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SchwarzwSlder Tageszeitung „Aus de« Tannen"
Aus Stadt und Land.
Altensteig, den 13. August 1926.
Rechtliche Wirkung der Eröffnung des Eeschiiftsaufsichts- verfahrens. Weit verbreitet ist die Meinung, daß mit der Eröffnung des Eeschäftsaufsichtsverfahrens ohne weiteres eine allgemeine Stundung herbeigeführt werde. Das ist nicht der Fall. Vielmehr wirkt die Eröffnung des Geschäftsaufsichtsverfahrens lediglich dahin, daß Arreste und Zwangsvollstreckungen zugunsten einzelner Gläubiger unzulässig sind. Insoweit ähnelt das Eeschäftsaufsichtsver- fahren dem Konkursverfahren. Die Verzugssolgen bestehen auch während der' Eeschäftsaufsicht weiter. Zn diesem Sinne hat das Reichsgericht in einem Urteil vom 6. März 1926 entschieden.
— Antrag auf Ermäßigung der Vorauszahlungen zur
Einkommensteuer für 1926. Die über die Härte der zu leistenden Steuerzahlungen ergehenden Berichte seiner Mrt- gliedskörperschasten haben den Reichsverband des deutsche« Handwerks veranlasst, sich mit einer besonderen Eingabe an das Reichesinanzministerinm zu wenden. Hierin wird auf die starke Belastung durch die Vorauszahlungen für 1926 hingewiesen, die darin begründet ist, daß die Vorauszahlungen «ach dem Einkommen von 1926 festgesetzt sind, das wesentlich höher liegt als das entsprechende Einkommen der bisherigen Monate dieses Jahres. Angesichts der drücken», den Wirtschaftslage wirken sich die Vorauszahlungen in einer nicht berechtigten Höhe als große Ungerechtigkeit aus. Zwar steht das Einkommensteuergesetz teilweise Stundung vor, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, daß sich fein Einkommen für einen Steuerabschnitt gegenüber dem zuletzt festgestellten Einkommen voraussichtlich um mehr als den fünften Teil, mindestens aber um 1600 RM. niedriger stellen wird. Diese Erleichterung kommt jedoch für einen großen Teil des Handwerks und Kleingewerbes nicht in Frage. Ter Reichsverband des deutschen Handwerks hat daher an das Reichsfinanzministerium den Antrag gestellt, eine allgemeine zinslose Stundung eines Teiles der Vorauszahlungen auzuordnen. Als angemessen wird eine Herabsetzung der zu entrichtenden Vorauszahlungen um 25 Prozent erachter. - — -—.
— Die Sicherheit auf der Reichsbahn. Infolge der in der letzten Zeit sich häufenden Anschläge auf Bahnanlagen und Züge hat die Hauptverwaltung der Deutschen Reichsbahn die Direktionen angewiesen, einen erhöhten Streifendienst einzurichten. Gleichzeitig sollen die Eisenbahndirektionen durch ständige Fühlungnahme und enges Zusammenarbeiten mit der Kriminalpolizei für eine erhöhte Sicherheit des Betriebes sorgen. In diesen Dienst sollen die modernsten technischen Hilfsmittel eingestellt werden. Zur Beruhigung der Oeffentlichkeit ist auf Strecken, auf denen Anschläge wiederholt vorgekommen sind, oder die aus anderen Gründen als gefährdet zu betrachten sind, die Bahnbewachung vorübergehend zu verschärfen.
Freudenstadt, 12. August. (Vom Rathaus.) In letzter Sitzung des Eemeinderats wurde Studienrat Dr. Rommel ein städt. Bauplatz links der Hartranftstraße auf dem Kienberg zum Preis von 8 Mark pro qm. zugesichert. Ein Antrag seitens eines Mitglieds Mark 7.— festzusetzen, wurde unter Hinweis des Vorsitzenden, daß sich der Platz in einem Villenviertel befindet, abgelehnt. — Steinsatz- gebühren. Der Gemeinderat hat als Steinsatzgebühr die runde Summe von 3 Mark festgesetzt. Die Ministerial- abteilung für Körperschaftsverwaltung verlangt in einem sehr eingehenden Erlaß, daß für die Steinsatzgebühren nur ein Zehntel der tatsächlich entstehenden Kosten des Steinsatzes verrechnet werden, wozu noch die Kosten der Selbst-
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beschaffung und Beisuhr hiuzukommen, was aber schließlich auf dasselbe herauskommt. Im Gegenteil würden die Gebühren dann noch höher werden. — Beschränkungdes Ladegewichts von Lastkraftwagen. Die vom Eemeinderat Freudenstadt beschlossene ortspolizeiliche Vorschrift, wonach die Durchfahrt auf städtischen Straßen für Lastkraftwagen mit mehr als 5 Tonnen Auflast verboten sein soll, wurde bekanntlich von der Aufsichtsbehörde nicht genehmigt. Nunmehr werden durch Erlaß des Ministeriums des Innern die Polizeibehörden zur schärferen lleberwa- chung des Lastkraftwagenverkehrs angehalten und ersucht, stichprobeweise Prüfungen offensichtlich überlasteter Lastkraftwagen durch Wägungen vorzunehmen. Eine Waggebühr wird auf Antrag der Baukommission nur in solchen Fällen erhoben, wo eine Ueberbelastung festgestellt und ein Strafverfahren eingeleitet wird. — Tilgungsan- leihe. Das Ministerium hat eine Verkürzung der Til- gnngszeit für die bei der Frankfurter Hypothekenbank aufgenommenen Schuldanleihe von 40 auf 30 Jahre angeregt. Auf Antrag der Dekreturkommission, die auf dem Standpunkt steht, daß auch die nachfolgende Generation an den gegenwärtigen Lasten etwas tragen soll, wird eine Verkürzung der Tilgungszeit abgelehnt. — Zugunst der Hochwassergeschädigten im württ. Oberland wird auf Ansuchen des Bezirkswohltätigkeitsvereins ein Beitrag von 100 Mark aus der Stadtkasse verwilligt. — Die Gemeinden und Interessenten sollen zum Ausbau derMurg- talbahn einen verlorenen Zuschuß in Höhe von 15 Prozent der Bausumme gewähren. Auf Freudenstadt käme ein Beitrag von 60—70 000 Mark. Wie der Vorsitzende betont, verlangt derbadische Staat überhaupt keinen Beitrag von den in Betracht kommenden Gemeinden und stellt den Antrag an den württembergischen St-at, das Ersuchen zu richten, nach dem Vorgang von Baden die Kosten der Vollendung des Bahnbaues aus den Staat zu übernehmen. Dieser Antrag fand einstimmige Annahme.
der am Sonntag zum Verbandstag nach Stuttgart gereist war, hatte das Mißgeschick, in seinem seltsamerweise nicht verschließbaren Hotelzimmer, während er schlief, um Handtasche und Geldbörse bestohlen zu werden. Obgleich der Wirt den Schaden zu ersetzen versprach, nahm sich der Bestohlene den Vorfall dermaßen zu Herzen, daß er anderen Tags aus der Heimfahrt im Schnellzug einen Schlaganfall erlitt, der ihm die Besinnung raubte. Erst in Jmmen- dingen wurde der Schaffner auf den scheinbar Schlafenden aufmerksam und veranlaßte seine Ueberführung ins Krankenhaus nach Tuttlingen, wo er zurzeit noch schwer krank darniederliegt.
Lauterbach, OA. Oberndorf. Das alljährliche zweitägige Heidelbeersammeln der beiden hiesigen Volksschulen ergab Heuer den schönen Ertrag von acht Zentnern wofür 200 Mark erlöst wurden. Diese werden zur Anschaffung von Lernmitteln, Büchern, Lichtbildern usw. verwendet.
Oberndorf. Der Schwarzwälder Zimmerschützenverband hielt hier sein 15. Verbandsschießen ab, an dem über 100 Schützen teilnahmen. Erschienen waren solche von Schramberg, Rottweil, Schwenningen, Reutlingen, Pforzheim usw. Fabrikant I. M Jäckle in Schwenningen wurde zum Ehrenmitglied des Verbandes ernannt. Das Fest wurde von der hiesigen Gilde „Tell" durchgeführt welche, von ihren Mitgliedern unterstützt, ein eigenes Schützenhaus zur Verfügung stellen konnte. Das nächste Verbandsschießen soll in Herrenberg oder Pforzheim abgehalten werden. Für das Preisschießen waren viele und wertvolle Ehrengaben gestiftet worden. Die ersten Preise sicherten sich hauptsächlich hiesige Schützen. Den ersten Erup- penpreis errang der Verein Schramberg, die Verbandsmeisterschaft fiel ebenfalls Oberndorf zu. Der Verband wird von Oberschützenmeister Dyckhoff, Rottweil, geleitet. Die Verbandsleitung wurde wieder gewählt.
Freudenstadt, 12. August. (Die dritte Kniebis- ; bergprllfungsfahrt für Motorräder mit und ohne ; Beiwagen, Cyclecars, Touren-, Renn- u. Sportwagen sin- ^ det am nächsten Sonntag, dem 15. August, vorm. 8 Uhr, auf ; der Straße Griesbach-Alexanderschanze statt. Die ver- ^ gangenen beiden Rennen haben bei der Sportswelt, aber ? auch bei den Freunden des Motorradsports im weiteren i Sinne außerordentlich großes Interesse gefunden. Die l Teilnahme war bei dem vorjährigen 2. Rennen noch grö- j ßer als beim ersten, wo doch schon viele Fahrer und eine ^ Menge Zuschauer eingetroffen waren. Die Nennungen " sind auch diesmal sehr gut. Von besonderem Interesse für i die Teilnehmer ist, daß die Preisverteilung diesmal schon j 2 Stunden nach der Fahrt am Ziel auf der Alexanderschanze : selbst stattsindet, sodaß nicht mehr wie früher bis zum i Abend gewartet werden muß. Die umständlichen Berech- § nungen für die Wertung sind weggefallen; es wird ein- , fach in jeder Klasse die kürzeste Zeit gefahren, Kon- ; kurrenz stehen: Motorräder mit Hilfsmotor, Motorräder ; mit Beiwagen und Motorräder ohne sind die ersten beiden ^ in je drei, die letzten in 6 Klassen eingeteilt. Die Cyclecars « fahren in 4, die Sportwagen in 10, die Rennwagen in fünf > Klassen. Da sehr bekannte und erprobte Fahrer und Fah- s rerinnen starten, wird die Konkurrenz sehr stark werden, s Freudenstadt, 12. August. (Der Fremdenbesuch in Freu- > denstadt.) Während viele Kur- und Badeorte über einen i starken Rückgang des Fremdenverkehrs klagen, kann Freu- i denstadt Heuer im Monat August den bisher stärksten Be- i such aufweisen, i
Vlrkenseld, OA. Neuenbürg, 12. Aug. (Selbstmord.) Der 68 Jahre alte Architekt Wirt hat sich auf der Veranda des Postgebäudes in der Vahnhofstraße erschossen; er war sofort tot. Wirt ist vor einigen Jahren hierher gezogen, ist Junggeselle und zeigte schon längere Zeit Spuren geistiger llm- Muhtung. Dazu hatte sich noch ein anderes schweres Leide« gesellt, weswegen er erst in den letzten Tagen vom Bezrrks- krankenhans Neuenbürg als unheilbar entlassen nmrde.
Reutlingen, 12. Aug. (Aufdeckung einer Falschmünzer- werkstätte.) Durch das Zusammenarbeiten der Reutlinger und Stuttgarter Kriminalpolizei ist es gelungen, in Metzingen eine Falschmünzeiwerkstätte aufzudecken, in der falsche Fünszigpfenigstücke angefertigt wurden. Die Hersteller und Verbreiter der Falschstücke wurden festgenommen. Es handelt sich um eine dreiköpfige Familie in der Teck- stratze. Die Verhaftung erfolgte gestern mittag durch Stuttgarter Kriminalbeamte. Die Verhafteten wurden nach Stuttgart übergeführt. .
Laichingen, 12. Aug. (Tagung deutscher Höhlenforscher.) In der Zeit vom 1. bis 12. September findet hier lü« Tagung deutscher Höhlenforscher statt. Sie steht unter der Leitung des Vorstandes der hiesigen Höhlen-ve reinigung, Otto Baur und umfaßt außer Vorträgen eine Reihe von Ausflügen uzr Besichtigung von Höhlen, QuelWpfen und Versickerungen.
Mengen, 12. Aug. (Storchenabschied.) Noch herzlich wenig haben wir dieses Jahr vom Sommer verspürt, noch läßt die Erntereife auf sich warten, und schon treten die Zugvögel ihren herbstlichen Fernflug an. Eine Schar von 4S Störchen nahm vorgestern.Abschied vom Ablachtal. .
Die köstliche Perle
Original-Roman von Karl Schilling
4^) (Nachdruck verboten)
/ So waren schon die ersten Tage des sommerheißen Juli ^gekommen. Sie sollten ihn nach dem letzten Punkte seiner Reife führen, nach der Nerven- und Irrenanstalt Fredeborg, um die die Fama eine eigentümliche Geschichte wob.
Es hatte eines ausführlichen Bittgesuches von Dr. Falk- ner bedurft, ehe für ihn der Erlaubnisschein eintraf, der da besagte, daß der deutsche Arzt Dr. Falkner das Recht habe, Einrichtungen und Krankenmaterial der klinischen Anstalt Fredeborg unter Leitung und Maßgabe des dortigen Direktors zu studieren.
An einem wundervollen Vormittage traf Falkner in der Anstalt ein.
Ein altes, klapperiges Mretswägelein brachte ihn mit seinen Habseligkeiten auf eiper schlecht gepflegten Landstraße von der Bahnstation nach seinem Ziele.
Der lachende Morgen verlockte ihn, den Wagen zu verlassen und den letzten Teil des Weges zu Fuß zurückzulegen.
Das Bäuerlein war darüber gar nicht ungehalten; einmal konnte er seine schwache Mähre schonen, und zum andern war der stille fremde Herr, mit dem so schwer eine Unterhaltung zü führen war, nicht nach seinem Geschmacke.
- Der Herr möge nur den Waldweg entlang gehen! Sein Käfterchen wolle er in der Nervenheilanstalt gewissenhaft abgeben.
So wanderte Dr. Falkner in dem fremden Walde mutterseelenallein dahin. Der Zauber der Natur stimmte ihn floh und heiter. Zwischen dichtbelaubten, alten, knorrästigen Eichen schritt er auf schmalem Moospfade dahin. Ab und zu brach das Gezweig die Morgensonne und malte Goldkringel auf den Boden, dazu scholl aus der Waldtiefe Zirpen und Schlagen, Schmettern und Hämmern.
Nach über einstündigem Marsche gelangte der Doktor wieder ins Freie und gewahrte bald in einiger Entfernung ein
hohes Gebäude. Das mußte die Anstalt sein.
Wie ein verwittertes Raubritternest stiegen aus dem mächtigen, waldartigen Parke trutzige Mauern und ein schmutzigblanes Schieferdach empor, alles überragt von einem seitlich plumpen Turme mit ächzender Wetterfahne.
Wiewohl über der Anstalt der Sommerhimmel blaute und Sonnengold über den Bäumen wehte, konnte sich der Doktor nicht des Eindruckes des Schwermütigen erwehren; der mächtige schwarzgrüne Park, das düstere Eebände, die «infame, abgesonderte Lage, alles stimmte so ernst und war so beängstigend, es machte fast den Eindruck eines Gefängnisses.
Sinnend schritt Falkner weiter. Er trat auf die Straße, die nach dem Eebände führte. Sie mündete in den Park. Kern Zaun, kein Geländer umgrenzte ihn. Doch kaum mochte er einige Minuten durch die Baumreihen gewandert sein, als eine hohe graue Mauer seinen Weitergang hinderte. Sie war aus Quadersteinen errichtet und auf ihrem Rande dicht mit spitzen Scherben besät. Dazwischen wucherte Gras und Unkraut.
Da erblickte er ein eisenbeschlagenes Tor in der Mauer
Der Doktor schritt darauf zu.
Es war verschlossen.
An der Seite hing ein Klingelzug herab.
Der Doktor stand unschlüssig.
Dann zog er an der Klingel.
Sie mußte wohl lange nicht benutzt worden sein; denn nur mühsam zwängte sich der verrostete Draht durch die Ringöffn-ung des führenden Eilsenbandes.
Ein nnmelodisches kreischendes Bimmeln zerriß die Stille.
Falkner wartete.
Kerne Antwort.
Nochmals zog er lauter, luftiger.
Und wieder mußte er warten.
Seine Ungeduld wuchs. Er hatte seine Ankunft doch aus die Stunde genau angezeigt.
Nun schlug er mit dem Türklopfer, einem dicken Ringe
rn Gestalt einer zusammengeballten Schlange, heftig an das hohe, eiserne Tor.
Endlich — Hundegebell, wütend, drohend.
Und abermals überkam den Doktor ein Schauer. Das Ganze machte nicht den Eindruck der Anstalt für Gemütskranke, eher den eines schweren Kerkers.
Langsam wurde der Riegel zurückgeschoben.
Das Tor öffnete sich.
Zwei Blutdoggen stürzten heraus. Sie erblickten den fremden Mann. Ihr Wutgeheul verdoppelte sich. Sie setzten zum Sprunge an.
Im gleichen Augenblick traf sie der harte Schlag einer Kugelpeitsche, und eine Stimme rief donnernd: „Zurück, ihr Bestien!"
Ein schon altersgrauer Mann stand vor dem Doktor. Mürrisch musterte er den Fremden.
„Doktor Falkner. Melden Sie mich dem Direktor!"
Der Alte wurde einen Ton freundlicher. Er rückte wie zum Gruße an seinem Käppchen.
„Sie sind Dr. Falkner? — Treten Sie ein!"
Die Bestien umschnüffelten den Doktor.
Ein paar Hiebe sausten auf ihr Fell, daß sie aufheuleud zurnckschlichen.
Sorgsam schob der Wärter den Torriegel vor, da« führte er den Doktor in das Innere.
Mit Erstaunen musterte Falkner die gewaltige Stein« stärke der Schutzmauer.
„1208 erbaut... Die bricht kein Feind!"
Jetzt traten sie in den Hof.
Er war von Gebäuden umgeben und nicht sauber gehalten.
Doch zu langem Betrachten bot sich keine Zeit.
Der Wärter führte den Doktor in ein Seitengebaud«. An der Schwelle der Tür verließen ihn die Doggen sprangen bellend und sich jagend nach dem Hofe zurück.
Zur ebenen Erde lagen des Direktors Wohn- und Ar» beitsräume.
(Fortsetzung folgte /