Amtsblatt sür den (Oberamtsbezirk Nagold u. Altensteig Stadt. Allgemeiner Anzeiger für die Bezirke Nagold, Lalw u- Freudenstadt

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Nr. 291

Altensteig. Freilag de« N. Dezember

1923

Hierzu eine Beilage.

SM.rolr Seldenkamvf Nr die deutsche Muttersprache

> Das faszistische Regime hat in Südtirol rund 400 blüh­ende deutsche Schulen mit einem Federstrich vernichtet. Die krfahrungen der letzten Jahre zeigen, daß das Schulwesen einen geradezu katastrophalen Niedergang erlitten hat, was »sch gar nicht wundernehmen kann, da ja die Kinder aus­schließlich in einer fremden Sprache und nicht in der Mut­tersprache unterichtet werden.

Die Südtiroler, die zäh an ihrer Muttersprache hängen, haben nun ihren Kindern privat deutschen Unterricht er­teilen lassen, um das große Manko des Schulbetriebs eini­germaßen wettzumachen. Gegen diesen Privatunterricht vütet schon seit vielen Monaten der Kampf des Faszismus und ein Führer klagte unlängst in seiner Presse, daß diese »rutschen Schulen wie die Pilze überall aufschössen; kaum sei ein privater Untericht in einem Hause aufgehoben, wachse er in einem anderen Hause wieder empor. Beson­ders scharf tobt der Kampf im sogenannten Unterlande, »er Gegend zwischen Bozen und Salurn, die Italien als italienisch ansprechen will. In Brixen erteilte der Vezirks- schulinspektor den Befehl, die reichhaltige deutsche Bezirks­lehrerbibliothek zu verbrennen. Auch der Gebrauch der deutschen Sprache in den Straßen ist schon vielfach Gegen­stand von Behelligungen. Selbst deutsches Karetnspiel er­regt bereits Anstoß der Behörde und es wurde jüngst in einem Easthause in Bozen das bekannte Tiroler Kartenspiel »Perlaggen" verboten.

Rach den Nachrichten aus Südtirol muß man schon von ttuer wilden Jagd der faszistischen Behörden auf den deut­schen Unterricht sprechen. Unerhörte Ausschreitungen und abstoßende Schnüffelei sind seine Begleiterscheinungen, kroße Kulturwerte werden vernichtet, das Gesetz, das den Unterricht in deutscher Sprache neben dem italienischen krundunterricht nicht nur nicht verbietet, sondern gerade­zu vorschreibt, wird mit Füßen getreten, die deutsche Be­völkerung, deren Heldenkampf bewundernswert ist, in der schmachvollsten Weise drangsaliert. Hier liegt wahrlich eine Aufgabe, deren sich der Völkerbund annehmen sollte. Haben doch die Vertreter der hauptsächlichsten in ihm ver­einigten Mächte soeben in Locarno und London sich zu einer Zusammenarbeit zu neuem Geiste bekannt und ver­nichtet. Die Sachlage erhält dadurch noch eine Verschär- mng, daß neuerdings auch Absichten des Faszismus auf Kordtirol bestehen. Es läßt sich natürlich von hier aus nicht Übersehen, ob und wie weit darin nur ein taktisches Ma- »över zu erblicken ist, um die Aufmerksamkeit von den Vor­rängen in Südtirol abzulenken, doch sollten diese italieni­schen Pläne dem Völkerbund zu denken geben, zumal auch die Schweiz sich wegen der faszistischen Bedrohung Tessins in gewaltiger Aufregung befindet und auch in Frankreich Lbwehrmaßnahmen erwogen werden. Zu alle dem werden schließlich noch die südslawischen Absichten auf Kärnten, das sich 1820 durch Volksabstimmung trotz aller Behinderung elementar zum Deutschtum bekannte, immer nachdrücklicher betont. Immer dringender das beweisen alle diese Vor­gänge, fordert das Minderheitsproblem seine Lösung. Sie kann, wie es auch der Genfer Minderheitenkongreß forderte, nur in der grundsätzlichen und allgemeinen Ge­währung der kulturellen Autonomie bestehen. Es muß gleichgiltig sein, ob es sich hier um Staaten handelt, di« unter einem Minderheitenabkommen stehen oder nicht. Was so dem Geiste des Völkerbundes widerspricht, wie das Vor­gehen des Faszismus in Südtirol, sollte unter allen Um­ständen die Aufmerksamkeit des Völkerbundes finden kön­ne«, auch wenn dafür vorerst noch kein normaler Grund­satz vorhanden ist.

A" Reu« vom Tage

Senkung der Lohnsteuer

Berlin, 10. Dez. Dem Reichstag ist mm der angekündigft Entwurf eines Gesetzes über die Senkung der Lohnsteuer zugogcmgen. Für Dienstleistungen nach dem 31. Dezember sollen jährlich 1280 Reichsmark vom Steuerabzug frei blei- ben, und zwar 720 Mark a-ls steuerfreier Lohnbetvag, 24S Mark zur Abgeltung der Werbungskösten und 240 Mark zur Abgeltung der Sonderloistungen. Die Bestimmungen über die Veranlagung der Einkommensteuer sür das Kalender­jahr 1W6 werden durch entsprechende Erhöhung der abzugs- freie« Summe der Senkung der Lohnsteuer angeglichen. Di« zu erwartende Senkung wirÄ nach der Aufiommensberech- mmg Mit 237 Millionen Reichsmark angesetzt, so daß nach amtlichen Meldungen künftig etwa 1203 Millionen Reichs-

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mark an jährlichen Aufkommen aus der Lohnsteuer gegen ^ bisher 1440 Millionen Reichsmark zu erwarten sind. k

Die Sicherung der Getreidebewegung im Reichsrat !

Berlin, 10. Dez. Der Reichsrat hielt eine öffentliche Voll- ! sttzung ab, um den Gesetzentwurf zur Sicherung der Eetrei- i döbewegung im Wirtschaftsjahr 1925/26 zu erledigen. Die ; Vorlage bezweckt die Verlängerung der Tätigkeit der in < Liquidation befindlichen Reichsgetreidestelle um ein weite- j res Jahr. Die Reichsregieru-ng soll ermächtigt werden, ini r Wirtschaftsjahr 1925/26 durch die Reichsgetreideftelle Ge- ! treidsankäufe vornehmen zu lassen, die den Umfang von ! L00 000 Tonnen nicht übersteigen. Grund für die Vorlag« fft, daß die Landwirtschaft für Brotgetreide, namentlich für Roggen, heute vielfach keinen Abnehmer findet und di« Preise auf einen unverhältnismäßig niedrigen Stand fan- ken. Die Vorlage bietet der Regierung die Möglichkeit, in dar freie Spiel der Kräfte teils anregend, teils ausglei- chend und beruhigend eingugreffen. Die Ausschüsse stimmten der Vorlage mit 7 gegen 5 Stimmen zu. In der Vollver­sammlung wurde in namentlicher Abstimmung die Borlag« mit 34 gegen 28 Stimmen angenommen. ;

Berlin, 10. Dez. Der wirtschastspolitische Ausschuß des ! vorläufigen Reichswirtschaftsrates lehnte den von dei r Reichsregierung zur Begutachtung vorgelegten Entwurf ? eines Gesetzes zur Sicherung der Eetreidebewegnng im Wirt- ! schaftsjahr 1926/26 mit großer Stimmenmehrheit ab. ^ ^

Fortgang der Räumung E

Köln, 10. Dez. Die genaue Zahl der Truppen, die Köln bis heute verlassen haben, läßt sich nicht angeben, da die Engländer neben den größeren Transporten täglich kleinere Abteilungen mit den fahrplanmäßigen Zügen ganz unauf­fällig in das neue englische Besetzungsgebiet abschieben. Auch in der belgischen und der französischen Vesetzungszone schrei­ten die Räumungsvorbereitungen fort. Wie verlautet, haben die Belgier bisher etwa 3000 Mann aus dem von ihnen be- - setzten Gebieten zurückgezogen. Die Franzosen sind iu Bonn r mit dem Abtransport von Material beschäftigt. Wie ver­lautet, wollen sie bis Weihnachten 1000 Wagen Material abfahren. Auch das Munitionslager in München-Gladbach, t-n dem mehrere Eisenbahnzüge voll Munition lagern, wird zm Zeit abgebrochen.

Zurückziehung französischer Regimenter ans dem Rheinland

Paris, 10. Dez. Nach demPetit Parisien" werden das 62., 1A). und 133. Artillerieregiment aus dem Rheinland zurückgezogen werden. Das 62. und 133. Regiment werden aufgelöst und das 130. Regiment nach Frankreich zurück- verlegt werden.

Völkerbund und Danziger Beschwerden

Genf, 10. Dez. Der Völkerbund hat sich den Schlußfolge­rungen seines Berichterstatters Quinones de Leon-Spanien hinsichtlich der polnischen Militärwache auf der Danziger - Westerplatte angeschlossen und die vom Dölkerbundsrats- kommissar Macdonnell und dem Danziger Senatspräsiden­ten Sam vorgebrachten Einwände abgewiesen, jedoch darf die Westerplatte ausschließlich nur zur Lagerung von Kriegs­material als Transitgut dienen. Die polnische Kriegsflotte darf nicht im dortigen Hafen stationiert werde«. Außerhalb des Munitionslagers darf di« polnische Uniform nicht ge­tragen werden. Ssnatspräfldent Sam bemerkte, er halte i den bisherigen Standpunkt der Danziger Regierung in jeder - Beziehung aufrecht. Durch die heutige Entscheidung des ! Rats werde nur das eine festgestellt, daß die Militärwache z von 88 Köpfen nicht die Errichtung einer Militärbasis b«- t deute. Jede Verstärkung dieser Zahl würde die Frage der s Militärbasis neu auflsben lasten. Der schwedische Außen- s minister linden regte an, anstelle der polnischen Wache eine j Zivilwache ernzurichten. Senatspräsident Sam begrüßte diese ! Anregungen lebhaft, da durch ein derartiges Arrangement - dft Gefühle der Danziger Bevölkerung nicht verletzt wür- ! den. Auf Vorschlag Dhamberlains sah der Rat davon ab, r auf diese Anregung einzugehen, da sie eine Angelegenheit ! sei, die zwischen dem Oberkommissar und den beiden Regie- ! rungen geregelt werden könne. s

Ein« spanische Regierungserklärung »

Madrid, 10. Dez. Das Ministerpräsidrum hat der Presse s eine Regierungserklärung übermittelt. In dieser erklärt die ! Regierung, sie werde sich zunächst mit der Verwaltung später ! mit der Wiederherstellung des verfassungsmäßigen norm«- - len Regimes befassen. Die Regierung sei entschlossen, die i notwendige Diktatur sür die politische Sanierung Spaniens '

auszunben, Vre als eine Rorwendkgkert für sämtliche Län­der anerkannt worden sei, in denen die schlechte Auslegung der Freiheitsidoe zu Unordnung und Unterdrückung der Autorität geführt habe. Eine besondere Stell« der Regie­rungserklärung befaßt sich mit dom Marokkoproblem. Die Regierung werde die Politik des Direktoriums fortsetzen, indem sie die Entente mit Frankreich aufrechterhalte und befestige. Der Aufstand müsse unterdrückt werden.

Die Erhöhung der Eisenbahntarife in Frankreich

Paris, 10. Dez. Der Obere Berwwltungsrat der Eisen­bahnen Hai zu der im Gesetzentwurf Loucheurs vorgesehene» Erhöhung der Eisenbahntarife Stellung genommen. Das Defizit für das laufende Budgetjahr betrage etwa 700 Mit» Konen Francs und werde für das Budgetjahr 1926 auf etwa 915 Millionen geschätzt. Der Obere Verwaltungsrat schlug daher eine einheitliche Erhöhung der Eisenbahntarife um UO Prozent vor.

Die Pariser Spionageangelegenheit

Paris, 10. Dez. Die englische Botschaft in Par4s löltzt M den Prestenachrtchten über die Inhaftnahme gewisser bri­tischer Staatsangeihöriger, die eine englische Radiogesell­schaft in Paris vertreten und der Spionage beschuldigt wer­den, Mitteilen, sie sei ermächtigt zu erklären, daß keine eng­lische Regierungsstelle in irgendeiner Weise mit dom frag­lichen Hause in Verbindung stehe und daß kerne englische Regierungsstelle von den Handlungen dieser Gesellschaft Kenntnis habe. -. , , ^.

Der Arbeitsplan des Reichstages

Berlin, 10. Dez. Der Aeltestenrat des Reichstages kam in seiner heutigen Sitzung dahin überein, die Beratungen am Freitag, den 18. Dezember zu vertagen »nd am 8. oder 10. Januar 1926 wieder aufzunehmen. Bor der Weihnachts­pause will der Reichstag noch erledigen die Erwerbslosen, fürsorgs, di« Beamtenbesoldung, das Lohnsteuergesetz, die deutsch-russischen Handelsverträge. Außerdem ist nach den bisherigen Dispositionen in Aussicht genommen, auch noch die Erklärung der neue« Regierung vor den WeH- nachtsferien entgegenzunehmen.

Berufung im Dolchstoß-Prozeß

München, 10. Dez. Wie dieMünchener Post" meldet, hat der Rechtsbeistand des Beklagten Gruber gegen das llrteik Amtsgerichts München im Dolchftoßprozetz sofort Beru­fung eingelegt.

Die Mastenentlastung deutscher Postbeamten in der Tscheche!

Prag, 10. Dez. Die Entlastung von 2000 deutschen Post­beamten und Angestellten in den deutschen Gebieten der Tscheche! hat in der deutschen Bevölkerung ungeheure Ent­rüstung hervorgerufen. Die deutsche Bevölkerung sieht i« diesen Entlastungen einen weiteren Schritt zur Tschechi- sterung der deutschen Gebiete, da die Entlassenen durch Tschechen ersetzt werden.

Zur Regiern»gsMkdn«g im Reich

B e rli n, 18. Dez. Dte FM für die Abgabe von schrift­liche« Erklärungen der Reichstagsfrattioneu an de« Reichs­präsidenten, deren Ablanf auf Donnerstag mittag 1 Uh* festgesetzt war, ist mit Rücksicht auf die nachmittags nochmal» stattfindende Besprechung der sozialdemokratische« Fraktion ans 5 Uhr verlängert worden. DerLokalanzeiger" glaubt, daß die Formulierungen der einzelnea Fraktionen erst i» Laufe des Abends beim Reichspräsidenten eintreffe« wür­den. Da eventuell «och Rückfrage« an die Fraktionen not» wendig werde« dürfte«, nehme man au, daß der Reichsprä­sident heute kaum «och in der Lage sein wird, eine Persön­lichkeit mit der Neubildung der Regierung zu betrauen.

Die Neichstagsfrakttou der Deutsche« Volkspartei trat »nter de« Borfitz des Abgeordneten Dr. Scholz z« eine« Fraktionssitzung zusammen, um zur Frag« der Großen Koa­lition Stellung zu «ehme». Reichsaußenmiuister Dr. Strese, mau« wohnte de« Verhandlungen bei. Rach einem Bericht des Borfitzende« billigte die Reichstagsfraktio« der Deut­sche« Vollspartei die von ihren Berhandlungsfiihrern dem Reichspräside nten gegenüber eingenommen« Stellung: Be­reitwilligkeit zur Große« Koalition.

Die Stellungnahme der Sozialdemokratie

Berlin, 18. Dez. Di« Reichstagsfraktio« der Sozial­demokratie beschloß sich a« der Fortsetzung der Verhandlun­gen über die Bilduug der Großen Koalition z« beteilige», jedoch -»nächst dem Reichspräsidenten eine Reihe »o« Vor­aussetzungen zu «nterbreite«, die sie an die Beteiligung der Sozialdemokratie an der Regierung knüpft« müßt«.