Allgem. Anzeiger siir die Bezirlie Nagold. Calw u. Sreadeastadt — Amtsblatt fiir de« Bezirk Nagold a. Alteasteig-Stadt
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Urrrnrnev 248 j Alten steig, Dienstag den 18. Oktaven 1927
51. Jahrgang
Zum Zusammentritt bes Reichstages
Am Dienstag nimmt der Reichstag seine Arbeiten auf, um ^ poe-i schwere innenpolitische Probleme zu lösen. Mit dem > Beschluß des Reichskabinetts, dem Reichsparlament eine Doppelvorlage über die Besoldungsreform zugehen zu lassen ^ imid den Reichsschulgesetzentwurf in der ursprünglichen Fas- ^ Prag des Innenministers von Keudell zu unterbreiten, ist bei Aller politischen Gegensätzlichkeit zwischen Regierungskoalition und Opposition eine Lage entstanden, die insofern Klar- ? heit bringt, als sich nunmehr einigermaßen übersehen läßt, . »ie sich die schwebenden großen Probleme der deutschen Zn- ' «»Politik in den nächsten Monaten auswirken werden. : Dabei ist das charakteristische Merkmal unserer geg-enwär- i tigen innerpolitischen Situation ein Optimismus innerhalb ! der Reichsvegierung, von dem man zunächst nicht weiß, ob ! « aus taktischen Erwägungen zur Schau getragen wird oder i db die maßgebenden Instanzen wirklich an eine Verhältnis- ' mäßig leichte Bereinigung der doch nicht erst seit gestern, : sondern seit Jahren in der Schwebe befindlichen Fragen s glauben. Immerhin muß man mit diesem Optimismus als - «mem gegebenen Faktor für die nächste Zeit rechnen. Er wird sich zweifelsohne auch auf die Partei auswirken, die s das vierte Kabinett Marx tragen. Freilich wird an es uns - nicht verübeln dürfen, wenn wir die Zukunft nicht so rosig ansehen. Es sind nicht allein die Gesetzentwürfe über die ^ Besoldungsreform und die Neuordnung der Schulverfassung rm gesamten Reichsgebiet, die ihre Erledigung in den par- ^ lamentarischen Körperschaften finden sollen. Es wäre ver- i Hehlt, diese beiden Dinge losgelöst von den übrigen mehr auf das Allgemeinpolitische zugeschnittenen Fragen zu be- : trachten. Man wird nie vergessen dürfen, daß die Wahlen l bereits ihre Schatten vorauswerfen. Gerade weil zu errvar- , ten steht, daß viele Parteien bei ihrer Stellungnahme zu ? einzelnen Fragen der Gesetzgegbung das wahltaktische Mo- ' ment zur Richtschnur ihres Handelns machen werden, ist es ^ nötig, alles, was sich an innerpolitischer Diskussion entspin- ' «en wird, dem nun einmal gegebenen großen Gesamtrahmen . einzufügen.
So hängt denn letzten Endes das Schicksal des einen Gesetz- -> entwurfes von dem des anderen ab. Deshalb sind auch die : Schwierigkeiten bei allen Fragen in gleichem Maße vovhan- i den, und es gehört wirklich eine gute Portion Mut dazu, ^ hinsichtlich des Ergenbisses der parlamentarischen Winter- ^ arbeit optimistisch zu sein. Zwei Faktoren sind es, die weder Herr Köhler noch Herr von Keudell unterschätzen dürfen: die j Starrheit in den Auffassungen der Länderregierungen und ' die Stoßkraft der oppositionellen Gruppen im Reichstag. - Beide Faktoren werden sich in den Beratungen über die 1 Besoldungsreform und über das Schulgesetz noch zur Genüge s bemerkbar machen. Und es ist keineswegs eine ausgemachte ? Sache, daß die Reichsregierung in allem Sieger bleiben wird. ^ Auf größte Schwierigkeiten stößt nach wie vor die Besol-. ! dungsfrage. Hier verharrt das Kabinett bei seinem Wider- stand, und zwar nicht nur aus finanziellen, sondern auch aus i außenpolitischen Gründen. Wer die Presse des Auslandes in ^ diesen Tagen verfolgt hat, wird gefunden haben, daß di« ( Bekanntgabe der Vesoldungsrefovm dort zu vielen scharfen : kritischen Kommentaren Anlaß gegeben hat. Man hat im j Ausland weiterhin auch auf die über eine Milliarde Marl < betragenden Aufwendungen hingewiesen, die dem Reich aus ^ »em Liquidationsschädengesetz erwachsen. Es ist in diesem l Zusammenhang der deutschen Regierung nahegestellt wor- ! ven, daß die Uebernahme so beträchtlicher finanzieller Lasten f, fch schwer in Einklang bringen ließe mit der Forderung der Revision des Dawesplanes. Würde das Reich sich nun auch i noch bereit erklären, in Bausch und Bogen die zurzeit noch i nicht übersehbaren Kosten aus der Durchführung des Reichs- ^ Schulgesetzes zu übernehmen, so würde das ohnehin rege Ni iß- i trauen des Auslandes sich noch weiter verstärken. So kann s die nur für eine Woche berechnete Tagung zwar keine Ent- ^ icheidung, aber immerhin eine wichtige Auseinandersetzung e und Klärung unserer Verhältnisse bringen. s
Streik im mitteldeutschen BmWen- j derOM
Halle a. Saale, 17. Okt. Am Sonntag fanden in allen Revieren des mitteldeutschen Braunkohlenbergbaus Ver- : sammlungen statt, in denen noch einmal die Lage besprochen, / über die gescheiterten Verhandlungen Bericht erstattet und s die Arbeitsniederlegung für Montag vormittag beschlossen ^ wurde. Die Anwesenden -stellten sich auf den Standpunkt,
Im Herbst und Winter
ist es ein Bedürfnis, sich eine gute Zeitung zu halten. Versäumen Sie daher nicht, die Schwarzwälder Tageszeitung „Aus den Tannen" zu bestellen, sie unterrichtet Sie rasch und in übersichtlicher Weise über alle Vorgänge auf allen Gebieten
daß unter allen Umständen am Montag die Betriebe still- zelegt werden. Sie haben sich ferner mit dem Vorgehen der Zentralstreikleitung einverstanden erklärt, Notstandsarbeiten zu verrichten. Soweit der mitteldeutsche Syndikatsbereich in Frage kommt, dürften 43 000 Arbeiter in den Streik treten. Zm ostelbischen Syndikatsgebiet dürften es ungefähr LS—27 000 Arbeiter sein.
8V—90 Prozent Streikbeteiligung im mitteldeutsche« Kohlenbergbau
Halle, 17. Okt. Nach den Meldungen aus den einzelnen Revieren bestätigt es sich, daß der Streik im mitteldeutschen Braunkohlengebiet ziemlich geschlossen durchgeführt wird. Die Durchschnittsbeteiligung wird auf 80—90 Prozent geschätzt. Auf manchen Gruben, namentlich im Zeitz-Alten- burger Revier, haben die Belegschaften die Schachtanlagen nahezu vollzählig verlassen. Auf der Grube Golpa, die oas Tschornewitzer Kraftwerk versorgt, streiken von 1000 etwa 900 Mann.
Die Streiklage bei Halle
Halle, 17. Okt. Die Landratsämter und die Regierung in Merseburg teilen mit, daß es bisher im Regierungsbezirk Merseburg zu ernsteren Zwischenfällen nirgends gekommen ist. Die Gesamtlage wird als durchaus ruhig bezeichnet. Die zum Leunawerk gehörige Gesellschaft Elise 2 (Grube Otto) hei Körbisdorf ist in vollem Betrieb, so daß die Versorgung ion Leuna nicht gefährdet ist. Die Leuna-Werke haben der Belegschaft eine Lohnzulage in der gewünschten Höh« zewährt. Auch im Bitterfelder Braunkohlenrevier sind von der Gesamtbelegschaft in Höhe von 4530 Mann 4300 in den Streik getreten. Die Gruben liegen bis auf die Grube Ludwig völlig still. Nur die Notstandsarbeiten werden aufrecht erhalten. Auch auf der Grupe Golpa werden nur die Notstandsarbeiten verrichtet.
Die Beurteilung des Kohlenstreiks in Berlin Berlin, 17. Okt. Die zuständigen Stellen sind eifrig benäht, einen Ausweg aus dem Konflikt zu finden. Heute lormittag fanden bereits eine Reihe von Besprechungen tatt, die dieser Frage galten. Unterrichtete Kreise glauben richt, daß der Schiedsspruch verbindlich erklärt wird, sondern lind vielmehr der Ansicht, daß neu« Lösungs-Möglichkeiten zefucht werden müssen.
Noch kein Eingreifen des Reichsarbeitsministers Berlin, 17. Okt. Wie den Blättern mitgeteilt wird, wartet »er Reichsarbeitsminister zunächst genaue Nachrichten über sie Ausdehnung des mitteldeutschen Bergarbeiterstreiks ab. Er ist dann bereit, neue Einigungsversuche «inzuleiten.
Mische MNmsseier
Leningrad, 17. Okt. Anläßlich des zehnjährigen Bestehens der Sowjetrepublik veranstaltete der Hauptvollzugsausschuß der Sowjetunion eine Festsitzung und beschloß die Ausgabe eines Erlasses ans Volk, der das verflossene Jahrzehnt der Sowjetmacht die größte Errungenschaft der revolutionären Bewegung des Proletariats nennt. Es heißt in der Kundgebung: Unsere Armut muß endgültig überwunden und eine mächtige Industrie neu geschaffen werden. Das Dorf muß auf der Grundlage der Gemeinwirtschaft umgebaut, das Privatkapital verdrängt und der Bürokratismus vernichtet wer, den, Analphabetentum, Trunksucht und Kulturlosigkeit müssen den Todesstoß erhalten. Neue Kriegsgefahr bringt di« Notwendigkeit der Festigung der Wehrkraft. Zum zehnten Jahrestage der Oktober-Revolution beschließt der Haupt- Vollzugsausschuß: Den Industriearbeitern im Verlaufe der nächsten Jahre den Ueberg-ang vom Achtstundentage zum Siebenstundentags zu sichern, die Staatszuschüsse für den Arbeiterwohnungsbau um 50 Millionen Rubel zu erhöhen und von der landwirtschaftlichen Ei-nheitssteuer weitere 10 Prozent wirtschaftsschwacher Bauernhöfe zu befreien, Schul- den der Bauernschaften, die vom Staate Anleihen erhielten, wie die Steuerrückstände der ärmeren Bauern SU streichen.
die der mittleren Bauern abzubauen, Steuer- und andere Zahlungsrückstände der wenig bemittelten Stadt- und Landbevölkerung abzubauen, allmähliche Einführung einer all- i gemeinen Staatspension für Personen hohen Alters aus der s Bauernschaft in Angriff zu nehmen, weitere 15 Millione» für den Schulbau und für Arbeitersiedlungen bereitzustelle«, ! den Versicherungsstock für Kriogsinvaliden zu verdoppeln^ ! aus den Strafgesetzen die Todesstrafe für Verbrechen außer ! für Staats- und Militävverbrechen auszuschließeu.
- Die Leningrad«: Jubiläumsfeierlichkeiten
! Leningrad, 17. Okt. Am Sonntag abend sind die erste» j drei ausländischen Arbeiterdelegationen zu den Jubiläums» s feierlichkeiten des zehnten Jahrestages der Oktoberreool»
- tion in Leningrad eingetroffen, nämlich die deutsche Del«» s gation von 61 Mitgliedern, die belgische von 11 und die ! schweizerische von 16 Mitgliedern.
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! Neues vom Tage
i Wartburgfest der Deutschen Burschenschaften
' Eisenach» 17. Okt. Die Gedenkfeier der Deutschen Burschen« s schuft begann mit einem Gottesdienst in drei Kirchen. Hier» j auf zogen etwa 3000 Angehörige von 173 Burschenschaften , aus dem Reich, Danzig, Deutschösterreich, der Tschechoslowa- ! kei und aus Siebenbürgen mit ihren alten Herren im Fest-
- zuge auf die Wartburg. Fm großen Burghof wurde der Zug . vom Eisenacher Oberbürgermeister Dr. Janson begrüßt. Pro,
- fessor Dr. Beyer, der Rektor der Universität Jena, an der i einst di«.erste Burschenschaft gegründet wurde, überbracht« § die Glückwünsche dieser Hochschule. Nach dem gemeinsamen
- Gesang des Chorals „Eine feste Burg ist unser Gott" hielt der deutsche Gesandte in Kowno, Dr. Moraht, die Festrede.
! Am Nachmittag bewegte sich ber Zug zum Vurschenschafts- i denkmal, wo Pfarrer Mahnert aus Innsbruck der gefallene« ! Burschenschafter des Weltkrieges und der Kriege, die zur ! Einheit des eRiches geführt haben, gedachte. Abends fanden ^ in drei Sälen Kommerse statt.
c Die Kümpfe in China
K . London, 17. Okt. Der Sonderberichterstatter der „Chicago : Tribüne" in Peking meldet: Die Schansttruppen erreichten . Freitag abend Liuliho, 31 Meilen südlich von Peking, wur» i jedoch am Samstag 9 Meilen zurückgetrieben. Da» j Hauptquartier Tschangtsolins teilt di« Einnahme Tschtn- ' ichaus (nahe bei Nanking) mit.
Reichstagsinterpellation zum Bergarbeiterstreik ! Berlin, 17. Okt. Die sozialdemokratische Reichstagsfrak- ! tion hat in den Abendstunden im Reichstag eine Jnter- ^ pellation eingebracht, in der darauf hingewiesen wird, daß j die streikenden Bergarbeiter mit den bisherigen niedriger j Löhnen auch nicht die bescheidenste Existenz fristen können ! Die Regierung wird gefragt, was sie zu tun gedenke, um r die schweren Gefahren abzuwenden, die durch diesen Rie- ! senkampf des mitteldeutschen Vraunkohlenstreikes dem ge k samten Wirtschaftsleben drohen und mit welchen Mittslr ! sie den Bergarbeitern eine ausreichende Erhöhung ihrer ? Löhne sichern will. Die Sozialdemokraten beabsichtigen, aus
- der Beantwortung dieser Interpellation durch die Regie- s rung und auf deren Besprechung im Reichstag unbedingt
noch in dem jetzigen Tagungsabschnitt zu bestehen.
Sitzung der Zentrumsfraktion ^ Berlin, 17. Okt. Die Zentrumsfraktion des Reichstags s trat zu einer Sitzung zusammen. Einen großen Rahmen in ' den Besprechungen nahmen die Erörterungen über das : Reichsschulgesetz ein. Die Fraktion war sich völlig einig dar- s über, daß mit allen Kräften versucht werden muß, das i Schulgesetz möglichst bald zu verabschieden. Die Fraktion s wird in völliger Geschlossenheit auf dieses Ziel hinwirken, i Erster Redner der Fraktion ist der Vorkämpfer auf schul- i politischem Gebiet, Abgeordneter Rheinländer. Den Ver- : Handlungen wohnten auch Reichskanzler Dr. Marx und die
- übrigen Zentrumsmitglieder des Kabinetts Sei.
Start Fra« Graisons znm Ozeanflug Old Orchard (Maine), 17. Okt. Frau Grayson ist zum Fluge nach Kopenhagen aufgestiegen.
> Die Streiklage im Braunkohlengebiet
s Halle, 17. Okt. Wie vom Deutschen Vraunkohlen- ^ industrieverein in Halle mitgeteilt wird, arbeiten nach s heutigen Meldungen im ostdeutschen Braunkohlenbergbau : 21 Prozent der Belegschaft. Grube „Oskar", Reichenwal- i der Kohlenwerke, Robertssegen und Terpliner Karls- : grübe arbeiten mit 100 Prozent Belegschaft. Die Not-
- standsarbeiten werden im Frankfurter Revier stellenweise " verweigert.