Schwarzwälöer Tageszeitung

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Uus den Tannen"

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AltkuNrig. Freitag de« 6. Augutt

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Weil im Kolmarer HeimMmd-rM

Kalmar, 4. Aus. Das Urteil gegen Professor Rosse, einem Führer der elsässischen Seimatbundbewegung, ist heute nach­mittag gefällt worden. Es lautet auf Amtsenthebung. Neun Zehntel seiner gesetzlichen Pension werden dem Professor Rosse m»f die Dauer von 5 Jahren ausbezahlt, dann erhält er keine Pension mehr. In der Begründung des Urteils gegen Professor Kasse heibt es u. a.: Rosse habe erklärt, dab er bei der Unter­zeichnung des Aufrufs des Heimatbundes nur von den politischen .Hechten Gebrauch gemacht habe, die jedem Staatsbürger zustän- >-en. Einem jeden Beamten sei es frei gestellt, seine eigene Mei­nung zu haben. Das sei richtig, aber als Staatsdiencr sei er verpflichtet, sich bei der Betätigung seiner Ansicht gewisse Re­serve auszuerlegen. Der Aufruf des Seimatbundes wirke auf­reizend auf die Elsaß-Lothringer und bedeute einen heftigen Angriff gegen das französische Regime. Die Tätigkeit der fran­zösischen Regierung werde mit systematischer Parteilichkeit beur­teilt. Zn dem Aufruf finde sich kein Wort der Sympathie und -er Anhänglichkeit gegenüber Frankreich, das im Interesse der Elsaß-Lothringen so grobe Opfer gebracht habe. (?) Wenn auch die Unterzeichner des Aufrufes erklärt hätten, er habe keinen antinationalen Charakter, so könne dagegen nicht bestritten wer­den, datz seine Veröffentlichung darauf abziele, die Unzufrie­denheit der Bevölkerung zu erregen und unter ihrem Schutze «ine Bewegung zu entfesseln, die die Bande zwischen Frankreich und Elsab-Lotbringen lockern solle. Der Aufruf müsse umsomehr als separatistisch bezeichnet werden, als man selbst auf die auto- nomistischen Tendenzen, die vor dem Kriege gegen das Deutsche Reich und den deutschen Einfluß gerichtet gewesen seien, zurück­komme. Als guter Kenner des elsab-Iotbringischen Geistes wäre sich Rosse der Folgen des Aufrufes in einer Periode wirtschaft­licher Schwierigkeiten voll bewußt gewesen. Als einziger Mil­derungsgrund kämen seine unbestreitbaren beruflichen Fähigkei­ten in Betracht, zumal sein llntericht vom nationalen Stand­punkt durchaus einwandfrei gewesen sei. (Das Urteil erscheint widerspruchsvoll und tendenziös. Zugegeben muß dernatio­nale Standpunkt" des Angeklagten in seinem Berufe werden; aber als Politkier soll er diesen Standpunkt verlassen haben. Er wird alsguter Kenner" des elsaß-lothringischen Geistes bezeich­net. Wenn er aber diesem Geiste Ausdruck verleiht, wird er be­straft! Das Aussvrechen der Gedanken der Elsaß-Lothringer soll aufreizend wirken! Glauben denn die französischen Richter da­mit dem Volksgeist Fesseln anlegen zu können? Sie haben Le­diglich einen Märtyrer geschaffen, der jetzt erst recht, losgelöst von seiner amtlichen Stellung, für seine und seiner Freund« Korderungen eintreten kann. Die Red.)

Neues vom Tage

Sinkende Tendenz der Reichseinnahme«

B«v«, 5. Aug. Di« Durchführung des Steuerabbau- Programms, mit dem der gegenwärtige Reichsfinanzminifter sein Amt antrat und das ihn in allen Lagern sofort sym­pathisch machte, hat natürlich eine sehr weitgehende Senkung der Reichseinnahmen zur Folge gehabt, die sich erst jetzt stärker auszuwirken beginnt. Bisher waren immer noch di« höheren Sätze insofern wirksam, als eine ganze Anzahl von Steuern ja erst nachträglich gezahlt wird und sie infolge­dessen auch rechnungsmäßig erst später in Erscheinung treten. Seit Anfang vorigen Monats aber ist deutlich eine stark ab­steigend« Kurv« sichtbar. Zurzeit balanziert der Reichsetat nur deshalb, weil die Ueberschüsse aus den vorhergehenden Jahren jetzt mitverwendet werden. Mit diesen Ueberschüssen wird einstweilen das Defizit, Las sich sonst ergeben würde, gÄeckt, spätestens von Beginn des neuen Etatjahres ab aber müßte ein bedenkliches Loch im Reichssäckel eintreten, wenn sich die Wivtschaftsko-njunktur nicht erheblich belebt, oder wenn die Steuerschraube nicht wieder angezogen werden soll.

Die Arbeitsmarktlage im Ruhrgebiet Berlin, 5. Aug. Der Arbeitsmarkt im Ruhrrevier hat, wie von zuständiger Stelle mitgeteilt wird, trotz der Neubele» lung des Bergbaues infolge des englischen Streiks keine wesentliche Entlastung erfahren. Die Förderung übersteigt Urzeit zwar die Friedensziffern und man rechnet für den "ugust mit einer weiteren Steigerung um 16 bis 26 Proz. Dennoch wird das kaum zu der Neueinstellung von Arbeits­kräften in nennenswertem Umfange führen. Die Steige­rung der Produktion ist in erster Linie durch Beseitigurtz «ei Feierschichten, sodann durch Verfahren von Ueber- ihichten und schließlich, und zwar vor allem, durch umfang­reiche maschinelle Verbesserungen erzielt worden. Wie weit mest Rationalisierung schon vorgeschritten ist, ergibt sich daraus, datz die Gesamtbelegschaft des Ruhrbergbaues von 430000 im Jahre 1913 auf jetzt etwa 335 000 zurückgegangen ch. Die Förderleistung pro Kopf ist also beträchtlich gestie­gen, und man rechnet damit, daß sie noch weiter zu stei­gern ist.

Um Schottlands Selbstverwaltung Berlin, 6. Aug. Wie derLokalanzeiger" aus London meldet, haben mehrere schottische Parlamentsmitglieder den Entwurf zu einem Gesetz veröffentlicht, das Vorschläge für eine Art Selbstverwaltung Schottlands enthält. Der Ent­wurf sieht die Errichtung eines besonderen Parlaments in j Schottland und die Schaffung eines Exekutivkomites vor, das die Aufgabe haben soll, die Vertreter des Königs in Schottland zu unterstützen und zu beraten. Die Exekutive soll wie bisher beim König verbleiben, der in Schottland durch einen Oberkommissar vertreten sein würde.

Defizit im Budget der Sowjetregierung Moskau, 5. Aug. Die Ausgaben des kommenden Finanz­jahres belaufen sich auf 4600 Millionen Rubel, die Einnah­men sind mit 130 Millionen Rubel weniger veranschlagt.

Es verlautet, datz die Sowjetregierung beabsichtigt, um das Defizit zu decken, eine Jnnenanleihe in der Höhe von 150 Mi llionen Rubel aufzulegen.

Große Veränderungen bei den Sowjets . Moskau, 5. Aug. Im Zusammenhang mit der Verfügung des Polit-Güros der russischen Kommunistischen Partei über die Entfernung von oppositionellen Mitgliedern des Büros hat die Sowjetregierung etwa 460 Kommandeure, die der Sinowjew-Gruppe nahestehen, aus der Armee ausgeschlossen. Ferner erwartet man große Aenderungen in den auslän­dischen politischen Vertretungen, insbesondere in Paris, Pe­king und Teheran.

Erledigung von Gesetzentwürfen in der Kammer Paris, 5. Aug. Die Kammer nahm in ihrer gestrigen Nachmittagssitzung den Gesetzentwurf betr. die Getreide- bewirtschastung nach Ablehnung eines sozialistischen und eines kommunistischen Gegenentwurfes mit allen gegen sechs Stimmen an. Sodann nahm die Kammer auf Antrag des Kriegsministers Painleve einen Gesetzentwurf betr. di« Dauer der militärischen Dienstzeit für die elsaß-lothringische Bevölkerung an. Er bezweckt, denjenigen, die auf Grund des Versailler Vertrages naturalisiert sind, die in einem frem­den Heere geleistete Dienstzeit auf die aktive Dienstzeit im französischen Heere anzurechnen.

14 Wochen Bergarbeiterstreik in England Keine Ansficht auf Beilegung

London, 5. Aug. Morgen geht di« 14. Woche der Arbeits­ruhe im englischen Bergbau zu Ende, ohne daß es bisher den Anschein hatte, als ob man dem Ziele näher wäre als zu Beginn des Streiks. Der Präsident der Bergwerksbesitzer­vereinigung hatte gestern eine Besprechung mit dem Berg­bauminister. Dieser Besprechung folgt« «ine mit dem Zen. tralkomitee der Grubenbesitzervereinigung. Die Gruben­besitzer vertraten bei dieser Sitzung die Ansicht, datz die Bergarbeiter noch ein gutes Stück mehr Entgegenkommen l zeigen mützten, bevor über ein allgemeines Abkommen ver- s handelt werden könne. Das Interesse in den Grubenbezirken konzentriert sich gegenwärtig auf den Ausgang der Abstim­mungen über die Vermittlungsoorsch-läge der Kirche. Aber selbst wenn die Vorschläge von allen Bezirken angenommen werden sollten, ist zu berücksichtigen, daß die Regierung jede Unterstützung dieser Vorschläge ablehnt, da sie die Gewäh­rung einer weiteren viermonatlichen SuboentionszaAung bedingen. . .....

Intervention Frankreichs, Englands und Italiens bei der bulgarische« Regierung betr. die bulgarischen Bandeneinfälle Sofia, 5. Aug. Die Vertreter Frankreichs, Englands und Italiens haben am Dienstag wegen der ständigen Einfälle der bulgarischen Banden bei der lb-ulgarischen Regierung in­terveniert. Die Vertreter der drei Großmächte haben den Außenminister im Namen ihrer Regierungen geraten, Bul­garien möge sofort all« Maßnahmen ergreifen, «m weitere Einfälle in Südserbien und in der Dobrudscha zu vermeiden. Der bulgarische Außenminister erwidert«, datz die bulgarische Regierung bisher alles getan habe, was in ihren Kräften stehe und daß sie auch in Zukunft darauf bedacht sei« werde, den Frieden aus dem Balkan zu erhalten.

Der Franken fällt wieder

Paris, 5. Aug. Das Pfund eröffnet« heule mittag mit 165 und stieg bis auf 173, der Dollar eröffnete mit 34,14 und stieg auf 35.

Begnadigung Dr. Stratil-Sauers

s Berlin, 5. August. Der König von Afghanistan hat dem s deutschen Gelehrten Dr. Stratil-Sauer, der in diesen Tagen ! von einem afghanischen Gericht wegen der Tötung eines j Afghanen zu 4 Jahren Gefängnis verurteilt worden war,

? durch einen Enadenakt die Strafe erlassen. Dr. Stratil- ' j Sauer ist bereits freigelassen worden. !

Aus Stadt und Land.

Altensteig, den 6. Aguust 1926.

Zur Stadtfchultheitzenwahl. Es wird nochmals darauf hingewiesen, daß die Wahl am kommenden Sonntag von 10 bis 6 Uhr dauert. Die Abstimmung erfolgt in der Weise, daß die Wähler vom oberen Bezirk wie seither in den Wahlverschlag rechts vom Eingang, diejenigen vom un­teren Bezirk in den Wahlverschlag links vom Eingang gehen. Damit ein reibungsloser Verlauf der Wahlhand­lung gewährleistet ist, werden die Wähler ersucht, möglichst frühzeitig abzustimmen.

* Zur Stadtschultheitzenwahl. Daß der Kampf in der Stadtschultheißenwahl sich nun steigert und seinem Ende zu­geht, das zeigt sich an der zunehmenden Erregung und Spannung bei Zusammenkünften und Versammlungen. Es herrschte seither durchweg Unklarheit darüber, wer eigent- ! lich in die engere Wahl kommen soll. Obwohl die vom Ee- meinderat einberufene aus allen Teilen der Bevölkerung zahlreich besuchte Bürgerversammlung vom Dienstag eine Vorwahl vornahm und einmütig beschloß, 4 Kandidaten in die engere Wahl zu nehmen, so konnte sich doch bisher nur e i n Kandidat der Minderheit entschließen, seine Kon­sequenzen aus diesem einmütig gefaßten Beschluß zu ziehen und zurückzutreten. Es blieben also immer noch 7 Kandi­daten. Der gestrige Tag hat nun eine gewisse Klärung der Lage gebracht, besonders dadurch, datz die von kom­munistischer Seite einberufene und von Silberarbeiter Hennefarth schon bei der Dienstagversammlung angekün­digte Versammlung in derSchwane" stattfand, die sehr zahlreich besucht war, zur Kandidatenfrage Stellung nahm und Beschluß faßte. Nach reger Aussprache wurde abge­stimmt und Stadtpfleger Pfizenmaier zum Kandida­ten erhoben. Er erhielt, wie wir hören, 91 Stimmen, Schult­heiß Braun-Darmsheim 47 Stimmen, Amtsverweser Krapf 20 Stimmen. Nach diesem Resultat wurde von len drei Rednern der Versammlung aufgefordert, nun für Pfi­zenmaier einzutreten und zu stimmen. Auch der E e - Werbeverein hatte zu einer Versammlung auf gestern abend eingeladen. Der Ausschuß desselben ging von der Ansicht aus, daß bei der Stadtschultheißenwahl die Poli­tik den Ausschlag nicht geben dürfe und daß das Handwerk, Gewerbe und Industrie, die in Altensteig vorherrschend sind, seine Stimmen in die Wagschale werfen müsse. Aus diesem Grund wurde die Versammlung anberaumt, damit Vorstand und Ausschuß die Gesinnung seiner Mitglieder kennen lernt. Der Ausschutz war der Ansicht, daß dem Kandidaten Merz deshalb der Vorzug zu geben wäre, weil er nicht nur im amtlichen Verwaltungsdienst eingear­beitet ist» sondern auch den Verwaltungsdienst eines gro­ßen Unternehmens kennen gelernt habe, sich also auch im Wirtschaftsleben umgesehen und sich einen Weitblick ange­eignet habe, ein Vorzug, der nach Ansicht des Ausschusses unserem gewerblichen Städtchen wesentlich zu gut käme. In zweiter Linie wurde Verwaltungsaktuar Kalmbach in Betracht gezogen, dessen Charaktereigenschaften gleich den­jenigen des Kandidaten Merz, wie seine Tüchtigkeit im Ver­waltungsdienst anerkannt und ihn empfehlenwert machen würden. Ein anderer Kandidat wurde vom Ausschuß nicht in Erwägung gezogen. Unter diesen Gesichtspunkten re­ferierte Vorstand Wucherer gestern abend. Nach lebhaf­ter Debatte, bei welcher auch die Angriffe Hennefarths bei der kürzlich stattgefundenen Versammlung zurückgewiessn wurden, in welcher er dem Bürgertum den Fehdehandschuh hinwarf und sich zu Drohungen Hinreißen ließ, erklärend, der Kandidat des Bürgertums sei nicht sein Kandidat, und einer Aussprache über die Kandidaturen Merz, Kalm­bach und Pfizenmaier erfolgte eine Abstimmung, an der alle Anwesenden teilnahmen. Es erhielt Merz 54, Kalmbach 36 und Pfizenmaier 13 Stimmen. In einer heute abend stattfindenden Wahlversammlung des verei­nigten Bürgerblocks soll nun über die beiden Kandidaten Merz und Kalmbach eine allgemeine Abstimmung vorge­nommen werden.

Zurückgetreten. Wie uns mitgeteilt wird, hat Stadt- schultheißen-Amtsverweser Krapf seine Bewerbung um die Stadtschultheißenamtsstelle heute zurückgezogen.