Der Dreiverband und der Orient.
Rußland und Persien.
(W.T.B.) Konstantinopel» 26. Okt. (Nicht amtlich.) Wie sin hiesiges türkisches Blatt Teheraner Zeitungen entnimmt, herrscht in der ganzen Provinz Co ross an infolge von Grausamkeiten, die von russischen Kosaken in verschiedenen Ortschaften und namentlich im Gebiete der Stadt Mesched begangen worden sind, große Erregung. Eine große Anzahl von Einwohnern in der Umgebung der Stadt wurde in Furcht und Schrecken versetzt. Die Bevölkerung flüchtet nach Meschod. Die Kosaken weigerten sich sogar, den Ratschlägen des russischen Konsuls zu entsprechen. Ein in Teheran abgehaltener Ministerat beschloß, in Petersburg Vorstellungen zu erhoben und in Mesched eine Komission einzusetzen, zu der der russische Konsul beigezogen werden soll. Da Mesched eine heilige Stadt der Perser ist, werden die russischen Grausamkeiten in ganz Persien eine Erregung zur Folge haben und es wird hierdurch neben der Frage von Aserbeidschan als neue bedeutsame Frage die Corassanfrage aufgeworfen werden.
(W.T.B.) Konstantinopel, 26. Okt. (Nicht amtlich.) Wie persische Blätter melden, haben die Russen die Stadt Saudsch-Bulak, südlich des Urmiasees, geräumt. Kavallerie, Infanterie und Artillerie sind nach Rußland zurückgekehrt. Es blieben nur 30 Kosaken zurück. Die persische Bevölkerung gab eine ungeheure Freude Uber den Abmarsch der Russen kund. Die persischen Kanonen, die seit der Besetzung der Stadt durch die Russen vergraben waren, sind jetzt ausgegraben und in Stellung gebracht.
Die Türkei, Persien und Afghanistan.
(S.C.B.) Frankfurt a. M.. 26. Okt. Die „Frankfurter Zeitung" meldet aus Konstantinopel: Ein einflußreiches Mitglied des jungtürkischen Komitees für Einigkeit und Fortschritt, das zu Beginn des Ausbruches des europäischen Krieges mit besonderem Auftrag nach Afghanistan entsandt wurde, ist dort glücklich angolangt. Es wurde von dem Emir empfangen, der wiederum einen seiner treuesten Räte, den Emir Ali Afghan, hierher schickte, voraussichtlich zu dem Zweck, sich über die Vorschläge des türkischen Vertrauensmannes an Ort und Stelle zu vergewissern, dann auch um sich über die allgemeine Lage am Kalifatsitz zu unterrichten. Der Emir Ali Afghan mußte als Diener einer hohen persischen Persönlichkeit verkleidet die beschwerliche und gefahrvolle Reise nach Konstantinopol zurllcklegen. Er hatte in der kurzen Zeit seines Hierseins mehrfach wichtige Besprechungen mit den leitenden türkischen Männern. Vorgestern wurde er nach der Feier des Selamlik dem Sultan vorgestellt. Eine Sondermission mit einem eigenhändigen Schreiben des Sultan-Kalifen an den Emir ist unterwegs. Der Abschluß eines Vertrages zwischen Afghanistan und der Türkei wird als vollzogen angenommen. Der Schah von Persien hat durch Vermittlung des seit voriger Woche hier weilenden Mirza Riza Khan, der früher den Posten eines persischen Botschafters in Stambul begleitete, um Entsendung türkischer Jnstruktionsoffiziere gebeten. Dem Wunsche wurde von der Pforte durch die vorläufige Entsendung von 7 Offizieren nach Teheran willfahren. In gut unterichteten Kreisen wird versichert, daß zwischen der Türkei und Persien ein Bündnisvertrag abgeschlossen worden sei.
(S.C.B.) Vielen unserer Leser wird es von Interesse sein, zu erfahren, daß bei den deutschen Postanstalten zur Zeit Postsendungen jeder Art nach folgenden Ländern nicht angenommen werden können: Deutsche Schutzgebiete außer Kiautschou, Aegypten, Aethiopien, Belgien (mit Ausnahme der offenen Briefsendungen nach Brüssel) und Belgisch-Kongo, nach Frankreich und Großbritannien nebst ihren Kolonien und Postanstalten im Auslande, Japan nebst den japanischen Postanstalten in China, nach Marokko mit Ausnahme der deutschen Postanstalten in der spanischen Einflußzone und der spanischen Besitzungen in Nordafrika (Ceuta, Melilla), nach Montenegro und Serbien, nach Rußland nebst Finnland und den russischen Postanstalten im Auslande, nach Tunis, nach Westafrika — ausgenommen die portugiesischen und spanischen Besitzungen — nach Arabien, Afghanistan und Beludschistan. Zulässig sind dagegen Sendungen an deutsche Gefangene in Ländern, die zum Weltpostverein gehören.
Die Schreckensherrschaft in Mazedonien.
(W.T.B.) Sofia. 26. Okt. (Nicht amtich.) Das Bulgarische Nationalkomitee hat gestern eine große Versammlung in Sofia veranstaltet zum Zwecke der Aussprache über die erschreckenden Nachrichten, die Unterbrechung aus Mazedonien anlangen. Mehrere Redner schilderten die unhaltbare Lage der bulgarischen Mazedonier, die unter fremder Herrschaft leben. Die Versammlung nahm einstimmig eine Resolution an, in der sie gegen die unerhörte Schreckens
herrschaft der serbischen und griechischen Behörden in Mazedonien Einspruch erhebt und die bulgarische Regierung bittet, nach Mitteln zur Erleichterung des grausamen Loses der mazedonischen Bulgaren zu suchen und sie versichert, daß sie bei dieser Aufgabe auf den vollen und einmütigen Beistand der ganzen Nation zählen könne, die ungeachtet der übermenschlichen Anstrengungen der jüngsten Vergangenheit zu jedem Opfer für die Freiheit Mazedoniens bereit seien. _
Unsere „Emden".
(Nicht amtlich). Die Frankfurter Zeitung meldet aus Zürich: Die Shanghaier Versicherungsagentur Pangtsekiang gibt bekannt, daß der große japanische Dampfer Kamasata—Maru, der von Kobe nach Singapore unterwegs war, vom Kreuzer Emden versenkt worden ist. Die Gesellschaft erklärt, für Fahrten über Singapore keine Versicherungen mehr anzunehmen. (W.T.B)
Meuterei indischer Truppen.
(W.T.B.) Wien. 26. Okt. (Nicht amtlich.) Die Südslavische Korrespondenz meldet aus Konstantinopel: Die Zeitung „Dänin" berichtet aus Alexandrien: Zwischen hier eingetroffenen indischen Truppen die zum Weitertransport nach Marseille bestimmt waren, und englischen Garnisonstruppen ist es zu einem blutigen Zusammenstoß gekommen. Die neugelandeten indischen Truppen weigerten sich, den Transport nach Marseille mitzumachen und erklärten, sie seien in ihrer Heimat unter der Versicherung angeworben worden, daß sie nach Alexandrien gingen. Sie wollten nicht Frankreich verteidigen. Bei dem Handgemenge vor dem großen Zollamt am Hafen wurden 7 englische Soldaten getötet. Das Kriegsgericht verurteilte 30 indische Soldaten zum Tode.
Oberst Maritz und die Engländer
(S.C.B.) Berlin, 26. Okt. Dem „Berliner Lo- kalanzeigier" wird aus Haag berichtet: Nach einer Reutermeldung aus Kapstadt versuchte Maritz mit seinen 1000 Mann sich nach Deutsch-Südwestafrika zurückzuziehen, wurde jedoch hieran durch starke Kolonnen von Buren und Engländern gehindert. Ein Angriff der Kolonne Maritz auf Keimaoes wurde zurückgeschlagen.
(W.T.B.) Pretoria. 26. Okt. (Nicht amtlich.) (Reuter.) Amtlich: Bei Keimus am Oranjefluß griff Oberst Maritz mit seiner gesamten Streitmacht, vier Maschinengewehren und 8 Geschützen, die Engländer an, dis zehn Verwundete hatten. Eine Schätzung des Verlustes des Feindes ist unmöglich, da er seine Verwundeten mitnahm.
Bon den Neutralen.
Die. Italiener in Dalona.
(S.C.B.) Rom, 26. Okt. (Nicht amtlich.) Die „Ag. Stefanie." erfährt: Gestern ist das Kriegsschiff „Dandelo" in Begleitung des Hochseetorpedoboots „Climens" -in Balona eingetroffen, wo sich bereits die Schiffe „Agordat" und „Dardo" befinden. „Dan- dolo" Hate Sanitätspersonal -an Bord, um in Balona gemeinsam mit den Ortsbehörden eine Sanitätsstation zu erichten und die elenden Verhältnisse der geflüchteten Epiroten zu bessern. Italien hat bereits früher in Skutari und Durazo solche Sanitätsstationen erichtet. Das Kriegsschiff „Calabria", das sich b ald der „Aetna" zugesellen wird, unternimmt bereits Kreuzfahrten an der Küste von Mittelalbanien, um die Einschmuggelung von Waffen und Munition und die Landung von Bewaffneten zu verhindern. Es hat sich in der Tat herausgestellt, daß beabsichtigt war, Bewegungen hervorzurufen, durch die die Beschlüsse der Londoner Konferenz über- die Neutralität Albaniens verletzt worden wären.
England und das Völkerrecht.
(W.T.B.) Konstantinopel, 27. Okt. „Jkdam" richtet heftige Angriffe gegen England wegen seines willkürlichen Vorgehens in Aegypten, das den Verträgen zuwider laufe und mit den Versicherungen Englands, daß es mit der Türkei auf freundschaftlichem Fuß leben wolle, wenig vereinbar sei. Das Blatt fragt insbesondere, mit welchem Recht England die Rückkehr des Khediven hindere, der ein Stellvertreter des Sultan sei, und zählt die von England verübten Gewalttätigkeiten auf, das Im Lande als Herr schalte und walte. Das Blatt erwähnt u. a. die Ausweisung der Konsuln Oesterreich-Ungarns u. Deutschlands, deren Exequatur von der Türkei ausgestellt war, sowie den Versuch, österreichische, ungarische und deutsche Schiffe aus dem Suezkanal zu entfernen, der auf Grund von Verträgen neutral sei.
Das „loyale- England.
(W.T.B.) Christian!«. 26. Okt. Nach Norges „Handels- und Sjoefartstidende" hat Großbritannien die Ausfuhr norwegischen Walfischtrans aus seinen südafrikanischen Kolonien nach Norwegen verboten. Da die norwegischen Walfischstationen zu Zweidritteln auf englischem Territorium liegen, müsse der Erlaß alarmierend wirken.
(W.T.B.) Kopenhagen, 27. Okt. (Nicht amtl.) Der dänische Passagierdampfer „Oskar II", auf der Reise von New-Pork nach Kopenhagen, ist am Samstag von einem englischen Kriegsschiff ungehalten und nach Storneway gebracht worden.
Das „liberale" Rußland.
(W.T.B.) Wien. 27. Okt. Die Blätter besprechen ironisch das Angebot des russischen Botschafters in Rom, Krupenski, betreffend die Freilassung der Kriegsgefangenen italienischer Nationalität. Sie äußern ihre Genugtuung über die korrekte und dabei elegante Art, mit der der italienische Ministerpräsident Salandra den Versuch Rußlands, die öffentliche Meinung Italiens aufzureizen, beantwortet habe. Die „Neue Freie Presse" sagt: Aus dem Vorschläge des Zaren werden die unter seinem Szepter seufzenden Finnländer, Polen, Ukrainer und die übrigen gequälten Völkerschaften die sich von selbst ergebenden Folgerungen zu gegebener Zeit ziehen. Der Zar scheint Rom mit Belgrad, das Königreich Italien mit Serbien zu verwechseln. — Die „Sonn- und Montagszeitung" schreibt: Salandra hat offenbar nur aus Höflichkeit es unterlassen, Krupenski zu fragen, wie angesichts der Sperrung der Dardanellen und der Gefährdung des Baltischen Meeres durch die deutsche Flotte die russische Regierung die freizulassenden Kriegsgefangenen von Rußland nach Italien zu bringen gedenke. Aus der Forderung, daß Italien die Gefangenen bis zum Ende de sKrieges streng bewachen solle, sei zu entnehmen, daß die russische Regierung selbst aus dem Verhalten der italienischen Soldaten der Monarchie auf den Schlachtfeldern die Ueberzeugung geschöpft habe, sie würden sich bemühen, wieder in die Reihe ihrer Kameraden zurückzukehren.
Deutsches Reich.
Nachahmenswertes Beispiel.
(W.T.B.) Straßburg, 26. Okt. Die Beseitigung sämtlicher Reklameschilder der beiden Firmen Dunlop Gummi-Gesellschaft und Sunlightseife ist für das ganze Gebiet von Elsaß-Lothringen angeordnet worden, da beide Firmen der englischen Kriegskasse größere Beträge zur Verfügung gestellt haben.
Für die Nationaistiftung.
Der Nationalstiftung für die Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen wurde u. a. von Heinrich Slomann-Bellin, Post Zehna in Mecklenburg 100 000 Mark überwiesen. Weitere Spenden, auch Staatspapiere und Obligationen, nehmen entgegen die bekannten Zahlstellen, sowie das Bureau der Nationalstiftung Berlin NW. 40, Alsenstraße 11.
Rückkehr der Ostpreußen.
(W.T.B.) Königsberg. 26. Okt. (Nicht amtl.) Die Grenze, bis zu der die Rückkehr der ostpreußischen Flüchtlinge in die Heimat unbedenklich und die Erteilung von Freifahrscheinen zulässig ist, ist mit Rücksicht auf die günstige Kriegslage auf die ganze Provinz ausgedehnt worden, mit Ausnahme der Orte in den Kreisen Pillkallen, Stallupönen, Goldap, Oletzko, Lyck und Johannisburg, sowie der südlichen Teile der Kreise Oostburg und Neidenburg. Es ist dringend erwünscht, daß namentlich die Beamten, Kaufleute und Handwerker in die freigegebenen Teile der Provinz zurückkehren. Auskunft über die Frage, in wieweit die einzelnen Ortschaften zerstört sind, wird von den Landräten erteilt.
Ein verständiger Erlaß.
(S.C.B.) Das stellvertretende Generalkommando des 7. Armeekorps wendet sich in einer Kundgebung an die neugierigen Frauen mit folgenden echt deutschen Worten: „Frauen wollen sich die Mühe sparen, um Erlaubnis zum Betreten von Gefangenenlagern zu bitten, auch wenn ihre Männer daselbst militärischen Dienst tun; sie haben dort nichts zu suchen. Gefangenenlager sind keine Familienstuben. Auch der Besuch ihrer Männer in Kasernen, auf Uebungsplätzen oder Bahnschutzstellen kann ihnen nicht gestattet werden, auch nicht an Sonntagen. Das Interesse des militärischen Dienstes kennt keine Rücksichten. Scheint den Frauen das wenig höflich zu sein, so mögen sie sich lieber freuen, daß dieser rücksichtslose Kriegsdienst es ist, der ihnen Haus und Herd beschützt und das Elend des Krieges von unseren Fluren fernhält! Also schon daheim bleiben!"