Amtsblatt für den Bezirk Nagold und für Altensteig-Stadt. Allgemeiner Anzeiger für die Bezirke Nagold, Lalrv und jreudenstadt.
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Nr. 77.
BismarE
Am» 1. April — dem 110. Jahrestag seiner Geburt —7
Von Dr. Karl Setz-lllm
Das was uns an Bismarck mit gebietender Macht ent» gegentritt, was dem größten Menschen des neudeutschen Kaiserreichs blinde Verehrer und verbleiü>ete Feinde schuf, das ist die überragende Größe dieses eisernen Mannes hinein bis in die Welt der Heldenbilder unserer germanischen Vorzeit. So feiern wir den ersten Kanzler des großen einigen Reiches, der aus dem Schutt der Vorzeit und aus dem lebendigen Boden seiner Gegenwart die mächtigen Quader brach für Kaisertum, Verfassung und Heer, um dessen ragende Persönlichkeit die europäischen Erotzstaaten sich zum Völkerrate scharten. Der hinausschaute in eine Zeit dunkler Not seines geeinten Volkes, und der hinübersah über den Fall in eine Zukunft neuer deutscher Stärke und Weltgeltung.
So schauen wir heute auf Bismarck hin, wie auf die Monumente, welche seine Reckengestalt nachbilden. So tritt uns sein Genius entgegen, wenn rings im Lande durch die Nacht die Flammen der Bismarcktürme emporschlagen. Immer ist es die Riesengestalt, um deren Stirne die Wolken wehen. Und damit ist uns heute Bismarck zum Inbegriff geworden des einen Mannes aus Millionen, nach dessen zukunftsverhülltem Sein heute Tausende aus der Tiefe ihrer Dolksnot rufen.
„Du letzter aller Diktatoren, so komm mit deiner Diktatur'.-
Und doch zwingt uns gerade diese Zeit tiefer Volksschmach, Einschau zu halten in die Wesenheit und in das eigene Werden Bismarcks als des Exponenten und Repräsentanten deutscher Art und Größe. Denn die Persönlichkeit eines Mannes, dessen Schöpfer- und Führertum es gelang, den Nationaltraum des Jahrhunderts heimzufuhren, bildet nicht der Zufall, führt nicht blinde Laune in die Welt des Tages herein. Am allerwenigstens auf dem Gebiete der Staatskunst! Denn hier gilt, wenn irgendwo, das Wort Goethes, daß ein Charakter sich zu bilden habe in dem Strome der Welt- Auch wenn der ein für allemal gegebene Geist die Weltweite der Genialität umschließt.
Persönlichkeit! Um sie hat Bismarck zeitlebens gekämpft und gerungen. An ihr in nimmermüdem Selbstge- niigen gearbeitet. Nur so rechtfertigte er seine starre Un- entwegtheit, sein eisenfestes Wesen, sein herrschendes Herrentum. Es ist ein immerwährendes Herausarbeiten aus dem Kern seines Jchs, ein ständiges Hereinnehmen aller Werte seiner Mit- und Umwelt und alles mit dem letzten Ziele der Persönlichkeit. Bismarck wußte genau, was er hatte und was ihm gegeben wurde. Darum hat ihn zeitlebens im tiefsten Grunde die Dankbarkeit und die Demut
— jawohl gerade Demut — gegen das Ewige beseelt. Dabei war Bismarck alles eher denn von jener frommen Einfalt, welche glaubt, ein achter Schöpfungstag wäre für sie Vorbehalten. Bismarck war der Mann der Tat, einer frischen mutigen Tat. Er hatte sich soundso oft eingrstauden, daß „es nicht ganz christlich ist", und daß folgerichtig auch er es nicht ganz war. Aber Bismarck, dieser Mann der Arbeit und eines geradezu unerbittlichen Pflichtbewußtseins, hat um dieses Recht zu seinem Tun gekämpft. Aeu- ßerlich hart wie Eisen, gerade, fest und zu Zeiten gar verschlossen, war Bismarck ein innerlich feine: Mensch, vielseitig und empfindsam und gerade ihm, welcher in seinem Tun am letzten Ende doch einsam sein mußte, ist die Gottessrage zeitlebens nie verstummt. Und auch hier har er sich zu Gott hingekämpft und hingerungen! Immer sehen wir bei Bismarck die Bewegung vom Ich zum Du ud ihre letzt« Entscheidung im Ich- „All sein Leben lang haben diese zwei Richtungen sich in ihm gestoßen, vertragen, auseinandersetzen müssen, die riesige, selbstherrliche Gewalt seines Ich und der Drang nach Anerkenntnis des Allgemeinen, Höheren, zumeist des Göttlichen. Ihre Auseinandersetzung war das immer wieder frische Problem seines gesamter» und auch seines religiösen Daseins." (Erich Marcks.)
Hat Bismarck so in Gott die zentrifugalen Kräfte seine» Wesens verankert und hier den einen letzten und sichern Pol gefunden, so konnte ihm bei seiner Größe als Mensch und Mann gerade nur in der Frau ein anderer Gegenpol der Ruhe und des Beharrens entgegentreten. „Was bis Mm Frauenherzen vorgedrungen ist, das haftet. Die Frauen sind konservativ, sie wirken auf das Heranwachsende
- Geschlecht und ziehen es in ihrem Geiste groß. Sie sind mir -«ürgen für den Bestand meines Lebenswandels." Aber
Alterrsteig. Mittwoch de» 1. April
. auch in seinem eigenen Schaffen, bei aller exklusiven Härte ! . des Pflichtgedankens, unter dessen Verwirklichung Frau ; ' von Bismarck zeitlebens ein stilles Frauenleid getragen i
- hat, hat Bismarck nie der weiblichen Wesenskraft sein . Ich ! verschlossen. Hat er doch noch als Zweiunddreißigjähriger -
? den Wunderbau eines menschlichen Ich Du begonnen! „Ich > ' betrachte uns als eine Person und „in Dir" ist nicht „außer > mir", schreibt er am 13. Februar 1847 an die Braut. Sie ! gehören mit zum reichsten, was unsere deutsche Brieflitera- ' tur aufzuweisen hat, diese männlich starken Briefe an die i Braut und die Gattin. „Ich habe Dich geheiratet, um Dich - in Gott und nach dem Bedürfnis meines Herzens zu lieben, j und um in der fremden Welt eine Stelle für mein Herz zu j haben, die all ihre dürren Winde nicht erkälten und an der j ich die Wärme des heimatlichen Kaminfeuers finde, an das ; ich mich dränge, wenn es draußen stürmt und friert; nicht j aber um eine Eesellschaftsfrau für andere zu haben, und f . ich will Dein Kaminchen hegen und pflegen und Holz zu- i ! legen und pusten, und schützen und schirmen gegen alles Böse s . und Fremde, denn es gibt nichts, was mir nächst Gottes k , Barmherzigkeit teuerer, lieber und notwendiger ist, als s s Deine Liebe und der heimatliche Herd, der überall auch in f der Fremde zwischen uns steht, wenn wir beieinander sind." l ^ (Brief aus Frankfurt vom 14- Mai 1851 an seine Gattin.'» !
Der Bauernkrieg !
Bekanntlich sind es heute 400 Jahre, daß Deutschland inr< ! ' Bauernkrieg die große soziale Revolution erlebte, die durch - . die gedrückt^ und unwürdige Lage der Bauern verursacht > . war. Waren doch dieselben mehr und mehr zu Hörigen -
> der vielen weltlichen und geistlichen Herrschaften geworden s ^ und deren Willkür schutzlos preisgegeben. Schon seit vielen j
> Jahrzehnten hatten sie in örtlich begrenzten Aufständen, i deren bekanntester der des „armen Konrad" im Jahre 1514 !
! war, versucht das unerträgliche Joch abzuschütteln. Fraglos ,
^ hat ihnen die gewaltige reformatorische Bewegung, die von ! : Luther ausging und u. a. auch die weltliche Herrschaft der j
> Kirche bekämpfte, neue Hoffnung gegeben; dabei wurde die r ; religiöse Freiheit eines Christenmenschen, die Luther ver- !
. kündigte, vom Volk vielfach mit der sozialen Freiheit gleich» s j gesetzt. ^
f Aber in Süddeutschland brach der eigentliche Kampf zu» s
- erst in altgläubigen Gebieten aus, im südlichen Schwarz- j ' wald und anfangs 1525 in Oberschwaben, und stand viel- ; ; fach unter der Führung der Landpfarrer und zwar katho- ; i lisch und evangelisch gesinnter. Ein evangelisch gesinnter ! s Prediger, Schappeler von Memmingen, hat die Abfassung f f. der berühmten 12 Artikel der Bauernschaft maßgebend
! beeinflußt; ünter den durchweg berechtigten und auch von k Luther als maßvoll anerkannten Forderungen dieses Pro- s gramms stand die Freigabe evangelischer Predigt an der f s Spitze; Luther, Zwingli, Brenz, Alber und andere Führer t s der Reformation wurden als Schiedsrichter für einen güt- ! ? lichen Ausgleich vorgeschlagen. Diese Schiedsrichter kamen !
aber für den Schwäbischen Bund, i«r damals unter öfter- E f reichischer und bayerischer Führung sich des Herzogtums - s Württemberg bemächtigt hatte und auf altgläubiger Seite j ? stand, nicht in Frage; er suchte die Bauern, denen sich Heil- ! . bronn und die meisten württembergischen Städte einschließ» f lich Stuttgarts angeschlossen hatten, hinzuhalten, bis er .
. sie gewaltsam niederwerfen konnte. Und als man anderer- s seits die Vauernbewegung, wie am blutigen Ostermontag '
, von Weinsberg, mehr und mehr in ein zuchtloses Plündern Z ^ und Morden ausartete, da hielten es die evangelischen s ' Führer, ein Brenz in Hall, Alber in Reutlingen, Althamer ; s in Gmünd und bekanntlich auch Luther für ihre Pflicht, ; s den räuberischen Haufen entgegenzutreten. Nicht weil sie !
sich einfach auf die Seite der herrschenden Stände stellten, r ; sondern weil sie den Staat und ihr eigenes religiöses Werk ! ! vom Untergang bedroht sahen. Der Schwäbische Bund j ! schlug in den Schlachten von Leipheim, Wurzach, Sindel- s fingen und Königshofen von Anfang April bis Anfang s Juni die Bauern mit unbarmherzigem Würgen nieder und j suchte in den nachfolgenden furchtbaren Blutgerichten auch i die Reformation und die Anhänglichkeit an Herzog Ulrich ! H möglichst zu treffen, während die evangelischen Führer, ^ E Brenz voran, zur Milde gegen die Besiegten und zur Er- - ^ füllung der gerechten Forderungen des Volks mahnten- ! j Das deutsche Volk ist durch den unglückseligen Verlauf E ? der Bauernbewegung, die gleichzeitig wie in Württemberg j f auch im übrigen Deutschland niedergeschlagen wurde, um i ( einen nationalen und sozialen Frühling gekommen. Wie i ; anders hätte sich die deutsche Geschichte gestaltet, wenn der j
I Jahrgang 1923
großzügige Plan des bedeutendsten Bauernführers, des hohenlohischen Beamten Hipler, durchgedrungen wäre, das Reich umzubauen zum einheitlichen Nationalstaat ohne Standesvorrechte, mit erneuerter Kirche, persönlicher Freiheft und freiem Eemeindeleben! ' (ep)
Nach der Wahl
Das amtliche vorläufige Ergebnis der Wahl zum Reichspräsidenten
Berlin, 31. März. Nachdem nunmehr beim Reichswahlleiter die Ziffern aus den noch fehlenden kleinen Wahlbezirken eingelaufen sind, stellt sich das vorläufige amtliche Wahlergebnis der Neichspriifidentenwahl wie folgt: Abgegebene gültige Stimmen: 26 856 002 Braun 7 798 348 Held 1006 790 Hellpach 1 567 197 Zaires 10 408 365
LudenLorff 284 975 st
Marx 3 884 877
Thälmann 1871 207 st
Zersplittert 34 245. st
Die Zentrumspartei zur Reichspräsidentenwahl Berlin, 31- März. Der Zentrumsparteivorstand beschloß rn seiner heutigen Sitzung, den Ministerpräsidenten Marx wiederum als Kandidaten für die Reichspräsidentenwahl aufzustellen. Es wurde ein besonderer Ausschuß gebildet, der die nötigen Vorbereitungen treffen soll.
Die Berliner Presse zur Reichspräsidentenwahl Berlin, 31. März. Während die deutschnationalen und volksparteilichen Blätter ihre Zufriedenheit über den Ausfall der Wahl zum Ausdruck bringen und erklären, daß die auf Jarres entfallene Stimmenzahl alle gehegten Erwartungen erfüllt habe, sprechen die Blätter der Weimarer Koalition von einem Sieg der republikanischen Parteien.
— Die „Kreuzzeitung" sagt, die Kandidatur Jarres sei deshalb ein Erfolg gewesen, weil dieser schwarz-weitz-rote Einheitskandidat von der Mehrheit der Wähler als einzige überparteiliche Persönlichkeit anerkannt worden s«.
— Die „Deutsche Zeitung" tritt gleichfalls für die Aufstellung von Dr. Jarres im zweiten Wahlgang ein und erklärt, selbst für den Fall, daß der Reichsblock allein bleiben sollte, er unbedingt an der Kandidatur Jarres festhäl- ten und keine Zugeständnisse nach links machen dürfe. — Auch die volksparteiliche „Zeit" betont, es verstehe sich ganz von selbst, daß Jarres auch im zweiten Wahlgang der Träger der überparteilichen Kandidatur sein werde. Das Blatt teilt mit, daß der Reichsausschuß des Reichsblocks schon stm Dienstag zusammentreten werdest -- Die' „Germania" schreibt: Gestern sind die Parteien der verfassungstreuen- Mitte gesondert vorgegangen. Der Rechtsparteikandida-' tur Jarres muß im zweiten Wahlgang ein verfassungstreuer Volkskandidat gegenübergestellt werden- — DiF „Vossische Zeitung" sagt: Die drei republikanischen Parteien, gegen die sich der gemeinsame Ansturz von rechts richtete, sind nicht geschwächt, sondern gestärkt aus der Schlacht hervorgegangen. — Der „Vorwärts" spricht sich gleichfalls für eine republikanische Sammelkandidatur aus und erklärt- daß die Sozialdemokratie offenkundig bereit sei, im entscheidenden Wahlgange dem republikanischen Gedanken zum Siege zu verhelfen.
Auslandsstimmeu zur Wahl
London, 31. März. Der Ausgang der deutschen Präsiden^ tenwahl hat in London wenig Ueberraschung erregt, da man allgemein mit einem derartigen Ergebnis gerechnet hatte. Nur über den Mißerfolg des Generals Ludendorff war man einigermaßen erstaunt. Der liberale „Star" meint, es sei eine ernste Sache, daß beinahe elf Millionen Deutsche durch den Wahnsinn Frankreichs und die An» matzung der Junker verleitet wurden, für die Wiederherstellung der Monarchie zu stimmen, was ganz Europa in Flammen versetzen könnte. Bei näherem Zusehen finde man aber, daß die Rechtsparteien ungefähr zwei Millionen! Stimmen seit den Reichstagswahlen eingebüßt hätten. Die Schwierigkeiten der Präsidentenwahl haben darin bestanden, daß die republikanischen Parteien sich nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen konnten. Die Frag« sei jetzt, wer der Sammelkandidat der Republikaner werden könnte, und hierzu sei Hellpach zweifellos am geeignetsten. „Ein bedeutender Wissenschaftler", so schreibt das Blatt, »der Deutschland würdig nach außen hin vertreten würde."