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SchwarzwSlder Tageszeitung „Aus den Tannen"
Lage des Kabinetts hat sich in den letzten 24 Stunden entschieden verschlechtert. Die Widerstände gegen die Finanz- Projekte der Regierung sind im Wachsen begriffen. In parlamentarischen Kreisen verlautet, daß auf Seiten der Linken die Absicht besteht, die Regierung bei der kommenden Finanzdebatte zu stürzen. Hierzu dürften die Gruppen der Linken vielfach Gelegenheit haben, da der Ministerpräsident erklärt hat, daß er bei jedem einzelnen Paragraphen der Finanzprojekte die Vertrauensfrage stellen würde. Der radikalsozialistische Abgeordnete Baretti will schon bei Eröffnung der Freitagsitzung den Antrag stellen, das Recht auf Einbringung von Zusatzanträgen zu den Finanzprojekten auszuheben. Es liegen bereits über 200 Zusatz- und Abänderungsanträge vor, die, falls sie behandelt werden müßten, die Verhandlungen der Kammer außerordentlich ausdehnen würden. Nach der gegenwärtigen Lage scheint es zweifelhaft, ob die Kammersitzung morgen nachmittag stattfinden wird.
Annahme des französischen Regierungsentwurfs für die Finanzsanieruug
Paris, 29. Juli. Der Finanzausschuß der Kammer hat unter Ablehnung aller Vorschläge den Regierungsentwurf mit 19 gegen 13 Stimmen bei einer Stimmenthaltung angenommen. Im Einverstüdnis mit dem Finanzminister wurde dem Entwurf ein Kredit in Höhe von 200 Millionen zur Erhöhung der Pensionen der staatlichen Beamten und Angestellten angefügt, der durch eine Erhöhung der Abgaben auf Alkohol ausgeglichen werden soll. Außerdem hat der Ausschuß zur Durchführung der bereits grundsätzlich angenommenen Erhöhung der Entschädigungen für die Parlamentarier mit 22 gegen 2 Stimmen einen Zusatzkredit für die nächsten 6 Monate des laufenden Jahres in Höhe von 6.900 000 Franken angenommen. Die Entschädigung für die Abgeordneten wird demnach jährlich 45 00Ü Franken betragen. -—
Schnee in den Bergen
Zürich, 28. Juli. Seit gestern nacht schneit es in den Bergen bis tief hinab. Die Neuschneeschicht ging heute vormittag bis auf 1500 Meter Höhe hinunter. Davos meldet 3 Zentimeter Neuschnee.
Schiffbruch dreier Dampfschiffe
San Domingo, 29. Juli. Die drei Dampfer Francs- cimy, Peaceful und Macoria, die sich auf der Reise nach den kleinen Antillen befanden, erlitten Schiffbruch, wodurch zahlreiche Reisende und Mitglieder der Besatzung ertranken.
54 Menschen ertrunken
San Domingo, 29. Juli. Bei dem bereits gemeldeten Untergang dreier Schiffe sind 54 Menschen ums Leben gekommen.
Zur Sturmkatastrophe in Florida Miami (Florida), 29. Juli. Die Besatzung einer Pacht, welche in einem bedauernswertem Zustande zurückkehlte, erzählte, daß fast alle Gebäude 'auf den Bemini-Znseln durch den Sturm zerstört worden seien.
Raubüberfall auf einen Eisenbahnzug Boston, 29. Juli. Ein verwegener Raubüberfall in einem Eisenbahnzuge wurde von zwei Banditen in der Nähe von Station Salisbury verübt. Die Banditen begaben sich zunächst in den Gepäckwagen, warfen sich dann plötzlich mit vorgehaltenen Revolvern auf den Gepäckmeister und raubten dann einige Postbeutel, die insgesamt 65 000 Dollar enthielten. Mit der Beute sprangen sie aus dem fahrenden Zuge und entkamen.
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Aus Sladl und Land.
Altensteig, den 30. Juli 1926.
Amtliches. In den bleibenden Ruhestand tritt der im zeitlichen Ruhestand befindliche Oberlehrer Eötz in Freudenstadt mit dem Ablauf des Monats August.
Uebertragen wurde die Pfarrei Zaberfeld, Dek. Brackenheim, dem Pfarrer Schmoll in Hochdorf, Dek. Nagold.
— Zinsen bei Steuerstundungen. Rach einer Bekanift- »achung der württ. Ministerien des Innern und der Finanzen gelten die vom Reichsfinanzminister neu festgesetzten Höchstsätze für Stundungszinsen auch für Württemberg. Sofern nicht zinslose Stundung gewährt ist, beträgt der Stundungszins also für die Zeit vom 1. April bis 30. Juni 1920 mindestens 5 Prozent und höchstens 7 Prozent, für die Zeit vom 1. Juli 1926 ab mindestens 5 Prozent und höchstens 6 Prozent jährlich und zwar gelten diese Ermäßigungen ohne weiteres auch bei Stundung der in Art. 1, 2 und 7 der Landessteuerordnung genannten Staatssteuern, Gemeindesteuern und sonstigen Geldleistungen. Der Zuschlag für verspätete Entrichtung nicht gestundeter Steuern, der auf X Prozent des Rückstandes für jeden aus den Zeitpunkt der Fälligkeit folgenden halben Monat festgesetzt ist, bleibt unverändert.
— Das Bersorgungswese« in Württemberg. Nach Ausführungen, die Direktor Rotzmann gemacht hat, betrug in der Zeit vom 1. Oktober 1924 bis 30. Juni 1926 der Anfall an neuen Versorgungsauträgen 12 493. Dieser Mehranfall geht parallel mit der der Arbeitslosigkeit, und es zeigt sich dabei, daß viele, die früher Arbeit und Verdienst hatten, auf Versorgungsansprüche verzichteten, daß sie sie jetzt aber infolge der eigenen Not geltend machen. Zurzeit veträgt in Württemberg die Zahl der Kriegsbeschädigten 27 AK, die der Witwen 11590, der Waisen 37 740, der Elternteile 46A, der Elternpaare 1498. Nimmt man die Reichswehr usw. noch dazu, so befaßte sich die Arbeit der Versorgungsbehörden mit rund 100 000 Menschen. Der finanzielle Aufwand hiefür beträgt im Jahre 1926 über 50 Millionen Mark.
— Die Einreise in die Schweiz. In letzter Zeit find zahlreiche deutsche Reichsangehörige wegen Uebertretung der fremden polizeilichen Bestimmungen in der Schweiz bestraft und ausgewiesen worden. Die Einreise in die Schweig zum Antritt einer Stelle auf Grund eines Reisepasses oder mit deinem kleinen Grenzverkehr zugelassenen Ausweis ist nicht Zulässig. Es ist vielmehr zur Arbeitsaufnahme außerdem noch eine besondere Zusicherung der Bewilligung zum Stel- lenantr-itt erforderlich, die unter allen Umständen vor der Einreise durch Vermittlung des zuständigen schweizersiche« Konsulats beschafft werden muß.
— Abspringe« von fahrenden Zügen. Die Unsitte, daß Reifende beim Einfahren von Eisenbahnzügen in die Bahnhöfe bereits die Türen der Abteile öffnen und sogar, bevor der Zug zum Halte« gekommen ist, abspringen, nimmt in der letzten Zeit mehr zu. Ganz besonders kann dies bei Zügen, die vorwiegend dem Berufsverkehr diene«, beobachtet werden. Abgesehen davon, daß sich solche „eilige Reisende" großen Gefahren an Leben und Gesundheit ausfetzen, gefährden sie auch durch ihre Handlungen die auf den Bahnsteigen stehenden Personen. Die Eisenbahn leistet für solche selbstverschuldeten Unfälle keinerlei Schadenersatz. Um dem Unfug des vorzeitigen Türösfnens und Abspringens entgegenzuwirken, werden jetzt von der Reichsbahn bei den hauptsächlich in Frage kommenden Zügen Streifdienste eingerichtet, die die Aufgabe haben, Personen, die durch ihre unbeachteten Handlungen sich und andere in Gefahr bringen, festzustellen und der Bestrafung zuzuführen
Nr. 175
Nagold, 28. Juli. (Gemeinderatssitzung vom 28. Juli.) Für 10 Festmeter Kilben im Anschlag von 269.58 sind 110 Prozent erlöst worden. — Die im Etat 1926 für die Lernmittelfreiheit der Volks- und Uebungsfchule vorgesehenen Mittel von 1000 Mark sind bereits überschritten. Für Rechnung des Etatsjahrs 1927 werden weitere 200 Mark nachträglich verwilligt mit dem Bemerken, daß eine weitere Ueberschreitung des Etatssatzes unter keinen Umständen zugelassen wird. — Freibad. Nachdem das Freibad zur allgemeinen Benützung geöffnet ist, hat das Stadtschultheißenamt eine ortspolizeiliche Vorschrift erlassen, wonach das Baden in der Nagold nur im städtischen Fluß- und Sonnenbad, im städt. Männerbad, im Knaben- und Mädchenbad und in der Seminarbadeanstalt gestattet, an allen anderen Orten aber verboten ist. Im Interesse der Ordnung und zum Schutz der Fischerei und der Wiesen ist dieses Verbot unerläßlich. Der Eemeinderat stimmt zu. — Der Raaf- sche Gemüsegarten sollte durch eine neue Einfriedigung gegen das Freibad vollständig abgeschlossen werden. Da für Heuer keine Mittel mehr zur Verfügung stehen, soll der Zaun etwas ausgebessert und zunächst der eiserne Anschluß zwischen den Vetonsockelpostamenten mit einem Aufwand von 160 Mark durchgeführt werden. — Im Rechnungsjahr 1. April 1925 bis 31. März 1926 hat die Reichspostverwaltung einen Abmangel von 3303.70 -ll für die Postkraftwagenlinie Nagold-Haiterbach berechnet, wovon die Stadtgemeinde Haiterbach 1651.85 zu ersetzen hatte. Die Stadtgemeinde Haiterbach hat an die Amtskörperschaft und an die Stadt Nagold das Ersuchen um Uebernahme eines Teils dieser Kosten gestellt. Nach neueren Vereinbarungen mit der Oberpostdirektion und nachdem auch die unrentablen Arbeiterfahrten weggefallen sind, ist im neuen Rechnungsjahr mit keinem oder keinem erheblichen Defizit zu rechnen, sodaß es sich eben um eine einmalige Beteiligung der Stadt handelt. In Würdigung der besonderen Verhältnisse wird ein einmaliger Beitrag von 250 Mark verwilligt. — Der Staat übernimmt neuerdings wieder seinen Anteil an den Eratialen der Hebammen. Für die 89jährige Hebamme Hafner, die fast 50 Jahre lang die Praxis hier ausübte, wird der städtische Anteil mit 100 Mark zum Eratial verwilligt. — Gegen die Fischzuchtanlage der Herren Braun und Rentschler in Beihingen hat die Stadt als Inhaberin des Wasserwerks im Schwandorfer Tal Einspruch erhoben. Nachdem die Unternehmer sich verpflichtet haben, nur einen Weiher zu füllen und zwar nicht in wasserarmen Zeiten und nur bei Nacht oder Sonntags und den Einlauf so anzulegen, daß nicht mehr als 15 Sekundenliter in den Zulaufkanal einfließen, wird die Einsprache zurückgenommen. — Nichtöffentlich wurden noch einige Gegenstände vorbehandelt. Kleinere Sachen, Schätzungen und Dekreturen bildeten den Schluß.
- Calw, 29. Juli. Die Obstausfichten lassen sich nun in allen Orten übersehen. In den Eäuorten ist der Ertrag gering, der Frost hat eben die meisten Blüten vernichtet; dagegen fällt der Ertrag in den Waldorten recht befriedigend aus. In diesen Orten trat die Blütenentwicklung später ein, sodaß die Frostnacht keinen so großen Schaden anrichten konnte. Der heurige Jahrgang ist ein Fingerzeig dahin, in der Hauptsache spätblllhende Sorten in unserer Gegend zu pflanzen, da diese dem Frost nicht so stark ausgesetzt sind wie frühblühende Sorten. Der Ertrag an Zwetschgen ist befriedigend, die Walnüsse aber sind restlos erfroren. Kartoffeln kommen schon in großer Menge auf den Markt. Sie befriedigen in Güte und Menge. Die Fruchtfelder stehen im allgemeinen sehr schön. Sie reifen der Ernte entgegen. Die Halme stehen
Die köstliche Perle
Original-Roman von Karl Schilling 89) ' (Nachdruck verboten.)
Die Staatsanwaltschaft aber ruhte nicht. Sie wollte Licht in die geheimnisvolle Sache bringen.
Untersuchungen fanden statt. Man nahm Verhaftungen vor. Hel-ers Wirtin wurde einem peinlichen Verhör unterworfen. Helers Freunde und Bekannte mußten vor Gericht aussagen; aber alles war umsonst.
Nur ein Angestellter im Hause des Kommerzienrats erzählte, daß Heler in jener Zeit, da das Mädchen vermißt wurde, freudig aufgeregt gewesen sei und sich gebrüstet höbe, von Frau Kommerzienrat für „treuen Privatdienst" ein ansehnliches Sümmchen erhalten zu haben.
Auch diese Spur verfolgte man. Sie führte in das Haus Wohlbrink.
Man begab sich zu ihm.
In schonender, aber gründlich scharfer Weste nahm man den Kommerzienrat und seine Gattin vor.
Der Kommerzienrat war über diese „gemeinen Verdächtigungen" empört, schalt und drohte mit Beschwerde beim Oberlandesgericht.
Man kehrte sich nicht daran. Aber das Ergebnis blieb auch hier ohne jeden Anhaft. Allerdings stellte sich heraus, daß Heler von Frau Kommerzienrat an jenem Tage wirklich eine Summe Geld — 150 Mark — erhalten hatte, aber lediglich, um für sie damit eine Konfitürenrechnung zu begleichen. Die Nachprüfung ergab die Wahrheit ihrer Aussage.
Nach allen diesen erfolglosen Bemühungen blieb Falkner imd Frau Fertas nichts anderes übrig, als sich in das Unabänderliche zu finden; aber das Bewußtsein, Charlotte lebe und sie könnten ihr nicht Rettung bringen, quälte sie unsagbar und ließ ihnen keine rechte Lebensfreude mehr als möglich erscheinen. Nur die eine Hoffnung blieb ihnen als letzter Trost, daß einmal ein gütiger Zufall ihnen die Spur zur Aufiinduna der Heißgeliebten zeigen werde.
Der Staatsanwalt hatte in den Verhandlungen den Doktor verschiedentlich überzeugen wollen, wie schwankend eigentlich seine Hypothese fei. Es könne doch kein Mensch wissen, was der sterbende Heler in Wirklichkeit hatte sagen wollen. Ließen seine Worte nicht eine ganze Reihe anderer Ergänzungen zu, wie zum Beispiel: Charlotte ist nicht geraubt, ist nicht schuldig, ist nicht von mir gesehen worden, u. a. m.
Aehnliche Gedanken stiegen in letzter Zeit manchmal in Falkner auf, aber sie vermochten nicht, seine starke Hoffnung, daß Charlotte lebe und Heler darum wußte, zum Verlöschen zu bringen.
Indessen hatte die Frühlingsstürme ausgetobt. Der Doktor mutzte ernstlich an feine Reise denken .wollte er nicht in die heißen unangenehmen Tage kommen oder seine Fahrt ganz ausgeben.
Als der Mann der Tat entschloß er sich zum Handeln.
Gewissenhaft wurden die Pläne ausgearbeitet, die Sprache jenes Landes studiert und die wissenschaftlichen Unterlagen zu seinen Unternehmungen gesichert. Unter diesen vielseitigen Vorbereitungen verstrichen schnell die Tage und Wochen.
Endlich war der Tage der Abreise gekommen, ein unfreundlicher kühler Tag.
Frau Fertas ging der Abschied tief zu Herzen. Ihre Tränen wollten sich gar nicht stillen. Ihre liebende Seele erkannte, welch schwere Wochen der Trennung vor ihr lagen. Ach, mit Falkner ging ja alles, ihr bestes Kleinod, ihr einziger Halt ,ihr letzter Trost.
Auch Falkner war in tiefer Bewegung. Immer und immer wieder sprach er ihr tröstend zu und küßte ihre blassen Wangen.
Und dann, ein letztes „Auf Wiedersehen!"
Was würde die Zukunft bringen, Glück oder Leid? Er wollte nicht darüber grübeln.
*
Je weiter ihn der Zug den Heimat entführte, umsomehr sank von ihm die Schwere des Abschieds. - -
Die Fülle der neuen Eindrücke lenkte seinen regen Geist von der Vergangenheit ab, gab ihm neue Lust und neuen Lebenshunger.
Und nun war er in Stockholm, der unvergleichlich schonen Stadt mit ihrer wunderbaren Umgebung, die reizvolle Bilder vor feinen Augen erstehen ließ, der Zentrale historischer Erinnerungen, des Mittelpunktes internationalen Lebens.
Anfangs fühlte sich Dr. Falkner inmitten des flutenden Menschenstromes, dem Eewirre der Straßen und Gassen elend verlassen und Hilfslos, und Sehnsucht nach seinem gemütlichen Stübchen bei der guten Mutter Fertas nahm ihn gefangen.
Aber allmählich schwand seine Befangenheit. Mutig mischte er sich in das Gespräch der Einheimischen und hatte die Freude, nicht nur sie zu verstehen, sondern auch von ihnen leicht verstanden zu werden. Dankbar pries er die Tatsache, daß er seine Sprachkenntnisse nie ganz vernachlässigt hatte.
Sein Reiseprogramm hatte für Stockholm sechzehn Tage angesetzt, die er zum Teil mit darauf verwenden wollte, Erkundigungen nach dem Schmucke seines Vaters, der köstlichen Perle, einzuziehen.
Fast abenteuerlich erschien ihm sein Vorhaben, wenn?r überdachte, daß er als einzigen Anhaltspunkt den Namen des Juweliers ungefähr wußte und als einzigen Ausweis das zierliche Schlüsselchen mit sich führte. Aber ein guter Genius schien über seinem Geschicke zu wachen.
Es war am fünften Tage seines Stockholmer Aufenthaltes. Ein ungewöhnlich schöner Tag war gekommen, warm sonnig und nebelfrei.
Der Doktor hatte sich frühzeitig aufgemacht, um den Tag ^ ganz ausnützen zu können. Wenn irgend möglich, wollte er > das berühmte Museum für archäologische Funde besuchen j das berühmte Museum für archäologische Funde besuchen,! und dann die hygienischen Einrichtungen des neuen Km- derhospitals besichtigen, , /
(Fortsetzung folgt.)