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Nr. 283

Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw. 89. Jahrgang.

HkrfchetnungSweise: 6mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamts« dehrrr Lalw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg.. außerhalb desselben 12Psg.» NrÜamen 25 Pfg. Schluß für Znseratannahine ro Uhr vormittags. Telefon S.

Donnerstag, den 3. Dezember 1814

Bezugspreis: In der Stadt mit Lrägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich. Post­bezugspreis für den OrtS- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20. im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld iu Württemberg 30 Pfg-, in Bayern und Reich L P^.

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Jer IM des Kaisers. EUlaadr SW M Weltkriege.

Bemlligung der zweite« Kriegsavleihe.

Eine denkwürdige Reichstagsfitzung.

Auch die zweite Tagung des Reichstags während des Krieges hat vor der Welt die Tatsache dokumen­tiert, daß das deutsche Volk, vom Fürsten bis zum Ar­beiter, gewillt und auch fähig ist, den ausgedrungenen Kampf bis zu dem Zeitpunkt zu führen, der unsere Exi­stenz so sichcrstellt, daß wir in absehbarer Zeit nicht mehr genötigt sind, die ungeheuren Opfer an Gut und Blut wiederholt zu bringen. Wir haben den Krieg nicht gewollt, nun man uns in dieses fürchterliche Völ­kerringen hineingezwungen hat, werden wir durchhal­ten, bis auch der letzte unserer Feinde so getroffen ist, dah er sobald einen Angriff auf das deutsche Volk nicht wieder wagen dürfte.

Der Reichstag hat noch nie so überfüllte Tribünen gesehen, wie bei seiner gestr: Tagung. Die Plätze der Abgeordneten waren bis auf einige wenige Lücken be­setzt. Dort, wo sonst der Abg. Dr. Frank sah, lag ein Lorbeerkranz, den der Reichstag ihm gewidmet hatte. Den Platz des Zentrumsabgeordneten Trimborn, der jetzt im Felde tätig ist, schmückt ein zu seinem heutigen 6V. Geburtstage gespendeter Rosenstrauh. Der für die Bnndesratsbevollmächtigten vorbehaltene Raum war bis auf den letzten Platz gefüllt und die Staatssekretäre waren vollzählig erschienen. Auch der Großadmiral v. Tirpitz hatte es sich nicht nehmen lassen, der Sitzung beizuwohnen. Anwesend waren außerdem die Minister­präsidenten der größeren Bundesstaaten.

Kurz nach 4 Uhr 15 Min. erschienen, fast gleichzei­tig, der Reichskanzler in feldgrauer Uniform und der Reichstagspräfident Dr. Kämpf. Dieser begrüßte das Haus mit einer längeren, warm empfundenen Rede, in der er unter anderem erwähnte, daß 65 Abgeordnete und 27 Beamte des Reichstags ins Feld gezogen seien. Mit herzlicher Anerkennung gedachte er der Kämpfer draußen, des Heeres wie der Flotte, der prächtigen Tä­tigkeit des KreuzersEmden" und unserer Untersee­boote. Bei all diesen Hinweisen auf unser Heer und seine Tapferkeit erntete er lebhafte, begeisterte Zustim­mung des ganzen Hauses. Besonders kräftig wurde diese Zustimmung, als er sagte:Wir nehmen es gegen die ganze Welt auf, wir werden siegen!" Dann gedachte der Präsident der seit der letzten Sitzung Heim­gegangenen Abgeordneten Dr. Semmler, Ritter, Metz­ger, Dr. Brabant, sowie des gefallenen Dr. Ludwig Frank. Zum ehrenden Gedächtnis seiner Toten erhob sich das Haus von den Plätzen. Nach einigen weiteren Mitteilungen wurde dann in die Tagesordnung einge­treten, deren einziger Gegenstand die Beratung des Zweiten Nachtrags zum Reichshaushaltplane für 1914, also die Forderung eines weiteren Kredites von fünf Milliarden Mark war. Sofort erbat und erhielt der Reichskanzler das Wort.

Reichskanzler Dr. v. Bethmann-Hollweg.

Meine Herren! E. M. der Kaiser, der draußen bei der Armee ist, .hat mir bei meiner Abreise ausge­tragen, der deutschen Volksvertretung, mit der er sich in Sturm und Gefahr und der gemeinsamen Sorge um das Wohl des Vaterlandes bis zum Tode eins weiß, seine besten Wünsche und herzlichsten Grüße zu Lber- tringen und zugleich von dieser Stelle aus in seinem Namen der ganzen Nation Dank zu sagen für die bei­spiellose Aufopferung und Hingabe, für die gewaltige Arbeit, die draußen und daheim in allen Schichten des Volkes ohne Unterschied geleistet worden ist und weiter geleistet wird. (Lebh. Beifall.)

Auch unser erster Gedanke gilt dem Kaiser, der Armee und Marine, unseren Soldaten, die im Felde und auf hoher See für die Ehre und Größe des Reiches

kämpfen. Wenn unsre Gegner auch eine gewaltige Ko­alition gegen uns aufgeboten haben, so werden sie hof­fentlich die Erfahrung machen, daß auch die Armeen unserer mutigen Verbündeten bis an die schwachen Stel­len ihrer Weltstellung reichen. (Lebh. Beifall.)

Am 4. August bekannte der Neichsag den unbeug­samen Willen des gesamten Volkes, den ihm aufge- zwungenen Kampf aufzunehmen und seine Unabhäng­igkeit bis zum äußersten zu verteidigen. Seitdem ist Großes geschehen. Die unvergleichliche Tapferkeit un­serer Truppen hat den Krieg in Feindesland getragen. Dort stehen wir fest und stark da und können mit aller Zuversicht der Zukunft entgegensetzen, aber die Wider­standskraft des Feindes ist nicht gebrochen. Wir sind nicht am Ende der Opfer. Die Nation wird diese Opfer weiter tragen mit demselben Heroismus, mit dem sie es bisher getan hat, denn wir müssen und wollen den Verteidigungskrieg, den wir, von allen Seiten be­drängt, für Recht und Freiheit führen, bis zum guten Ende durchkämpfen. Dann wollen wir auch der Unbill gedenken, mit der man sich an unseren im Feindesland lebenden wehrlosen Landsleuten zum Teil in einer je­der Zivilisation hohnsprechenden Weise vergriffen hat. Die Welt muß es erfahren, daß niemand einem Deut­schen ungesühnt ein Haar krümmen kann. (Stürmischer Beifall.)

Englands Verantwortung für den Weltkrieg.

Meine Herren! Wenige Augenblicke, nachdem jene Sitzung vom 4. August zu Ende gegangen war, erschien der großbritannische Botschafter, um uns ein Ultima­tum Englands und nach dessen sofortiger Ablehnung die Kriegserklärung zu überbringen. Da ich mich da­mals zu dieser endgültigen Stellungnahme der briti­schen Regierung noch nicht äußern konnte, will ich jetzt einige Aufklärungen dazu machen:

Die äußere Verantwortung an diesem größten aller Kriege tragen diejenigen Männer in Rußland, die die allgemeine Mobilisierung der russischen Armee betrie­ben und durchgesetzt haben. Die innere Verantwortung aber trägt die britische Regierung. Das Londoner Ka­binett konnte den Krieg unmöglich machen, wenn es in Petersburg unzweideutig erklärte, England sei nicht gewillt, aus dem österreichisch-serbischen Konflikt einen Kontinentalkrieg der Mächte herauswachsen zu lassen. Eine solche Sprache hätte auch Frankreich gezwungen, Rußland energisch von allen kriegerischen Maßnahmen abzuhalten. Dann aber gelangen unsere Bermittlungs- aktionen zwischen Wien und Petersburg und cs gab keinen Krieg. England hat das nicht getan. Trotz aller gegenteiliger Beteuerung gab London in Petersburg zu verstehen, England stehe auf seiten Frankreichs und da­mit auch Rußlands. Das zeigen klar und unwiderleglich die inzwischen erfolgten Publikationen der oersch. Ka­binette. So trägt England mit Rußland zusammen vor Gott und der Menschheit die Verantwortung für diese Katastrophe, die über Europa, die über die Menschheit hereingebrochen ist.

Die belgische Neutralität, die England zu schützen vorgab, ist eine Maske. Am 2. August abends 7 Uhr teilten wir in Brüssel mit, daß wir durch die uns be­kannt gewordenen Kriegspläne Frankreichs um unserer Selbsterhältung willen gezwungen seien, durch Belgien zu marschieren. Aber schon am Nachmittag desselben Tages, am 2. August, also bevor in London das Ge­ringste von dieser Demarche bekannt war und bekannt sein konnte, hatte die englische Regierung Frankreich ihre Unterstützung zugesagt und zwar bedingungslos zugesagt für den Fall eines Angriffes der deutschen Flotte auf die französische Küste. Von der belgischen Neutralität war dabei mit keinem Worte die Rede.

Nicht um der belgischen Neuralität willen, die es selbst mituntergraben hatte, hat «ns England den Krieg er­klärt, sondern weil es glaubte, zusammen mit zwei gro­ßen Militärmächten des Festlandes unser Herr werden zu können. Jetzt, wo der bis in alle Einzelheiten aus­gearbeitete englisch-belgische Kriegsplan enthüllt ist, ist die Politik der englischen Staatsmänner für alle Zeiten der Weltgeschichte gekennzeichnet. Die englische Diplo­matie selbst hat ja auch noch ein übriges dazu getan. Auf ihren Ruf entreißt uns Japan das heldenmütige Kiautschou und verletzt dabei die chinesische Neutralität. Ist England gegen diesen Neutralitätsbruch einge­schritten? Hat es da seine Fürsorge für die neutralen Staaten gezeigt?

Der aggressive Charakter des Dreiverbands.

Meine Herren! Als ich vor fünf Jahren auf diesen Platz berufen wurde, stand dem Dreibund festgefügt die Tripleentente gegenüber. Der seit Jahrhunderten ^ befolgte Grundsatz englischer Politik, sich gegen die stärkste Macht des Kontinents zu wenden, sollte in der Tripleentente sein stärkstes Werkzeug finden. Darin lag von vornherein der aggressive Charakter der Triple­entente gegenüber den rein devensiven Tendenzen des Dreibundes. Darin lag der Keim zu gewaltsamen Ex­plosionen. Angesichts dieser Konvention war der deut­schen Politik der Weg klar vorgeschrieben. Sie mußte versuchen, durch eine Verständigung mit den einzelnen Mächten der Tripleentente die Kriegsgefahr zu bannen. Sie mußte gleichzeitig die eigene Wehrkraft so stärken, daß wir dem Kriege, wenn er doch kam, gewachsen waren. Sie wissen, meine Herren, wir haben beides ge­tan. (Lebhafter Beifall.)

In Frankreich begegneten wir immer wieder dem Revanchegedanken. Mit Rußland kam es zwar zu ein­zelnen Vereinbarungen, aber seine feste Allianz mit Frankreich, sein Gegensatz zu dem uns verbündeten Oesterreich-Ungarn und ein von panslavistischen Macht- gelüsten gezüchteter Deutschenhaß machten Vereinba­rungen unmöglich, die im Falle von europäischen Krisen die Kriegsgefahr ausgeschlossen hätten. Verhältnis­mäßig am freiesten stand England da. Hier konnte am ehesten der Versuch zu einer Verständigung gemacht werden. Die insulare englische Denkart hat aber im Laufe der Jahrhunderte einen politischen Grundsatz mit der Kraft eines selbstverständlichen Dogmas aus­gestaltet, den Grundsatz nämlich, daß England ein Ar­bitrium luuuäi gebühre, das es nur aufrecht erhalten könne durch die unbestrittene Seeherrschaft einerseits und durch das viel berufene Gleichgewicht der Kräfte auf dem Kontinent andererseits. Ich habe niemals ge­hofft, diesen alten englischen Grundsatz durch Zureden zu brechen. Was ich für möglich hielt, war. daß die wachsende Macht Deutschlands und das wachsende Ri­siko eines Krieges England nötigen könnten, einzusehen, daß dieser alte Grundsatz unhaltbar geworden und ein friedlicher Ausgleich mit Deutschland vorzuziehen sei. Jenes Dogma aber veränderte immer wieder die Mög­lichkeit einer Verständigung.

Einen neuen Anstoß erhielten die Verhandlungen durch die Krisis von 1911. England war zwar bereit, sich über einzelne Fragen mit uns zu verständigen. Er­ster und letzter Grundsatz seiner Politik blieb ihm: Deutschland muß bei der freien Entfaltung seiner Kräfte in Schach gehalten werden, durch die baiance of power. Das ist die Grenzlinie für freundschaftliche Beziehungen mit Deutschland; zu diesem Zweck geschah die Stärkung der Tripleentente bis aufs äußerste.

Wir haben es an Warnungen bei der englischen Regierung nicht fehlen lasten. Noch zu Anfang Juli ds. Js. habe ich der englischen Regierung andeuten las-