und Reichstag eine Protestkundgebung gegen die festgesetzten Höchstpreise der Getreidesorten gerichtet, die, nach den Spekulationspreisen der ersten Kriegs­wochen normiert, mit den Interessen der Volkser- nährung unvereinbar seien. Der ungeheure unver­diente Gewinn, der Landwirten und einem Teile der Händler zufließe, sei in unserer Zeit nicht ge­rechtfertigt, wo jeder mit einem bescheidenen Nutzen zufrieden sein müsse. Es sei unvermeidlich, daß zahl­reiche Bäckereien ihren Betrieb schließen mutzten, wenn nicht die Reichs- oder Landesregierung die Ee- treideoorräte aufkaufe und an die Hersteller von Brot abgebe. Der Verband fordert, datz die Höchst­preise des Getreides sich nicht über dem Durchschnitt der Preise der letzten fünf Jahre halten sollten und datz der Verbrauch von Brotgetreide für die Erzeug­ung von Alkohol eingeschränkt werde.

Krtegsbeitrüge in Belgien.

Köln, 1. Dez. DieKölnische Zeitung" meldet von der holländischen Grenze:DerMaasbote" vernimmt aus angeblich bester Quelle, datz außer dem in vielen belgischen Städten erhobenen Kriegs- beitrag ein solcher von 35 Millionen Franks monat­lich für ganz Belgien erhoben werden soll. Am Freitag 'morgen hat das deutsche Gouvernement für die Provinz Brabant die leitenden belgischen Bankiers zusammengerufen und ihnen diese Mit­teilung gemacht mit dem Zusatz, daß das Geld für den Unterhalt der deutschen Truppen in Belgien mit einem Bestand von 25V vvv Mann bestimmt sei. In der Versammlung hätten die Bankiers Einspruch erhoben und die Auslegung als ungerecht­fertigt bezeichnet, sowie auf die Beträge hinge­wiesen, die schon die Stadt aufzubringen gehabt hätte. Die Antwort hat jedoch gelautet, datz die von den Städten zu leistenden Beiträge anzusehen seien, als eine Zuwendung für die Witwen der Gefallenen. Der neue Kriegsbeitrag werde aufge­legt, weil Einwohner Belgiens deutsche Soldaten erschossen hätten. Im weiteren sei mitgeteilt worden, der Wunsch der deutschen Behörden gehe dahin, daß die Nationalbank wieder für den Geld­umlauf eröffnet werde.

Bergettrmgsmaßregeln gegen Frankreich.

Stratzburg. 2. Dez. Aus Zabern wird der Straßburger Post gemeldet: Dieser Tage wurde aus dem französischen Städtchen Cirey eine Anzahl Geiseln über Saarburg nach Zabern gebracht. Darunter befanden sich der Bürgermeister und der Echlohherrdes Schlosses Chatillon mit seiner Familie und Dienerschaft. Diese haben sich in einem Hotel etngemietet und dürfen sich völlig frei bis zu einer bestimmten Grenze bewegen. Die übrigen Ge­fangenen. darunter Mütter mit 5 und 7 Kindern, find im Beztrksgefängnis untergebracht. Es handelt sich bei dieser Gefangennahme um eine Gegenmatz­regel der deutschen Regierung.

Die französische Regierung und das Kriegsgerichtsurtetl.

Genf, 2. Dez. Die Regierung in Bordeaux hat auf Vorstellungen des amerikanischen Botschafters,

Amtlich» Vokauntmach»«-»«.

Bekanntmachung.

An die Schultheißenümter.

Da in manchen Gemeinden wieder Scharlach- und Dijphtheriefölle auftreteni, hie nicht alle angemeldet werden, wird betreffs der Anzeige an die Ortspolizei­behörde auf die Verfügung des K. Ministeriums des Innern, 9. Febr. 1910, aufmerksam gemacht, wonach nicht bloß

1. der behandelnde Arzt den Fall zur Anzeige zu bringen hat, sondern

2. der Haushaltungsvorstand, auch wenn der Pa­tient nicht ärztlich behandelt wird,

3. jede mit der Behandlung gewerbs- oder berufs­mäßig beschäftigte Person,

4. diejenige Person, in deren Behausung oder Wohnung der Verdacht des Erkrankungssalls sich er­eignet hat.

Wer dies unterläßt, kann nach dem Strafgesetzbuch 307 bis zu 150 -tt bestraft werden.

Neuenbürg

- , " den 21. Nov. 1914.

Calw,

K. Oberamt. Der K. Oberamtsarzt:

Amtm. Rippmann. vr. Härlin.

wie derDeutschen Tageszeitung" berichtet wird, die in dem bekannten Prozesse gegen die deutschen Aerzte und Krankenträger entstandenen Akten ein­fordert.

Der König von England an der Front.

London, 2. Dez. (Nicht amtlich.) Wie amtlich gemeldet wird, hat sich König Georg gestern abend nach Frankreich begeben, um das Hauptquartier des Expeditionskorps zu besuchen.

Die englische» Krämer.

(W.T.V.) London, 2. Dez. Der Vizekanzler der Universität Sheffield sagte gestern in einer An­sprache bei einer Versammlung des Direktoriums der Universität, die deutschen Universitäten seien viel von Russen, Spaniern, Franzosen und Ameri­kanern besticht worden. Er hoffe, daß es nach dem Kriege England möglich sein werde, in dieser Hin­sicht zum guten Teil an die Stelle Deutschlands zu treten.

Bei den Engländern ist eben alles Geschäft. Nicht nur die wirtschaftliche Konkurrenz Deutsch­lands wollen sie in diesem Krieg vernichten sondern auch die geistige und wissenschaftliche. Wird ihnen schon ihre erste Hoffnung nach den bisherigen mili­tärischen Ergebnissen zu schänden werden, so wird es ihnen in geistiger Beziehung schon gar nicht gelin­gen, denn dieses Krämervolk ist nicht mehr imstande, den idealen Schwung deutschen Geistes, der Kultur und Wissenschaft bei uns zu so hoher Entfaltung ge­führt hat, aufzubringen. Die Russen, die sich an unseren Hochschulen vielfach recht flegelhaft auf­geführt haben, und die Franzosen gönnen wir den Engländern ganz gerne. Die Schriftl.

Rußlands wunder Punkt.

(W.T.V.) Konstantinopel, 1. Dez.Jeune Türc" logt an der Hand von Zahlen dar. der ver­

wundbarste Punkt Rußlands, gegen den Oesterreich- Ungarn, Deutschland und die Türkei operieren müß­ten, um Rußland zu vernichten, sei die Ukraine, de­ren Besetzung die Verpflegung der russischen Armee hemme und den Eisenbahnverkehr lahmlegen würde, da die Eisenbahnen ihre gesamten Kohlen aus der Ukraine erhalten. Der Verlust dieser Provinz würde infolgedessen Rußland hindern, seine Rolle als Großmacht in Europa weiter zu spielen.

Die Bilanz der Firma Krupp.

(W.T.V.) Esten a. R., 2. Dez. (Nicht amtlich.) In seiner gestrigen Sitzung beschäftigte sich der Auf­sichtsrat der Firma Friedrich Krupp A.-E. mit dem Abschluß für das Geschäftsjahr 1. Juli 1913 bis 30. Juni 1914, der sich entsprechend der allgemeinen Lage nicht ganz so günstig gestaltet hat, wie im Vorjahre. Der Reingewinn beträgt 33,9 Millionen Mark, wozu noch der Vortrag aus dem Vorjahre mit 6,9 Milk, hinzutritt. Es wurde beschlossen, außer der vorge­schriebenen Zuweisung an die gesetzliche Rücklage einen Betrag von 2 Millionen an die Sonderrücklage zu überweisen. Die Dividende wurde auf 12 A> ge­gen 14 A im Vorjahre festgesetzt. Ferner wurde be­schlosten, dem Arbeiterurlaubsfond 2 Millionen, der Arbeiterpensionskaste 1 Million zuzuwenden und für Kriegsbeihilfe und dergleichen 3 Millionen zur Ver­fügung zu stellen. Die Generalversammlung soll am 12. Dezember stattfinden. Weiter beschäftigte sich der Aufsichtsrat mit einem Antrag des Direktoriums auf Erhöhung des z. Zt. 180 Millionen betragenden Ak­tienkapitals. Bestimmend für diesen Vorschlag war unter anderem, daß in letzter Zeit die Betriebsmittel der Firma in stärkerem Matze durch immobile Auf­wendungen festgelegt worden sind. Es haben sowohl Verbesserungen und Erweiterungen der Werksan­lagen, wie auch bedeutende Erwerbungen von Grund­eigentum, Kohlenfeldern und dergleichen stattge- funden. Das immobile Konto übersteigt jetzt das Aktienkapital einschliehlich der Rücklagen um fast 30 Millionen, während sich diese beiden Posten im Vor­jahre noch annähernd deckten. Ferner sind die sonsti­gen Kreditäre von rund 70 Millionen auf rund 106 Millionen gestiegen, während die Anzahlungen von rund 137 Millionen auf 111 Millionen zurückgegan­gen sind. Dazu kommen noch neuerdings die großen Anforderungen, die nach dem Kriegsausbruch an die Firma herantraten und ihre Mittel in einem Matze in Anspruch nahmen, wie es heute noch nicht genau übersehen werden kann. Unter diesen Umständen hielt auch der Aufsichtsvat eine beträchtliche Vermeh­rung des Geschäftskapitals der Firma für geboten. Diese soll in der Weise erfolgen, datz das Aktien­kapital um nominell 70 Millionen, also von 180 Millionen auf nominell 250 Millionen, erhöht wird, und datz von dem neuen Aktienkapital zunächst ein Teilbetrag von 35 Millionen am 31. Dezember 1914 zur Einzahlung gelangt. Wie früher, so wird auch dieses neue Aktienkapital von der Familie übernom­men werden. Auch in dieser Angelegenheit wird die im Dezember stattfindende Generalversammlung noch Beschluß zu fasten haben.

Lin Feldpostbrief aus den Vogesen.

Tkerfchiedene Umstände haben dazu beigetragen, daß wir erst jetzt zur Veröffentlichung eines uns gii- tigst zur Verfügung gestellten Feldpostbriefes kom­men, der für unsere Leser aber doch noch Interesse haben dürfte, da er von einer hiesigen wohlbe­kannten Persönlichkeit herrührt, die mit demCal- wer" Bataillon ausmarschiert ist, und dessen Lei­stungen kennzeichnet.

(G.G.K.) L., 3. 10. 14.

' .Und was soll ich Ihnen sonst noch Mitteilen?

Wollte ich versuchen, Bericht darüber zu geben, was das in Calw eingekleidete Bataillon seit seinem Aus- matsch alles erlebt hat, es wäre schwerlich ein Ende zu finden.

Nachdem wir auf badischem Gebiet ausgestiegen waren, gings in z. T. anstrengenden Märschen durch das Elsaß, und, nach einer Extratour zur Unterstützung der ... Division, die aber infolge Auskneifens der Fran­zosen nicht mehr in Wirkung zu treten hatte, direkt in die Vogesen hinein, wo es bei E., hoch oben auf dem Paß, zum ersten und gleich recht verlustreichen Gefecht kam. Dies war ungefähr Mitte August. Und nun folgte Marsch auf Marsch und Gefecht auf Gefecht bis Mitte September ohne einen einzigen Rasttag. Die Räumung der Vogesen von den Franzosen war eine sehr schwierige Aufgabe, die verhältnismäßig viel mehr Opfer erforderte, wie eine große Feldschlacht. Jede Serpentine der Bergstraßen mußte einzeln genommen werden, denn überall hatten die Rothosen und Alpen- Mer sehr geschickt Schanzgräben errichtet: hinter Fel­sen hervor, von Bäumen herab, von überall her kamen aus guter Deckung die feindlichen Gewehrkugeln, unter­stützt durch die kleinen Gebirgskanonen unserer Gegner, von welch ausgezeichneter Waffe wir leider kein Stück >

besitzen. Schließlich mußte fast jede Stellung des Fein­des durch Sturmangriff genommen werden. Dies half aber immer, denn sobald die Franzosen deutsche Ba­jonette sahen und das Hurra unserer braven Land­wehrleute hörten, warfen sie Tornister und Mantel weg und nahmen Reißaus, oder sie schlugen ihre Ge­wehre entzwei, streckten die Arme in die Höhe und er­gaben sich, indem sie riefen:Pardon, Monsieur, par- don!" So mußten schließlich auch sehr viele Geschütze im Sturm genommen werden bei den infolge außer­ordentlich wirksamen und heftigen Eranatfeucrs unse­rer Gegner zum Teil recht blutigen Gefechten hinter St. D. Unsere Division nennt man deshalbVogesen­stürmer". Es war kein Wunder, daß die feindliche Ar­tillerie so gut traf, denn sie liegt nicht nur z. T. in St. D. in Garnison, kämpfte also auf ihrem Exerzierge­lände und kannte infolge dessen nach jeder unserer Stel­lungen das genaue Visier, sondern der Feind hatte auch Zeit, seine Geschütze geschickt einzugraben, ja z. T. ein­zubetonieren, so daß sie in dem waldigen Gelände kaum gefunden oder erfolgreich beschosten werden konnten. Der Sturmangriff unserer braven Infanterie war auch hier immer das erfolgreichste Mittel, die gegnerische Artillerie zum Schweigen zu bringen.

Als Führer der großen Bagage des Bataillons, die infolge des bergigen Geländes durch Requirierung von mehreren Wagen und Pferden bald bedeutend ver­mehrt werden mußte auch mehrere französische Mili­tärpferde haben wir schon eingefangen habe ich an den Kämpfen in der Front nicht teilnehmen dürfen, doch gingen die Anforderungen an Mannschaften und Pferde auch bei der Bagage bis an die Grenze des Mög­lichen. Tag- und Nachtmärsche bis zu 15stiindiger Dauer aufStraßen", die weit hinter unseren Feldwegen kommen, waren an der Tagesordnung. In fußhohem Sand oder tiefem Schmutz, über tiefe Eranattrichter hinweg rumpelte der schwerbeladene Troß, dann und wann durch feindliches Schrappnellfeuer beunruhigt

i und gezwungen, rasch Deckung zu suchen oder Kehrt zu machen. Wie manchen langen, beschwerlichen Weg mutz­ten wir, an toten Kameraden und Franzosen vorbei und durch zerschossene Dörfer hindurch zwei, drei und vier mal machen, immer wieder konnten wir nicht durchkommen. Manches Pferd mußte zurückgelasten oder erschossen werden, weil es nicht mehr weiter konnte. Unser Quartier war mit ganz wenig Ausnahmen fast immer die Landstraße, Waschen war ein äußerst sel­tener Luxus und die Säbelkoppel konnte des öfteren mit Leichtigkeit enger geschnallt werden. Aber nichts desto weniger waren wir stets guten Mutes und taten unfern Dienst gerne. Eine unserer Hauptaufgaben war, für das Bataillon, Mann und Pferde, immer genü­gend Lebensmittel bei den Etappenkolonnen und Pro­viantämtern zu fasten und sie ihm zuzuführen. Die Ver­pflegung durch die Intendantur klappt ganz großartig, unsere Feldküchen jede Kompagnie besitzt deren eine sind eine recht segensreiche Einrichtung.

Vor einiger Zeit wurden wir aus unserem seit­herigen Kampfgelände zu anderweitiger Verwen­dung äbgelöst. Es folgten zunächst mehrere Marsch­tage, dazwischen der erste Rasttag mit Feldgottesdienst in der Kirche zu C. Kaum ein Stallwächter wollte Zu­rückbleiben, so sehr wollte jeder einzelne Mann an die­ser Feier teilnehmen, die mir unvergeßlich bleiben wird. Als am Ende des Gottesdienstes aus dem macht­vollen Lutherliede die Verse erklangen:

Nehmen sie uns den Leib,

Gut, Ehr, Kind und Weib, da sah man auf den bärtigen Wangen so manchen Vo­gesenstürmers, die wohl alle in diesem Augenblick an ihre Lieben zu Hause dachten, Tränen. Aber umso mächtiger, siegesfreudiger und entschostener klang es durch das schöne, weite Gotteshaus: jDas Reich maß uns doch bleiben!"

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