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Aus öen Tannen

Amtsblatt für den eramtsbezirk Nagold un-Altensteig-Sta-t. Allgemeiner Anzeiger für die Bezirks Nagold, Lalrv u.jreudenstad

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M. 178

AUeusteig» Dienstag den 3. August

1926

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Locarno war nach dem llrtttl vor europäischen Staats- «inntt, die dort zusammengetroftLn waren, ein Anfang, a-er om ^verheißungsvoller Anfang", wie es nach der Kon- jNenz r« allen Sprachen den Parlamenten und der gesam­te« Weltöffentlichkeit mitgeteilt wurde. Ein Anfang, der eine neue Aera des VRkerfviedens und Bölk erverjöh nung «mleiten sollte. Vor und nachher ist sehr viel von den Rück­wirkungen des Paktes die Rede gewesen, den man dort zmu Abschluß gebracht hat. Änd gerade diese Rückwirkungen wa­ren ja für Deutschland das Wesentlichste. Die Bilanz fttt- tich, die vor einigen Tagen erst der Minister für die besetzte« tzebiete, Dr. Bell, in seiner Antrittsrede vor der Presse ge­zogen hat, sieht nicht besonders günstig aus. Gewiß, die Kölner Zone ist geräumt, das Delegiertenfystsm ist a-bge-- baut und die zahlreichen Rheinland-Ordonnanzen sind in einem gewissen Umfange gemindert worden. Roch immer aber ist die Vereins- und Versammlungsfreiheit der rhei­nischen Bevölkerung in der empfindlichsten Weife eingeengt, uoch immer hat der Eodex der interalliierten Rheinlaudkom- Mission ka-utfchukartige Bestimmungen, die von den Nach­geordneten Bchörden beliebig ausgelegt werden können und müt denen die Bevölkerung der besetzten Gebiete noch in der letzten Zeit auf das schwerste schikaniert worden ist. Vor allem aber: Roch immer stehen in den beiden südliches Rhoinlandzonen rund 86 000 Mann fremder Truppe«, d. h. LO OOO Mann mehr, als vorher dort waren und 36 000 Mann mehr, als die deutsche Friedensgarnffonsstärke betrug. Hier hat Äst die Räumung der Kölner Zone keine Erleich- iterung, sondern eine große Erschwerung gebracht, und mit Recht weist die führende Presse jener Gebiete darauf hin, Latz sie von den Rückwirkungen st gut wie nichts zu spüren bekomme« haben.

Nun steht die Herbsttagung des Völkerbundes, die den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund bringen soll, vor der Tür. Erft mit dem vollzogenen Eintritt soll bekanntlich das Abkommen von Locarno in Kraft treten, in dem Deutsch­land freiwillig zahlreiche Verpflichtungen übernommen hat, die ihm in Versailles erpreßt worden waren. Es kann daher nicht Wundernehmen, daß die öffentliche Meinung im Reich beunruhigt darüber ist, daß die wichtigsten Rückwirkungen, auf die man in Deutschland nach Locarno gehofft hat, noch immer ansstehen, lleberdies ist durch den Kabinettswechjel iu Frankreich das gesamtpolitische Bild erheblich schlechter geworden, als es vor einem Jahve war. Denn Poincare wird erst noch den Beweis zu liefern haben, daß er auch willens ist, den außenpolitischen Kurs, der vor zwei Jahren gegen Hn durchgesetzt wurde, fortzufetzen- Die neuerliche 'Haltung der britischen Oeffentlichkeit ist für diese Verschlech­terung der gesamtpolitischen Lage der deutlichste Beleg. Denn wahrend in Locarno und auch noch nachher die eng­lische Regierung in allen Rheinlandfragen stets auf deutscher beite M finden war, ist das in den letzten Tagen erheblich anders geworden. In führenden englischen Müttern tauchen bereits Andeutungen darüber auf, daß es Deutschland nicht gelingen werde, noch vor feinem Eintritt in den Völkerbund eine wesentliche Herabsetzung der gegenwärtigen Bosatzungs- stärke zu erreichen. And Chamberkrin hat erst kürzlich im Unterhaus wieder erklärt, daß die Alliierten kerne Ver­pfädung zur Reduzierung ihrer Besatzungstruppen auf die Stärke der deutschen Friedensgarnisonen in Locarno über­nommen hätten.

Für die deutsche Politik liegt hier aber der Angelpunkt des ganzen Locarnoabkommens. Dis deutschen Unterhändler haben seinerzeit in öffentlichen Reden und offiziellen Kund- Sebnngen an die alliierten Mächte der Auffassung Ansdruck gegeben, daß das Zustandekommen der Locarnoverttäge und ler Eintritt Deutschlands in den Völkerbund nur dann einen wirklichen Sinn für das Reich hätte, wenn damit glüHzsitig eine wesentliche Verminderung der Besatzungs- eintrete und das deutsche Volk die Hoffnung hegen !om»e, daß überhaupt in absehbarer Zeit die Alliierten auf die militärischen Garantien zugunsten der moralischen Si­cherheiten, die Deutfchlad zu geben bereit sei, verzichteten. Rur unter dieser Voraussetzung hat die deutsche Oeffentlich- kttt das Abkommen von Locarno anerkannt, und wenn ste forHallen, dann entfällt auch der wesentlichste Grund für Abschluß eines Paktes, der uns im übrigen sehr starke vindungen auferlegt, überhaupt.

Arm wird darauf hingewiesen, daß Deutschland im März bereit gewesen sei, seinen Eintritt in den Völkerbund zu voll­ziehe«, auch ohne daß die erforderlichen Rückwirkungen ein- geireten sind. Mit Verlaub damals lagen die Dinge doch schliesslich noch etwas anders. Der politische Horizont Mcht st bewöW^ wie ,er es jetzt ist. Mr übttaen lst.te

man damals sowohl in Paris wie in London die deutsche Forderung auf Herabsetzung der Rheinlandbesatzung bis zur deutsche« Friedensgarnistnsstärke stillschweigend anerkannt, > die verantwortlichen Politiker im Reich dursten hoffen, daß die Alliierten alsbald nach dem Eintritt Deutschlands kn de« Völkerbund eine wesentliche Herabminderung ihrer Truppen im besetzten Gebiet von sich aus vornehmen wür­den. Rach der Merkwürdigen Haltung Chamberlains aber, die er in der letzten Zeit gezeigt hat, hat die Reichsregierung . allen Anlaß, nunmehr äußerste Zurückhaltung zu üben. Die - öffentliche Meinung im Reich würde es wähl kaum erträg­lich finden, wenn jetzt der Eintritt in den Völkerbund voll­zöge« wmÄe, ohne daß die Reichsregierung bestimmte Ga­rantien für eine weitgehende Herabminderung der Be- fatzsngslasten hat. Auf alle Fälle wird es notwendig sein, zumal wach dem niederschmetternden Ansgang der Ab- rüstungsvorkonserenz, daß diese Krage aus dem bisherige« Hell-dunkel heraus in das klare Licht des Tages gestellt wird. Die deutsche Oeffentlichkeit weiß, welche Lasten Deutschland in Locarno freiwillig auf sich genommen hat. Sie will mm auch wissen, zu welchen Gegenleistungen die Alliierte« bereit stad, damit sie beurteilen kann, ob die Opfer, die Deutschland für seine Befreiung bringeu «M, sich «ich lohne».- - - ---

Neves vom Tage

Ein neuer Aufruf Dr. Wirths Berlin, 2. Ang. Der ehemalige Reichskanzler Dr. W: r th hat sich veranlaßt gesehen, einen neuen Aufruf zu veröffent­lichen, der imBerliner Tageblatt" vollinhaltlich zum Ab­druck kommt. In den Mittelpunkt seines Kampfes gegen die monarchistische Bewegung, die nach seiner Auffassung im ganzen Lande große Fortschritte' gernacht hat, will er si«e republikanische Monatsschrift und eifrige rednerische Pro­paganda mit dem Ziele eines republikanischen Rational- konventes stellen. DieGermania" gibt den Aufruf nur aus­zugsweise wieder und knüpft daran einige kritische Bemer­kungen. Sie verneint vor allen Dingen, daß der Anterba« der republikanischen Staatsform heute gefährdet sei. De« Kampf gehe heute nicht mehr um die Republik als sttche» sondern um die Ausgestaltung unseres Staatswssens auß republikanischer Grundlage. Außerdem weist ste darauf htttz. daß die Republik auch Gegner in ihren eigenen Reihen habe^ Sie erinnert dabei an das Verhalten der Sozialdemokratie in der letzte« Zeit und sagt, die Zurückrevidierung der sozial­demokratischen Taktik in das Gebiet des rein Agitator .)er« habe der deutschen Republik mehr geschadet als die offenen! Angriffe ihrer erklärten Gegner. Ebenst wie das Zentrum jede einseitige Bürgerblockpolitik ablohne, hakte ste de« Grundsatz für falsch, daß nur mit der Linken und immer gegen die Rechte regiert werden müsst, werk auch solch ein« Einstellung nur in eine Verschärfung der Gegensätze ein» miinde und schließlich die Zerreibung des Zentrums herber­führe.

Die süddeutschen Deutschnatioaate« zur rnnerpolitischen Lage München, 2. Äug. In einer stark besuchten Versammlung in München ist die süddeutsche parlamentarische Arbeits­gemeinschaft der Deutschnationalen Volkspartei, die die deutschnationalen Parlamentarier von Bayern, Württem­berg, Baden und Hessen umfaßt, am Sonntag zu der lleber- zeugung gekommen, daß die schlechte Lage der Reichsfinan­zen und der deutschen Wirtschaft, sowie die dadurch begün­stigten offensichtlichen Bestrebungen, die Revolution weiter­zutragen, unbedingt die gemeinsame Abwehrarbeit aller staats- und wirtschaftserhaltenden Kräfte verlangt, zumal über die Kreise der Kommun>isten und Sozialisten hinaus Elemente der Linken, namenlich die internattonal einge­stellte Presse der Bolfchewisierung Deutschlands Vorschub Kisten. Die Arbeitsgemeinschaft begrüßt den mit der Ueber- zeugung weitester nationaler Kreise sich deckenden Aufruf der Herren Freiherr von Gayl und Dr. Jarres und ver­langt, daß das für Staat und Volk lebensnotwendig? Ziel einer geschlossenen 'starken Rechten weder an parteipolitischer Engherzigkeit noch an persönlichen Interessen scheitern dürfe. (Eine entschiedene Ablehnung des Zusammengehens mit der Rechten-ist bereits vonstitsn der Deutschen Volkspartei, dem Zentrum und der Demokratie erfolgt. D. Red-) ^

Die Opposition der deutschen Minderheiten in Pote« Warschau, 2. Ang. Der Senat beritt am Samstag de« ganzen Tag über die Erklärungen des Premierministers B-ariel. Während der Debatte nahm der deutsche Senator Kasbach das Wort und erklärte, daß die deutsche Fraktion gegru die Regierungsvollmachten stimmen werde, weil bi» jeN die HaktuwL der Regier««« m der WmderHtttsstage

unbekannt sei. Er zweifelte daran, daß die Regierung Pil- sudski auch in der Zukunft etwas für die Minderheiten in Polen tun werde. Der Redner erklärte werter, daß die mystische» HoffMunsender polnischen Regierung nie verwirk­licht werden würden.

Der Gesetzentwurf gegen die Heimatou aoüewegurrg i« Etsirß- Lothringe« in der GesetzgebvnJskomrmftfion

Par«, 2. Ang. Die Gesetzgebungskommifsto« der Kammer trar am Samstag zusammen, um mit äußerster Beschleuni­gung has Gesttzgebungsprojekt des Justizminist-ers über die Bekämpfung der Hermatbuwdbewegung i» Elsaß-Lothringen

- durchzuführen. Man erwartet, daß die Abstttmwung über ! dieses Gesetz noch vor Beginn der Ferien «folgen wird.

f Poincares nächste Pläne

^ Paris, 2. Aug. Eine amtliche Bekannmachung, die den s Blättern zugegangen ist, weist darauf hin, daß Poincare l die Absicht habe, den Franken zu stabilisieren. Gleichzeitig wird dementiert, daß Poincare die Ratifizierung der Schul­denabkommen zurückstellen wolle. Allerdings werde man

- erst nach der Regelung der kurzfristigen schwebenden Schul-

- den der eigentlichen Stabilisierung näher treten. Daß das s Schuldenabkommen mit London schon in nächster Zeit vor l das Parlament gebracht werden soll, geschieht offenbar mit s der Absicht, englische oder holländische Kredite zu erlangen, l Die Erhöhung des Zinssatzes der Bons der nationalen Ver- : teidignng und die Erhöhung des Diskontsatzes liegen vor j allem in der Linie dieser gesamten Maßnahmen. Durch s die Erhöhung des Zinssatzes der Verteidigungsbons soll s die starke Flucht auf dieser Kaiptalsanlage bekämpft und s durch die Erhöhung des Diskontsatzes ein Druck auf die i Industriellen ansgeübt werden, ihre Kreditforderungen bei ! der Bank von Frankreich und den übrigen Kreditinstituten

einzuschränken. Gleichzeitig sollen die Industriellen da- k durch zu einer Rückführung ihrer ausländischen Kapitalien s nach Frankreich veranlaßt werdev- ^ Einschränkung der französischen Herbst«? 'ver im Rheiu- ^ land

Berlin, 2. Aug. I« der Presse waren Nachrichten ver­breitet, wonach in der Pfalz zwei kriegsstarke Armeekorps mit Tankgeschwadern zu Manöverübunge« aufgestellt seien und daß Marschall Foch mit seinem Stab den Manövern beiwohnen werde. Nach Mitteilungen von zuständigen Stellen erklären hierzu jetzt die französischen Amtsstsllen in Paris, die Herbstübungen nur als Divisionsmanüver in kleinem Umfang vorgesehen seien.

Briand über die auswärtige Politik des neuen Kabinetts

Wien, 3. August. Der Sonderberichterstatter der Neuen Freien Presse" in Paris hatte eine Unterredung mit Briand über die auswärtige Politik des neuen fran­zösischen Kabinetts. Briand äußerte sich dabei folgender­maßen: Die Aenderung der Regierung bedeutet keine Aen- derung der auswärtigen Politik. Das beweist schon meine Anwesenheit an diesem Platze. Wie hätte ich mein Amt übernommen, wenn ich nicht vollständig sicher gewesen wäre, meine bisherige Politik fortsetzen zu können. Poin­care hat die Regierung übernommen, um die Finanzfrage zu lösen. Ein außenpolitisches Programm, eine Abkehr von der bisherigen Außenpolitik bedeutet der Name nicht. Meine Politik ist die Politik von Locarno und ich kann darauf verweisen, daß ich sogar schon vor der Konferenz von Locarno auf eine Milderung des Rheinlandregimes hingearbeitet habe. Der Rest der Abmachungen, der noch zu verwirklichen ist, wird verwirklicht werden und das wäre vielleicht auch schon geschehen, wenn die französische Regie­rungsbildung nicht die Abwickelung aller anderen Ange­legenheiten verzögert hätte. Freilich ist guter Wille von beiden Seiten erforderlich. Die Politik von Locarno be­deutet eine Politik der Verständigung mit Deutschland und nach meiner festen Ueberzeugung wird ohne eine Annähe­rung zwischen Frankreich und Deutschland das europäische Gleichgewicht nicht wieder hergestellt werden können.

Mosignore Crespi über den Religionsstreik in Mexiko

Newyork, 3. August. WieAssocieted Preß" aus San Antonia (Texas) meldet, ist der aus Mexiko ausgewiesene päpstliche Legat Monsignore Crespi hier eingetroffen. Er erklärte, daß es in Mexiko zu keiner Revolution kommen werde, wenn es der heilige Stuhl vermeiden könnte. Es gäbe zwei Arten zur Beilegung des Streites. Die eine sei ein Kompromiß zwischen den Katholiken und der Regierung in Mexiko und die andere, ein Eingreifen der diplomati­schen Vertreter.