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Nr. 163

wesplan nicht festgesetzt worden. Atan habe zwar ln Lon­don von einer Zahl von 37 Jahresleistungen gesprochen und angenommen, dag dies ein Maximum darstelle. Der Dawes- plan selbst setze die Zahlungen der Jahresleistungen nicht fest. Man müsse diese Lücke ausfllllen. Die französischen Ab­machungen über die Kriegsschulden seien nur gerecht und durchführbar, wenn Deutschland gleichfalls 62 Zahresleistun- gen zahle. Wenn es anders wäre, so würde Frankreich 28 Jahre hindurch seine Verpflichtungen nicht mehr erfüllen «können, da die deutschen Zahlungen wegfielen.

Sechs HiHschläge in Berlin

Berlin, 18. Juli. Infolge der anhaltenden Hitze in den Mittagsstunden wurden 32 Grad Celsius gemessen. Sechs Personen erlitten am Vormittag in Berlin Hitzschläge und mutzten die städtischen Rettungsstellen in Anspruch neh­men. Soweit bisher bekannt, ist kein Fall tödlich verlaufen. 3VV Millionen Franken für den Eiscnbahnbau in Kongo

Paris» 15. Juli. Die Kammer hat heute vormittag das Gesetz angenommen, durch das der Eeneralgouverneur von Französisch-Kongo ermächtigt wird, für die Fertigstellung der Eisenbahnstrecke von Brazzaville zum Ozean 300 Mil­lionen Franken im Anleihewege aufzubringen.

Der türkische Konsul von Hannover in Hamburg vom Hitzschlag getroffen

Hamburg, 15. Juli. Kurz nach der offiziellen Begrüßung des in Hamburg eingetroffenen türkischen Messeschiffes Kara Dem" ereignete sich an Bord des Schiffes ein tra­gischer Unfall. Die Mehrzahl der Gäste hatte soeben de« Dampfer verlassen, als der türkische Konsul von Hannover, Koopmaun, vom Hitzschlag getroffen tot zusammenbrach.

Schwerer Schaden durch eine Windhose

Essen, 15. Juli. Bei einem schweren Gewitter am heu­tigen Nachmittag ging über die Gegend von Eelsenkirchen und Katernberg eine Windhose hinweg, die schweren Scha­den anrichtete. Auf dem benachbarten Flugplatz wurde von einer großen Tribüne des Trabrennvereins, die erst kürzlich erbaut worden war, das Dach fast gänzlich abge­deckt. Die Trümmer des Daches wurden bis 100 Meter weit geschleudert. Die schweren Balken und Eisenträger waren wie Streichhölzer geknickt. Auch von der alten Tribüne wurde ein Teil des Daches abgedeckt. Der Sturm richtete auch in Katernberg an verschiedenen Häusern er­heblichen Schaden an. Auf der Eelsenkirchen-Essener Pro­vinzialstratze wurden ebenfalls die Dächer mehrerer Häu­ser fortgerissen. In einem Wäldchen gegenüber der Renn­bahn entwurzelte der Orkan 2 mächtige Buchen.

Warnung gegen amerikanische Spekulationen in alter deutscher Papierwährung

Newyork, 16. Juli. DieAssociated Pretz" meldet aus Washington: Die deutsche Botschaft erließ eine Warnung gegen die Spekulationen mit Banknoten und Obligationen in der früheren deutschen Papiermarkwährung. Schatzsekre­tär Mellon erklärte, das Schatzamt sei ebenfalls von be­trächtlichen Spekulationen in der alten deutschen Währung, die wertlos sei, unterrichtet. Er sagte weiter, daß die ame­rikanische Regierung nichts unternehmen könne, um denen zu helfen, die ihr Geld derartig angelegt hätten.

Die Unruhen in Kalkutta

London, 15. Juli. Einer ergänzenden Meldung aus Kalkutta zufolge, ist es im Anschluß an die Unruhen vom heutigen Morgen zu zahlreichen Ueberfällen und Messer­stechereien gekommen, bis die Polizei feuerte. Heber 100 Personen wurden ins Hospital gebracht, von denen 8 gestor­ben sind. 60 Personen, zumeist Mohammedaner, wurden verhaftet. Bewaffnete Polizisten ziehen durch das Un­ruheviertel.

Die köstliche Perle

' Original-Roman von Karl Schilling

29) (Nachdruck verboten)

Fertas schwieg, um in nachdenkliches Grübeln zu versinken. O wie gern wollte sie dem Doktor helfen, die Perle war ja sein Eigentum, sein voller Rechtsbesitz.

Nochmals vergegenwärtigte sie sich alle Einzelheiten, Nochmals entsann sie sich der Erzählung. Wohl war seit­dem eine Fülle von Jahren verstrichen, aber so etwas ist ja wie mit Flammenbuchstaben ins Herz geschrieben, so etwas vergißt man nicht, auch nicht in seinen Nebenzügen.

Ja, ja, Falkners Vater hatte die Perle erstanden, da war ihm die Nachricht gekommen, daß er sofort heimkom- men müsse. In der Dringlichkeit der Abreise hatte er nicht gewagt, den kostbaren Schmuck mitzunehmen. Und jener Goldschmied . . .

Frau Fertas grübelte und grübelte . .. was erzählte nur Falkners Mutter von ihm? Ach ja ihr Antlitz heiterte sich auf es sei ein alter grauköpfiger freundlicher Herr gewesen. Aber sein Name, sein Name? Ganz dunkel stieg in ihr die Erinnerung auf, als habe ihr damals die Er­zählerin auch dessen Namen genannt.

Mit höchstem Interesse schaute der Doktor ihrem Mie­nenspiele zu.

Wo mochte in ihrem Gedächtnisse nur das verlorene Wortbild ruhen? Au einmal atmete sie befreit aus. Ihre Augen leuchteten, und freudige Glut übergoß ihr noch immer bleiches Antlitz.

Waberson oder Waterson!" rief sie laut. Ja, ja, so ähnlich mußte der Name jenes Juweilers lauten.

Auch Falkner jubelte. Er wiederholte lachend das Wort und schrieb es dann eiligst in sein Taschenbuch. Nun, es war doch ein Klang, ein Etwas, und war es noch so klein, noch so ungewiß, vielleicht konnte es ihm einst doch Ret­tung und Hilfe bringen.

Ein inniges Dankgefühl gegen Frau Fertas stieg in ihm aus. Ihr verdankte er ja überhaupt die Kenntnis je-

Aus Stadl und Land.

Altensteig,'den 16. Juli"l926?'

Schwerer Wolkenbruch u. Wolkenbruchschäden bei und um Ebhausen.

Der gestrige Donnerstag, der morgens einen prächtigen Sommertag versprach, wurde ein Eewittertag ersten Ranges. Nachdem es gegen mittag zwischen dem Enztal und Nagoldtal gewitterte, ging schließlich um 1 Uhr in Ebhausen und Umgebung ein Wolkenbruch nieder, der besonders das Mindersbacher Täle vor bedeu­tende Wassermassen der Nagold zusandte und die Wiesen zwischen der Nagoldtalstraße und der Nagold unter Wasser setzte. Die Fahrt des Zuges, der in Nagold um 12,40 Uhr mittags abging, erlitt unterwegs dadurch eine kurze Un­terbrechung, daß Schlamm und Steine vom Bahndamm beseitigt werden mußten. Dieser Wolkenbruch sollte aber nur ein kleines Vorspiel zu einem ungeheuren Wolken­bruch sein, der etwa um 6 Uhr abends einsetzte und zwi­schen Ebhausen, Ebershardt, Rotfelden, Pfrondorf mit unbedeutendem Hagelschlag niederging, während Wart, Altensteig, Berneck und Walddorf nur er­heblichen Gewitterregen mit elektrischen Entladungen zu verzeichnen hatten. Die Wirkung dieses Wolkenbruches war eine ganz ungeheuere. Auf den Ort Ebhausen wälzten sich in der Richtung von Ebershardt und Rotfelden her plötzlich gewaltige Was­sermassen, die Keller, Scheunen, Werkstätten und Lä­den schnell mit Wasser füllten. Es mußte die Feuer­wehr alarmiert werden, die alle Hände voll zu tun hatte, um zu helfen. Das Vieh mußte vielfach aus den Ställen getan und die unteren Räume der Häuser geräumt werden. Keller mußten ausgepumpt und die Fässer ge­sichert werden. Das oben am Weg nach Rotfelden stehende drittletzte Haus des Taglöhners Jakob Friedrich Braun, der mit seiner Familie in den Heidelbeeren war und bei dem nur ein 17jähriges Mädchen zu Hause war, hatte einen bedeutenden Anprall der Wassermassen auszuhalten, die von den Feldern von Rotfelden herkamen. Es stürzte hin­ten die Böschungsmauer ein und der Hang rutschte gegen das Haus und drückte die Wand des angebauten Schopfes ein. Als das Haus zu zittern begann, flüchtete das Mäd­chen zuerst in den Keller, den sie natürlich schnell wieder verlassen mußte. Das Haus mußte vor dem Einfallen ge­stützt werden. Der Mülbach, der in der Richtung von Ebers­hardt und Rotfelden herfließt und sonst unbedeutend ist, war ein reißender Strom, der ungeheuere Wassermassen, Schlamm, Schutt und Steine in den Ort schwemmte und zwischen Lamm, Waldhorn und Kaufmann Rall absetzte. Der Laden, das Magazin und die sonstigen Parterre­räume des Kaufmanns Rall standen etwa einen halben Meter tief im Wasser. Der Keller füllte sich schnell. Vor dem Rall'schen Hause wurden zwei Meter dort lagerndes gespaltenes Buchenholz abgeschwemmt. Auch hinter dem Rall'schen Haus liegende Häuser am Mühlbach standen tief im Wasser und die Bewohner kamen in größte Not. Ebenso war es bei sonstigen Häusern an der Hauptstraße. Aehnlich ergoß sich ein Strom durch das Mühlgäßle bei Wirt und Bäcker Wurster hinab, das heute noch ganz lustig herunter­plätschert. Die größte Ueberschwemmung gab es aber oberhalb Ebhausen, am Erundgraben, der neben dem Steinbruch in die Nagoldstraße einmllndet und zu ge­wöhnlichen Zeiten kein Wasser führt. Dort schoß das Was-

nes Geheimnisses. Eifrigst wollte er nun dessen Enthül­lung nachstreben; denn die gegenwärtigen Verhältnisse seines Lebens stiegen drohend vor ihm auf er brauchte den Schmuck, er mußte Geld geben, mitheute waren ja die Hauptsäulen seiner Existenz zusammengebrochen.

Ob er Frau Fertas von dem Ereignis seiner Entlobung Mitteilung machte?

Das Herz war ihm so voll, es drängte ihn, Rat und Trost einer mitfühlenden Seele zu vernehmen.

Da die Schritte! Die Türe wurde hastig geöffnet. Charlotte trat herein. Ihr Antlitz war hocherregt; ihre Hand hielt ein Zeitungsblatt, ihre Stimme zitterte.

Mutter, Mutter, denke dir nur_!"

Da gewahrte sie den Doktor. Ihre Worte versanken zu einem undeutlichen Murmeln.

Besorgt stand die Mutter auf und ging ihrer Tochter entgegen:

Um Gott, Charlotte, was ist dir? Du bist ja ganz ver­stört?"

O Mutter!"

Was ist dir? Fasse dich, erzähle!"

Aber nur ein Stöhnen rang sich aus des Mädchens Munde.

Ich kann nicht, Mutter, ich kann nicht!"

Matt und abgespannt sank sie auf den Stuhl nieder. Ein tiefer Seufzer, dann kamen Tränen, heiß und unaufhalt­sam.

Nun hatte sich der Doktor erhoben. Sorge packte ihn. Fräulein Charlotte, Sie sind krank. Beruhigen Sie sich! Sie haben sich aufgeregt. Hat Ihnen die Zeitung so Schweres verkündet?"

Die Zeitung? Ja, ja!" Charlotte schrie es fast auf. Aber ihre Hand umkrampfte das Blatt.

,Nein, Sie dürfen es nicht lesen. Es ist zu häßlich, es ist - zu schlecht!"

Aufs neue suchte sie das Blatt zu verbergen.

Aber der Doktor blieb fest.

Charlotte! Es ist meine Pflicht als Arzt und Freund,

ser in ganz ungeheuren Massen zu Tal, alles mit sich rei­ßend: Erde, Steine, Holz usw. Der Zug Nr. 13, der Eb­hausen um 6,26 Uhr abends passierte, konnte, schon tief im Wasser, gerade noch diese Stelle vor dem Hauptstoß des Wassers durchfahren. Der letzte leere Wagen wurde aber von den Wassermassen

aus dem Geleise gerissen

und brachte den dichtbesetzten Zug noch zum Stillstand zum Entsetzen der Passagiere, die nun nicht mehr weiter konn­ten. Da auch keine Aussicht vorhanden war, den Wagen in dem zunehmenden Wasser und Schlamm bald wieder flott zu machen, so mutzten die Reisenden, die zum Teil von einer Hochzeit vonRohrdorf heimkehrten und teils in die Hinte­ren Waldorte mußten, teils zu Fuß nach Altensteig gehen. Bald trafen aber Autos von Altensteig her ein und beför­derten die Leute dorthin. Der Zug konnte schließlich mit anderthalbstllndigem Aufenthalt wieder flott gemacht wer­den und traf in Altensteig gegen halb 9 Uhr ein. Die Nagoldtal st raße war schließlich in Ebhausen für Eisenbahn, Auto- und Wagenverkehr ganz unpassierbar und gesperrt, sodaß man nur von Ebhausen nach Nagold und von oberhalb Ebhausen nach Altensteig die Straße passie­ren konnte, wo sich auf Bekanntwerden der Wolkenbruch­katastrophe bald ein ungeheurer Verkehr zu Fuß, mit Rä­dern und Autos entwickelte. Von Altensteig wurde sei­tens der Postverwaltung der Verkehr nach Nagold über Egenhausen, Oberschwandorf, Jselshausen u. später über Walddorf-Rohrdorf geleitet und die Post­verbindung intakt gehalten. Die Passagiere der Bahn, die mit dem 7 Uhr-Abendzug nach Nagold wollten, er­reichten freilich trotz Einstellung der Postautos die Ver­bindung in Nagold nicht mehr. Wenn die Leute in Eb­hausen den Ernst der Situation noch nicht recht erfaßten, als der Zug nach Altensteig in Ebhausen stehen blieb, so wuchs doch die Gefahr ständig und wurde so groß, daß man auch die Autospritze von Nagold zu Hilfe rief, die um halb 12 Uhr nachts anrückte und die Pumpe einsetzte. Für Ebhausen war die letzte Nacht eine recht sorgenvolle und man sah es heute vielen Bewohnern an den Gesichtern an, was sie durcherlebt haben.

Heute früh bot Ebhausen auf der Straße vom Steinbruch bis zum Waldhorn ein furchtbares Ueberschwemmungsbild. Ganz ungeheure Erd-, Schlamm- und Steinmassen lagerten auf der Talstratze und dem Bahndamm mit kurzen Unter­brechungen vom Steinbruch vor Ebhausen bis in die Nähe des Waldhorns. Am ärgsten ist es beim Steinbruch, wo der Erundgraben ungeheure Massen von Erde und Steinen absetzte. Es dürften da ungefähr 120150 Kubikmeter Ge­röll auf der Talstraße und dem Bahndamm gelegen haben und viele Hände und Fuhrwerke, sowie Eisenbahnwagen waren unter der Leitung der Beamten der BetriebPi- spektion Calw damit beschäftigt, die Schuttmassen abzu­führen und die Bahnlinie so schnell wie möglich freizu- machen. Die Bahnlinie konnte nach eifriger Arbeit um. halb 10 Uhr freigemacht werden, sodaß der um 9,20 Uhr vormittags hier abgehende Zug wieder fahrplanmäßig verkehren konnte, allerdings langsam und mit großer Vor­sicht Ebhausen passierend. Der durchgehende Auto- und Fuhrwerksverkehr war heute vormittag noch nicht möglich. Auch zwischen Traube und Waldhorn lagerten große Erd- und Schlamm-Massen. Ueberall ist man heute vormittag beschäftigt, die Häuser, Scheunen und Werkstätten von Wasser, Schlamm und Erde zu beseitigen. Der Schaden, der hauptsächlich die Gemeinde Ebhausen und Teile seiner Einwohner getroffen hat, ist ganz erheblich und fordert besonders von der Gemeinde große Aufwendungen. Der

Ihnen zu helfen. Das kann ich nur, wenn ich die Ihres Kummers weiß. Was ha't Sie so unglücklich gemacht?,

Sie barg aufschluchzend ihren Kopf in der Hand.

O Gott... Sie dürfen es nicht lesen!"

Da entwand er ihr das Blatt.

Die Zeitung ist öffentlich. Da ist kein Vertrauensbrnch, wenn ich mich orientiere, was Sie so verstört hat."

Er versuchte zu lächeln, doch seine Züge versteinerte» sich, sein Gesicht wurde blutleer.

In großen Lettern fand er jene Anzeige gedruckt, die der Kommerzienrat der Zeitung hatte überweisen lasse«. An ausfälligster Stelle stand zu lesen, was er wie ein scheues Geheimnis hütete.

Gemein!"

Nur das eine Wort stieß er heraus, aber seine ganze Verachtung, sein ganzer Zorn, seine ganze Empörung, sein ganzer Schmerz lag darin.

Da richtete sich Charlotte auf.

Lieber, guter Herr Doktor, trösten Sie sich. Wir wissen ja, Sie sind unschuldig. Wir wissen es und alle, die Ihre« edten Charakter kennen."

Nun war auch Frau Fertas näher getreten. Jetzt las auch sie das Gräßliche. Die Buchstaben drohten vor ihre« Augen zu verschwimmen. Sie mutzte sich setzen. Sie ver« mochte das, was dort stand, nicht zu fassen.

,Zeodor! Ist das möglich? Wie konnte das geschehen? O, du Armer?"

So viel Teilnahme, so viel Schmerz und soviel Liebe lag in dem Ton ihrer Stimme, daß es den Doktor berührte, als striche eine milde Mutterhand in tröstender Zärtlichkeit über all sein Weh.

Er legte das Blatt weg.

Seine Augen umflorten sich. Doch als er die ängstliche-, flehenden Blicke Charlottens auf sich ruhen fühlte, faßte er sich.

Klar und bestimmt erklangen seine Worte. . ,

(Fortsetzung folgt.)