Württemberg
Eine Angstnacht in Oberstenfeld.
Oberstenfeld OA. Marbach, 27. Dez. Zn der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag zwischen 3 und 4 Uhr kam der schon seit einiger Zeit von seiner Frau getrennt lebende Wilhelm Kümmerlen von Beilstein in unfern Ort und verletzte durch mehrere Schrotschüsse seine Frau sehr schwer, seinen Schwiegervater Layer und die zwei Schwäger. Zwei im Nachbarhaus befindliche Männer im Alter von 3V—35 Jahren, die auf die Schüsse hin zum Fenster hinausschauten, schoß er an. Sein zweiter Schwager erhielt 18 Schrotkugeln auf und in die Brust. I m ganzen verletzte der Täter 8 Personen, teilweise sehr schwer. Nach der Tat kehrte er wieder nach Veilstein zurück, wo er einige Schriftstücke abfaßte. Es gelang ihm, sich selbst durch eine Kugel das Leben zu nehmen, als ihn der Landjäger eben verhaften wollte.
Der Täter wird in einem weiteren Bericht Kimmerlen genannt. Er lebte, seitdem er von seiner Frau getrennt war, in seinem Heimatort Beilstein. Sofort, nachdem er in der Frühe des Christtags von dort in das Haus seines Schwiegervaters gekommen war, schoß er seine Frau in den Unterleib und verletzte sie lebensgefährlich. Er schoß dann weiter auf seinen herbeigeeilten Schwiegervater, den Bauern Layer, sodann auf seinen Schwager und seine Schwägerin. Nachdem er das Haus verlassen hatte, schoß er auf zwei Nachbarn, die Bauern Rieger und Küfer und entfernte sich aus dem Ort. Plötzlich kehrte er um und gab auch noch einen Schuß in das Haus seines Schwagers, des Schreiners Layer ab, Len er aber nicht traf. Layer und seine Frau ergriffen die Flucht, Kimmerlen schoß hinter ihnen her und traf nunmehr den Schwager schwer, die Frau leicht. Dann verließ er den Ort und begab sich nach Beilstein. Den Selbstmord verübte er in einem Gartenhaus. Die Landjägermannschaften wurden zwar sofort auf- geboten, als sie aber ankamen, war Kimmerlen bereits tot. Die Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen, auch steht es noch nicht fest, ob alle 8 Personen, die sich zum Teil im Krankenhaus befinden, mit dem Leben davonkommen werden.
Biersteuer und Umgeldstatistik für 1912.
Nach der vom K. Steuerkollegium herausgegebenen B i e r ft e u e r st a t i st i k für 1912 wurden in Württemberg an Malzsteuer 12809 837 erhoben und es belief sich die aus der versteuerten Malzmenge geschätzte Biererzeugung auf 4 104 138 Die Zahl der gewerblichen Brauereien des Landes belief sich auf 1003; von denselben haben 931 ausschließlich untergäriges, 14 ausschließlich obergäriges und 58 unter- und obergäriges Bier hergestellt. Vier Brauereien hatten einen Malzverbrauch von über 20 000 Doppelzentner. Die Zahl der Privatbrauer belief sich im letzten Jahre auf 1846; nur zwei derselben haben untergäriges, alle übrigen obergäriges oder sogen. Sommerbier hergestellt. Der versteuerte Malzverbrauch dieser Privatbrauer umfaßte 866 Doppelzentner, wofür insgesamt 4461 -N Steuer entrichtet wurden. Von dem zur Bierbereitung bestimmten Malz wurden geschroten 4,66 A auf öffentlichen Walzmühlen, der Rest auf Privatwalzmühlen und zwar 83,65 A auf solchen mit Wägvorrichtung und 11,69 A aus Mühlen ohne Wägvorrichtung. Eingeführt nach Württemberg wurden 1912
Der Wanderer.
3.) Von Friedrich Lienhard.
„Schändlich, so etwas! Ganz abscheulich! Finden Sie nicht auch?"
„Niederträchtig!" bekräftigte der Fremde. „Aber das hat Mozarts Lebenslaune nicht gebrochen. Ein rechter Kerl zerbricht überhaupt nicht. Ein elastischer Marmor ist aus besserem Stoff als der beste parische Marmor. Uebrigens, Sie anbetungswürdiges Mozart-Mägdlein, ich zerbreche mir schon drei Tage den Kopf, warum diese Marmorsäule so mutterseelenallein hier oben auf dem Hügel liegt — gerade nur die einzige! Als ob eine einzige Säule irgend etwas in der Welt stützen könnte! als ob nicht mit der Zweiheit überhaupt erst alles Leben begönne! Sind Sie nicht auch dieser Meinung, gnädiges Fräulein?"
„LLii-kaiwmovt!" bestätigte die Kleine und gab der Aelteren einen Rippenstoß.
Martha lächelte und stickte.
„Sehen Sie, wir zwei verstehen uns ausgezeichnet!" rief der junge Mann. „Deshalb haben Sie sich auch, als Symbol der Zweiheit, je ein Paar Edelsteine an die Ohren gehängt, Mademoiselle!"
Die Kleine hatte ganz vergessen, die hellroten Kirschen zu entfernen, pflückte sie jetzt mit umständlichen Gebärden aus Haar und Ohrmuschel heraus und begann sie aufzuessen. Der Fremde streckte zum Fangen die Hände aus; sie lachte und warf ihm das zweite Paar der unreifen Früchte zu.
insgesamt 116 372 Hektoliter, ausgeführt 111337 Hektoliter. Die Uebergangssteuer hat 567 364 4k eingebracht. — Die U m g e l d s st a t i st i k weist für 1913 einen Gesamtsteueranfall von 1 973 190 -.st aus; davon entfallen auf die Wirte 1 863 440 4k, auf die Kleinverkaufsgewerbe 100848 -st, auf unständige Betriebe 3195 -st und auf die Weinproduzenten 4706 -st. Von den Wirtschaften standen im Abstich 15 305, im Akkord 281; von den Kleinverkaufsgewerben im Abstich 1599, im Akkord 81.
Tie „kleinen Leute" im Fall Griesinger.
Wir erhalten folgende Zuschrift: In diesen Tagen sind gegen die „kleinen Leute" des Mittelstandes, die dem Grie- singer'schen Millionenschwindel zum Opfer gefallen sind, Vorwürfe darüber laut geworden, daß sie ihr Geld zu solchen fragwürdigen Kreditoperationen hergegeben und damit etwas getan haben, was sich für ihren Stand eigentlich von selbst verbiete. Ten Leuten geschieht Unrecht. Es haben zuerst auch „große Leute" und Banken gegen hohen Zinsfuß und Provision mit der Majorswitwe und ihrem Sohne Geldgeschäfte gemacht und sich erst zurückgezogen, als sie vermöge ihrer besseren Auskunftsmittel merkten, daß die Sicherheit nachließ. Tann haben die kleinen Kapitalisten, ohne Kenntnis dessen, daß die großen sich zurückgezogen hatten, von dem Angebot, aus ihren Mitteln eine Provision und einen höheren Zinsfuß als vier Prozent zu ziehen, Gebrauch gemacht. Sie sind dabei besonders einer in unseren gesellschaftlichen Verhältnissen eingebürgerten Sitte zum Opfer gefallen. Die Zugehörigkeit des Oberleutnants Walter Griesinger zum Offizierkorps unseres Heeres und gar eines der stolzesten Regimenter des Landes, hat namentlich viele Unterbeamte veranlaßt, ihm und seiner Mutter Geld anzuvertrauen. Diese Leute gingen von der Anschauung aus, daß ein überschuldeter Offizier nicht im Heere geduldet werde. In der Tat hat die Familie kein Geld inehr bekommen, sobald der Oberleutnant seinen Abschied erhalten hatte. Mancher von den Geldgebern aus jenen Schichten hätte heute seine Ersparnisse noch, wenn das früher cingctreten wäre. Es wäre schön, wenn Schritte unternommen würden, wenigstens die schwächsten Schultern, die jetzt die trübsten Weihnachten ihres ganzen Lebens durchmachen, nach der gerichtlichen Klärung des Falles einigermaßen zu entlasten.
Handwerkskammer.
Reutlingen, A>, Dez. Der Vorstand der hiesigen Handwerkskammer hat in seiner letzten Sitzung beschlossen, die Eingabe des Verbandes württembergischer Industrieller an die Regierung und die Stände wegen der Schiffbarmachung des Neckars von Mannheim bis Heilbronn, an der auch das Handwerk unseres Landes das größte Interesse habe, tatkräftig zu unterstützen. Bezüglich des Entwurfes eines Reichsgesetzes über die Sonntagsruhe im Handelsgewerbe wurde fiir die Bedürfnisgewerbe eine bessere Berücksichtigung in der Festsetzung der sonn- und feiertäglichen Verkaufszeiten als absolut notwendig erachtet, zumal da dies ohne Schädigung der übrigen Gewerbe möglich fei.
Zeppelinmuseum.
Friedrichshafen, 26. Dez. Aus Anlaß der Feier des 75. Geburtstages des Grafen Zeppelin haben die Eemeindekollegien beschlossen, ein Zeppelinmuseum zu gründen. Ein Komitee hat die Ausführung des Gedankens in die Hand genommen. Das Museum soll eine Sammlung von Gegenständen aller Art, Modellen, literarischen und aktenmäßigen Dokumenten, Erinnerungszeichen usw. darstellen, die sich auf die Person und das Leben des Grafen Zeppelin, sowie seiner Mitarbeiter, auf sein Luftschiff und dessen wechselvolle Geschicke
„Dafür spielen Sie uns aber auch etwas vor!" rief sie. „Denn Sie sind doch offenbar ein Musiker?"
„Offenbar!" erwiderte der Spielmann ernsthaft und griff Akkorde aus Mozarts Figaro, womit er das folgende Geplauder scherzend begleitete. „Aber ich male auch bisweilen; ich singe auch ein wenig; ich komponiere mitunter. Und da zum Singen Worte gehören, so dicht' ich auch."
„Ein Universalgenie!" rief der Backfisch entzückt.
„Und wenn Sie hinzunehmen, daß ich Dingen, die mich interessieren, auch wissenschaftlich nachspüre und sogar ein paar Bücher geschrieben habe-"
„Öh, oh, oh, Martha, was sagst du nur dazu?!"
„So werden Sie begreifen, daß ich mich vor allem andren nach etwas ganz Bestimmtem sehne —nach der Zweiheit, mit der ich zusammen eine Einheit bilden könnte, fest, geschloffen, gesammelt — ein Kunstwerk, ein Tempel, eine Gralsburg!"
Die Mädchen schauten einander verwundert an.
„Schrecklich gelehrt!" sagte die Jüngere. „Erzählten Sie nicht gestern, daß Sie an einem Duett komponieren?"
„Auch das! Zwei Mädchenstimmen! Die eine von stiller Schönheit, edel und einfach — Frieden ausstrahlend wie eine Madonna oder ein Engel von Fra Angelico. Die andere ein Kobold, der in allen Tonlagen herumgaukelt, ganz voll Koloraturen, eine Nixe, eine Wasserfee. Soll ick Sie mal spielen, Fräulein Nixe?"
Er spielte närrische Akkorde und sang zu den Kapriolen ein Necklied.
beziehen. Der Grundstock zu einer solchen Sammlung ist vorhanden, aber es ist noch recht wenig. Deshalb ergeht an alle, die Zevpelinerinnerungen irgendwelcher Art besitzen, die Bitte, diese dem Museum zur Verfügung zu stellen. Alles, auch das Unscheinbarste, sei es technischer, literarischer oder bildlicher Art. ist willkommen.
Wagner.
Heilbronu. 26. Dez. Am Mittwoch vormittag wurde der Massenmörder Wagner von der Universitätsklinik für Gemüts- und Nervenkranke in Tübingen, wo er bisher zur Untersuchung seines Geisteszustandes geweilt hatte, in einem Automobil in das Untersuchungsgefängnis des hiesigen Landgerichts zurückgebracht. '
Heilbronn, 24. Dez. Der Verein der Geflügel- und Vo- gelfreunde veranstaltet vom 4. bis 6. Januar hier die 3. Süddeutsche Allgemeine Geflügelausstellung. Die Anmeldungen sind so zahlreich eingegangen, daß über 300 Nummern zurück gewiesen werden mußten, weil es an Raum fehlt. Insgesamt werden 2 300 Nummern aus ganz Deutschland zur Ausstellung gelangen.
Backnang, 24. Dez. Der Gemeinderat hat auf Grund des Ergebnisses, das sich bei der Nachprüfung der Wahlakten ergab, beschlossen, die Gemeinderatswahlen hier für ungültig zu erklären.
Gemmrigheiin O. A. Bresigheim, 24. Dez. Der vor einigen Monaten wegen Familienzwist von hier verschwundene 37 Jahre alte Zimmermann Auguß Kreß ist in Amann- weiler bei Metz, wo er anscheinend Arbeit gefunden hatte, von einem Bau abgestürzt und alsbald gestorben. Er hinterläßt eine Frau und 5 Kinder.
Ulm, 24. Dez. Den städtischen Kollegien lag gestern der Kostenvoranschlag für das zur Erbauung vorgesehene Stadtbad zur Genehmigung vor. Unter Aufrechterhaltung des Wertes des Bauplatzes und eines zu Wohnzwecken dienenden Anbaues zum Stadtbad lautet der Kostenvoranschlag auf rund 500 000 . E. Da 200 000 „F. davon aus den angesammelten Stiftungsgeldern gedeckt werden können, bleibt für die Stadt ein Aufwand von -300 000 ,F.. Die Kollegien übertrugen die Lieferung und den Einbau der badetechnischen Einrichtung, sowie die Ausführung der Heizungs- und Lüftungsanlage für 117 000 -F. der Firma Mittelmann und Sohn in Straßburg-Barmen.
An» Welt r»ird Zeit.
v. Jagow wird zur Ordnung gerufen.
Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt: In einer Zuschrift an die „Kreuz-Zeitung" hat der Polizeipräsident von Berlin, nicht in seiner amtlichen Eigenschaft, sondern als Privatperson, zu dem kriegsgerichtlichen Verfahren gegen den Leutnant v. Forstner Stellung genommen. Bei der politischen Bedeutung der Angelegenheit wird selbstverständlich die Staatsregierung zu entscheiden haben, ob und inwieweit in dem vorliegenden Falle die stete Meinungsäußerung die Grenzen überschreitet, die dem politischen Beamten auch als Privatperson durch seine Stellung gezogen sind und nötigenfalls die erforderliche Korrektur eintreten laßen.
Großfeuer in der Brauerei Hacker.
München, 25. Dez. Gegen 216 Uhr nachts brach in der Hackerbrauerei Feuer aus. Die Flammen griffen rasch um sich und bald war das ganze Anwesen ein Weithin leuchtendes Feuermeer. Gegen 5 Uhr mußte sich die Feuerwehr, die mit 31 Schlauchleitungen vorging, hauptsächlich darauf beschränken, die vom Feuer bereitsergriffene anliegende Pschorrbrauerei zu schützen.
„Reizend! Bon Mozart?"
„Von mir, holder Schmetterling!"
„Nuis e'68t ottarumnt! Das müssen Sie mir aufschreiben! Aber nun sollen Sie auch meine Kusine komponieren!"
Er ließ sich, nachdem er sich solange nur mit der Jüngeren abgegeben hatte, im Grase nieder, zu den Füßen der verlegenen Stickerin; aber er griff nur einige ernst-schöne Akkorde und sprach dann mit zarten Worten:
„Sie heißen Martha, mein stilles, fleißiges Fräulein. Mehr weiß ich nicht, will es auch vorerst gar nicht wissen. Aber gesehen habe ich Sie schon irgendwo und habe Ihr Gesicht behalten. Nur weiß ich nicht mehr: war es jenseits dieses Sternes, ehe unsre Seelen auf die Erde flogen, oder war ^es irgendwo in Europa? Denn ich wandere viel. Jh-. nen möcht' ich nichts Neckisches, sondern etwas sehr Liebes und Ernstes sagen und singen. Denn Sie verdienen es, Sie sind so gut, wie Sie schön sind.
Und ihre Hand ergreifend, an der noch der Fingerhut steckte, küßte er plötzlich die schlanken Finger der überraschten Schönen.
Dann aber besann er sich, sprang auf und packle Hut und Laute.
„Auf Wiedersehen! I rivkcksrcri!"
Und sprang mit großen Schritetn den Hügek hinunter.
(Schluß folgt.)