Hsmemer Anzeiger für Sie Bezirke Nagold, ^alw «. FreuSenstadt

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Ke. 2l«

Die Genfer Wendungen

Der holländische und der polnische Vorschlag Eingreifen der Großmächte

Mit einigem Erstaunen und nach einem etwas seltsam ^ berührenden Hin und Her der Informationen hatte man ^ vernommen, daß Reichsaußenminister Dr. Stresemann am i Freitag nach Berlin zurückkehren werde, um hier an einer - Kabinettssitzung teilzunehmen, zu der seine Anwesenheit . »ringend gewünscht worden sei. Nun hat eine plötzliche ' Wendung der Dinge in Genf diese Reise Dr. Stresemanns fraglich gemacht, zum mindesten wahrscheinlich um einige - Lage verzögert.

Der Vorstoß des holländischen Delegierten in der Völker­bundsversammlung hat die Vertreter der europäischen Re- s gierungen vor eine so völlig veränderte Situation und vor - die Notwendigkeit so gesteigerter Wachsamkeit gestellt, daß die Anwesenheit des deutschen Delegationsführers in Genf für die nächsten Tage unbedingt erforderlich sein wird. !

Der Entwurf einer Entschließung, den der holländische Außenminister der Völkerbundsversammlung unterbreitet s hat, greift im wesentlichen zurück auf das Genfer Protokoll : von 1924, das bekanntlich in seinem Kern darauf hinaus- j lief, den Krieg als eine ungesetzliche Handlung hinzustellen ^ und sozusagen den Angreifer automatisch außerhalb des i Rechts zu stellen. Es ist erinnerlich, daß 1924 dieser Versuch ^ im wesentlichen nur die Unterstützung Frankreichs und der ' ihm angeschlossenen Staaten fand, dagegen sonst auf eine allgemeine und grundsätzliche Ablehnung stieß. Daß der > Plan jetzt wieder hervorgeholt wird, ist nach der Rede, in der der holländische Delegierte die von ihm eingebrachte ' Entschließung begründete, nur als ein Umweg zu betrach- - im, über den man zu dem Ziele der Abrüstung zu gelangen s hofft. Man argumentiert offenbar so, daß man nach einer s Vereinbarung, die künftige Kriege ausschließen soll, leichter ^ zu der Erkenntnis der Ueberflüssigkeit starker militärischer > Rüstungen gelangen werde. Soweit sich diese holländische ^ Anregung auf den allgemeinen Gedanken der künftigen s Ausschaltung von Angriffskriegen und der damit erschlösse- i nen Möglichkeit militärischer Abrüstung bezieht, wird er - auf allgemeine Zustimmung, insbesondere auch auf die Zu­stimmung und Unterstützung Deutschlands rechnen können, i

Der holländische Vorschlag unterscheidet sich ja insofern ! von dem polnischen Vorstoß, als dieser letzten Endes auf ^ ein räumlich begrenztes Ziel hinsteuerte, während die hol- ! ländische Initiative den Völkerbund dazu führen will, end- ^ lich an eine seiner wesentlichsten Aufgaben, an die mora- i tische und materielle Befriedung und Abrüstung Europas i heranzugeüen. - , ^

Polens Bestreben geht dahin, die Lücke des Artikels 15 > der Völkerbundssatzungen und die Möglichkeit kriegerischer ? Auseinandersetzungen zwischen zwei Staaten zu schließen, ^ indem es verlangt, daß durch ein Abkommen möglichst aller s Völkerbundsstaaten eine erweiterte Anwendung von / Schiedsgerichtsverträgen, ähnlich denen von Locarno, fest- > gelegt, und daß gleichzeitig jeder Krieg als außer den Ge- s setzen stehend erklärt wird. Hollands Ziel ist, das Genfer ^ Protokoll von 1924 zu neuem Leben zu erwecken. Dieses - Protokoll lies auf ein System gegenseitiger internationaler s Bürgschaften zur Verhinderung kriegerischer Zusammenstöße ' hinaus. Es ist seinerzeit zwar von der Vollversammlung des ' Völkerbundes angenommen, aber nicht von allen Staaten, s besonders auch nicht von England ratifiziert worden, so daß - es nicht in Kraft gesetzt werden konnte. ^

Im Laufe des Mittwoch wurde nun der polnische Vor-. ^ schlag bekannt und damit begann ein neues Stadium oder die eigentliche Wendung in Genf. Die Juristenbesprechung , über den polnischen Vorschlag füllte am Mittwoch den gan- s Zen Nachmittag aus. Deutscherseits war Ministerialdirektor s Gaus daran beteiligt. Die Bemühungen um eine Verstän- j digung über die Fassung des Antrages bezwecken u. a. die s Einbringung dieses Antrages nicht mehr durch Polen allein, . sonders durch eine Gruppe von Mächten, deren Zusammen- ^ setzung aber noch nicht feststeht. Der also abgeänderte pol- ! mische Entwurf soll am,Donnerstag bereits in der Völker- s l'undsversammluitz. behandelt werden, während der hol- > ländische Vorschläge bei den Großmächten unter Führung s Englands der Ablehnung verfällt. l

Verschiedene Meldungen beleuchten nun die Stimmungen '

in den Delegationen: s

Die Auffassung der deutschen Vertretung s

Genf, 8. Sevt. Die deutsche Vertretung, die Mittwoch abend i b Uhr zu einer Besprechung zusammengetreten war, hat den Be- 4 ncht des Ministerialdirektors Gaus über die heutigen Verband- s jungen der drei juristischen Sachverständigen entgegengenommen. ?

AMnftetg» Freitag tze i, 9. September

Die Vertretung ist zu der Ueberzeugung gelangt, daß der vor­liegenden Entschließung, die das Ergebnis der Verhandlungen der juristischen Sachverständigen über den ursprünglichen pol­nischen Entwurf darstellt, zugestimmt werden kann. Von der deutschen Vertretung wird darauf hingewiesen, daß der Ent­schließung angesichts der gegenwärtigen europäischen Lage, die vielfach Konfliktstoffe in sich berge, eine gewisse moralische Be­deutung Leizumessen sei. Die Entschließung bringe den unbe­dingten Willen zum Frieden, sowie die Verwerfung des Angriff- lampfes als Mittel zur Aenderung der politischen Lage zum Ausdruck und lege eine friedliche Regelung der zwischen den Staaten entstehenden Streitigkeiten fest. Gegenüber dem Still­stand und Rückschlag, der in der letzten Zeit in der Abrüstungs­frage eingetreten sei, werde die Entschließung den Friedens­willen der 47 Mitgliederstaaten des Völkerbunds zum Ausdruck bringen.

Der Wortlaut des polnischen Vorschlags

London, 8. Sevt. Pertinax drahtet dem Daily Telegraph aus Genf: Folgendes ist der Wortlaut des polnischen Vorschlages, der der Versammlung zur Abstimmung unterbreitet werden wird:

Die Versammlung zieht die Solidarität in Betracht, die die internationale Gemeinschaft vereinigt. Sie hat die feste Ent­schlossenheit, die Aufrechterhaltung des allgemeinen Friedens zu sichern. Sie nimmt zu Protokoll, daß Krieg niemals als ein Mittel zur Regelung von Konflikte« zwischen Staaten gebraucht werden darf und daß infolgedessen ein Angriffskrieg ein inter­nationales Verbrechen bedeutet. Sie ist der Ansicht, daß ein feier­licher Verzicht auf jeden Angriffskrieg die Wirkung haben würde, die den Fortschritt der im Hinblick auf die Abrüstung unternom­menen Arbeit begünstigt. Die Versammlung erklärt daher folgendes:

1. Zn irgend einer Weise zum Krieg M greifen zwecks Rege­lung internationaler Konflikte ist verboten und wird verboten sein.

2. Alle Konflikte, welcher Art sie auch sein mögen, die zwischen Staaten entstehen, können nur durch friedliche Mittel geregelt werden und daher fordert die Versammlung die Mitglieder des Völkerbundes auf, die obige Erklärung zu Protokoll zu nehmen und sich in ihren gegenseitigen Beziehungen nach ihren Grunde sähen zu richten.

Einigung der Großmächte

Berlin, 8. Sept. Es ist gelungen, in Besprechungen innerhalb der Großmächte die polnische Resolution so abzuändern, daß Deutschland sich an ihrer Einbringung beteiligen kann. Wie die Blätter erfahren, werden zunächst Polen, Frankreich, England und Deutschland die Resolution einbringen. Die Beteiligung Italiens und Japans ist noch ungewiß. Reichsaußcnminister Dr. Stresemann dürste Freitag vormittag zu der Sache sprechen. Vielleicht kann er morgen abend nach Berlin abreijen, um an der Kabinetssitzung teilzünehmen, die aus alle Fälle stattfindet. Heute nachmittag um 3 Uhr ist eine Ratstagung, worin der Be­richt der Mandatskommission vorgebracht werden wird mit dem Votum, daß ein ständiger Sitz mehr geschaffen und dieser Deutsch­land übertragen werden soll.

Die BNKerbundstagung

Litauische und norwegische Kritik am Völkerbund

Genf, 8. Sept. In der wiederum stark besuchten Vornur- tagssitzung der Völkerbundsversammlung am Donnerstag entwickelte der litauische Ministerpräsident Woldema- ras in weit ausholenden Darstellungen die Entstehungs­geschichte und die Bemühungen des Völkerbundes seit sei­ner Entstehung, insoweit sie auf die Sicherung des Friedens Bezug haben und gelangte zu der Feststellung: »Der Völker­bund hat die Pflicht, den Frieden zu organisieren; kann er das nicht, so wird er verschwinden." Außerdem behandelte Wdldemaras das Problem der osteuropäische« Staaten, die, wie er betonte, einen bedeutenden Faktor für den Frieden Europas darstellen.

Hambro, Präsident der norwegischen Kammer, griff die Großmächte des Rates mit verhältnismäßig scharfen Worten an und warf ihnen vor, daß noch nicht ein einziges stän­diges Ratsmitglied den Artikel 36 des Statuts des stän­digen internationalen Gerichtshofes im Haag über die obli­gatorische Schiedsgerichtsbarkeit unterzeichnet habe. Ferner beschwerte er sich über die Geheimpolitik der Ratsmitglieder, besonders einer Gruppe von Großmächten, wodurch die Ge­fahr geschaffen worden sei, daß die öffentliche Meinung der Welt sich gegen die Arbeiten in Genf wendet. Hambro glaubt ein Nachlassen des öffentlichen Interesses gegenüber dem Völkerbünde bereits heute feststellen zu können. Er be­streitet die Zweckmäßigkeit der Entsendung von diplomati­schen Vertretern zur Teilnahme an Len Genfer Arbeiten. Trotz alledem glaube er an den Rat und seine Wirksamkeit und stehe ein Verminderung der Zahl seiner jährlichen Tagungen nicht sympathisch gegenüber. Im einzelnen war Hambro in seiner mit starkem Beifall aufgenommenen Rede

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bei seinen Ausführungen von der Enttäuschung darüber s ausgegangen, daß die Arbeiten des vorbereitend.m Ab»

' rüstungsausschusses noch zu keinem Ergebnis geführt haben, s so Laß noch nicht an die Einlösung der allgemeinen Ab- s rüftungsverpftichtung des Artikels 8 des Völkerbundspaktes ! gegangen werden konnte. Trotzdem glaube er, baß mit Be»

! harrlichkeit und Geduld das Ziel erreicht werden könne, und ' er hoffe, daß die auf November angesetzte zweite Tagung ! des vorbereitenden Abrüstungsausschusses nicht weiter hin«

: ausgeschoben werde. Mit dem holländischen Vorschlag er»

- klärte er sich einverstanden. Im Zusammenhang mit seiner ! Kritik an der Eeheimdiplomatie des Rates verlangte Ham» ; bro, daß sich die 22 zurzeit in Genf weilenden Autzenmini»

. ster bewußt sein sollten, daß sie nicht bloß als Außenmiiri»

^ ster, sondern als Vertreter des Völkerbundes nach

' kommen.

Sitzung des Völkerbundsrates

s Genf, 8. Sevt. Heute nachmittag trat der Völkerbundsrat zum ! ersten Mal in dieser Woche zu einer Sitzung zusammen, die i zwei deutsche Interessen berübrende Fragen auf der Tagesord- ! imng batte. Unter dem Publikum bemerkte man auch den bes- ' fischen Staatspräsidenten Ulrich. Zunächst wurde nach dem um- i fangreichen Bericht des holländischen Ratsmitgliedes Veelaerts

- van Blokland über die ständige Mandatskommission die Er­höhung der Mitgliederzabl dieses Ausschusses von 9 auf 10 ge-

! nebmigt, womit der kür das deutsche Mitglied vorgesehene Sitz ° im Mandatsausschuß geschaffen ist. Weiter war an dem Bericht . des holländischen Ratsmitgliedes von grundsätzlichem Interesse

> eine Darlegung über die RechtsLeziehungen zwischen einem ' Mandatsgebiet und einem MandatsinhaLer. Südafrika hatte , bereits trüber Fragen der Souveränität mit bezug auf Südwest-

afrika angeschnitten und der Rat hatte im März entschieden, f daß erkeine Meinung über den schwierigen Punkt abgebe«

' könne, bei dem die Souveränität über ein Mandatsgebiet liegt".

' Eine Erklärung des holländischen Berichterstatters, die aus An- s laß eines neuen Svezialfalles seinem heutigen Bericht einver- . leibt ist, stellt zu der Frage immerhin mit bemerkenswerter ^ Deutlichkeit fest, daß die Anwendung der hergebrachten Ter-

- minologie aus die völlig neuen Rechtsbeziebungen von Man- . datsgebieten innerhalb des internationalen Rechtes mitunter unangebracht ist.

Der zweite Punkt der Tagesordnung, der den polnischen An- ' liegehafen in Danzig betrifft, kam insofern im polnischen Sinne ^ zur Entscheidung, als Polen mit seinem Wunsche durchdrang, die ' Frage in dieser Ratstagung nicht zu verhandeln. Indessen sor-

- derte der Berichterstatter Villegas eine Vorbereitung der Frage ° bis zur Dezembertagung, wo das sodann endgültig entschieden j werden kann, und es wurde nach einer etwas zugesvitzten De- ^ batte, n die neben dem Danziger Senatspräsidenten Dr. Sahm

- und dem polnischen Delegierten Straßburger Reichsminister Dr.

- Stresemann wiederholt eingriff, beschlossen, daß Polen bis zum : 13. Oktober seinen Standpunkt schriftlich darzulegen habe, daß r bis zum IS. November direkte Einigungsverhandlungen zwi- : schen de nbeiden Parteien in Danzig durchzufllhren seien und s daß, wenn diese nicht zum Ziele führen, der Marineunterausschuß s des Völkerbunds noch vor der Dezembertagung festzustellcn habe,

? ob der Hafen von Gdingen im Sinne der Danziger Erklärung s soweit vollendet ist, daß das Provisorium des Anlegebasens für ; polnische Kriegsschiffe entsprechend dem Danziger Antrag Le- < endet werden kann. Einigkeit bestand darüber, daß Polen als- ^ dann jederzeit Gelegenheit haben würde, seine Kriegsschiffe unter , Beobachtung der internationalen Regeln auf Danziger Werften . reparieren zu lassen.

? Ablehnung durch die deutsche Delegation

s Genf, 8. Sept. Im Laufe des heutigen Tages ist der

> deutschen Delegation ein Abänderungsantrag zu der ge- ^ planten Völkerbundsresolution zur Verpönung des Krieges

übermittelt worden. Der wesentliche Punkt, in dem die ^ polnische Delegation eine Abänderung wünscht, ist die , Einführung einer Empfehlung von Nichtangriffspakten, i d. h. ein Zurückkommen auf den Grundgedanken der nr- , sprünglichen polnischen Initiative. Dieser Vorschlag ist von der deutschen Delegation heute abend geprüft worden i und hat mit der gleichen Einstimmigkeit, mit der man ! gestern entschlossen war, die gemeinsam formulierte Reso- » lution anzunehmen, zu dem Entschluß geführt, den pol - nischenAbänderungsantrag abzulehnen. ' Dabei war die Erwägung maßgebend, daß durch eine solche ' Fassung einer^ Völkerbundsentschließung das Vertragswerk ^ von Locarno eine Abschwächung erfahren müßte, das nach ' übereinstimmenden Erklärungen Briands und Chamber- lains in den vorausgegangenen Debatten über die For­mulierung der geplanten Resolution gegenüber Bean- ' standungen dahin charakterisiert wurde, daß das Werk selbst, wie auch die deutsche Haltung jede wünschenswerte Garantie nach Osten wie nach Westen böten. Die Verhand­lungen gehen zwischen den Beteiligten nunmehr weiter . mit dem Ziele, über die endgültige Fassung des Vorschla- . ges eine Verständigung herbeizusühren.