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Schwarzwälder Sonntagsblatt
Nr. 28
Maienröslein, kehr dich dreimal um,
Laß dich beschauen rum und rum!
Maienröslein komm im grünen Wald hinein!
Wir wollen alle lustig sein.
So fahren wir vom Maien in die Rosen.
Im mährisch-schlesischen Gebirge wird ein lustiges Hochzeiterlied gesungen:
Ich pflückte mir die Röslein Und band mir einen Kranz,
Ich steckt ihn auf mein' Federhut Und ging zum Bräutigamstanz.
Ein vogtländisches Lied singt:
Ei, wenn doch mein Schatze!
A Rosenstock wär,
So setzt ich'n vors Fenster,
Vis er aufgebläht wär!
Und in Süddeutschland jauchzt man:
Rosenstock, holder, blüh,
Wenn i mein Dirndl sieh,
Lacht mir vor lauter Freud 's Herzel im Leib.
Auch in unserer heutigen Zeit, die uns Blumen aller Art in den seltensten Formen und Farben brachte, bleibt doch die Rose die Königin. Nichts vermag sie von ihrer stolzen Höhe zu verdrängen. Paläste und Hütten umblüht und umduftet sie, und es gibt kein Fest und keine Freude, wobei nicht Rosen zu finden sind. Gärtnerische Kunst hat wunderbare Arten entstehen lassen, die früher noch niemand ahnte und kannte; aber darum bleibt die Heckenrose doch immer schön und lieblich, und die reine Zentifolie kann es mit jeder veredelten Rose aufnehmen.
War das ein Duften und Blühen zur Zeit der Rosen in meinem väterlichen Garten. Ein Blick von den Fenstern des Hauses hinab, und man glaubte, in ein Rosenmeer zu schauen. Da gab es rote Strauchrosen, deren Knospen man vor Sonnenaufgang pflücken mußte; denn sobald der erste warme Strahl ihren Kelch öffnete, zerflatterte die Pracht. Es waren die Eintagsfliegen. Um ihre Sträucher lagen die Blätter wie rotes Blut. Die weißen Rosen mit den tiefgefüllten Kelchen leuchteten wie frischer Schnee unter all den flammenden Farben. Stolz reckte die üppige La France ihr Haupt empor, die gelblichen und rosa Porzellanrosen saßen so steif an ihren Stöcken, als seien sie von Menschenhand geformt, und nur die blaßgelbe Marschall-Niel, die schönste von allen, hing mit leicht gesenktem Köpfchen am Stock, als sei sie von ihrem eigenen Duft berauscht. Knospe auf Knospe kam und brach auf, den ganzen, lieben Sommer lang. Waren auch die Nächte im Spätherbst schon so kühl, daß die Blüten schwer vom Tau morgens an ihren Stöcken hingen, sie blühten weiter, bis der erste Frost der Pracht über Nacht ein Ende machte. Dann nahmen wir die letzten, oft schon ein wenig schwärzlichen, Knospen ins Zimmer, stellten sie sorgfältig in Wasser, nach ein paar Tagen tat sich ihr Kelch auf; und während draußen die Herbststürme ums Haus tobten und die letzten Blätter von den Kastanien fegten, blühte in unseren warmen Stuben noch einmal ein kurzer, köstlicher Sommer voll Duft und Farbe, ehe der Winter und der Schnee kamen.
Charlotte vo« Schiller
Zu ihrem 106. Todestag am 9. Juli
Am 9. Juli 1826, vor hundert Jahren, starb zu Bonn, fast erblindet, die sechzigjährige Gattin unseres Dichterfürsten Schiller, Charlotte, die mit ihrem Mädchennamen von Lengefeld hieb. Charlotte und Schiller heirateten am 22. Februar 1790 in Wenigenjena; Charlotte war damals noch nicht 24 Jahrs alt, während Schiller seinem 31. Geburtstage entgegenging. Der Dichter, der Charlotte im Kreise ihrer Familie und Schwestern kennen und lieben gelernt hatte, konnte seiner Frau zunächst wenig schöne Tage bieten. Schiller war ein Jahr zuvor Professor in Jena geworden, aber sein Gehalt war knavv und nötigte kbn zur Nebenarbeit, bei er sich so anstrengte, daß er bereits ein Jahr nach der Hochzeit auf das Krankenlager geworfen wurde. Charlotte hat neben der Seite des berühmten Mau- «es aufopfernd und treusorgend ausgehalten, den ihr der Tod «n Jahre 1805 entriß- Sie erlebte Schillers Verklärung im deutschen Volke und führte ein zurückgezogenes Leben.
Wir besitzen nur wenige Aeußerungen Schillers über seine Ehe, aber diese sprechen von Glück. Und dieses Glück verdankt er vor allem der Frau, die ihm die Verwirklichung seines Frauenideals bedeutete. Andere Frauen, leidenschaftlichere. Lebensvollere, stattlichere, «eistigere, zogen ihn an, heftig und wild, aber das Glück der Dauer konnte ihm nur Charlotts- seben. Sie war ihm die Verkörperung jener unbewubte« Anmut, jener still wirkenden Liebe, jener sittlichen Schönheit, dis Dm der Inbegriff des Weibtums waren. Die edle Frau wirke durch ihre bloße Erscheinung, durch ihrer „Gegenwart ruhigen Zauber". Daß in Schiller dieses Bild durch Lotte gebildet und' verdeutlicht wurde, bemerkte schon Frau von Stein: „Bei der Würde der Frauen steht man recht, daß mein Lolochen der Es» »enstand war, aus dem er schöpfte", schreibt sie.
FSnfzehu Jahre nur lebte sie als Gattin an seiner Seite, aber dies« kurze Spanne Zeit bat die Vorstellung von ihr geprägt, d» der ße uns beute noch erscheint, die Vorstellung, die den Gehalt ihres Wesens klar zum Ausdruck bringt. Früher un! später ist sie nichts, nur im Zusammenleben mit Schiller ent Natur zur anschaulichen Form. Neben ihr steh aMre Schwester Karoline, die mehr Weib, die vitaler ist regerem Geiste, mit stärkeren Talenten begabt der Liebe Schillers zu verdrängen, aber «e sanfte Weiblichkeit der Seele Lottens, die stille Güte uni MNkge Herzlichkeit ihres Wesens, hält doch Schiller fest uni sieht ihn für immer zu ihr bin.
Flüchtig batte Charlotte Schiller bereits 1784 in Mannhaft« kennen gelernt. Sie kam von Vevey am Genfer See aus glück Scheu Monaten. in denen die Siebzehnjährige das «rite Ln
wachen des Herzens erlebt hatte. Tagebuchblätter und einig« Gedichte halten die Stimmung eines rasch vorübergegangene« Glückes fest. Schiller begrüßte die Durchreisenden, weil ste mü Karoline von Wolzogen bekannt waren. Tags darauf schriel rr an sie: „Sie glauben mir nicht, wie teuer mir alles ist, wm von Ihnen spricht, und nach Ihnen verlangt." Nur um jene, Frau willen suchte er die Lengefelds auf. Schiller, damals scho» Zurch seine drei ersten Dramen berühmt geworden, imponiert, Sen Reisenden durch seine Hobe edle Gestalt; ein Bild seine« Geistes behielten sie nicht. „Es fiel kein Wort, das lebhaftere« Anteil erregte."
Als Schiller Charlotte dann wiedersah, drei Jahre später, im Dezember 1787, war ihre Seele wieder erfüllt von de« Trauer um eine verlorene Liebe. Ein junger Lord, durch Fra« von Stein mit Lengefelds bekannt gemacht, hatte ihre Neigum gewonnen. Er mußte nach Indien, eine Ordre seiner Regierung rief ihn. Charlotte hoffte auf ein Wiedersehen. Einen Vem von Shakespeare schreibt sie in ihr Tagebuch, daß die schweift, Kunst Vergessen sei. Dann fügt sie hinzu: „Nein, nicht vergesse« sollen wir, sondern stark die notwendigen Uebel der Trennung tragen! Denn sie ist hoffentlich nicht ewig!"
Schiller fühlte damals den Wunsch nach einem ruhigen urck sicheren Glück des Daseins in sich. „Ich bin bis jetzt als ei« isolierter, fremder Mensch in der Natur umhergeirrt und Hab« nichts als Eigentum besessen; ich sebne nnch nach einer bürgerlichen Existenz", schreibt er im Januar 1788. Die Freundschaft ver Körners in Dresden hatte ihn die Bedeutung häuslichen Glückes empfinden lassen. Ihm selbst hatte der Aufenthalt in Dresden wohlgetan. Die Leidenschaft zu Charlotte von Kalk hatte ihn tief in sich hinein verwirrt, jene Leidenschaft, die e« später seiner Braut gegenüber als miserabel bezeichnet. In Dresden brachte die schöne Henriette von Arnim in sein Dasein aufs neue eine wilde Unruhe. Auch sie klang in Enttäuschung aus. Nun suchte er Sicherheit und Ruhe, ein gefestigtes Leben und warme Zärtlichkeit des Gefühls.
Charlotte von Lengefeld konnte sie ihm geben. Den nächste« Sommer verbringt er in Volkstädt bei Rudolphstadt. Diese Monate, die er zusammen mit den Lengefelds verlebt, sind volle« Heiterkeit. „Wie ein Blumen- und Fruchtgewinde war da« Leben dieses ganzen Sommers für uns alle", schreibt Karolins, „Schiller wurde ruhiger, klarer; seine Erscheinung wie sei« Wesen anmutiger; sein Geist den phantastischen Ansichten de« Lebens, die er bis dabin nicht ganz verbannen konnte, abgeneigter." Und Schiller fühlt sich wie Orest im Heim der Iphigenie: die Eumeniden weichen von ihm.
Schiller befand sich in einer sonderbaren Situation. Die rei» volle Persönlichkeit Karolinens blieb nicht ohne Wirkung auf ihn. Er spricht auch davon, daß auch, die Schwester zu ihrem künftigen Haushalt gehören soll. Lotte rang mit Zweifeln; fi« sah, wieviel ihre Schwester ihrem Verlobten bedeutete. In ihrem Bewußtsein wurde der Gedanke wach, Schiller freizugeben für den Bund mit ihr. Eine Freundin tröstete ste und fachte ib« Selbstbewußtsein wieder an. Und Schiller, der wohl gar nicht klar sah, was in Lottchens Seele vorging, schrieb ihr: „Karolins ist mir näher im Alter und darum auch gleicher in der Form unserer Gefühle und Gedanken. Sie hat mehr Empfindungen in mir zur Sprache gebracht als Du meine Lotte — aber ich wünsche nicht um alles, daß dies anders wäre, daß Du anders wärst als Du bist. Was Karoline vor Dir voraus hat, mußt Du von mir empfangen; Deine Seele muß sich in meiner Liebe entfalten, und mein Geschöpf mußt Du sein, Deine Blüte muß in den Frühling meiner Liebe sall-m"
Als dann Schiller, zum Teil auf Goethes Betreiben, die Professur in Jena erhielt, und Karl August ihm ein bescheidenes Gehalt gewährte, fand am 22. Februar 1790 in Wenigen-Jena die Trauung statt. Nun hatte Schiller, was der Wunsch seines Lebens gewesen war: dies ruhige und sichere Glück. „Mein Dasein ist in eine harmonische Gleichheit gerückt; nicht leidenschaftlich gespannt, aber ruhig und bell geben mir die Tage dahin."
Ein Jahr nur währte dieses Glück. Dann kam die furchtbare Krankheit über Schiller. Jahre schwerer Sorge folgten, aber Schiller fand bei Lotte und seinen Kindern stets ein Glück. Die Zuneigung der beiden bewährte sich: Nicht das Leid, nicht die Alltäglichkeit hat ihre Liebe mindern können. Lotte sah ihre Aufgabe darin, alles für Schiller zu tun, was der Genius in ihm zur Entfaltung bedurfte. Sie erschloß ihm ihr Herz, wenn er der Mitteilung bedurfte, ste trat zurück, wenn es ihn nach Stille verlangte. „Mir gab die Liebe Kraft, zu ahnen und zu verstehen", sagt sie selbst, und Körner bezeugt, daß ihre stille Empfänglichkeit, ihr zartes Gefühl nicht selten ein bestimmendes Urteil für Schiller wurde.
Der letzte Blick des Sterbenden galt ihr. Sie meinte einen leisen Druck seiner Hand zu spüren und auf seinen Lippen ein Lächeln letzten Dankes zu sehen. „Der letzte Blick, mit dem er mich ansah, war voll Liebe."
Der Schmerz um den Verlust des Gatten dämpft hinfort ihr Leben. Sie widmet ihm noch 1815 Verse, in denen es heißt:
Rur durch den Himmel noch mit dir verbunden.
Such ich auf Erden trauernd deine Spur!
Was ich in dir, du hohes Bild, gefunden,
Das gab nur eine göttliche Natur.
Rur aus dem Quell des ewig-großen Guten Trug dich das Schicksal in des Lebens Fluten. SK-
Dm 9. Juli 1826 starb sie. Bei ihrem Sohne Ernst ftl Bmm Relt sie sich damals auf, um durch eine Operation von ihr«» Augenleiden befreit zu werden, das sich mehr und mehr zum Star ausbildete. Die Operation beschleunigte ihr Lebensende. Sanft und schmerzlos schloß ste die Augen für immer, in denen tze eben noch neue Kraft, diese Welt zu sehen, gespart hatte. )
Zum Ziele.
Keiner kann im leichten Spiel Dieses Lebens Preis erjagen;
Fest ins Auge fast' dein Ziel,
Vis die Pulse höher schlagen Und sich kür an Fuß und Hand Wieder straff die Sehne spannt?
Und so wand're, Schritt für Schritt,
Den Gefahren kühn entgegen;
Hoch das Haupt und fest der Tritt Und im Herzen Gottes Segen,
Auf der Stirn des Kampfes Schweiß So gewinnest du den Preis!
Julius Sturm.
Die Wolgadeutschen.
Der deutsche Bruderstamm, der sich vor ungefähr 160 Jahren in Rußland ansiedelte, hat viele seiner Eigenarten bis heute getreu bewahrt. Der Hauptkern der deutschen Ansiedler an der Wolga entstammt der Rheingegend, doch l auch aus andern Teilen Deutschlands und aus dem Aus- , land kamen deutsche Elemente hinzu. Dessen ungeachtet bil- s dete sich ein einheitliches Ganzes, ein eigenartiger Menschen- s schlag, zäh, herb, bieder, unermüdlich bei der Arbeit, mit j Liebe an der heimatlichen Scholle hängend, — im Aeußeren s breitschulterig, stämmig, mit offenem Gesicht und klaren s blauen Augen, die Männer im allgemeinen fast undenkbar s ohne die langrohrige Tabakpfeife. „Sa Fraa uns« Gäul ; und sa Pfeif verlehnt mer net", sagt das Sprichwort. - Die ungefähr 200 Kolonien sprechen von einander abweichende Mundarten, doch haben diese wie alle lebenden Sprachen eine gewisse Entwicklung durchgemacht. Eine Annäherung an die deutsche Kultursprache ist nicht zu verkennen, s Ein erstaunlicher Reichtum an alten kräftigen Sprichwörten t und Redensarten hat sich erhalten und ist andererseits im ! Laufe der Zeit neu geprägt worden. Eine höhere Schule ? und eigene Presse war den Wolgadeutschen unter der zaristischen Regierung nicht gewährt worden. Das fehlende Kunstschrifttum wurde aber durch eifrige Pflege des Volksliedes ersetzt. Auch die zahlreichen gereimten und ungereimten Sprichwörter trugen dazu bei, den Volksgeist zu nähren. Die fehlende Presse ersetzte den Alten im Sommer die Torbank oder der Sammelplatz irgendwo beim Wolgaufer, im Winter die „Maistube" oder „Spillestube". Da wurden und werden heute noch die unzähligen witzigen Schnurren, die geistreichen Schwänke und die von überschäumender Einbildungskraft strotzenden (scherzhafte Aufschneidereien im Geiste Münchhausens) zum besten gegeben. In ähnlicher Weise betätigt auch die Jugend ihren Geist in den „Kameradschaften" oder „Spinnstubcn" mit der Zugabe, daß auch noch mit Begeisterung und Frohsinn Volksweisen und Tanzliedlein gesungen, ja auch mal eins getanzt wird. Wie an der Sprache, so hält der Wolgadeutsche auch an äußeren Gebräuchen und an seinen Trachten fest und fügt sich nur langsam den Ansprüchen der Zeit und der Verhältnisse. Heute noch ruhen in den Truhen der Großmütter alle Trachtenstücke wie sie vor 100 oder 150 Jahren nach Urväterart getragen wurden. Jedoch das rauhe Klima und ! die anders gearteten Stoffe zwangen zu Reformen. Der ! gewohnte Tuchmantel wich dem Schafspelz, die niedrigen Schnallenschuhe den hohen Schaftstiefeln oder gar Filzstiefeln, der breitkräwpige Hut der Pelzmütze. Aber auch die Neuerungen der Tracht behalten ihr eigenariges Gepräge. Bis - vor kurzem trugen die Frauen noch als Sonntagsstaat ihre Biedermeiertrachten, weite Faltenröcke, kurze weite Jacken, große Faltenschiuzen, oft aus feinem, schwarzem Wollstoff (Kaschmir), aus dem Kopf ein Tüchlein mit einer Blume, die Mädchen Helle, die Frauen schwarze. Im Winter tragen die älteren Frauen heute noch Sonntags einen schwarzen gefütterten Tuchmantel mit einem großen Fuchskragen, ans dem Kopf einen warmen Schal. Die Mädchen tragen heute städtisch zugeschnittene, gefütterte, ziemlich kurze Tuchjacknr, „Kost" oder „Geesch" genannt. Werktags tragen die Frauen alle meist eine gehäckelte Untertaille, darüber eine kurze gefütterte Jacke aus Fabrikstoff „Koftche" genannt, oder auch einen saltenlosen gelben Schafpelz. Die Füße sind mit halbhohen Schuhen mit Gummistoffeinsatz, im Winter mit Filzstieseln bekleidet. — Alter Urglaube oder Aberglaube, dessen Wurzeln bis in fernste Vergangenheit zurückreicheu lebt unter den Wolgadeutschen noch fort, wenn in letzter Zeit auch immer mehr der Aufklärung weichend. Für alle Lebenslagen wird gern eine geheimnisvolle Erklärung, ein Zusammenhang mit Naturerscheinungen, mit der Umgebung, mit Sonne, Mond und Sternen gesucht. Auch Schatten der urgermanischen Gottheiten tauchen hier und da noch auf. Die alten Gebräuche, die man bei manchen Gelegenheiten, z. B. bei der Geburt eines Kindes oder bei Krankheit eines Kindes übt, entspringen altem Aberglauben. — Sobald das Kind geboren ist, wird der Vater gerufen und ihm das Kleine gereicht. Nach sehr hübscher, alter Sitte spricht dann die „Altmotter" am Bett der Mutter ein Gebet. Sie geht auch zu den Paten, „Petter" und „Gott" und kündet ihnen die Geburt des Kindes mit einem Spruch. Getauft wird meist am folgenden Sonntag. Bis dahin muß im Hause der Wöchnerin beständig Licht brennen, damit dem Kind nichts Böses geschieht. Wenn ein Knabe geboren ist, nimmt man allen männlichen Personen, die zufällig ins Haus kommen die Mütze weg und versteckt sie, und man sagt dann, der Kleine habe sie, er brauche sie. — Um das Kind in Schlaf zu wiegen, mit ihm zu spielen, hat die Mutter hübsche Berschen. Eins der letzeren lautet: „Bärtche, Mäulche, Näsche, / Aeägelche, Aeägelche, Sternche, / Zopp, zopp, zopp, / Hörnche." / Dabei tupft sie auf Kinn, Mund, Nase, Augen, Stirn des Kindes und zupft zuletzt an der Stirnlocke (Hörnche). Die größeren Kinder werden zeitig zur Arbeit herangezogen, müssen vor allem ihre kleineren Geschwister warten. Doch bleibt ihnen noch genug Zeit zu harmlosem, fröhlichem Spiel, das häufig auch von hübschen alten Berschen begleitet ist. — In der Schule wird im allgemeinen nicht allzuviel gelernt; etwas Lesen, einige Sprüche, etwas abschreiben von Vorgeschriebenem und etwas Rechnen. — Nach einem zwei- bis dreiwöchigen Konfirmandenunterricht (Lehr) sagt man den „Pettern" und „Goten", sich für alle Fürsorge bedankend, ein hübsches Sprüchlein, und dann wird die Kirche zu Pfingsten mit Maien und Kränzen zur Konfirmationsfeier geschmückt. — Die Heranwachsenden Knaben und Mädchen bilden ihre „Kamerad- ^ schäften". Es wird des Abends gescherzt, gespielt, getanzt, j geneckt. — Früh denkt man ans Heiraten. Nachdem er ; sich ein Mädchen erkoren, nimmt sich der Bursche zwei Freiers-