelungsmethoden ohnehin nicht mehr sehr weit entfernt; da kommt es schließlich auch nicht mehr darauf an, ob unsere Damenwelt auf zehn oder auf acht Zehen einhertrippelt. Also auf zur Schönheitsamputation!
Ein gefährliches Abenteuer
Z „.Die unter dem Spitznamen „Titania" bekannte französische Gräfin du Caylar-Toiras hat auf Grund einer Wette ein Jahr lang allein unter den Fidschi- Insulanern, den Kopfjägern von Sumatra, den fanatischen Ureinwohnern von Kochinchina und den Menschenfressern von Polynesien gelebt. „Mein gefährlichstes Abenteuer", erzählt sie in einem Pariser Blatt, „ereignete sich auf einem polynesischen Verbrecherschiff. Auf diesem Schiff befanden sich etwa 20 Schwerverbrecher, denen verboten war, den Fuß an Land zu setzen. Erst als wir von Papeete abfuhren und ich die Sinnesart dieser Menschen näher kennen lernte, bekam ich Angst. Der einzige anständige Bursche schien mir der Koch zu sein. Vana war ein 30jähriger Mann, sehnig und stark wie ein Panther; er war zu vier Jahren Deportation verurteilt worden, weil er einen Mann getötet hatte, der sich weigerte, mit ihm seine Weiber zu tauschen. Ich spielte mit den Verbrechern Karten und machte sie mir alle untertan mit Ausnahme eines Mörders namens Gham, der eines Nachts zu mir heranschlich. Ich gab ihm eine Zigarette und versuchte vergeblich, mit
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ihm ein ruhiges Gespräch zu führen. Ebenso gut hätte" ich versuchen können, eine zornige Lobra zu liebkosen. Ich hatte einen kleinen Revolver bei mir, aber mit einem Schlag seiner Faust schlug er ihn mir aus der Hand. Dann ereignete sich etwas Unerwartetes. Hinter einem Haufen von Kisten sprang ein anderer Mann hervor. Es war Vana. Im nächsten Augenblick rollten die beiden Männer im Ringkampf auf dem Deck umher. Dann Schweigen: Eham lag tot zu meinen Füßen. „Jetzt muß ich mich durch Schwimmen retten", sagte Vana. Ich wußte, daß es für mich gefährlich sein würde, auf dem Schiff zu bleiben, und so sprang ich mit ihm ins Wasser und nach mehr als einer Stunde Schwimmens erreichten wir eine von Palmen umkränzte Jnfel. „Das ist die Insel Vana Vana", sagte mein Führer. „Meine Ahnen herrschten einst in diesen Wäl- deriij und ich habe hier zwanzigmal so viel Perlen versteckt, als du an deinen Fingern zählen kannst. Die sollen alle dir gehören." Dann rief Vana einen Mann gus einer der Hütten; es war ein Weißer, der Französisch mit einem englischen Akzent sprach. Vana befahl ihm, uns nach westlichem Recht zu trauen; er legte unsere Hände ineinander und murmelte etwas in seinem komischen Französisch. „Nun will ich dir die Perlen holen", sagte Vana. Und während er fortlief, gab ich dem Europäer Meine Börse und bat ihn, mich nach Tahiti zu bringen. „Mein Boy wird Sie nach Tematangi fahren", sagte er, und kurz darauf saß ich mit dem Boy in dem Kanu. „Leben Sie wohl, Madame", sagte der merkwürdige Mann zum Abschied, „und beunruhigen Sie sich nicht, ich bin kein Geistlicher." „Wer sind Sie denn?" Er blickte mich traurig an. „Seit 16 Jahren traue ich Leute auf dieser Insel", sagte er, „ich bin ein Engländer und war früher Clown in einem Zirkus."
Z Man lernt nie aus. Das Sonnenlicht braucht, bis es zur Erde gelangt, 8 Minuten und 16 Sekunden, nach dem Mars 12 Minuten und 4 Sekunden, nach dem Jupiter 43 Minuten und nach dem Neptun 4 Stunden. Neptun braucht 163 Jahre, um seine Kreisbahn um die Sonne zu durchlaufen, Saturn 84 Jahre. Das Licht legt in einer Sekunde die Kleinigkeit von 300 000 Kilometern zurück. Ein Liter Wasser, das auf der Erde 2 Pfund wiegt, wäre in einer Höhe von 6000 Kilometern nur mehr ein halbes Pfund schwer. Wenn die Abschußgeschwindigkeit eines Geschosses mindestens 11200 Meter pro Sekunde (d. i. Berlin-Newyork in 6 Minuten) beträgt, dann würde das Geschoß nicht mehr zur Erde zurückfallen. Die Geschwindigkeit der Erde um die Sonne beträgt in der Sekunde 30 Kilometer, oder in der Stunde 110 000 Kilometer; diese Geschwindigkeit ist OOOmal größer, als die eines Flugzeugs, das in der Stunde 120 Kilometer zurücklegt.
8 Eine befremdende Erscheinung wird an der Ostseeküste beobachtet: Die Wandervögel ziehen ab! Das wirft alte Lehrsätze der ganzen Vogelkunde über den Haufen. Anstatt im Herbst, machen sich die Vögel schon jetzt aus die Reise. Die zuglustigen Tiere sammeln sich in ungeheuren Scharen in den Küstengebieten — man kann unter anderen unabsehbare Mengen von Kiebitzen sehen — und ziehen nach dem Westen. Der alleinige Grund des so frühzeitigen Abzuges ist das nasse und kalte Wetter. Im ganzen Küstengebiet der Ostsee herrscht nämlich mit kurzen Unterbrechungen eine fast winterliche Witterung; in den letzten Tagen sind zu dieser Temperatur orkanartige, eisige Stürme und starke Hagelschläge hinzugekom- msn. Eine so hartnäckige Häufung von Kaltlufteinbrüchen ist nach dem Urteil von Wetterkundigen niemals vorher beobachtet worden.
8 Der Mensch ist heute schneller als der Wind, schneller als der Vogel in der Luft und schneller als der schnellste Fisch. Als der schnellste Vogel gilt die asiatische Seglerschwalbe, die mit einer Geschwindigkeit von 330 Kilometer in der Stunde über die Gebirge Asiens eilt. Aber wie langsam ist dieser früher so sehr bewunderte Vogel gegenüber dem englischen Flieger Webster, der den „Schneider- Preis" mir einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 44!) Kilometern li der Stunde gewann. Diese Flugschnel- lrgkeit ist aber noch durch den italienischen Flieger Major de Barnardi überboten worden, der die erstaunliche Leistung von 549 Kilometern in der Stunde vollbrachte. Der schnellste Fisch, den es gibt, ist der Tarpon von Florida, der etwa 130 Kilometer in der Stunde zurücklegt, aber der Mensch hat ihn in seinem eigenen Element geschlagen, denn unsere Boote bewegen sich in ihren Höchstleistungen schneller vorwärts. Als das schnellste Geschöpf auf vier Beinen gilt der indische Leopard, der gelegentlich 93 Kilometer in der Stunde zurücklegt. Auch diese Geschwindigkeit kann uns heute nicht mehr imponieren.
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Heiteres
Humor der Völker
Zerstörte Hoffnungen. „Sie waren ja in Berlin, um sich mit den Verwandten wegen einer Erbschaft auseinanderzusetzenl Wie sind Sie dabei gefahren?" — „Hin erster Klasse und zurück vierter!"
So was soll Vorkommen. Mutzenbecher trifft Kröppelkelch am Eingang zur Hauptpost. Kröppelkelch hat die Finger voll Deutscher Reichstinte. „Ich habe gerade", erzählt er, „einen Brief neunmal abgeschrieben und an neun verschiedene Bekannte geschickt." — „Aha", sagt Mutzenbecher, „also ein Kettenbrief!! Glauben Sie an diesen Schwindel?" — „Selbstverständlich!! Einer von den neunen wird mir schon die 100 Mark pumr>en„ die ich brauche."
Stilblüten
Aus einem Programm: „Mit dem Eintreffen des Herrn Bürgermeisters nimmt die Viehausstellung ihren Anfang." Aus einem Aufsatzheft: „Mohammed hinterlieb keine Söhne und' auch sonst nichts Schriftliches." Aus einer schultheißenamtlichen Bekanntmachung: „Es ist uns zu Ohren gekommen, daß das Vieh in den Ställen mit brennenden Zigarren und Pfeifen gefüttert wird..." Von einem öffentlichen Wegverbot: „Dieser Weg ist kein Weg. Wer es aber dennoch tut, wird mit drei- Mark bestraft." Aus einem Roman: „Ein weiblicher Fuß schlüpfte leise in das Zimmer und löschte «it eigener Hand das Licht aus."
Für die Schriftleitung verantwortlich: Ludwig Lauk,