Eonntagsausgabe der Schroarzroälder Tageszeitung „Aus den Tannen"
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Nr. rt8
Anzeigenpreis: Die einspaltige Zeur
20 Pfg., die Reklamezeile 50 Pfg.
Akte» steig, Souutag Le« 11. Juli
Bezugspreis im Monat 50 P Die Einzelnummer . . 15 P
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1926
Sonntagsgedanken.
Vergebliches Tun
Warum mutz der Mensch so vieles vergeblich tun? Zeder erlebt es in seinem Beruf, daß der Ertrag redlicher, fleitziger Arbeitsstunden null sein kann. Und manchmal weiß man das schon im Voraus und muß die Arbeit doch tun. Der Weingärtner muß jetzt Weiterarbeiten in seinen im Mai erfrorenen Weinbergen; der Kaufmann muß jetzt wohl zeitweise mit Verlust arbeiten, um nur eben Geschäft und Kundschaft zu erhalten. Und der geistige Arbeiter, der Erzieher etwa, macht nicht selten die Beobachtung, daß ihm dis Herzen gerade der Menschen, denen er vor allem dienen möchte, hoffnungslos verschlossen sind. Das Wozu, nach dem wir bei all unserem Tun fragen muffen, ist nur zu oft vom Dunkel umhüllt. Wir fiihlen uns eingespannt in Pflichten, deren Ziel uns in trüben Stunden zu entschwinden droht. Und wen auch „Erfolg" da ist, wie oft scheint er den Auf- wand nicht von Ferne zu lohnen! Da ist es gut zu wissen, daß es einen Erfolg ohne „Erfolg" oder über allen Erfolgen gibt. Nicht was wir fertig machen, verdienen oder ernten, gibt unserem Tun seinen eigentlichen Sinn, sondern was wir selber dabei werden. Der Erfolg: das ist die Persönlichkeit, der Charakter. Und es scheint in dieser Welt so wundersam eingerichtet zu sein, daß oft gerade das „vergebliche" Tun den Charakter am kräftigsten bildet. P. St.
Träger des Lebens
Große Gedanken und ein reines Herz, das ists, was wir uns von Gott erbitten wollen. Goethe.
Die gemeine Seele bleibt bloß bei dem Leiden stehen und fühlt im Erhabenen das Pathos nie mehr als das Furchtbare; ein selbständiges Gemüt hingegen nimmt gerade vom Leiden den Uebergang zum Gefühl seiner herrlichsten Kraftwirkung und weiß aus jedem Furchtbaren ein Erhabenes zu erzeugen. Schiller.
Selbstsucht ist nicht nur Untreue, sondern Selbstmord. Wir müssen davon durchdrungen sein, daß wir nicht Schmarotzer, sondern Träger des Lebens sein sollen.
Joh. Müller.
Die Klnrnenkonigin.
Von W. Zcus-Rothe
„Wenn du eine Rose siehst, sag, ich laß sie grüßen!" Rosenzeit! Das hohe Lied des Sommers. Kosende, schmeichelnde Lüfte voll Rosenduft, der die Sinne umgaukelt und das Herz mit Sehnsucht nach Glück und Liebe erfüllt. Trunken ruht das entzückte Auge auf all der Farbenpracht und kann sich nimmer sattschauen und auch nimmer ergründen, welche unter den vielen nun die allerschönste sei: die feurig-dunkelrote Blume, die wie Blut unter den Blättern leuchtet und funkelt, oder die zartrosa, die wie ein schüchternes, junges Kind hold und verschämt in den Sommertag hineinträumt, oder eine andere der großen Schar. Sie sind schön, alle, alle — die bescheidene Heckenrose und die stolze Zentifolie, die Moosrose und die Maschall-Niel. Die Dichter aller Zeiten haben die Rose besungen, nicht irgendeine Art, sondern d i e Rose. „Noch ist die blühende, goldene Zeit noch sind die Tage der Rosen!" Ihr Ruhm ist so alt, wie die Menschen Schönheit erkannten.
In Griechenland, dem klassischen Lande der Rosen und Lilien, ist einst ihr höchster Glanz erblüht. In Liedern und Sagen haben die Alten die Königin aller Blumen gefeiert. Danach entstand der erste Rosenstock aus dem Meerschaum der den Fluten entsteigenden Aphrodite. Die Himmlischen betauten ihn mit Nektar, da entsprang aus dem Dorn die Rose. Nach einer anderen Legende ist die Rose bereits vorhanden, aber nur in weißer Farbe. Aphrodite, die dem verwundeten Adonis zu Hilfe eilen will, verletzt sich den Fuß, und ihr Blut färbt die weißen Blumen dunkelrot. So war die Rose zunächst die Blume der Venus und ihr geweiht.
, — Die aus der blutigen Schlacht heimkehrenden Krieger ! wurden mit Kränzen empfangen. Schon die alten Aegypter I zeichneten den fleißigsten Schüler mit einem Kranz aus. ! Bei den Römern wurde das Verdienst mit Kränzen statt i mit einem Orden belohnt. Auch die Opfertiere wurden be- s kränzt. „Was könnte irgend ohne Rosen getan werden", ° fragt Anakreon in einem Gedicht zum Preise der Rose. Ro- l sen streute man auf den Weg, über den die Bilder der Gottheiten getragen wurden. Fürsten und Feldherren streute ; man Rosen. Aber die Kränze verschönerten auch das Pri- i vatleben der Alten. Kränze sandte man der Geliebten, hing ! sie nächtlich an ihre Türe und legte sie auf ihre Schwelle. ! Und wenn einem der Kranz, den er gerade auf dem Kopfe ! trug, auseinanderging, so sagte man, er sei verliebt. Krän- ! ze schmückten die Türen der hochzeitlichen Häuser sowie ? Braut und Bräutigam und ihre Begleiter. „Wohl wird die ! Rose mit Recht als Blume der Blumen gepriesen, da sie ! durch Duft und Gestalt alle Blumen beschämt."
Abr wie das Schönste und Reinste verzerrt wird, sobald der Modewahn darüber kommt, so auch die Rose. Der bei den Römern immer mehr zunehmenden Genußsucht, die schließlich ihr Untergang wurde, genügte das Einfach-Natürliche nicht mehr. Wie die ausgesuchtesten Speisen nicht nach dem Wohlgeschmack geschätzt wurden, sondern nach der Schwierigkeit, sie herbeizuschaffen, so verlangte man wunderbare, seltene Vögel, Fische aus fernen Meeren, Aepfel zur ungehörigen Zeit, Eis im Sommer und Rosen im Winter. Man ahmte sie nach in Gold und Silber und dünnen Hornspänen, denen köstliche Oele und Balsam Farbe und Geruch gaben. Es genügte nicht mehr, daß die Rose köstlich, sie mußte auch kostspielig sein, um bei den verderbten Römern etwas zu gelten. Speisesäle und Vorhallen wurden ellenhoch mit Rosen bedeckt. Die Fischteiche ließ man mit Rosenwein füllen, badete darin und verschenkte ihn dann an das arme Volk. Nero vergeudete bei einem Gelage für 200 000 Taler Rosen. Durch besondere Vorrichtungen regneten beim üppigen Mahle Rosen auf die Gäste herab, was so übertrieben wurde, daß einmal die also Beglückten unter den Rosenblättern erstickten.
Zu Anfang unserer Zeitrechnung hatte sich die Rosenkultur um Rom und Italien ganz außerordentlich ausgebreitet. Es waren so viele Rosengärten angelegt, daß der Ackerbau und vor allem die Eetreidezucht geradezu darunter litten. Kaiser Tiberius rügte, daß die Ernährung Italiens nur von Wind und Wetter, d. h. von der glücklichen Schiffahrt, abhänge. Das Land befand sich in einer ganz ähnlichen Lage wie heute England. Aegypten war die Kornkammer Italiens, wie ein altes Dichterwort besagt: „Du mußt jetzt, o Nil, der römischen Blumenzucht weichen, sende uns heute dein Korn, nimm die Rosen von uns". Es gab aber Zeiten, in denen der Tausch von Rosen gegen Korn nicht so glatt vonstatten ging, wie es der Dichter hier singt. Es kam böse Teuerung in Getreide, und wenn die Rose auch vielfach in der Küche verwandt wurde —Rosenpuddings, Rosenhonig, Rosenplätzchen, ja, auch Maitrank aus Rosenblättern — das Brot konnte sie doch nicht ersetzen.
Auch bei der Toilette der Damen spielte die Rose eine große Rolle. Man bereitete Rosenpomade und Rosenöl. Mit getrockneten, gepulverten Rosenblättern bestreute man die Haut nach dem Bade, wusch sie dann nach einiger Zeit wieder ab und gab so dem Körper einen angenehmen Geruch. Quitten, in Honig gekocht, mit abgekochten Rosenblättern zusammengerührt, waren ein liebliches Kompott. Dieses Gericht wurde auch als gut für den Magen empfohlen. Bei vielerlei Krankheiten wurde die Rose als Heilmittel verwandt. Man rühmte sie als kühlendes Mittel gegen Fieber und Geschwülste. Der ausgepreßte Saft der Blätter wurde über gelindem Feuer zu Sirupsdicke eingekocht und hieß dann Königssaft oder Rosenhonig. Auch den Tau von Rosen sammelte man sorgsam und betrachtete ihn als ein vortreffliches Mittel gegen Augenentzündungen. Die Wurzel des Rosenstockes heilte die Tollwut. Nach Plinius ist der Rosensaft ein vortreffliches Mittel gegen Warzen. Aspasia, deren Schönheit die griechischen Sänger
! nicht genug rühmen und besingen konnten, hatte als Kind s ein Gewächs auf der Wange, das sie arg entstellte. Als sie ihre Häßlichkeit eines Tages im Spiegel gewahrte, wurde sie krank vor Traurigkeit. Da wurde ihr nachts im Traum besohlen, die verwelkten Rosenkränze von der Bildsäule der Aphrodite zu nehmen und die Blätter auf ihre entstellte Wange zu legen. Sie tat es: der häßliche Auswuchs verschwand, und der Ruhm ihrer Schönheit blieb bis auf unsere Zeit.
In alter Zeit tritt die Rose auch vielfach als Todesverkünderin auf. Im Domstift zu Lübeck soll es gewesen sein, daß, wenn der Tod eines Domherrn bevorstand, drei Tage vorher eine weiße Rose sich unter dem Polster seines Stuhles fand. Einst bemerkte ein junger Herr auf seinem Platz dieses grausige Vorzeichen, und da er noch gern sich des lieben Lebens gefreut hätte, gedachte er, dem Tode ein Schnippchen zu schlagen, und legte die todverkündende Blume auf seines Nachbarn Sitz. Aber der kecke Streich brachte keine Rettung. Nach drei Tagen war der jugendliche, lebenslustige Domherr eine Leiche. Eine andere Volkssage läßt einen berühmten Zauberer in Prag durch den Geruch einer Rose sterben. Der Tod hatte sich in diese Blume verwandelt, da er dem gefährlichen Mann auf andere Art nicht beikommen konnte.
In einer großen Anzahl von Legenden werden Rosen vom Himmel zur Erde gesandt und umgekehrt. Dem Va- lerian und seiner Braut, der heiligen Cäcilia, bringt ein Engel aus dem Himmel einen weißen und einen roten Rosenkranz. Als eine Heilige einst vor ihrem Richter stand, rühmte sie die Blumen und Früchte des Paradieses. Da sie zum Tode geführt wurde, verlangte der Geheimschreiber, daß sie ihm einige Gaben aus dem Paradiese senden möge, wenn sie dort sei. Als sie geköpft war, erschien ein Engel und brachte dem Eeheimschreiber ein Körbchen mit drei frischen Rosen und drei frischen, reifen Aepfeln.
Die Zahl der Sagen, in denen eine Rose zur ungewöhnlichen Zeit blühend oder in der Nacht leuchtend ein verborgenes Heiligtum verrät, ist Legion. Eine betrifft den wegen seines ehrwürdigen Alters und seiner Größe berühmten und noch jetzt vorhandenen Rosenstock am Dome zu Hildesheim. Kaiser Ludwig der Fromme verlor auf der Jagd sein Reliquienkreuz. Der Diener fand es an einem Rosenstrauch, der mitten im Schnee stand, konnte es aber nicht losbekommen. Der Kaiser ging selbst zurück und fand ein großes Schneefeld, das den Grundriß eines Kirchenschiffes darstellte. Am oberen Ende stand ein blühender Rosenstock. „Dat is Hilde Schnee!" rief der Kaiser aus. Auf derselben Stelle wurde ein Dom erbaut, der Rosenstock aber sorgsam erhalten. Der Ort hieß Hilde Schnee, wor- raus dann später Hildesheim entstand. Noch immer rankt der Rosenstock am Dom auf dem vom Lärm der Welt entrückten, wie ein Paradies des Friedens anmutenden St. Annenfriedhof, in jedem Jahre grünen seine weitverästelten, im Rosenmond von Blüten der Zentifolie übersäeten Zweige; seine Wurzeln ziehen sich weit unter dem Hochaltar hin.
Auch beim Götterdienst unserer Vorfahren, der alten Germanen, spielte die Rose eine Rolle. Die heiligen Haine wurden von ihnen mit Rosen umhegt, und die Frühlingsfeier mit Rosen und Veilchen begangen:
Stab aus! dem Winter gehn die Augen aus,
Mit Veilchen, Rosenblumen Holen wir den Sommer,
Schicken den Winter über den Rhein,
Bringt uns guten, kühlen Wein, heißt es in einem uralten Lied, das sich in den verschiedenen deutschen Gegenden in unzähligen Abwandlungen findet. Die schöne Kriemhild hatte von Kindheit an bei Worms aus einer Rheininsel, die noch heute „der Rosengarten" heißt, eine blühende Rosenzucht. An vielen deutschen Plätzen und Städten gab es Rosengärten, die sorgsam gepflegt und fast heilig gehalten wurden. In manchen Gegenden hält am 1. Mai ein kleines Mädchen, „das Maienröslein", mit Blumen und Bändern geschmückt, seinen Umzug, um Gauen zur Festfeier einzusammeln. Die Jugend fingt dazu: