Amtsblatt für den Db rramtsbezirk Nagold und Altenstriz Stadt. Allgrmemer Anzeiger für die Bezirke Nagold, Lalw u jreudensta^

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Ar. 183 I Altrusteig» Montag Leu 9 . August_I_ 1926

Wer Ms Clemeotemr m Evolidge.

Paris» 8 . August. George Clemenceau läßt durch die Agentur Havas einen offenen Brief an den Präsidenten der Vereinigten Staaten, Coolidge, verbreiten, in dem es u. a. heißt: Zwischen den beiden großen Ländern, die während des Krieges mit Frankreich verbündet waren, sind wegen der Abrechnung Mißverständnisse entstanden, die die Zu­kunft der zivilisierten Welt ernstlich bedrohen. England hat bisher immer die Tendenz verfolgt, die Völker des Kontinents gegeneinan­der auszuspielen und heute ist es Ame­rika, woher aus Frankreich hauptsächlich beunruhigt wird. Wenn die Nationen nur Ge­schäftshäuser wären, so würden die Banknoten das Schick­sal der Welt regeln. Sie wissen, daß unsere Kassen leer find. Zn solchen Fällen unterzeichnet der Schuldner Wech­sel. Das verlangen Sie auch von uns, aber es ist auch not­wendig, daß wir hüben und drüben an eine Varregelung zu einem bestimmten Zeitpunkt glauben können. Aber es ist ein offenes Geheimnis, daß es sich hier nur um fiktive Fälligkeiten handelt, die den Zweck haben, eine Anleihe mit guten Hypotheken auf den Grund und Boden, wie in der Türkei, herbeizuführen. Das werden wir niemals an­nehmen. Frankreich ist nicht verkäuflich» auch nicht an seine Freunde. Wir haben es unabhängig übernommen und un­abhängig wollen wir es hinterlassen. Wenn Frankreich un­ter der Reihe seiner Feinde und seiner geschworenen Freunde verschwinden müßte, so würde sein Name doch mit Ehren bestehen. Was haben wir denn anderes als lediglich unsere Pflicht getan? Hätten wir unsere Festungen an Deutschland abtreten sollen, als dieses unter Androhung einer Kriegserklärung diese Forderung an uns stellte. Wird jemand aufstehen, um zu erklären, daß wir etwas anderes getan haben, als uns in das Unvermeidliche zu schicken? Wird Verdun sagen können, daß wir schlecht gekämpft hät­ten? Drei todbringende Jahre hindurch haben wir von Amerika gehört, Frankreich ist die Grenze der Freiheit. Das französische Gebiet ist mit wissenschaftlicher Gründlichkeit verheert worden, eine endlose Reihe von Toten ist die Bank­rechnung, die wohl mit der Rechnung Amerikas einen Ver­gleich aushalten kann. Wie Rußland in Brest-Litowsk, so hat Amerika mit Deutschland einen Sonderfrieden geschlos­sen, ohne sich überhaupt mit seinen Weggenossen zu verstän­digen. Heute streitet man sich um den Frieden des Geldes zwischen den alliierten und associierten Mächten. Wie hätte man das nicht voraussehen können? Warum haben wir nicht im Granatregen einen Verwaltungsrat der Nutznie­ßer einberusen, der die Frage entschied, ob wir die Vertei­digung der herrlichsten Eroberungen, der herrlichsten Ge­schichte fortsetzen dürfen? Ist es jetzt notwendig, daß die Lüge von den deutschen Reparationen das Geld in die Kas­sen Amerikas führt? Clemenceau schließt mit der Erklä­rung, daß er frei und offen Coolidge seine Ansicht vortrage, sodaß dieser jetzt das Wort habe.

Neues vom Tage

Besatzungserleichterungen im Rheinland?

Mainz, 7. Aug. Wie Wagners Südwestdeutscher Nachrich­tendienst von unterrichteter Seite erfährt,, beabsichtigt die französische Regierung, demnächst einen großen Teil der ver­heirateten Besatzungsangehörigen durch Unverheiratete ab- Wlösen. Die Maßnahme werde auf die neue Ersparnispoli­tik in Frankreich zugesührt, da man in Paris eine Sonder- zulage für verheiratete Offiziere und Beamte abgelehnt habe. Die Verwirklichung dieser Anordnung würde zweifel- kas die starke Wohnungsnot im be>etzten Gebiet mildern. Mißerfolg der englisch-russischen Gewerkschastskonferenz Paris, 7. Aug. Wie die PariserDaily Mail" mitteilt, hat die englisch-russische Gewerkschastskonferenz, die in einem aas ersten Pariser Hotels abgehalten wurde, mit einem Mißerfolg geendet. Die Engländer weigerten sich, die Be­dingungen anzunehmen, die von den Sowjetvertretern für d>e weitere Unterstützung der streikenden Bergarbeiter ge- ftrde^ wurden. Eine neue Zusammenkunft ist für Ende -! Monats geplant.

Empörung der englischen Bergarbeiter über die Baldwin- schen Erklärungen

London, 7 . Aug. Die gegenüber amerikanischen Presse- ssrtretern gemachten und in amerikanischen Zeitungen ver- ftfentlichten Erklärungen Baldwins, den englischen Berg-

arveilern gehe es gar nicht so schlecht, yaven rm Lager ver Arbeiterpartei und der Bergarbeiter große Erregung ver­ursacht. Es müsse, so wird betont, entschieden in Abrede gestellt werden, daß die Familien der Bergarbeiter keine große Not litten, und die Handlungsweise Baldwins könne nicht scharf genug verurteilt werden. Der sozialistischeDaily Herald" überschreibt die Baldwinsche Veröffentlichung mit den Worten:Baldwins niederträchtige Botschaft an Ame­rika". Gleichzeitig veröffentlicht das Blatt einen Leitartikel, in dem der sofortige Rücktritt der Regierung Baldwins verlangt wird. Es gebe keine Baldwin-Regierung, denn die englische Regierung setze sich aus Vertretern der Finanzen, des Großhandels, landwirtschaftlicher Interessenten und der Interessenten des Alkoholhandels usw. zusammen.

Widerstände und Proteste gegen das Washingtoner Abkommen

Paris, 7. Aug. Der Widerstand der parlamentarischen Kreise gegen die Ratifizierung der Schuldenabkommen mit Washington und London hat zu einer schnellen Lösung der Frage geführt. Die Regierung hat jetzt klargestellt, daß sie die Ratifizierung nicht mehr vor den Ferien verlangen wird, daß aber schon jetzt ein Berichterstatter ernannt wer­den muß, der mit der Regierung in Verbindung tritt. Vri- and und Poincare, so heißt es in einer offiziellen Mittei­lung der Regierung, werden der Finanzkommission schon jetzt zu Auskünften zur Verfügung stehen. Die Ansicht der Regierung über die Frage der interalliierten Schulden habe niemals geschwankt. Sie sei bereits in der Regierungs­erklärung angedeutet. Die Regierung erwarte die Sanie­rung von den Maßnahmen, die sie bis jetzt ergriffen habe und an deren Erfolg die Gläubiger Frankreichs ebenso in­teressiert seien wie die Franzosen selbst. Nach demEcho de Paris" gingen Poincare gestern nachmittag von allen Sei­ten Proteste gegen seine Absicht zu, die Schuldenabkommen, zu ratifizieren. Eine Abordnung der Kriegsbeschädigten pro­testierte gegen die Absicht der Ratifizierung. Franklin Bouillon telefonierte Poincare, daß er die Ratifizierung auf das schärfste bekämpfen werde. Im Senat hatte Poincare eine Unterredung mit Francois Marsal, der gleichfalls dar­auf hinwies, daß sein Widerstand gegen die Ratifizierung bestehen bleibe.

Die Neuordnung der obersten Kommandostellen im pol­nischen Heere

Warschau, 7. Aug- Die Verordnung des Staatspräsiden­ten, die Neuordnung der obersten Kommandostellen im polnischen Heere regelt, ist gestern erschienen. Oberster Kriegsherr der polnischen Republik ist verfassungsgemäß der Staatspräsident. Oberbfehlshaber der Armee im Kriege ist der neu zu ernennende Generalinspektor des Heeres. Im Frieden sind dem Generalinfpektor, der gleichzeitig stellver­tretender Kriegsminister ist, unmittelbar unterstellt der Generalftab mit dem Chef des Generalstabes an der Spitze und die Armeeinspektoren mit den ihnen zugeteilten Offi­zieren. Dem Generalinfpektor des Heeres liegt die Aus­arbeitung und Kontrolle aller Mobilmachungs- und Ope­rationsarbeiten, sowie die Verteidigungserwerterung im Falle eines kriegerischen Zusammenstoßes ob. Die Ernen­nung des Marschalls Pilsudski zum Generalinspektor des Heeres soll schon in den nächsten Tagen erfolgen. (Mit an­deren Worten: der Staatspräsident ist zwar nomineller oberster Kriegsherr; alle wirkliche Macht aber liegt in den Händen des Generalinspekteurs, also eines Berufssoldaten. Die ganze Organisation ist auf Pilsudski zugeschnitten.)

Tagung der Lopdesgewerkschast der französischen Lehrer ,

Straßburg, 7. Aug. Wie Havas meldet, ist dort di« Tagung der Landesgewerkschast der französischen Lehrer unter dem Vorsitz des sozialistischen Abgeordneten und Bür­germeisters von Straßburg Peirots eröffnet worden. Als im Lause der Nachmittagssitzung von einem Redner der Zu­sammenschluß der Sozialisten mit den kommunistischen Ge­werkschaften gefordert wurde, erhob der stellvertretende Bür­germeister Widerspruch. Er erklärte, die Kommunisten gin­gen mit den Reaktionären Hand in Hand, die zur Herbei­führung einer Volksabstimmung in Elsaß-Lothringen die aus dem Innern Frankreichs stammenden Beamten vertrei­ben wollten.

Entschließung der französischen Lehrer über die Erziehung der Jugend im Geiste der Völkerversöhnung in Frankreich.

Paris, 9. August. Der in Frankreich tagende französi­sche Lehrerkongreß nahm u. a. eine Entschließung an, worin es heißt:

78 000 der nationalen Gewerkschaft angeschlossene französische Lehrer und Lehrerinnen, die davon überzeugt sind, daß die An-

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Näherung der durch den Krieg aufeinandergehetzten Völker ein Erziehungswerk bildet, das schon in den Schulen beginnen mutz, beschließen, mit allen Kräften daran zu arbeiten, um der Jugend die Kenntnis und das gegenseitige Verstehen der Völker zuzu­führen und dadurch die Organisierung des Friedens zu unter­stützen. Sie betonen mit Entschiedenheit, daß ihr Vorgehen auf pädagogischem Gebiete sich von dem Geiste von Locarno, wie er von Briand als Ministerpräsident definiert wurde, leiten lassen wird. Die Entschließung erinnert sodann an die vom Völker­bund angenommenen Grundsätze, wonach in Schulbüchern alles zu unterdrücken oder zu mildern ist, was unter der Jugend eines Landes den Keim der Verständnislosigkeit gegenüber den ande­ren Ländern wecken könnte und fährt dann fort: Die Lehrer werden sich bemühen, ihren Schülern verständlich zu machen, daß sie nicht nur gegenüber ihrer Familie und gegenüber ihrem Vaterlande, sondern auch gegenüber allen Völkern der Welt Pflichten zu erfüllen haben und daß zwischen verschiedenen Böl­lern eine immer stärker weidende Abhängigkeit besteht, daß die Zivilisation das gemeinsame Werl aller Völker ist einschließlich derjenigen, die im Lause der Geschichte die schärfsten Gegner waren.

< Die Lage i« Marokko

Paris, 7. Aug. Wie demJournal" aus Rabat gemeldet wird, zeigen sich die Eingeborenen der französischen Zone, die noch als Dissidenten zu bezeichnen sind, nämlich die Dichiß, immer angriffslustiger. Die Meldung besagt ferner, daß in Fez wegen des eingetretenen Wassermangels große Erregung herrsche. Der eingeborene Stadtrat habe gedroht, zurückzntreten. Es sei bereits zu Umzügen und Zusammen­stößen gekommen.

Fortsetzung des Krieges in Syrien

Paris, 7. Aug. Wie aus Kairo gemeldet wird, hat eine Versammlung von 68 Drusensührern beschlossen, den Krieg gegen die Franzosen sortzusetzen und syrische Gesandte so­wohl i r den Bereinigten Staaten als auch in Europa zu er­nennen.

Die Durchfahrtarife der Deutschen Reichsbahn und die einheimische Wirtschaft.

Von der Reichsbabndirektion Stuttgart wird mitgeteilt:

Immer wieder wird in der Presse, wie auch in den Verhand­lungen von öffentlichen Körperschaften und von Wirtschaftsver­bänden gegen die Deutsche Reichsbahn der Vorwurf erhoben, daß sie mit ihren ermäßigten Durchfuhrtarifen die heimische Wirt­schaft schädige und daran das Verlangen geknüpft, daß die Sätze dieser Durchfuhrtarife auch der heimischen Wirtschaft für ihre Ein- und Ausfuhr zur Verfügung zu stellen seien. Im Nachstehen­den sei daher der Versuch gemacht, hierüber Aufklärung zu ge­ben. Unter Durchfuhrverkehr wird der Verkehr von Auslands- bahn zur Auslandsbahn, sondern auch von Auslandsbahn zu den deutschen Seehäfen verstanden.

In den Zeiten der Inflation hatte die Entwertung der deut­schen Mark und die Unmöglichkeit, die Tarife ieweils der Geld­entwertung -anzupassen, eine starke Anziehungskraft auf den Ver­kehr unserer Nachbarländer ausgeübt und der deutschen Reichs­bahn einen Durchfuhrverkehr zugeführt, der weit über das hin­ausging, was die deutschen Bahnen iemals vor dem Kriege zm fahren hatten und nach der Länge ihrer Durchfuhrwege bean­spruchen konnten. Mit der Stabilisierung der deutschen Wäh-, rung und Einführung der Eoldmark-Tarife änderte sich das Bild: mit einem Schlag. Jetzt zogen die niederen Valuten des uns- umgebenden Auslandes den Verkehr an und die Durchfuhr durch, Deutschland hörte fast ganz auf. Güter von Frankreich, ia selbst! von Belgien nach der Tschechoslowakei und Polen fuhren in wei­tem Bogen über die Schweiz, die billige Durchfuhrtarife gewährt und die österreichischen Bahnen um Deutschland herum. Die Deutsche Reichsbahn konnte dieser Verkebrsentwicklung nicht un- ,tätig zuseben, einmal wegen des Einnahmeausfalles, den sie wegen der ihr obliegenden schweren Verpflichtungen weniger als je auf sich nehmen konnte, sodann aber auch, weil sie auf einem Verkehr, der ihr nach der geographischen Lage Deutschlands zu-, gehört, schon wegen der andernfalls zu erwartenden Berufungen- bei einer späteren Auseinandersetzung mit ihren Nachbarländern nicht freiwillig verzichten konnte. Sie hatte daher zu prüfen, inwieweit es ihr möglich war, ohne selbst allzugroße Opfer zn- erleiden, den Wettbewerb mit den billigeren Auslandswegem aufzunehmen. Rach diesen Gesichtspunkten wurden die Durch» fuhrtarife aufgestellt. Sie gewähren dem ausländischen Ver^ frachter nur dieselben Frachten, wie er sie über die Auslands-^ wege ohnedies bekäme. Der einzige Vorteil für ihn besteht im der kürzeren Länge des Wegs und damit in der rascheren Be­förderung. Mit Hilfe der Durchfuhrtarife ist es der Reichs­bahn tatsächlich gelungen, den gröberen Teil des ihr zustehenden Verkehrs auf ihre Bahnen zurückzuführen. Sobald sie aber den Tarifsenkungen der Auslandsbahnen nicht augenblicklich folgte^ blieb der Verkehr aus. Es ist nicht einzusehen, welche Schädi­gung die einheimische Wirtschaft dadurch erfahren sollte, datz ausländische Ware über die deutschen Strecken zu denselben: Frachtsätzen befördert wird, wie sie ihr über die Auslandswsg« von vornherein zur Verfügung stehen. Würde die ReichsbabM ihre Durchfuhrtarife aufheben. so hätte die heimische Industrie