Sonnlagsausgabe der Schwarzwälder TageszeitungAus den Tannen"

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Nr. 32

Anzeigenpreis! -i-ie einspaltige Feile 80 Pfg., die Reklamezeile 50 Pfg.

Artensteig. Sonntag de«8. August

Bezugspreis im Monat 50 Pfennig Die Einzelnummer . . 15 Pfennig

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Sonntagsgedanken.

Ich oder die audern?

Ziese Arbeit sollen andere tun, nicht ich" wer hätte ? solch ein>rt nicht schon gehört oder gar selbst gesprochen !

Za, wer sind denn diese andere«, die so manche Arbeit tun solle», für welche sich das vornehmeIch" zu gut dünkt? Damit sind wohl diejenigen Menschen gemeint, die in den Auge» jenes Vornehmen, Eingebildeten niedriger scheinen als er selbst und deshalb gerade gut genug find, um unter­geordnete, mühsame, undankbare Arbeiten auf sich zu neh­me«. Welch eine Brüderlichkeit!

Würden sich alle Menschen von so niederen Gedanken lei­te» lassen, wie schlimm wäre es da bestellt! Wer würde die vielen blutenden Wunden an Leib und Seele verbinden, die «m Barmherzigkeit schreien, wer die Armen, Notleidenden stärken, trösten, ihnen Hilfe leisten, wer würde all die vielen tausend Kleinarbeiten tun, die unbedingt zum großen Gan­zen gehören und getan sein müssen?

Gott sei Dank, es gibt noch edle hilfsbereite Menschen, die das eigeneIch" znrücksetzen und sich in den Dienst stellen, d« selbstlos angreifen und helfen, wo es am nötigsten ist. Und angreifen, Arbeit leisten, wo und wie sie sich uns bietet, ^ auch wenn die eigene Bequemlichkeit darunter leidet, das ist «asere Pflicht. Und uns zwingen, das zu tun, was uns am schwersten dünkt, was wir glauben nicht vollbringen zu können, weil wir nicht wollen! Die Früchte, die aus ver­leugnungsvoller, unverdrossener Arbeit wachsen, stich köstlich mch unvergänglich. E. U.

Zu gutem Friede«

Gib uns heut unser täglich Brot und was man bedarf zur Leibesnot; behüt uns vor Unfried und Streit, vor Seuchen und vor teurer Zeit, daß wir in gutem Frieden stehn, der Sorg und Geizes müßig gehn. Luther.

Mein« Worte wollen unvermerkt das Beste deines Da- stmrs entzünden, mein Freund: Stolz, Tat, Tapferkeit «id eine große, weil eines unerschöpflichen Besitzes gewisse

Fr. Lien ha rd.

Mi Doch Friede wird dem Herzen nur beschneden,

'M" das ihn verdient mit mutig freien Schlägen.

Zull Hammer.

Sie Mokoiihr

Mzze von A. Beur e r

Der Abend war hereingebrochen. Auf leise« Sohle« schlich «« Dämmerung davon; dort hinten, wo es in die Heide R^mg, hielt sie sich am längsten. Als es in der Stadt No« ganz Nacht geworden, zuckte immer noch ein fahl« vchein über den Himmel, als ob der Tag MH besinne« ^üü>e, ob er nicht doch noch einmal znrückkourmen wollte.

« P etwas Schönes um die Abendstunden, wenn sie nicht «rch den Lärm der Stadt gestört werden. Da erlischt sanft *nd weich der harte Alltag. Ein Atmen geht durch die Welt ^ wer auf die Stimmen der Natur horchen kann, wird wt ihr müde, denn der Abendwind singt ihr das Schtum- »rerlied.

I« de« Straßen der Stadt geht es lebhaft zu. Autos Muse«, Straßenbahnen klingeln. Die Bürgersteige sind ^ller hastender Menschen, die nach getaner Arbeit nach j Haus« eile«. An den eleganten Patrizierhäusern oder den ^ Amen der Borstadtstraßen flammen die Lichter auf, rot, i ^ur, weich und gedämpft. Aber nicht überall sieht das ? Stadtbild nach Wohlstand aus. I« den Straßen, wo Miets- an Mietskaserne steht, haust das Elend. Selbstver- j "E»et oder nicht. i

3» «ULM Dachstübchen hoch über der Straße liegt tod- ^ dis einst gefeierte Sängerin Bert« Christen. Arff E

«chrem gebrechlichen Stuhl neben ihrem Bett fitzt eine ge­brechliche Alte und legt von Zeit zu Zeit der Kranken küh- lende Kompressen auf die fieberheiße Stirn. Tagelang schon. Die Kranke kann den Tod nicht finden. Der müde, ach ft mN>e Körp« sehnt sich nach Ruhe, aber das starke Herz, das so viel gelitten im Kampf mit Liebe und Leben, will nicht bvechen, will das Schlagen nicht aufgeben, kämpft einen harten Strauß gegen den Allbezwinger Tod.

Auf der alten Kommode steht eine zierliche Rokokouhr. Sie patzt nicht in die Armseligkeit des Zimmers und zeugt von früheren besseren Tagen. Es muß ein teures Andenken der Kranken sein, daß sie es herübergerettet hat in die Not ihres Alters.

Mit klingendem Ton, zierlich und fein, schlägt die Ahr die achte Abendstunde. Die Kranke wälzt sich, unverständlich« Laute murmelnd, auf ihrem armseligen Bett. Beruhigend, wie einem Kind, streicht die Alte über das schneeweiße Gelock der Sängerin. Sie rückt den Stuhl an das Bett der Kranken und betrachtet das Gesicht, das trotz der Rot und Entbehrung« noch erkennen läßt, daß Verty Christen einst eine Schönheit gewesen ist.

Gegen 11 Ahr weckte die Kranke die eingeschlafene Alte. Mühsam richtete sie sich aus den Kissen empor.

Hören Sie zu, Frau Reiner, ich habe Ihnen heute noch etwas zu sagen. In der Kommode steht im oberste« Fach ein kleines Kästchen, den Schlüssel dazu finden Sie im Ge- häuse der Ahr. Heute noch werde ich meine Ruhe finden. Wenn ich dann nicht mehr bin, geben Sie die Ahr, das Käst­chen und alle meine Briefschaften an die Adresse, die oben­auf in dem Kästchen liegt."

Ein Hustenanfall unterbrach die Kranke. Frau Rein« mußte sie stützen, bis der Anfall vorüber war.

Bitte legen Sie sich ruhig hin, Fräulein Christen. Sie müssen jetzt schlafen und ausruhen, morgen können Sie mir «eit« «zählen."

,M«n, nein! Meine Zeit ist um. Ich will die kurze Frist, die mir noch vergönnt ist, dazu benützen. Ihnen einen Teil meines Lebens zu erzählen. Wenn ich mir diese Qual nicht vom Herzen rede, die schon 36 Zahre aus mir lastet, kann ich nicht sterben.

Wein Val« war Pastor ober in Schleswig-Holstein. Zch war die Netteste von neun Geschwistern. Schon als Kind hatte ich Neigung zur Bühne. Als ich groß geworden, wollte «re« Vater nichts davon wissen, für ihn waren Komödian­ten, wie er es nannte, Leute, die eine ordentliche Arbeit scheuten. Er nannte alles, was mit der Bühne Zusammen­hang, Vaganteuarbeit. Ich ließ mich von meinem Entschluß nicht abbringen und der Bruder meiner Mutter ebnete mir de» Weg. Ich kam zur Bühne, wurde Sängerin. Trotz aller Erfolge blieb mein Inneres leer, weil ich keine Liebe in der Welt fand und meine Angehörigen mich strenge mieden. Ab« nicht nur meine Angehörigen habe ich verloren, auch den Geliebten meiner Zugend. Nichts konnte ihn ersetzen ! Mkd von d« Bühne frei zu kommen vermochte ich auch nicht. ! So lebte ich dahin ohne Wärme, lebte in Glanz und doch so s arm und dabei bin ich vor d« Zeit müde geworden. Ein § Glück winkte mir, das ausgeschlagen zu haben, ich heute bereue. Drei Jahre war ich schon am Theater, da sang ich m Berlin eine mein« dankbarsten Rollen. War es Ahnung, die erste Vorstellung durchlebte ich wie im Fieber, ich er­wartete irgend etwas und wußte doch nicht, was. Rach d« Vorstellung übergab mir die Garderobefrau ein Rillet, in dem mich Hans Frerichs, meine Jugendliebe, um eine Un­terredung bat. Wie im Rausch eilte ich aus dem Theater. Zch weiß nicht, wie ich nach Hause gekommen bin.

Am andern Morgen trafen wir uns. Er wollte mich herm- holen als seine Frau, nicht ins Dorf, sondern nach Flens­burg, wo er eine schöne Anstellung gefunden. Er bat, flehte mich an, der Bühne zu entsagen und mit ihm zu gehen. All das, was ich entbehrt, bot sich mir und in dem Rausch, der mich befallen hatte, sagte ich ihm zu unter der Bedingung, daß er der Abendvorstellung beiwohnen müsse. Ich sagte zu und wußte doch im voraus, daß ich es nicht halten konnte. Die!« Taa ist der glücklichste rn meinem Leben. Ich

spürte die starke^Liebe, die rhn^wogen hatte, zu mir Berlin zu kommen.

Der Abendvorstellung wohnte « bei. Ich sang, wie ich nie gesungen hatte. Mit mein« Kunst wollte ich ihn über­zeugen, daß ich für ihn singe und spiele. Rur für ihn sang ich rn jenem Abend und ich sah niemand im ganzen Theater als ihn, der bleich in der vordersten Reihe saß. Dieser Abend wurde mein größter Erfolg. Nie vorher und nie nachher Hab ich ft die Kraft gefunden, eine Rolle so zu durchleben, wie cm jenem Abend. Ich sang um mein Glück und habe es- verspielt.

Am andern Tag bettelte ich darum, er soll bei mir blei­ben. Umsonst, er war zu stolz, von d« Gage seiner Frau zu­leben und mein Wort konnte ich nicht hatten. Wir schieden an jenem Tag und haben uns nie wiedergesehen. Ich habe ihm, er mir die Treue gehalten. Rach zwei Tagen bekam ich mit d« Post jene Rokokouhr, die er von seiner Mutt« ge­erbt, die früh verstorben war. Es war ihm das Heiligste,, das er mir schenken konnte und in aller Rot brachte ich es- nicht fertig, mich von der Ahr zu trennen."

Ein Wefte hielt die Kranke inne, um ihre letzte« KrW» zu sammeln für das, was sie noch zu sagen hatte.

I« jenem Kästchen liegen Blätter, die mein Leben, wie es war, beschreiben. All mein Leid, meine Hoffnungen und Träume habe ich darin niedergeschrieben. Er soll es haben» wen« ich nicht mehr bin ..."

3Mde lehnte sie sich i« die Kiffen zurück. Ein Schütteln O«g durch ihren Körper. Plötzlich streckte sie beide Hände von sich. Ein Lächeln verklärte ihr Gesicht.

Hans", rief sie, dann fiel sie schwer in die Kissen zurück. Nr Herz hatte Ruhe gefunden. Die Rokolouhr schlug sein «Ä klingend die zwölfte Stunde. ,...

zeverrsknnftler.

Wohl dem Menschen, von dem es heißt, daß er ein Lebenskünstler" ist, der weder seine Kräfte im Uebermut, im Kraftbewußtsein oder in stetem Genüsse vergeudet, noch sich elend macht in stumpfer Tätigkeit, in ewiger Jagd nach Gewinn. Die Fähigkeit zum Glück besitzt schließlich jeder gesunde Mensch. Darum soll man bestrebt sein, sie auch voll zu entwickeln, soll in allem das beste suchen, un­erreichbare Wünsche unterdrücken und nicht nach den Sternen verlangen.In Deiner Brust sind Deines Schicksals Sterne" sagt der Dichter mit Recht. In die Hand der Eltern ist es gelegt, Lebenskünstler zu erziehen. Schon in frühester Jugend soll man der Kinder Herzen weiten, um sie fähig zu machen für das Glück der Zufriedenheit, für das Glück, das ein gewisses Selbstvertrauen gibt. Man muß die Jugend lehren, die kleinen Freuden des Lebens auch wirklich alsFreuden" anzusehen; nicht schnell zu verzagen, sondern bei Leid und Kummer auf- und vor­wärts zu schauen; kleine Verdrießlichkeiten alsvorüber­gehend" zu empfinden, und von neuem auch mit neuem Muts an die Arbeiten des Tages zu gehen. / Jeder Mensch sollte es als Pflicht empfinden, Mutlosigkeit und Verbitterung zu bekämpfen und zu jeder Zeit versuchen, durch Ausdauer, Fleiß und Geduld ein gewisses Glück zu erringen. Selbst wenn das Leben eines Menschen Mühe und Arbeit ist, erblühen doch täglich auch an seinem Wege kleine Freudenblumen; er muß sie nur zu pflücken verstehen. Wer das aber tut, der hat auch nie die weh­mütige Empfindung, er habe keine Zukunft mehr. Echte Lebenskünstler begrüßen jeden neuen Tag mit neuer Tatkraft und neuem Mute. Sie beugen sich nicht grollend unter etwaige Lasten, sondern nehmen diese mit dem festen Entschlüsse auf, sich ihrer bald zu entledigen. Sie denken nicht, daß Rosen Dornen haben, sondern freuen sich, daß am Dornen­strauchs Rosen erblühen. Sie vergessen nie, daß über den dunkelsten Wolken der Himmel doch wieder blau ist.