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Schwarzwälder TageszeitungAus den Tannen"

Aus Stadt und Land.

Altensteig, den 3. August 1926.

MlWW der MMltWeilWWMM.

(Schluß)

Rechnungsrat Sannwald aus Welzheim früher Schultheiß in Flacht, OA. Leonberg, und in Wald­hausen i. R., seit 1923 Leiter des Bezirkswohlfahrtsamts Welzheim, führte nach Bekanntgabe seiner Personalien u. a. aus, daß er keiner politischen Partei angehöre, er sei wohl ausgerüstet mit theoretischen Kenntnissen und prakti­schen Erfahrungen, um als Bewerber für die Stadtschulthei- ßenamtsstelle hier auftreten zu können. Der Grund zu sei­ner Bewerbung liege darin, daß Welzheim wohl einer der nächsten Bezirke sei, die der Auslösung verfallen. Er schil­dert dann die Pflichten eines Ortsvorstehers, die darin liegen würden, die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicher­heit zu erhalten, die gegebenen Gesetze und Verordnungen zu vollziehen bzw. vollziehen zu lassen, für Aufrechterhal­tung guter Sitte zu sorgen, der Armen und Notleidenden sich anzunehmen, die Hilfsbedürftigen zu beraten, sie gegen Anrecht und Gewalt zu schützen, das Wohl der Gemeinde und ihrer Einwohner zu fördern und die Verwaltung des Eemeindevermögens zu leiten. Im Eemeindeleben müsse oberster Grundsatz Ordnung und innere Reinheit sein. Es müsse Offenheit und Ehrlichkeit herrschen. Jeder Einwoh­ner habe das Recht von den Vorgängen auf dem Rathaus unterrichtet zu sein. Der Ortsvorsteher müsse auch die Fähig­keit haben, die Gemeinde nach außen würdig zu vertreten, was gerade auch bei Altensteig im Verhältnis zum Bezirk Nagold wichtig sei. Er müsse gute Beziehungen mit den Gemeindeverbänden und sonstigen Organisationen unter­halten. Der Redner weist auf seine mancherlei guten Be­ziehungen zu Landesstellen usw. hin und glaubt, daß ihm diese bei einer Tätigkeit als Ortsvorsteher sehr zu statten kämen. Ein Ortsvorsteher sei nicht nur an die gegebenen Gesetze gebunden, sondern auch an die Beschlüsse des Es- meinderats. Wichtig sei eine harmonische Zusammenarbeit mit diesem und den Beamten und Angestellten der Ge­meinde. Auch mit anderen Aemtern, wie Kirche und Schule, habe er sich gut zu stellen. Wenn ein Ortsvorsteher auch nicht mehr von amtswegen im Kirchengemeinderat sei, so habe er doch die Pflicht, der Kirche jede notwendige Unterstützung angedeihen zu lassen. Die Schulaufwen­dungen einer Gemeinde seien das best angelegte Kapital. Ortsvorsteher und Gemeinde habe darauf Bedacht zu neh­men, daß die Jugend überhaupt an Geist und Körper tüch­tig erzogen wird. Daß er ein warmes Herz für die Jugend habe, zeige, daß er Vorstand des Turnvereins in Welzheim sei. Eine wichtige Aufgabe des Ortsvorstehers sei auch die Verwaltung des Eemeindevermögens und die Erhaltung und Vermehrung desselben, denn was durch Eemeindever- mögen nicht bestritten werden könne, müsse durch Steuern aufgebracht werden. Steuerzahlen sei ein hartes Muß. Schlechter Geschäftsgang, Geldknappheit und hohe Steuern lasten auf der Wirtschaft. Auch die Arbeitnehmer leiden unter Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit. Es sei eine durch­aus schlimme Zeit und es gelte zu sparen im Kleinen und Großen, zu sparen im öffentlichen und privaten Leben. Die Aufgaben, die hier ihrer Lösung harren, seien ihm nicht alle bekannt. Bekannt seien ihm die Postneubau- und Krankenhausfragen. Doch könne er hierzu, da er mit den

näheren Umständen noch nicht vertraut sei, noch keine Stel- ' lungnahme hierzu einnehmen. Er würde aber sein mög-

- lichstes tun, um sie einer baldigen und befriedigenden- . sung zuzufllhren. Die Hebung des Fremdenverkehrs gehöre ! hier auch zur Aufgabe des Stadtvorstandes. Jeder Ortsvor- ^ steher müsse für die Entwicklung seiner Gemeinde mit al- ^ len Mitteln eintreten. Auch die Hebung und Belebung des ! geselligen und Vereinslebens betrachte er als eine Aufgabe ? des Ortsoorstands. Er müsse mit allen Kreisen in Verbin- ! düng treten. Ferner müsse er darauf sehen, daß der not- l wendige Eemeindebedarf möglichst am Platze selbst gedeckt

- werde, aber auch der Bedarf für seine Privatperson. Auch i hier müsse er mit gutem Beispiel vorangehen. Aufgabe des ! Ortsvorstehers sei es auch, seinen Gemeindegliedern in der

- Gesetzgebung mit Rat und Tat an die Hand zu gehen. Ve- ! sonders aber sei es seine Pflicht, die alten und gebrechlichen

Personen durch Vermittlung der Renten zu helfen. Er sei

- in der Fllrsorgetätigkeit durch sein seitheriges Amt eingsar- s beitet. Auch sei er frei von jedem persönlichen und partei- j politischen Einfluß. Aufgabe des Ortsvorstehers sei zu ! Arm und Reich gleich freundlich zu sein. Versprechungen,

? wiezi^ vi e lle icht die Gegner machen, könne er nicht eingehen.

: Eines jedoch verspreche er, im Falle seiner Wahl das Amt ^ so zu führen, daß er jederzeit jedermann Rechenschaft geben f könne. Er werde stets das Wohl der Gemeinde im Auge ! haben und dabei Rücksicht auf jeden einzelnen Eemeindebe- ^ wohner nehmen; zwischen dem Rathaus und der Einwoh- § nerschaft müsse der Geist der Einigkeit und Zufriedenheit j sein.

? Stadtpfleger Pfizenmaier» Altensteig

i führte etwas aus: Wenn er sich um die Stadtschultheißen- stelle in Altensteig beworben habe, so sei bei ihm nicht Ehr- « geiz die Triebfeder gewesen. Den Ausschlag hätten die an i ihn ergangenen zahlreichen Aufforderungen gegeben. Wei- s tere Gründe für ihn seien Pflichtgefühl und Dankbarkeit s gegenüber unserem schönen Städtchen Altensteig gewesen, f mit deren Bevölkerung er nahezu 9 Iah«' trotz der hin- § ter uns liegenden schweren Zeit mit geringen Ausnahmen ' immer reibungslos gearbeitet habe. Er schildert kurz seine ? persönlichen Verhältnisse. Auch in seiner zuletzt innegehab- ' ten Ortsvorsteherstelle in Ober .OA. Gaildorf habe er ! mit der Bevölkerung auf sehr gutem Fuße gestanden. Er : habe dann hier die für uns alle unvergeßliche schwere Zeit des Krieges mitgemacht. Auch über die Revolutions- und i Nachkriegszeit, über die Jnflations- und Nachinflations- ? zeit habe er sein Amt geführt, daß es ohne größere Rei- ) bungen mit der Bevölkerung abgegangen sei. Er glaube s in dieser Zeit bewiesen zu haben, daß er das schwere Amt ; des Stadtvorstands führen könne. Die Pflichten und Auf- ; gaben, wie er das Ortsvorsteheramt versehen würde, fasse i er etwa so auf: Der Ortsvorsteher soll nicht Alleinherrscher : in der Gemeinde, sondern ihr erster Diener sein. Auch der l Geringste solle sich mit Liebe und Vertrauen an den Orts- ! Vorsteher wenden können. Jeder müsse auf dem Rathaus : die Ueberzeugung bekommen, daß hier gleiches Recht für : Alle gelte. Im Verkehr mit dem Eemeinderat müßte sich ' der Ortsvorsteher bewußt sein, daß er Führer des Eemein- : derats ist; er müsse aber die Beschlüsse des Eemeinderats

- unbedingt beachten und ausführen. Für ein Versteckspiel : bezüglich der Verhandlungen und Beschlüsse des Gemeinde- s rats sei er nicht. Die Bevölkerung habe ein Recht darauf,

> zu wissen, was im Eemeinderat verhandelt werde. Viele

Mißverständnisse ließen sich dadurch beseitigen, wenn alles, was auf dem Rathaus im öffentlichen Interesse verhandelt werde, bekannt würde. Dazu könne ein ausführlicher Be­richt in der hiesigen Tageszeitung viel beitragen. Die

Die köstliche Perle

Original-Roman von Karl Schilling 46) (Nachdruck verboten.)

Sein Weg führte ihn durch eine enge aber belebte Straße mit meist alten, giebeligen Häusern, deren fast jedes einen Schauladen besaß.

Plötzlich blieb Falkner wie gebannt stehen.

Er fuhr sich über die Augen. Drüben, auf der anderen Straßenseite, an dem hohen, altertümlichen Hause, ein wuchtiges Firmenschild: James Waterson.

Falkner überschritt den Fahrweg. Schon von weitem leuchtete, glänzte und glitzerte es ihm entgegen: ein Ju­welierladen.

Wie im Traume schritt er darauf zu und blieb nun vor den ausgestellten Schätzen stehen.

Hinter dem breiten Schaufenster lagen in sehr geschmack­voller Anordnung auf Kissen von purpurroten Plüsch blit­zende Brillantringe, zierliche Broschen, schwergoldene Ket­ten, edelsteinbesetzte Agraffen, wundersame Kolliers.

Dem Dorktor trieb die Eerregung das Blut zu Kopfe. Stand er vielleicht gar am Ziele seines Wunsches, hatte ihn ein gnädiger Zufall so unvermittelt an die rechte Stelle geführt?

Dann stiegen Zeichen in ihm auf. Ob der Name Water­son der richtige war? Und wenn er wirklich an die rechte Stelle gekommen wäre, war damit etwas gewonnen, er­wartete ihn dann nicht die große herbe Enttäuschung?

Langsam stieg er die wenigen Stufen hinauf.

Nun klinkte er den schwarzpolierten Griff der Ladentür nieder.

ff Ein feines, aber scharfes und anhaltendes Läuten ant- ' wertete.

Im gleichen Augenblicke stand ihm schon ein Mann ge­genüber, wohl schwerlich der Besitzer; denn er konnte nicht mehr als 30 Jahre zählen.

Könnte ich die Ehre haben, Herrn Waterson persönlich LN sprechen?"

Waterson ist mein Name."

Sie find der Besitzer?"

Gewiß, und womit könnte ich dem Herrn dienen?"

Wenn es dem Herrn beliebt, bediene ich mich sehr gern der deutschen Sprache."

Der Doktor schaute erstaunt auf.

Sie sind der deutschen Sprache mächtig?"

Ich b'be ^eben Jahre in Deutschland gearbeitet. »n Karlsruhe und Berlin." Dabei lernt man das Deutsche lie­ben und sprechen. Der Herr ist aus Deutschland?"

Falkner bejahte.

Es wäre mir eine Freuds, mich der Muttersprache des Herrn bedienen zu können!"

Falkner lächelte.Wie es Ihnen beliebt!" Ihm war der Vorschlag des Juweliers nur sympathisch. Er konnte dadurch seine Angelegenheit nur fördern.Mein Name ist Falkner."

Waterson verneigte sich stumm.

Waterson drückte auf einen Knopf an der Hinterwand des Ladens. Die Füllung öffnete sich und legte den Blick auf eine kurze eiserne Wendeltreppe frei.

Darf ich bitten!"

Nun schritten sie die Stieg hinauf. Sie führte in ein klei­nes Kabinett, das Privatzimmsr des Meisters. Höflich bot Waterson dem Doktor einen Sessel an. Dann nahm er selbst an seinem Schreibtische Platz. Sein Blick ruhte ge­spannt auf dem Deutschen.

Und nun begann Falkner zu erzählen von seinem Vater, vom Kaufe der köstlichen Perle und von ihrer Deponierung bei einem gewissen Juwelier Waterson.

Mit großem Interests hörte der Geschäftsmann zu, aber je länger der Doktor erzählte umso ernster wurden seine Gesichtszüge.

Falkner hatte geendet. ,

Waterson erhob sich.

Die Sache ist merkwürdig, sehr merkwürdig. Ich ent­sinne mich, einst am Jnnungsabend die Erundzüge Ihrer

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städtischen Beamten müsse der Ortsvorsteher als seine Mit­arbeiter ansehen. Der Staatsbehörde gegenüber müsse der Ortsvorsteher das Recht der Gemeinde wahren. Auf die Stabilität des Eemeindehaushalts müsse der Ortsvorsteher stets bedacht sein. Der Stadtwald sei sparsam und nutz­bringend zu verwalten. Das Elektrizitätswerk soll dagegen nicht als Ueberschußbetrieb geführt werden. Die Strom­gebühren sollen niedrig gehalten werden und durch billi­gen Strom die Gewerbetreibenden in unserem Städtchen in ihrem Konkurrenzkampf unterstützt werden. Das komme nicht nur dem Arbeitgeber, sondern auch den Arbeitnehmern zu gute. Auf die Vermehrung der Verdienstmöglichksit habe der Ortsvorsteher ständig sein Augenmerk zu richten. Es müsse darnach gestrebt werden, den Arbeitnehmern für Arbeit und Brot zu sorgen. "Ehrensache eines Ortsvor­stehers müsse es sein, den wirtschaftlich schwachen Kreisen den durch die Inflation um ihr Vermögen gekommenen, den Kriegsbeschädigten, Kriegerwitwen und -Waisen zu helfen. Die Wohnungsnot sei eine große Gefahr für die Sittlich­keit. Auf ihre rasche und gründliche Beseitigung müsse hingewirkt werden. Es seien von der Stadt wohl schon eine Anzahl von Wohnungen erstellt, aber dabei dürfe es nicht bleiben. Es müsse fortgefahren werden, bis auch de: letzte Wohnungssuchende versorgt sei. Auf die Hebung des Fremdenverkehrs müsse Bedacht genommen werden. Eben­so müssen die Verkehrsverhältnisse gebessert werden. De: Ausbau des Verkehrs liege sehr im Interesse der Gemeinde. Der Schule habe der Ortsvorsteher jede notwendige Unter­stützung angedeihen zu lasten. Zur Kirche müsse er ein gutes Verhältnis unterhalten. Seine politische Ueberzeu­gung müsse dem Ortsvorsteher gestattet sein, doch soll sie aus dem Rathaus ferngehalten werden. Die gesetzlichen Vorschriften müssen vom Ortsvorsteher respektiert werden, aber er dürfe kein Paragrayhenmensch sein. Härten seien möglichst zu vermeiden. Anregungen aus der Bürgerschaft habe der Ortsvorsteher, wenn sie brauchbar seien, zu unter­stützen. Bevölkerung und Ortsvorsteher sollen miteinander und nicht gegeneinander arbeiten, dann werde es der Ge­meinde zum Nutzen sein. Mit dem Wunsche für einen ruhi­gen und sachlichen Verlauf der Wahl, an der alle mithelfen sollen, schloß der Redner seine Ausführungen.

Von dem eingeräumten Recht der Fragenstellung an die Kandidaten wurde nur ganz wenig Gebrauch gemacht. Die Schlußworte der sachlich und ruhig verlaufenen Ver­sammlung sprach der Vorsitzende, Sparkassendirektor Walz, der bekannt gab, daß der Eemeinderat beschlosten habe, am Dienstagabend ebenfalls in der Turnhalle eine Wählerversammlung für alle Wahl­berechtigten abzuhalten, um zu dem bei der Kandida­tenvorstellung Gehörten Stellung zu nehmen. Es soll bei derselben eine Probeabstimmung vorgenommen und die engere Wahl unter den Kandidaten getroffen werden. Mit dem Wunsche, daß die Wahl zum Segen der hiesigen Stadt- gemeinde ausfallen möge, schloß der Vorsitzende.

Konzert in der Turnhalle. Es ist immer eine etwas ge­wagte Sache an einem kleinen Platz zu einem reinen In­strumental-Konzert einzuladen aber am Samstagabend war man angenehm enttäuscht über den schönen Besuch des Konzerts. Doch es wäre zu wünschen gewesen, daß noch viel mehr Altensteiger die Gelegenheit benützt hätten, denn nicht oft wird Altensteig das Glück beschieden sein einen Künstler zu hören, wie wir ihn in Herrn Reutter hören durften. (Vielleicht macht er uns eines Tages die Freude und kommt doch noch einmal hierher!) Was soll man nun als Berichterstatter über den Abend schreiben? Herr

so

Geschichte gehört zu haben. Sie hatten sich an unsern Ob­mann gewendet?"

Falkner nickte.

Der Name des Juweliers wurde uns damals genannt. Die Angelegenheit verzeihen Sie erschien uns zu abenteuerlich, als daß wir uns ernstlich damit beschäftigten. Nun sehe ich, es ist Ihnen damit Ernst, bitterer Ernst, ja. Sie suchen sogar den Schmuck bei mir. Es tut mir außer­ordentlich leid, daß ich Ihnen keinerlei Hoffnung geben kann. Ich bin der einzige dieses Namens in unserem Ge­werbe."

Sie können doch unmöglich bei Ihrer Jugend das Ge­schäft schon lange führen?"

Seit drei Jahren."

Und Ihr Vorgänger?"

Ist mein unglückseliger Vater." ^

Falkner schaute fragend auf.

Ja, warum soll ich Ihnen das verschweigen? Er gehört zu den Unglücklichsten der Menschen; er ist seit drei Jahren irrsinnig."

Seien Sie meines aufrichtigen Mitleids versichert. Ich bin Arzt und verstehe mich auf die Behandlung Geisteskran­ker. Könnte ich Ihren Herrn Vater sprechen, vielleicht ent­sinnt er sich doch der bei ihm gekauften kostbaren Perle?"

Das ist ausgeschlossen. Er ist tobsüchtig, sitzt in der Iso­lierzelle und duldet nicht minutenlang eine fremde Person um sich."

Und hat er Ihnen keinen Schmuck übergeben?"

Der Juwelier schüttelte den Kopf.

Gott ist mein Zeuge! Nein!"

Nichts von einem solchen erzählt?"

Nicht das geringste."

Das ist für mich allerdings sehr, sehr niederschlagend. Haben Sie denn nicht irgend einen Beweis für die Rich­tigkeit Ihrer Forderung?"

Doch,doch!"

(Fortietzung folgt./ >