Kummer 163

Altensteig, Dienstag den 3. Juli 1928

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Smith und seine Chance«

, Houston, 29. Juni. Der demokratische Nationalkonvent in Houston hat das Parteiprogramm angenommen und den Gouverneur von Neuyork, Smith, zum Präsidentschafts­kandidaten nominiert.

M. Smitki

Alfred Smith ist zum Präsidentschaftskondidaten der demokratischen Partei in den Vereinigten Staaten aus­gerufen worden. Der Jubel des demokratischen Parteikon- oents, der sich in Houston (Texas) versammelt hat, war groß. Man muß schon sagen: Einen besseren Kandidaten hätten die Demokraten nicht aufstellen können. Die Wahl war nicht schwer, zumal der vorherige Parteikonvent des Jahres 1924 mit reichlicher Eindeutigkeit gezeigt hat, wie gefährlich es ist, zwischen zwei Kandidaten zu pendeln es gab damals nicht weniger als zehn Wahlgänge, um dann keinen der beiden, sondern einen dritten, einen Außenseiter zu wählen, der dann auch das Rennen so glänzend verlor, wie es nur möglich war. Im Jahre 1924 kanddidierte be­kanntlich Smith gegen McAdoo, den Schwiegersohn Wil­sons: Nach einem erbitterten Kampf siegte John W. Davis und seine Niederlage bei den Präsidentschafts­wahlen hatte den Gegnern nichts zu wünschen übrig gelassen. Toolidge, der Kandidat der Republikaner, siegte mit über­wiegender Mehrheit. Jetzt haben sich die Demokraten eines besseren besonnen, und einen Mann aufgestellt, der sich nicht so ohne weiteres geschlagen geben wird. Allerdings: sein Gegner heißt diesmal nicht mehr Coolidge, sondern Hoover. Das bedeutet, daß auch die Republikaner mit dem schwersten Geschütz aufgefahren sind. Die Demokraten werden einen äußerst schweren Stand haben; gewinnen sie diesmal nicht, ko ist ihr Schicksal auf lange Sicht besiegelt. Wenn aber jemand die Demokratie retten kann, so sicherlich Al'Smith. jEr hat in sich das Zeug dazu.

Alfred Emanuel Smith ist der populärste Mann des Staates Neuyork und ein großer Liebling des großen Pu­blikums im übrigen Amerika. Smith ist sicher viel volks­tümlicher als Hoover, volkstümlicher in dem Sinne, daß er Mehr zu dem Herzen eines Durchsnchittsamerikaners spricht. And schon die Tatsache, daß er in dem Armenviertel Neu- Dvrks geboren wurde (das war im Jahre 1873) und daß er .als Selfmademan sich von kleinsten Verhältnissen bis in die höchsten Stufen der amerikanischen Gesellschaft emporgear- Leitet hat, imponiert im äußersten Maße den breiten Ve- wölkerungsschichten der Vereinigten Staaten. Und auch Koover war kein Präsidentschaftskandidat von seiner Ge­wirrt an. Aber Hoover gehörte stets zu den gebildeten Schich­ten, und schon früh bewegte er sich als Ingenieur und tech­nischer Organisator in hochkapitalistischen Regionen. Und Mährend Hoover sich in Konferenzzimmern und Verwal- stungsgebäuden zu Hause fühlt, ist Smith der Mann der Straße. Er hat auch mit der Volksmasse eine gemeinsame Sprache, während Hoover sich vorwiegend mit seinen Sekre­tärenunterhält". Smith ist geborener Redner, wogegen 'Hoover alles andere als ein Demosthenes ist.

Al'Smith als Mensch und Temperament hat mehr für Fich als Hoover. Darin liegt seine Gefährlichkeit für die -regierende Partei. Aber er hat auch seine Achillesferse, und Isogar zwei. Erstens ist er kein Vollblutamerikaner. Seine Eltern stammen aus Irland oder, wie manche zu wissen glauben, sogar aus Deutschland. Daß er kein hundertpro­zentiger Amerikaner ist, ist schlimm genug; denn in Amerika wird mit jedem Jahr mehr Wert auf eine höchst eigen­artigeRassenreinheit" gelegt. Es hat sich in dem ameri­kanischen Volk ein Hang einer eigenenAristokratie" heran­gebildet, wofür als Maß die Zahl der in Amerika geborene Generationen sowie der Anteil des Jndianerblutes maß­gebend ist. Je tiefer die Wurzeln in den amerikanischen

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Verkehrswege im Vadnerland

Ein ausgedehntes Eisenbahnnetz erstreckt sich nach allen Mich, tungen des Badnerlanöes und vermittelt günstige Anschlüsse Uon und nach allen Richtungen. Ergänzt werden die Verkehrs. Verbindungen der Deutschen Reichsbahn durch ein verzweigter Retz von Kraftwagenlinien der Reichspost. Auch im Flug­verkehr spielt Baden mit seinen großen Flughäfen in Mann- Heim-Heidelberg, Karlsruhe. Freiburg. Villingen und Konstan? eine bedeutende Rolle.

Boden schlagen, desto mehr hat der Stamm das Recht, sich als Nachfolger der Urbevölkerung und hiermit als natur­rechtlich betätigter Herr im Lande zu betrachten. Das irische Blut des Gouverneurs Smith hat schon manchen unter sei­nen Anhängern vor den Kopf gestoßen. Diesen Trumps werden die Republikaner nicht ohne Erfolg gerade in den urwüchsigsten Staaten auszuspielen wißen.

Der zweite Mangel Alfred Smiths besteht darin, daß er Katholik ist. Noch niemals wurde ein Katholik zum Präsi­denten der Vereinigten Staaten gewählt. Sämtliche 31 Präsidenten Amerikas waren Protestanten. Das katholische Glaubensbekenntnis war übrigens der Hauptgrund dafür, daß bei den vorigen Präsidentschaftswahlen des Jahres 1924 er von seiner Partei letzten Endes doch nicht nomi­niert wurde. Man befürchtete damals, daß Smith an der Religionsfrage sich das Genick brechen würde. Heute ist diese Furcht überwunden. Aber es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß längst nicht alle Wähler den Wagemut des demokratischen Parteikonvents teilen werden. Gerade in denjenigen Staaten, die bisher sich zur demokratischen Partei bekannt haben, ist die Macht des religiösens Ge­dankens sehr groß. Und da dort völlig der Protestantis­mus herrscht, so muß mit Sicherheit damit gerechnet wer­den, daß eine scharfe Kampagne gegen den Katholiken Smith gerade in den demokratischen Wahlkreisen großen Anklang finden wird. Man wird keine Rücksicht darauf neh­men, daß die Beziehungen Smiths zum Vatikan keineswegs über die Grenzen des Normalen reichen, daß sein Staats­kabinett in Albany, der offiziellen Hauptstadt des Staates Neuyork, sich aus 13 Protestanten, 1 Juden und 1 Katho­liken zusammensetzt alles das wird ihm wenig helfen. Die Gegner werden stets aus die Gefahr Hinweisen können, die dieHerrschaft Roms" für Amerika in sich birgt.

Noch ein wichtiger Umstand muß berücksichtigt werden, ohne daß man von vornherein wissen kann, ob er einen Vorteil oder einen Nachteil bildet: Smith ist nämlichnaß". Klugerweise hat sich die demokratische Partei keineswegs auf die Abschaffung der Prohibition festgelegt, sondern hat, nach dem Beispiel des Jahres 1924, sich auf eine Kompromiß- forderung geeinigt, die sowohl einen Raffen als auch einen Trockenen bezw. keinen der beiden befriedigen wird. Jeden­falls ist es kaum anzunehmen, daß die Prohibitionsfrage im Zentrum der Präsidentschaftskampagne stehen wird. Aber sowohl die Gegner als auch die Freunde Smiths werden

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von Fall zu Fall nicht umhin können, den Gegensatz zwischen dem nassen Smith und dem trockenen Hoover auszuspielen. Daß dadurch der Wahlkampf an Heftigkeit verlieren wird, wird niemand glauben können.

Wie steht es mit derPlattform" (Wahlprogramm) Al' Smiths? Darüber ist nur soviel zu sagen, daß er vor allen Dingen die Unzufriedenen im Lande auf seine Seite zu ziehen versuchen wird, während die Zufriedenen automatisch zu der heute am Regierungsruder stehenden Partei Hin­neigen. Es fragt sich, ob die Unzufriedenheit in Amerika groß genug ist, damit daraus das Schicksal einer Präsident­schaftswahl aufgebaut werden kann. Sicher ist jedenfalls, daß die berühmte amerikanischeProsperity" ihre Schatten­seiten hat und daß die Zahl derjenigen, die mit den be­stehenden Verhältnissen unzufrieden sind, und die vor der immer zunehmenden Verschlimmerung der Lage Angst haben,seit einiger Zeit in stetem Wachsen begriffen ist. Auch die immer deutlicher zutage tretende Korruption der regierenden Partei sowie die übertriebene Vergöttlichung des Dollars, die von den Amerikanern nicht nur in Ame­rika, sondern wie wir es auch deutlich fühlen müssen in aller Welt getrieben wird, macht nicht allen Amerikanern Spaß. Schon die Programmrede, die bei der Eröffnung des demokratischen Parteikonvents gehalten wurde, hat gezeigt, wie scharf der Kurs gegen die Vorherrschaft privilegierter kapitalistischer Gruppen bei dem Kampf Smiths gegen Hoover sein wird. In diesem Zeichen wird Smith zu siegen versuchen. Ob es ihm gelingen wird, steht dahin. Seine Chancen werden letzten Endes doch geringer als die Hoo- vers bewertet. Aber es ist nicht ausgeschlossen, daß schon der nächste Verlauf des Wahlkampfes dieses Gesamtbild- völlig umwerfen wird.

Welche Länder besitzen noch keine stabile WWW?

Von unserem wirtschaftspolitischen Mitarbeiter

Fast zehn Jahre nach Beendigung des Weltkrieges Hai nun die letzte der am Krieg beteiligten Großmächte die Stabilisierung vorgenommen. Die Stabilisierung des fran­zösischen Francs ist das wichtigste Währungsereignis seit der Bildung der deutschen Rentenmark. Das Jahr 1927 und auch das Frühjahr 1928 haben eine Reihe wichtiger Währungs-Neuordnungen gebracht. Nichts kennzeichnet die umwälzenden ökonomischen Spuren, die das Völkerringen hinterlaffen hatte, besser, als die Tatsache, daß es so langer Zeit bedurft hatte, bis die Währungen der europäischen Länder einigermaßen in Ordnung gebracht wurden, und daß es jetzt noch eine Reihe von Staaten gibt, die noch keine stabile Währung besitzen. Von den romanischen Völkern war Belgien der erste Staat, der durch einen entschlossenen Schritt durch Einführung einer neuen Währungseinheit zur stabilen Währung zurückgekehrt ist. Das war im Jahre 1926. 1927 folgte Polen, das mit Hilfe einer großen ameri­kanischen Anleihe den Zloty fixiert hat. Gegen Ende des Jahre 1927 überraschte Mussolini oder vielmehr der ener­gische Finanzminister Volpi nach vorhergegangener Deval­vation der Lira mit der gesetzlichen Stabilisierung. All­gemein war man damals der Ansicht, daß Frankreich sofort diesem Beispiel folgen würde. In diesem Jahre kehrte Norwegen nach einer Deflationsperiode, die schwere wirt­schaftliche Krisen im Gefolge hatte, zur Eoldeinlösungspflicht zurück. Ebenso Dänemark. Mit Hilfe einer Völkerbunds­anleihe hat auch Griechenland im Mai die Drachme stabili­siert. Man sieht also, daß die europäische Währungssanie­rung in diesem und im letzten Jahre ungeheuer schnelle Fortschritte gemacht hat.

Welche Länder harren nun noch der gesetzlichen Stabili­sierung? Wie bei allen wirtschaftlichen Fragen muß man auch hier Rußland eine Sonderstellung einräumen. Der Tscherchowonez ist zwar offiziell stabilisiert, aber sein Zwangskurs weist eben alle die Eigenschaften auf, die für einen Zwangskurs typisch sind: An den zahlreichen schwar­zen Börsen kann man den Tscherchowonez zum halben Kurse kaufen, oder besser gesagt, man muß doppelt so viel Dollars aufwenden, wie der offiziellen Notierung entspricht. Dem politischen Wirrwarr entspricht der Währungswirrwarr auf dem Balkan. Außer Spanien und Portugal sind es nur noch Balkanstaaten, die noch keine stabilisierte Währung besitzen. Zu ihrem Lobe sei allerdings gesagt, daß der Währungs­kurs faktisch seit längerer Zeit stabil ist, und daß nur die de jure-Stabilisierung bis sttzt noch nicht erfolgt ist. Bul­garien, Rumänien und SUdslavien entbehren noch der ge­setzlichen Stabilisierung. Allen drei Ländern gemeinsam ist, daß sie bei ihrer Währungssanierung auf fremde Hilfe an­gewiesen sind. Diese fremde Hilfe wird zum Teil beim Völkerbund, zum Teil in London und auch in Berlin gesucht. Dies erklärt zugleich auch die Verzögerung der Stabilisie­re Honen.

Bulgarien wie Rumänien haben Schwierigkeiten bei der Erlangung einer internationalen Anleihe. Beidemal sind die Differenzen, die wegen der Ordnung der Vorkriegs­schuldverhältnisse zu Deutschland bestehen, der Hauptgrund. Vulaarien bat kür die Sicherstellung der Anleihe die Ein- vnd Ausfuhrzölle vorgesehen, aber auf diese besitzt die Dis­kontogesellschaft das erste Pfandrecht. Außerdem bestehen noch Vorkriegsschulden, deren Regelung durch den bulgari-