zehnten Teil des Rückgrats der Konservativen oder des Zentrums gehabt, dann wären Vorgänge, wie wir sie in Zabern erlebten, nicht möglich gewesen. Im Dezem­ber hat die ganze sogenannte Linke dem Reichskanzler ein Mißtrauensvotum ausgestellt und im Januar 1914 haben die Liberalen vor ihrer eigenen Tourage wieder Angst gekriegt. Der weitere Verlauf des Vortrags war namentlich und ausführlich der Kritik der Haltung der liberalen Parteien in ihren Forderungen Aaberns und der Milliardenvorlage gegenüber gewidmet und der Schluß ging dann in eine feurige Aufforderung an die Männer und Arbeiter aus dem 7. Wahlkreis aus, sich aufzuraffen, mitzuarbeiten zu dem großen Ziel der freiheitlichen Entwicklung des Volkes hin. Die Ver­sammelten ließen sich von dem gewandten Redner.zu starkem Beifall Hinreißen.

Auf den Vortrag folgte eine kurze Meinungsäuße­rung. Dann sprach der Vorsitzende das Schlußwort.

Ostelsheim, 30. Jan. Gestern abend hielt das Schmerzenskind unserer Gemeinde, der Ortsviehversiche­rungsverein unter dem Vorsitz seines Vorstands, des Landwirts I. Kopp, auf dem Rathaus eine außerordent­liche Generalversammlung ab, um die Frage der Auf-' lösung desselben einer eingehenden Prüfung zu unter­ziehen. Der Auflösung? Ja, warum denn einen Verein auflösen, der doch nur einzig und allein das wirtschaftliche Interesse seiner Mitglieder zu wahren und zu fördern sucht? Etwa weil bei uns keine Scha­denfälle Vorkommen? dann wäre die Auflösung aller­dings gerechtfertigt. Aber das ist eben hier, wie an andern Orten leider auch nicht der Fall. Die Scha­densfälle lassen sich nicht, auch bei der sorgfältigsten Behandlung und Pflege des Viehes, vermeiden. Wenn nun das Fleisch der notgeschlachteten Tiere durch die Fleischbeschau zur Verteilung an die Mitglieder frei­gegeben wird, dann ist die Sache noch nicht so schlimm, wenn aber die Tiere auf Anordnung der Fleischbeschau verlacht werden müssen, dann hört der Spaß auf, dann heißt es: ohne jegliche Gegenleistung bezahlen und zwar, weil das Vieh gegenwärtig einen hohen Wert repräsentiert, nicht so wenig, aber viel, oft mehr als 1 auf das versicherte Stück Vieh. Im letzten Jahre sind sieben Notschlachtungen notwendig gewor­den, drei der Tiere, als beinahe die Hälfte, mußte aus tierärztliche Anordnung verlacht werden. Der Verein mußte dafür eine Entschädigung von 1160 leisten, das ist kein Pappenstiel!

Nun wurde in der Versammlung von verschiedenen Seiten dem hiesigen Fleischbeschauer und Herrn Ober­amtstierarzt Pfeiffer der Vorwurf gemacht, daß sie in der Ausübung ihres Amtes zu gewissenhaft vergehen, daß sie zu sehr am Buchstaben des Gesetzes hängen bleiben. Inwieweit diese Borwürfe Berechtigung haben, darüber erlaubt sich Schreiber dieses kein Urteil, doch dürfte ohne weiteres anzunehmen sein, daß die betref­fenden Herrn ihre Dienstinstruktion genau kennen und auch dieser entsprechend jederzeit handeln werden, et­was anderes kann von einem pflichtgetreuen Beamten nicht erwartet, ihm aber auch nicht zugemutet werden. Nun wurde aber auch noch von anderer Seite aus verschiedene Miß stände innerhalb des Vereins hingewiesen; insbesondere sollten die durch Notschlach­tungen in Schaden kommenden Mitglieder die Arbeit der Einschätzungskommission nicht erschweren, sondern sich mit dem von dieser Kommission für angemessen er­achteten Schätzungswert der Tiere zufrieden geben. Wieder von anderer Sette wurde, und zwar mit Recht,

Der Mldsang.

IS) Novelle von Adolf Schmitthenner.

Ich eilte den dreien nach und holte sie unter dem Tor ein. Vor der Stadt zerteilte sich die Menge auf dem weiten Uferplan.

Wir wollen nicht auf der Fähre überfahren, sagte ich. Wir wollen einen Nachen nehmen; da sind wir allein.

Margarete und Kunigunde stimmten zu. Ich hoffte im­mer noch, den Besuch des Angers Hintertreiben zu können.

Wir gingen an den Platz, wo die Boote zu warten pflegen. Kunigunde winkte einem vorüberfahrenden zu. Der Fährmann lenkte nach dem Lande, der Nachen fuhr auf, und die beiden Mädchen sprangen hinein. Diesen Augenblick be­nutzte ich. Valentin, der Kunigundens Hand nicht losgelassen hatte, war gerade im Begriff, in den Nachen zu steigen. Ich hielt ihn am Arme fest und flüsterte ihm ins Ohr: Es sind Fremde hier wegen des Straßburger Markts; da könntm Leute aus Mainz darunter sein.

Wenn auch! erwiderte er leise. Nur keine Angst! Ich leugne alles weg.

Aber....

Ich habe ja noch vierzehn Tage Zeit!

Wenn es nur wahr ist! Vielleicht hat Gerwig . . . Ich vollendete den Satz nicht. Er wandte sich um und schaute mich zuerst erstaunt und dann voll Verachtung an. Schäme dich! Wer seinem Herzbruder ein Schelmenstück zutraut, ist selber ein Schelm!

Er kehrte sich zornig ab. Ich aber faßte ihn fest mit bei­den Händen, hielt meinen Mund an sein Ohr und flüsterte: Gerwig hat deine Kunigunde lieb, und da-

bedauert, daß verschiedene gut situierte Viehbesitzer schon vor längerer Zeit dem Verein den Rücken ge­kehrt haben und dieses als eine wenig EemeinsinN und Solidaritätsgefühl verratende Gesinnung gegen die wirtschaftlich Schwachen der Gemeinde bezeichnet. Ein Mitglied, Schneidermeister Fenchel, machte den gar nicht zu verachtenden Vorschlag, durch Leistung monat­licher Beiträge einen Fond zu schaffen, was gewiß für die Mitglieder entschieden leichter ginge, als so hohe Beiträge auf einmal zu entrichten. JederKlimbim- berles-Verein" meinte Redner, komme hier empor, nur dem so überaus zweckmäßigen Viehversicherungsverein scheine dieses Los nicht beschieden zu sein. Den an­wesenden Mitgliedern der bürgerlichen Kollegien wurde sehr dringend ans Herz gelegt, ihre Fürsorge, insbeson­dere durch die Gemeindekasse, dem Verein zuzuwenden, was von diesen auch nicht in ablehnendem Sinne beant­wortet wurde.

Im allgemeinen zeigte sich sehr wenig Auflösungs­lust, das bewiesen auch die bis jetzt recht spärlich ange­meldeten Austritte. Jeder Viehbesitzer scheint es eben als ziemlich vorteilhafter zu betrachten, wenn er bei sdemBegräbnis" seines Kühleins nicht als alleiniger Leidtragender" dasteht, sondern er hinter sich einen Verein von mehr als 100 Mitgliedern weiß, der die Tränen trocknen hilft.Trauerfälle" das sind wir fest überzeugt werden auch nicht ausbleiben, wenn sich der Viehversicherungsverein auch auflösen sollte. Möge es nun gelingen, den Verein auf einer soliden Grundlage weiterzuführen und auszubauen, aber dazu ist der gute Wille eines jeden Einzelnen erforderlich. Möge dieser niemals fehlen, dann wird dieser gemein­nützige Verein zum Wohle der Gemeinde auch künftig lebensfähig bleiben, denn:Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg."

Weilderstadt, 31. Jan. Im nahen Merklingen sind in vergangener Nacht drei Scheunen des Eberhalters Jakob Maier, des Zimmermanns Gann und der Witwe Weiß, sowie das Doppelwohnhaus der Witwe Weiß und des Taglöhners Buck samt dem Wohnhaus und der Scheune des Zimmermanns Gottlieb Vollmer abge­brannt. Das Feuer entstand in der Scheune des Jakob Maier. Brandstiftung wird vermutet. Die Abgebrann­ten sind versichert. Außer der Weilderstädter Feuer­wehr war auch die Münklinger zu Hilfe geeilt.

Württemberg.

Wiirttembergischer Landtag.

Stuttgart, 31. Jan.

In der Ersten Kammer kam man mit der Beratung des Eebäudebrandversicherungsgesetzes bis zu Nr. 58 und 59, die von der Höhe der Beiträge und ihrer Verwendung handeln.

Die Beratung der Eisenbahnwünsche wurde heute fortgesetzt. Der Abgeordnete von llrach, Bräuchle (Vp.) und Dr. Nübling (V.K.) gingen für den Aus­bau der Strecke UrachMiinsingen ins Zeug; letzterer auch für Umwandlung der Zahnradstrecke HönauLich­tenstein in eine Adhäsionsbahn. Die Debatte wurde nicht zu Ende geführt.

Die neue Markthalle.

Stuttgart, 31. Jan. In Gegenwart des Herzogs Albrecht als Vertreter des Königs, sowie zahlreicher Ehrengäste und der Mitglieder der bürgerlichen Kol­legien wurde heute vormittag 11 Uhr die neue Markt­halle durch Ansprachen des Erbauers, Prof. Elsäßer, des Oberbürgermeisters Lautenschlager und des besolde­

ten Eemeinderats Dr. Dollinger feierlich eingeweiht. Sie enthält 45 Verkaufsplätze und weist im Erdgeschoß 1120 und im Obergeschoß 810 Quadratmeter für Markt­zwecke auf. Die alte Markthalle hatte nur 640 nutzbare Quadratmeter. Der schöne Neubau kommt auf 1800 000 Mark zu stehen, worin 500 000 für die Erwerbung des Platzes der alten Stadtdirektlon einbegriffen sind.

Die Dienstbotenfragc und die neue Versicherung.

Schorndorf, 1. Febr. Auch hier fand eine von etwa hundert Frauen besuchte Versammlung statt, die sich mit der Frage einer gerechten Verteilung der durch die Versicherung der Dienstboten bei der Allgemeinen Orts­krankenkasse auf Grund der neuen Reichsversicherungs­ordnung erhöhten Versicherungsbeiträge befaßte. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand ein Vortrag des Oberamtspflegers Kolb über die neuen Bestimmungen der Krankenversicherung für Dienstboten. Daran schloß sich die Beantwortung von Fragen aus der Versamm­lung und die Beratung der Beitragsanfteilung. Nach verschiedenen abgelehnten Vermittlungs-Vorschlägen einigte man sich auf eine Halbierung der gesamten Ver­sicherungsbeträge. Der Vortrag wurde abends für die Dienstboten wiederholt.

Oberndorf, 1. Febr. Stadtschultheiß a. D. Sulz- nrann, dessen bekannte Eehaltsnachforderungen von den bürgerlichen Kollegien ablehnend beschieden wurden, hat sich jetzt an die Kreisregierung gewendet. Aber auch dieser gegenüber blieben die bürgerlichen Kollegien auf ihrem ablehnenden Standpunkt. Um eine größere Gleichmäßigkeit in die Berechnungen der Bauhandwer­ker zu bringen, hat das Stadtbauamt eine Preisliste für die städtischen Bauarbeiten aufgestellt, die auch auf die privaten Bauarbeiten einen wohltätigen Einfluß aus­üben wird.

Ebersbach, 31. Jan. Wieder haben wir einen Schultheißen, so können jetzt, aufatmend, die Ebersbacher Bürger sagen. Gestern ist von der Kgl. Regierung des Donaukreises die Bestätigung des Stadtschultheißen- amtssekretärs Reichert in Nürtingen als Schultheiß von Ebersbach endgiltig erfolgt, nachdem keinerlei Einspra­chen oder gesetzliche Hinderungsgründe Vorlagen.

Mühlacker, 31. Jan. Im nahen Dürrmenz hat eine Fabrikarbeiterin ihr 4 Wochen altes Kind in die Woh­nung der Mutter ihres Geliebten gebracht. Sie ging dann weg. Die Großmutter packte das Kind, trug es vor die Wohnung der Mutter und legte das arme Ge­schöpf mit unbedecktem Kopfe bei einer Temperatur von 8 Grad Kälte auf die Straße. In halb erfrorenem Zustand wurde das Kleine von Leuten, die durch sein Wimmern aufmerksam geworden waren, aufgehoben. Gerichtliche Untersuchung ist eingeleitet.

Gmünd, 1. Febr. Der dringend notwendige Neu­bau einer evangelischen Kirche, zu der ein günstiger Bauplatz an der Straße nach Oberbettringen, nahe dem Pfarrhaus, längst vorhanden ist, soll bekanntlich zunächst durch ein Gemeindehaus ersetzt werden. Nach einem von Professor Elsäßer gefertigten Entwurf wird das Bauwesen auf 200 000 -K zu stehen kommen, wozu aus der Kirchensteuer bereits 100 000 verfügbar sind. Ge­dacht ist ein Saal zu gottesdienstlichen und anderen kirchengemeindlichen Zwecken, der etwa 800 Personen faßt. Vorgesehen sind ferner Räume für die Jugend­vereine und eine Pfarrerwohnung.

Crailsheim, 31. Jan. Ein hier beschäftigter Mon­teur der Ueberlandzentrale Ellwangen bekam von einem hiesigen Arzt, den er wegen eines Leidens zu Rate gezogen hatte, Morphium verschrieben. Entgegen den

Er wandte sich langsam um. Ein Schatten war über sein Helles Antlitz geflogen, aber nur für einen Augenblick. Er schüttelte sich und sah mich mit einem großen Blicke an. O Johannes, sagte er. Es reut mich, daß wir beide dich zu un- serm Herzbruder gemacht haben. Du weiß nicht, was Herz­brudertreue ist.

Er sprang i-n das Boot. Ich folgte ihm mit schwerem Herzen nach.

Was hattet ihr denn für Heimlichkeiten miteinander? fragte Kunigunde. Hätte ich dich nicht festgehalten, so hätte dich Johannes mir entführt.

Ach! antwortete Valentin unmutig. Wenn ich nicht wüßte, daß er der alte dumme Johannes ist, so er schüttelte grimmig beide Arme so nähme ich ihn jetzt und würfe ihn in den Neckar.

Oho! sagte Margarete und legte wie schützend ihre Hand auf meinen Arm. Ich aber war willens, das äußerste zu tun, um den Besuch des Angers zu verhindern. Valentin und Kunigunde saßen bei einander wie zwei Tutteltäubchen. Sie waren so einsam in ihrer Welt, daß sie Gerwig nicht vermiß­ten, nach dem Margarete alsbald gefragt hatte. Da hoffte ich, daß sie es nicht bemerken würden, wenn wir wo anders hin­führen, und befahl dem Fährmann, nach der Brücke zu rudern. Margarete wollte Einsprache tun, da legte ich ihr die Hand auf den Mund, was sie sich schweigend gefallen ließ, so ver­wundert auch ihre guten Augen blickten.

Wir fuhren schon den düster» Mauern des Marstalls ent­lang, als Kunigunde verwundert rief: Wo fahren wir denn hin?

Nach der Brücke und dann gehn wir heim, sagte ich ruhig.

Da stand Valentin auf, daß das Schifflein schwankte, und herrschte den Fährmann an: Umwenden I Räch dem Anger!

Der Bursche hob das rechte Ruder aus dem Wasser und sah mich verlegen an.

Nach der Brücke, befahl ich.

Die Ruder her! rief Valentin und setzte sich auf das zweite Ruderbänkchen. Der Fährmann wollte ihm die Ruder reichen, aber ich griff nach dem einen und hielt es fest. Der­weilen wurde der Nachen langsam talab getrieben.

Nun ist es aber genug! rief Valentin zornig. Wenn du nicht Frieden hälft, wers ich dich in den Neckar!

Da kam ich auf einen verzweifelten Einfall. Wenn die Mädchen aus dem Wasser gezogen sind, dann haben sie keine Lust mehr, auf den Anger zu gehn. Ich suchte deshalb durch heftige Bewegung das Boot zum Umschlagen zu bringen. Me Mädchen lachten zuerst, bald aber fing Margarete an zu schreien, während Kunigunde mich mit großen Augen ansah. Ich hätte fast meinen Zweck erreicht, aber Valentin packte mich am rechten Bein, riß es in die Höhe und stürzte mich kopfüber in den Fluß.

Als ich wieder austauchte und das Wasser aus den Augen geschüttelt hatte, sah ich das Boot vor mir. Der Fährmann ruderte dem Anger zu, Margarete streckte mir voller Angst di« Arme entgegen, meinen Hut hielt sie im Schoße. Valentin stand und lachte aus voller Brust.

Bist du jetzt vernünftig geworden, alter Johannes? Schwimm nur noch ein wenig neben Herl

Ich suchte das Boot zu ergreifen, um es umzuwerfen, aber der Fährmann, der alles für einen übermütigen Scherz hielt, entzog mir immer wieder durch einen kräftigen Ruder­schlag das Boot. Endlich fühlte ich, daß meine Kraft zu End« ging; ich mußte das Spiel aufgeben. Nehmt mich hinein!

(Fortsetzung folgt.)