lassen auch in der Tat, mutz gerade bei einer Wahl zur Bürgerschaftsvertretung oberster Grundsatz sein für den Bürger. Dah allen Leuten recht getan, eine Kunst ist, die niemand kann, das gilt in besonde­rem Matze für den Vertreter der Bürgerschaft. Wer Gelegenheit hat, das vorsichtige, pünktliche Arbeiten der Gemeindekollegien mit zu erleben, wer Zeuge da­von ist, wie bei allen in das Eemeindeleben beson­ders einschneidenden Fragen nicht nur, sondern auch bei jederlaufenden", unbedeutenden Angelegenheit die möglichst beste Lösung und Erledigung gesucht wird in langen, ermüdenden Verhandlungen, der lernt die Verantwortung, die auf einem im Rat der Stadt sitzenden Bürger liegt, in ihrem ganzen Ernste erkennen. In Calw macht die Bürgerschaft noch all­zuwenig von dem Rechte Gebrauch, den öffentlichen Sitzungen der Eemeindekollegien anzuwohnen. Wer fleitzig Zuhörer bei ihnen wäre, würde gar bald ein genaues Bild von dem erhalten, was dort für die günstige Entwicklung des öffentlichen Lebens der Stadt geleistet wird, und er würde beobachten, daß es nicht ausschließlich darauf ankommt, daß das ein­zelne Kollegialmitglied lange und schöne Reden für oder gegen einen Verhandlungsgegenstand hält, son­dern sehr wesentlich und meist darauf, ein auf Sach­kenntnis beruhendes, sachliches, unbefangenes Urteil abzugeben imstande zu sein, bei dem die Form, in der es ausgesprochen wird, gar nicht ins Gewicht fällt. Und weiter würde sich dem Zuhörer aufdrängen, welch eine große Anzahl von Ortskundigen in dem Rathauskollegium sitzen, die Stadt und Bevölkerung, in und mit der sie aufgewachsen sind, aufs genaueste kennen, die vertraut sind mit den Beziehungen und gegenseitigen Abhängigkeiten zwischen Stadt, staat­lichen Behörden und Bezirksgemeinden, die eine Art lebendiges Grundbüch sind u. über den Feld-, Wald-, Wiesen-, Acker-, und Wasserbesitz der Stadtgemeinde nie versagende, zuverlässige Auskunft zu geben ver­mögen, wodurch der Fortgang der Verhandlungen außerordentlich gefördert und erleichtert wird.

Es wird wohl berechtigt sein, dieses alles zu­sammenfassend einmal aussprechen zu dürfen. Die Neuwahlen zum Gemeinderat fallen in eine Zeit, in der Calw vor der Ausführung großer Pläne steht, die kluge, gereifte, nach vorwärtsgerichtete Köpfe ver­langen. Da bleibt dringend zu wünschen, daß die Wahl auf solche Männer fällt, die mit der Liebe zur Stadt Besonnenheit und Gerechtigkeitssinn verbin­den. Möchte nach diesen Gesichtspunkten gewählt werden, von jedem, der sich als Bürger Calws weiß!

Weilderstadt, 26. Nov. Im nahen Lehningen in Baden ging die Wirtin zum Engel kurze Zeit in die Küche. Als sie die Wirtschaft wieder betrat, beobachtete sie, wie ein Stammgast sich von der Kasse im Schank eine handvoll Geld aneignete. Daß es noch billige Aecker zu kaufen gibt, be­weist ein Fall in Merklingen. Dort kaufte Jakob Pfäffle drei­viertel Feld um 10 Mark. Ob gegen bar oder auf Zieler, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden.

Jselshausen OA. Nagold, 26. Nov. Dem Fuhr­mann Mutz wurde zum siebten ihm geborenen Mäd­chen ein Patengeschenk der Königin von 20 Mk. aus­gehändigt. _

Württemberg.

Aus dem Landtag.

Der Finanzausschuß der Zweiten Kammer ist in die Be­ratung des bedeutsamen Gesetzentwurfs betr. Aenderung des

-> Ghokera.

Erzählung aus Nordfricsland von Jngeborg Andresen.

Den ganzen Tag saß jetzt der sehnige, hagere Mensch mit dem bronzcbraunen Gesicht und den kleinen, scharfen Augen in der Bahnhofswirtschaft. Nahte sich von Norden oder Süden ein Zug, so trat er auf den Bahnsteig hinaus, ging mit schnellen Schritten an jeden Ausgestiegenen heran, sah ihm säuernd ins Gesicht und begleitete ihn um die Ecke auf die Chaussee hinaus. Erft wenn sie die nächste Wegebiegung er­reicht hatten, kehrte er, weil er durchaus keins der ihm ge­schilderten Cholerasymptome bemerkt hatte, enttäuscht wieder um und ging zum Bahnhofsverwalter hinein, um weiter Sechsundsechzig" zu spielen.

Jann Dirk'sche und ihre Freundinnen hatten Zeiten, wo sie die Bauernfrauen auf ihren großen Höfen nicht beneideten. Das war, wenn sie sich morgens leise erzählten, daß in der letzten Nacht Boi Hennings seine Frau wieder stundenlang im Kirchspielskrug hatte warten lassen; daß er jedesmal, wenn sie ihn bat, doch endlich anspannen zu lassen und nach Haus zu fahren, eine neueRunde" ausgegeben hatte. Oder daß Geert Sebrandts Frau ihren betrunkenen Mann verächtlich wie ein Stück Vieh hinten in den Wagen verpackt und in Zorn und Scham selbst die Zügel geführt hatte. Oder daß der Wagen, der gegen Morgen über das holprige Pflaster raffelte, Ratmann Knutz' Sohn endlich heimbrachte, auf den seine Mutter seit Tagen wartete.

Wenn so ein Gerücht kreuz und quer über die schmale Dorfstraße eilte und in jedes der kleinen, engen Häuser hinein­schallte, pflegte drinnen irgend jemand einen Augenblick von der Arbeit aufzusehen und zu sagen:Ja, Geld häbbt se

Gemeindesteuergesetzes eingetreten. Wenn auch noch keine end- giltigen Ziffern festgelegt sind, ist doch heute schon mit einer wesentlich stärkeren Heranziehung des Einkommens zu den Gemeindesteuern zu rechnen.

Zentralstelle für Landwirtschaft.

In der Sitzung des Gesamtkollegiums der Zentralstelle für die Landwirtschaft vom Dienstag stand die Aenderung der Grundsätze für die Gewährung von Staatsbeiträgen an Viehversicherungsvereine zur Beratung, die von den kleinen und den kleinsten Vereinen als zu hart empfunden wurden, besonders hinsichtlich der Mindestforderungen für Schadens­ausgleichung und der Jahresprämie für versicherte Tiere. Der Berichterstatter Amtmann Bullinger beantragte, die, Vor­schriften zu belassen, dagegen die Mindestforderungen so zu ermäßigen, daß den Vereinen ein Rahmen innerhalb der äu­ßerst möglichen Grenzen vorgeschrieben wird. Allseitige Zu­stimmung fand ein Antrag des Direktors a. D. v. S t r e b e l, die Bestimmungen beizubehalten, aber die Forderungen bezüg­lich der Schadensausgleichung und den Jahresprämien fal­len zu lassen. Sodann erstattete Landwirtschaftsinspektor Bazlen einen Bericht über die Einrichtung der Buchstelle und die Förderung des landwirtschaftlichen Buchführungs­wesens. Weitere Vorträge hielten Oberbaurat Ganz und Re­gierungsrat Gauger über die Maßnahmen zur weiteren Pro­duktionssteigerung der deutschen Landwirtschaft. Als Abge­ordnete zum Deutschen Landwirtschaftsrat für 1914, 1915 und 1916 wurden berufen: Direktor a. D. v. Strebel, Landesöko­nomierat Länderer, Domänenpächter Schmid, Platzhof und Landesökonomierat Köstlin, als Stellvertreter gingen aus der Wahl hervor: Oekonomierat Mayer-Heilbronn, Oekonomierat Ruoff-Niederreutin, Landwirtschaftsinspektor Ströbel-Ulm und Landesökonomierat Muth-Ellwangen.

Zum Kaiserbesuch.

Der Kaiser wird bei seinem Stuttgarter Besuch begleitet sein von dem Hausmarschall Freiherrn v. Lyncker. Zum Ge­folge treten hinzu: die Generaladjutanten Generaloberst v. Wessen und General der Infanterie Freiherr v. Lyncker. Das Reiseprogramm ist jetzt im einzelnen festgelegt. Danach wird der Kaiser Donaueschingen, wo er morgen, Freitag abend zur Jagd eintrifft, Freitag, den 5. Dezember, nachmit­tags 2 Uhr, verlassen, um nach Stuttgart zu fahren. Die An­kunft erfolgt hier nachmittags 5Z4 Uhr. Abends wohnt der Kaiser den Vorstellungen in den beiden Häusern des Hof­theaters bei. Samstag, den 6. Dezember, begibt sich der Kaiser im Automobil nach Ludwigsburg, um der Jahrhun­dertfeier des dortigen Dragoner-Regiments beizuwohnen. Der Kaiser trifft um 1016 Uhr im inneren Hofe des Schlaffes zu Ludwigsburg ein. Um 11 Uhr findet ein Festgottesdienst statt. Um 11.45 nimmt der Kaiser von der Schloßterrasse aus im vorderen Schloßgarten einen Parademarsch des Regiments in Zügen ab. Um 12.30 finden im inneren Schloßhofe Rei­terfestspiele des Regiments vor dem Kaiser statt und um 2 Uhr nachmittags ein Frühstück in dem Offizierskasino. Nachmittags 4.40 Uhr tritt der Kaiser die Rückreise von Lud­wigsburg nach Potsdam an. Die Ankunft in Wildpark er­folgt am Sonntag, den 7. Dezember, um 8.05 Uhr vor­mittags.

Zu dem Stuttgarter Kindsraub

wird uns geschrieben:

Es ist bezeichnend für die soziale Ungerechtig­keit unserer Zustände, daß zwar die Tat, der Name, der Wohnort des Mädchens und sogar der Wohnort ihrer Eltern in den Blättern mit voller Ausführlich­keit an die Öffentlichkeit gezogen und in Extra­blättern zur Kenntnis aller Kinder und Erwachse­nen gebracht wird, aber von dem Buben, der

awer supen dot se ock!" Und ein anderer fügte drohend und warnend hinzu:Se supen stck noch von Hus und Hoff!" Doch klang das nicht hinaus auf die Wersten, nicht hinein in die Stuben der Höfe.

Vernehmlicher hingegen sprach die Dorfstraße über Pe' Mölk, den Flickschuster. Der war schuld daran, daß man nicht mehr selbstgerecht an die Brust schlagen konnte und sagen:Ich danke Dir, Gott .,..." Denn er gehörte zu ihnen, auch dann noch, wenn er aus dem Wirtshaus heraustaumelte und schwankend und torkelnd den Heimweg suchte. Dabei konnte man von ihm nicht einmal halb bedauernd, halb entschuldigend sagen, daß er Geld hätte nein, was er vertrank, waren alles Groschen, die in den kleinen Häusern mühsam zusammenge­arbeitet waren. Darum trugen denn auch oft Ketel Discher'- sche und Jann Dirk'sche und Life Ramaker'sche ihrer Männer defekte Schmierstiefel höchsteigenhändig zu Pe' Mölk in das kleine, grüngestrichene Haus, schlugen unbekümmert die bun­ten Bettgardinen zurück und weckten den Sünder aus tiefem Schlaf, um ihm, wenn er stöhnend mit schmerzendem Kopf hochfuhr, in gehöriger, wohldurchdachter Rede auseinander­zusetzen, das er'sich schämen" müsse. Leider hatten sie jedoch nicht die Genugtuung, zu erleben, daß es etwas verschlug, uns sie waren daher allesamt gern bereit, ihr Amt, dem Schuster Gardinenpredigten zu halten, abzutreten, als es hieß, Pe' Mölk wolle sich verheiraten.

Freilich, als man nun das nähereWas" undWie" erfuhr, gab es wieder ein gewaltiges Kopfschütteln. Frauken Lauersch vom Porrendeich, die im Sommer Tag um Tag bar­fuß und zerlumpt durchs Dorf lief und Porren (Krabben) ausrief, hatte Pe'Mölk in der Tmkenheit dazu gekriegt, sich mit ihrer ältesten unehelichen Tochter zu verloben, und nun paßte sie auf wie ein Jagdhund, daß der eingefangene Vogel nicht

das ganze Unglück verschuldet hat, wird in rührendem Taktgefühl nicht einmal der Name genannt. Warum denn? Der Name des Mannes ist geradeso interessant, wie der des Mädchens. Warum soll der Mann, den seine Tat so unendlich billig kommt vielleicht seiner sozialen Stellung wegen? im Hintergrund bleiben, während der Name des Mädchens, das mit dem Ruin ihres Le­bens bezahlen muß, an den Pranger gestellt wird? Wir halten dafür, daß Namen besser überhaupt nicht an die Öffentlichkeit gebracht werden, so lange die Gerichte nicht gesprochen haben. Wird dies aber schon für unvermeidlich betrachtet, so tritt in einer derart einseitigen Behandlung in empörender Weise zu Tag, mit wie verschiedenem Maßstab die Moral bei Mann und Frau gemessen wird.

Ein Vater."

Stuttgart, 26. Nov. Gestern abend ist der Mechaniker Maier mit seiner Frau und dem in Fürth wiedergefundenen Knaben, den die Eltern dort ab- aeholt hatten, hier eingetroffen. Auf dem Bahnhof hatte sich ein zahlreiches Publikum versammelt, um Zeuge der Freude zu sein, die die Eltern nach schwe­rem Leid über die Wiedererlangung ihres Kleinen erkennen ließen. (!)

Zwei Männer ertrunken.

Reichenbach a. d. Fils, 26. November. Seit Sonntag werden der 65 Jahre alte Obermeister Jakob Hof senior und der 43 Jahre alte Webermeister Johannes Rein, beide in der Otto'schen Fabrik beschäftigt, vermißt, die am Sonntag nacht im Gasthaus zur Sonne in Reichenbach bis gegen 2 Uhr vergnügt zusammensaßen und Hof den 45. Jahrestag seiner Hochzeit feierte. Da sie auf dem Heimweg den Filssteg pas­sieren mußten, wird angenommen, daß der eine Meister in der Dunkelheit ausgeglitten und in die Fils gestürzt und der andere bei dem Rettungsversuch umgekommen ist. Gestern vor­mittag wurde die Leiche Hofs am Rechen der Sägmühle in Plochingen angeschwemmt. Rein konnte bis heute noch nicht gefunden werden. Webmeister Hof hinterläßt eine Witwe mit neun erwachsenen Kindern, Webmeister Rein eine Witwe und 7 Kinder im Alter von 214 Jahren.

Schramberg, 26. Nov. Bei der am Sonntag vorgenommenen Ausschußwahl der Arbeitnehmer der Krankenkasse für den Bezirk Oberndorf, die ihren Sitz in Schramberg hat, erhielt Liste 1 (christlich nationale Arbeiterschaft) 866, Liste 2 (freie Gewerk­schaften) 622 und Liste 3 (Hirsch-Duncker) 428 Stim­men. Auf elftere entfallen 18, auf Liste 2 13, und auf Liste 3 9 Vertreter. Die Arbeitgeber hatten nur eine Vorschlagsliste eingereicht.

Obertürkheim, 26. Nov. Seit Mitte dieses Mo­nats wird der 44 Jahre alte verheiratete Maschinen­techniker Julius Wagenmann von Uhlbach vermißt. Er war im Besitz einer Geldsumme von etwa 2100 Mark. Das Uhlbacher Schultheißenamt ersucht in öf­fentlicher Anzeige, ihn in schonender Weise anzuhal­ten und sofort telephonisch oder telegraphisch Nach­richt nach Uhlbach gelangen zu lassen.

Giengen a. Br., 26. Nov. Die seit einigen Ta­gen abgängige Kalbel des Gutsbesitzers E. Musel­mann auf Helmeringen bei Lauingen wurde dieser Tage verendet in der Gemeindeflur Eundelfingen bei Peterswörth aufgefunden. Das Tier kam von der Weide abwegs, durchschwamm die Donau und geriet in ein Sumpfloch, aus dem es sich nicht mehr herausarbeiten konnte, und so rein dem Hungertode preisgegeben war.

wieder davonflatterte. Und wirklich: im Schusterhause gab cs Hochzeit, der ganzen Dorfstraße zum Trotz, und Frauken Lauersch traf schon Anstalten, mitsamt ihren übrigen Spröß- lingen sich bei ihrem Schwiegersohn niederzulaffen. Da aber fand die siebzehnjährige junge Frau zum erstenmal den Mut zum Widerspruch: Mutter und Geschwister mußten wieder den Weg suchen zum heimatlichen Porrendeich.

Die Dorfstraße aber nahm bald alles zurück, was Miß­trauen und Hochmut gegen Frau Lene geäußert hatten, und nach einem Jahr ging das allgemeine Urteil dahin, daß Pe' Mölk seine Frau gar nicht verdient habe. Der Schuster nahm sich nämlich ebenso wenig Frau Lenes Bitten und Tränen zu Herzen wie früher die Predigten der Nachbarinnen. Er war gut zu ihr, so lange ec nüchter r war, aber in seiner Trun­kenheit machte er seine Frau schlecht vor seinen Wirtshaus­kumpanen, erzählte breit und häßlich von dem Leben ihrer Mutter und beklagte sich selbst wegen seiner Heirat. Daheim aber saß zitternd und verängstigt sein junges Weib und war­tete auf seine Rückkehr, um dann den Trunkenen trotz Angst und Widerwillen ins Bett zu bringen.

An einem Morgen nach solcher Nacht kramte sie ver­zweifelt zwischen dem Handwerkszeug auf dem Schustertisch hemm und versuchte mit zusammengebiffenen Zähnen, Klas Hamkens Schmierstiefel zu besohlen. Der sah nachher wohl ein bißchen verwundert auf Frau Lenes Meisterstück hin, aber da die Sohlen die genügende Dicke hatten, bezahlte er ohne Murren den zaghast geforderten Lohn. Seit dem Tage brauchte Lene nicht mehr zu hungern, wenn Pe' Mölk ins Wirtshaus ging. Aber darum wurde ihr Kindergestcht doch immer älter und vergrümter aussehen; sie stand ratlos und verzweifelt dem Feind gegenüber, der Pe' Mölk in den Klauen hielt. ' ^ (Forts, folgt.)