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Amtsblatt für den Gbsramtsbezirk Nagold und Altenstrig-Stadt. Allgemeiner Anzeiger für die Bezirks Nagold, Lalw u.jreudsnstadt
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Altensteig. Freitag den Ist. Juli
1926
Der englische Streik
Selten hat es ein so gutes Beispiel dafür gegeben, wsi- Lohn- und Arbeitszeitstreitigkeiten nicht durch Streik ausgetragen werden sollen, wie es der englische Bergarbeiter- streik zeigt. Nicht weniger als eine Million Bergarbeiter befinden sich jetzt schon im dritten Monat im Ausstand und bis Mitte vorigen Monats waren bereits 1,6 Millionen Arbeiter durch die Auswirkungen des Kohlenstreiks erwerbslos geworden. Noch immer gehen die Betriebsstillegungen in England mit großen Schritten vorwärts, obwohl sich die englische Regierung eifrig bemüht, Feuerungsmaterial nach England hereinzuholen, damit die von der Kohle abhängigen Unternehmungen Weiterarbeiten können. Aber das wird nur in mäßigem Umfange möglich sein, da die Basis der gesamten Wirtschaft, die Eisen- und Stahlproduktion so gut wie gar nicht mehr vorhanden ist. Wir befinden uns jetzt bereits im Juli, können aber schon für Mai feststellen, daß wegen der ausgebliebenen Kohlennachschübe die Eisenproduktion auf ein Sechstel der Aprilgewinnung, auf 96 600 Tonnen, reduziert werden mußte, während die Stahlerzeugung noch weiter eingeschränkt wurde, nämlich aus 46 000 Tonnen, das sind 7 Prozent der Aprilproduktion. Sah sich diese Industrie schon im Mai zu starken Einschränkungen gezwungen, obwohl bestimmt anzunehmen ist, daß sie sich angesichts des seit Monaten drohenden Kohlenstreiks mit Feuerungsmaterial auf lange Zeit hinaus eingedeckt hat, dann ist für Juni ein weiterer Rückgang, für Juli vielleicht ein völliges Versacken der Ersen- und Stahlproduktion zu erwarten.
^ Hand in Hand damit haben sich bei der weiter verarbeitenden Industrie die Läger geleert, sodatz hier bereits eine Nachfrage nach kontinentalem Roheisen und Halberzeugnis- ssen sich bemerkbar macht. Daher auch das leichte Anziehen der Preise in Frankreich und Belgien, die mit Hilfe ihrer entwerteten Valuta jetzt ein gutes Englandgeschäft machen. Alle übrigen von der Eisenindustrie bezw. der Kohle direkt abhängigen Betriebe müssen zu immer größeren Feierschichten schreiten. Die Werstindustrie z. B. liegt völlig still, weil es unmöglich ist, Baumaterial zu erhalten. Aehnlich ergeht es der gesamten Maschinenindustrie. Wie gering die Verarbeitungsmöglichkeiten in England zurzeit sind, zeigt auch die Einfuhrstatistik. Nicht weniger als für 21,3 Millionen Pfund Sterling wurden im Mai weniger eingeführt als im Juni, nur deswegen, weil die englische Industrie diese Einfuhr, die sich hauptsächlich aus Rohstoffen zusammensetzt, nicht verarbeiten kann. Der Gesamtschaden wird sich aber erst lange nach dem Streik überblicken lassen, wenn man sich «in Bild davon machen kann, in welchem Maße die bisherigen Bezieher englischen Eisens und Stahls und englischer Maschinen sich den amerikanischen oder kontinentalen Produkten zugewandt haben. Daß von diesen Seiten aus alles unternommen wird, die englischen Bezieher auf lange Zeit an sich zu fesseln, ist ganz selbstverständlich.
Bei der Kohle liegen die Dinge womöglich noch schlimmer. Die großen Absatzgebiete Belgien, Frankreich, Deutschland, Skandinavien, Südamerika, Italien, Spanien und die Mittelmeerstaaten sind vorläufig eine leichte Beute der übrigen Kohlenproduzenten geworden. Namentlich Amerika begnügt sich nicht damit, in Südamerika zu bleiben, sondern auch scharf nach Europa vorzudringen und hier namentlich der deutschen Kohle, die fetz. überall gefragt ist, Konkurrenz zu machen. Bisher scheinen die Amerikaner allerdings der deutschen Kohle gegenüber nur geringe Erfolge aufweisen zu können, aber auch diese nur in schwer erreichbaren Gegenden, Holland und Skandinavien dagegen werden gegenwärtig von der deutschen Kohle beherrscht, die natürlich überall versucht, langfristige Verträge abzuschließen. Wenn auch Mich keine neuen Zahlen über die deutsche Kohlenausfuhr vorliegen, so weisen doch die Vergleichsziffern April/Mai, also zu einer Zeit, da alles noch reichlich mit englischer Kohle »ersehen war, schon ein erfreuliches Anziehen der Ausfuhr ?uf, Nach Holland gingen im April noch 628 000 Tonnen, im Mai aber schon 760 000 Tonnen. Für Juni wird allein von dem Rotterdamer Hafen behauptet, daß dort 2 Millionen Tonnen Ruhrkohle zur Verladung kamen. Skandinaviens Einfuhr aus Deutschland stieg von 98 000 Tonnen rm April auf 179 000 Tonnen im Mai.
, Das alles sind erfreulickie Erscheinungen, die umso mehr ms Gewicht fallen, als der notleidende deutsche Bergmann aus ihnen in starkem Maße profitiert. Er hat es mit Recht abgelehnt, sich für die Engländer ins Unglück zu stürzen und m Sympathiestreiks einzutreten oder gar die Kohlenausfuhr M verhindern. So ist es jetzt gelungen, die ungeheure Zahl v« Leierschichts«. di« doch um Lobnausiaü kr acht««, i»
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großem Umfange zu beseitigen und darüber hinaus noch in r einzelnen Bezirken daran zu gehen, stillgelegte Gruben wie- - der in Betrieb zu nehmen und die entlassenen Bergarbeiter , wieder einzustellen. ^
Ser neue deutfch-schiveizerW Handel;-! vertrag z
Der in Bern Unterzeichnete neue deutsch-schweizerische ! Handelsvertrag lehnt sich unter Berücksichtigung der Fassung l anderer neulich abgeschlossener Handelsverträge im wesent- ! ilichen an den alten Handelsvertrag an. Insbesondere sind § Vereinbarungen über die gegenseitige Meistbegünstigung ge- - troffen worden. Eine Aenderung liegt u. a. insoweit vor» i als der gegenseitige zollfreie Veredelungsverkehr, der be- j sonders im Stickereiveredelungsverkehr zu erheblichen Be- t fchwerden Anlaß gegeben hatte, wegfällt. Soweit beiderseits z ein zollfreier Veredelungsverkehr mit Textilwaren noch ge- k handhabt werden soll, sind hierüber besondere Erklärungen f Über die künftige autonome Handhabung in einem Noten- k Wechsel ausgetauscht worden. Bei den gegenseitigen Tarif- > abreden hat auf deutscher Seite der abgeänderte, jetzt gül- ! ftge Zolltarif als Grundlage gedient, auf schweizerischer , Seite der Cebrauchstarif vom 8. Juni 1921 und der noch l nicht in Kraft gesetzte vorläufige Eeneralzolltarif vom 6. f November 1928. Von wichtigen schweizerischen Zollzugeständ- s Hissen find u. a. zu nennen: Zollvereinbarungen für Kar- l toffelwalzmehl, Saatkartoffeln, Bier, Bindungen und Herab- s setzungen der Zölle für einzelne Warengruppen der Leder- s brauche, der Holz- und holzverarbeitenden Industrie sowie z der Eisen- und der Metallindustrie. Gebunden wurden die f Zollsätze für einzelne Warengruppen auf dem Textilgebiet, ferner die wichtigsten Zollsätze bei der Maschinenindustrie, insbesondere Textilmaschinen, Haus- und landwirtschaftliche Maschinen sowie für eine Reihe von pharmazeutischen Präparaten, für Farben und chemische Hilfsstoffe zum gewerblichen Gebrauch. Die deutschen Zugeständnisse sehen auf dem landwirtschaftlichen Gebiet insbesondere Herabsetzungen des Zolles für Käse und eine Ermäßigung des Zollsatzes für r Schokolade vor. Entsprechend dem starken Exponinteresse, ! das die Schweiz an der Einfuhr von Textilwaren nach ^ Deutschland hat, haben auf dem Gebiete der Textil- und ! Bekleidungsindustrie wesentliche Herabsetzungen der Zoll- > sätze, insbesondere auf dem Gebiet der Seidenindustrie, statt- i gefunden. Bei der Bemessung der entsprechenden Zollsätze « wurden jedoch zwei Staffeln vorgesehen, deren zweite erst f am 1. Januar 1928 in Kraft treten soll. Auch wurden die s Zollsätze für Uhren und Instrumente herabgesetzt. r
Der Handelsvertrag wird dem Parlament bei seinem Wie- - derzusammentritt vorgelegt werden, sodaß er wahrscheinlich ^ erst am 1. Januar 1927 in Kraft treten wird. Er wird we- s sentlich dazu beitragen, die Handelsbeziehungen zwischen r Deutschland und der Schweiz zu festigen. Der Vertrag steht ! zwar eine Reihe von Zollherabsetzungen für wichtige schwei- s zerische Exportwaren vor, er eröffnet aber auch dem deut- k scheu Exporthandel die Möglichkeit, zu niedrigeren Zöllen ! als bisher und unter der Gewähr, daß der deutsche Export « von den Zollerhöhungen des vorläufigen schweizerischen Ge- s neralzolltarifs nicht getroffen wird, Geschäfte zu machen, k Damit wird namentlich eine Förderung der süddeutschen i Exportindustrie verbunden sein, die von jeher die Schweiz l als ihr besonderes Absatzgebiet betrachtet hat. :
Neues vom Tage. i
Stapellauf von drei deutschen Zerstörern !
Wilhelmshaven» 15. Juli. Auf der Marinewerft in f Wilhelmshaven liefen heute die Zerstörer Greif, Seeadler ! und Albatros glücklich vom Stapel. Die Taufrede hielt » Vizeadmiral Bauer. r
Die Beschäftigung ausländischer Arbeiter in Deutschland s
Berlin, 15. Juli. Verschiedene Blätter bringen Aus- ; führungen über die Beschäftigung ausländischer Arbeiter i in Deutschland, wonach 840 000 ausländische Arbeiter in s Deutschland beschäftigt seien, die tatsächliche Zahl sogar 1 s Million und darüber betrage. Wie zu diesen Angaben rich- s tigstellend mitgeteilt wird, waren im Jahre 1926 in ganz s Deutschland insgesamt 278 000 ausländische Arbeiter zur ' Beschäftigung zugelassen oder im Besitze eines Befreiungsscheines. Davon entfielen auf die Landwirtschaft 148 000 > und auf die Industrie 130 000. In diesen Zahlen sind ein
begriffen auch Arbeiter in Ländern, die ein Legitimationsverfahren nicht kennen, da die Einstellung und Beschäftigung ausländischer Arbeiter im ganzen Deutschen Reich einer behördlichen Genehmigung bedarf. Hervorgehoben wird noch, daß die erwähnte Zahl von 130 000 Industriearbeitern etwa zu 70 Proz. aus Deutschstämmigen besteht, die nur bedingt als Ausländer anzusehen sind. Die Zahl der 278 000 in Deutschland beschäftigten ausländischen Arbeiter ist allerdings höher als es der gegenwärtigen Höhe des Arbeitsmarktes entspricht. Doch sind das Reich und die Länder bemüht, eine wesentliche Senkung dieser Zahl herbeizuführen.
Eine Note der Reichsregierung an Polen
Berlin, 15. Juli. Die polnische Regierung hat durch ein Gesetz vom 14. Juli 1920 in allen nach dem Waffenstillstand geschlossenen Verträgen das durch den Art. 256 des Versailler Vertrages ihr zugesprochene deutsche Reichs- und Staatseigentum für nichtig erklärt und auch den aus älterer Zeit stammenden Pachtverträgen über Staatsgrundstücke di« Anerkennung verweigert. Auf Grund dieser Vorschrift hat sie 4036 Ansiedlungsgüter, die nach dem 11. November 1918 von der preußischen Absiedlungskommission an Ansiedler aufgelassen worden waren, als polnisches Staatseigentum behandelt und 219 Domänenpächter unter Beschlagnahme ihres Gesamtinventars ohne Entschädigung vertrieben. Ebenso hat sie den Verträgen, wodurch die Ansiedlungskommission alle ihre Rentenrechte an Gütern im abgetretenen Gebiet der Danziger Bauernbank übertragen hatte, die Anerkennung verweigert. In seinem am 25. Mai 1925 verkündeten Urteil, in dem die Beschlagnahme des Stickstoffwerkes in Chorzow in Ostoberschlesien für unzulässig erklärt wird, hat nun der ständige internationale Gerichtshof im Haag Grundsätze ausgestellt, die nach deutscher Auffassung die Aufrechterhaltung des polnischen Standpunktes sowohl hinsichtlich des Eigentums der Siedler und Domänenpächter, wie hinsichtlich der Rentenrechte unmöglich machen. In einer dieser Tage durch die deutsche Gesandtschaft in Warschau überreichten Note ist der polnischen Regierung jetzt vorgeschlagen worden, über die Auswirkungen des Urteils baldigst in diplomatische Verhandlungen einzutreten.
Au den Noten der Militärkontrollkommiffion
London, 16. Juli. Zu der Frage der Abrüstung und der militärischen Kontrolle in Deutschland schreibt der diplomatische Korrespondent des „Daily Telegraph" u. a.: Da man in London einen neuen Streit zwischen Deutschland und den Alliierten über die Einzelheiten der militärischen Kontrolle und der Abrüstung für sehr unzeitgemäß hält, hofft man, daß Deutschland die ihm von dem Vorsitzenden der Kontrollkommission übersandten Noten ohne jede Gereiztheit aufnehmen werde. In London ist man der Meinung, daß die Behandlung dieser Frage überhaupt hätte solange verschoben werden sollen, bis Deutschland Mitglied des Völker- Lundsrates geworden sei. Jetzt besteht leider die Möglichkeit, daß die deutsche Regierung unter dem Druck der öffentlichen Meinung an einer zweckmäßigen Behandlung der Frage behindert wird.
Baldiger Abschied der Kontrollkommission?
Paris, 15. Juli. Wie Havas berichtet, hat beim Empfang in der französischen Botschaft in Berlin anläßlich des Nationalfestes der Vorsitzende der Interalliierten Militärkontrollkommission, General Walch, darauf hingewiesen, daß feine Kommission in Bälde nach Frankreich zurückkehren werde. (Die Botschaft hör ich wohl» allein mir fehlt der Glaube. D. R.)
Besprechungen über die Beilegung des Kohlenarbeiterstreiks
London, 16. Juli. Der Generalgewerkschaftsrat hat den Vollzugsausschuß der Bergavbeitergewerkschast für heute zu einer Besprechung der Lage eingeladen. Wie verlautet, wird man sich u. a. auch mit der Frage beschäftigen, ob keine Möglichkeit für eine Wiederaufnahme der Verhandlungen
besteht. _ - - -——
Deutschland soll Frankreichs Schulde« bezahlen
Paris, 16. Juli. Von französischer Seite wird in letzter Zeit mit allen Mitteln versucht, den Zusammenhang zwischen den deutschen Zahlungen aus dem Dawesplan und den französischen Schuldenzahlungen zu konsbuieren, den die Engländer bisher nur teilweise zugegeben, die Amerikaner jedoch entschieden abgelehnt haben. Man sucht mit allen Mitteln zu einem Zustand zu kommen, bei dem tatsächlich nicht Frankreich, sondern Deutschland die Amortisation und die Zinsenzahlung der französischen Schulden zu übernehmen hätte. Sauerwein kommt heute im „Matin" auf den Gedanken, die Gesamtheft der deutschen Leistungen sei im Da-