Württemberg.

Friedensbewegung, Pfarrer und Lehrer.

Der Württembergische Landesverein der Deut­schen Friedensgesellschast besprach in seiner Tagung in Ulm die Frage, wie Geistlichkeit und Lehrerschaft mehr für die Friedensidee zu gewinnen wären. Es wurde eine Entschließung angenommen, in der es als eine Forderung der Zeit bezeichnet wird, daß die als Landes- und Staatskirche organisierte Kirche um ihres eigenen und um des Interesses des Volkes willen endlich für die Durchsetzung der sittlichen Grundsätze in der Öffentlichkeit und in der Politik eintritt. Es wird die Ueberzeugung ausgesprochen, daß in diesem Sinne in erster Linie die Vertretung der Idee des Weltfriedens sich darbietet, da sie nichts anderes ist als eine selbstverständliche Folgerung aus dem Geiste Jesu Christi ist. Schließlich wird an die Kirche in ihrer Gesamtheit die Bitte gerichtet, die zu einer Weltfrage gewordene Friedensidee vorurteils­los zu prüfen, gegen alle Kriegshetze im Namen des Christentums ihre Stimme zu erheben und mit allen sittlich-religiösen Mitteln den Friedenswillen zu stär­ken und auszubreiten. Die Volksschullehrerschaft Württembergs soll durch aufklärende Artikel in der Fachpresse und durch Vortrüge in den Bezirksver­sammlungen mit der Friedensidee näher bekannt gemacht werden.

Konfessionelle Statistik.

Bei der Diözesansynode der evangelischen Stadtdiözese Stuttgart teilte Stadtdekan Traub folgende statistische Ergebnisse für das Jahr 1912 mit: Von 5059 Kindern aus ganz oder halb evangelischen Ehen blieben ungetauft 370 gleich 7, 3 Prozent. Von 714 Kindern aus evangelisch­katholischen Ehen sind evangelisch getauft 451 gleich 60,62 Prozent: katholisch 210 gleich 28,23 Prozent, ungetauft blieben 80 gleich 10,89 Prozent. Von 807 unehelichen Kindern sind evangelisch getauft 736 gleich 91,2 Prozent, katholisch 2 gleich 0,25 Prozent, ungetauft blieben 68 gleich 8,43 Prozent. Konfir­miert wurden 2745 (gegen 3070 im Vorjahr). Von 2207 evangelischen Paaren blieben ungetraut 476 Paare gleich 21,56 Prozent. Von 485 gemischten Paaren sind evangelisch getraut 185 gleich 39,15 Pro­zent, katholisch 109 gleich 27,47 Prozent, ungetraut 191 gleich 39,35 Prozent. Abendmahlsgäste waren es 47 577 gleich 26,57 Prozent (gegen 25,21 Prozent im Vorjahr). Von 2797 Verstorbenen wurden kirch­lich beerdigt 2086. Die größere Zahl der nicht kirch­lich Beerdigten sind kleine Kinder. Feuerbestattungen 279 (im Vorjahr 237). Zur evangelischen Kirche sind llbergetreten 39 Personen, ausgetreten 131, darunter 12 zur katholischen Kirche, 43 konfessionslos, 27 zur freireligiösen Gemeinde.

Krankenkassenwahlen.

Geislingen, A. St., 10. Nov. Bei den Ausschußwahlen zur Bezirkskrankenkasse erhielten die christlich-Nationalen 1113 und die Freien Gewerkschaften 732 Stimmen. Ulm, 10. Nov. Bei der Wahl der Arbeitervertreter für die Kranken­kassen sind auf Wahlvorschlag l (Arbeitervereine für soziale Wahlen) 4201 und auf Wahlvorschlag ll (freie Gewerkschaf­ten) 3582 Stimmen entfallen.

Wagner.

Heilbronn, 10. Nov. Der Mordbrenner Wagner ist im Automobil in das psychiatrische Institut nach Tübingen zur Untersuchung seines Geisteszustandes geschasst worden.

Das Ilngtückshaus.

38.) Roman von Georg Türk.

Die Schrift ist nicht Meinharts Schrift!" mur­melte er kopfschüttelnd.

Der Brief war nach Erlenstadt adressiert. Die dortige Post hatte ihn nachgeschickt.

Er öffnete den Brief und las:

Sehr geehrter Herr Assessor! Verzeihen Sie daß ich an Sie schreibe, aber ich halte es doch für meine Pflicht, wenn ich auch nicht weiß, ob Sie überhaupt noch an mich denken. Ich glaube das nicht; denn Sie haben mir ja Ihre Ernennung, die ich in der Zeitung las, nicht mitgeteilt. Das hätte doch wohl als eine Ausnahme von unserer Ab­machung gelten können. Der dreizehnte August rückt näher. Damit Sie falls Sie das jenoch Vor­halten die Reise nicht umsonst machen und sich und mir Ungelegenheiten bereiten, teile ich Ihnen mit, daß ich mich demnächst mit einem Herrn, den Sie nicht kennen, verloben werde. Elisabeth V."

Hans Ringer hatte den Brief gelesen, mechanisch faltete er ihn zusammen und steckte ihn in die Tasche.

Sein Gesicht war furchtbar bleich geworden, er fühlte keinen Schmerz, er fühlte gar nichts.

Er stand da, als sei das Leben aus ihm ge­wichen.

Plötzlich flimmerte es ihm vor den Augen. Es war ihm, als ob sich alles um ihn im Kreise drehe.

Er sank auf einen Stuhl und starrte vor sich hin, dann brach er in ein schallendes Gelächter aus.

O ich Narr!" rief er.

Ein Kind verbrannt.

Plüderhausen, 10. Nov. Gestern nacht 1 Uhr brach in dem Doppelwohnhaus des Fabrikarbeiters E. Knödler und des Holzhauers Georg Fritz Feuer aus, welches das ganze Haus einäscherte. Das Feuer griff so rasch um sich, daß ein 5 Jahre alter Knabe, welcher auf der Bühne bei einem 13jährigen Bruder schlief, den Tod in den Flammen fand. Der ältere Bruder flüchtete sich zu einem Bühnenladen, um dem Erstickungstod zu entgegehen, während es ihm nicht gelang, das Brüderchen, welches er aus dem Bett gerissen, zu retten; er selbst war schon stark betäubt, als er von der Feuerwehr erreicht wurde. Ueber die Entstehungsursache des Brandes ist Näheres nicht bekannt. (Gmünder Ztg.)

Stuttgart, 10. Nov. Mit dem morgigen Tage wird das Kgl. Hoflager nach Bebenhausen verlegt, wo die Hofjagden beginnen.

Stuttgart, 10. Nov. Von den am 27. vorigen Monats an dem Umbau in der Marienstraße verunglückten Arbeitern ist am Samstag vormittag auch der verheiratete Maurer Gott­lieb Vogel von Wendlingen O. A. Eßlingen gestorben.

Ebingen, 10. Nov. Gestern büßte hier ein zweijähriges Kind dadurch das Leben ein, daß ihm von der Suppe des Mittagessens ein Knochensplitterchen in dem Halse stecken blieb. Trotzdem von Seiten des Arztes bald ein operativer Eingriff gemacht wurde, starb das Kind nach kurzer Zeit.

Aalen, 10. Nov. Am gestrigen Sonntag kam Bischof Dr. Paul Wilhelm v. Keppler hier an, um am heutigen Tage die feierliche Konsekration der zweiten katholischen Stadtpfarr­kirche vorzunehmen.

Au» Welt «n- Jett.

DieSachsen" an das Reichsmarineamt verpachtet.

Das dei Deutschen Luftschiffahrts-Aktien-Gesell- schaft gehörige LuftschiffSachsen" ist vom Reichs­marineamt gepachtet worden und wird vom 1. De­zember an in der Fuhlsbütteler Halle seinen Stand­punkt erhalten. Im Frühjahr 1914 kommt die Ma- rine-Luftschifferabteilung nach Cuxhaven, wo die neuen Luftschiffhallen für die bis dahin sertigzu- stellenden beiden neuen Marineluftkreuzer und die festen Unterkunftsräume ihrer Vollendung entgegen­gehen. Zum Kommandanten des noch fertigzustellen­den MarineluftschiffesL 3" ist Kapitän Beelitz be­stimmt. Das neue, für die Militärverwaltung be­stimmte Zeppelinluftschiff LZ 21 (Z6) hat seine erste Werkstättenfahrt unternommen.

Verstimmungen.

München, 10. Nov. Die Regierungsvorlage, welche eine Erhöhung der Zivilliste von 5,4 Millionen auf rund 6,3 Mil­lionen Mark vorschlägt, wird morgen den Finanzausschuß der Abgeordnetenkammer beschäftigen. Es wirkt unter den derzei­tigen wirtschaftlichen Verhältnissen verstimmend, daß den Landratsversammlungen der sämtlichen acht bayrischen Regie­rungsbezirke eine starke Erhöhung der Kreisumlagen vorge­schlagen wird.

Liebknecht abgelehnt.

Bei den Verhandlungen über die Zusammen­setzung der Kommission zur Prüfung der Rüstungs­lieferungen wurde von soz.-dem. Seite der Abg. Lieb­knecht neben dem Astg. Noske als Mitglied ange- boten. Der Abg. Noske wurde angenommen; gegen die Berufung des Abg. Liebknecht erhob der Reichs­kanzler Bedenken wegen der prononzierten Stellung dieses Abgeordneten gerade in dieser Angelegenheit,

Lange saß er so und wiederholte immer wieder: O ich Narr!"-

Es klopfte.

Er hörte erst, als dies zum dritten Mal aufs Kräftigste geschah.

Herein!" rief er.

Ein Bauer trat ein, die Peitsche in der Hand.

Es ist angespannt, Herr Assessor!"

Spannen Sie wieder aus!"

Der Bauer sah ihn verdutzt an.

Oder nein! Spannen Sie nicht aus. Ich fahre doch! Aber nicht nach Hohenburg, sondern zur Bahnstation!"

Dort angekommen, löste Hans Ringer ein Billet nach der nicht allzu weit entfernten Großstadt.

Er saß im Wagen und horchte auf das gleich­mäßige Rollen der Räder.

Die Mitfahrenden sahen ihn scheu an.

Der Mann ist krank!" dachten sie.

Mittags kam er in der Stadt an.

Nun stand er am Bahnhofplatz mitten unter den hastenden, jagenden Menschen, mitten im Gewirr der Fuhrwerke und Trambahnen.

Vergessen will ich!" murmelte er.Alles ver­gessen!" planlos lief er ein paar Stunden durch die Straßen. Dann setzte er sich in ein belebtes Restau­rant. Er bestellte etwas zu essen; der Kellner trug fast alles wieder ab.

Aber ein Glas Bier nach dem andern stürzte er hinunter.

Als die Dämmerung hereinbrach, verließ er das Restaurant und ging in ein Theater minderwertiger Sorte.

und die soz.-dem. Partei ist vom Reichsamt des In­nern aufgefordert worden, einen andern Herrn zu be­nennen. Die Antwort der soz.-dem. Fraktion steht noch aus.

Ein Eingriff des Kaisers.

In Washington soll ein neues deutsches Bot­schafterpalais gebaut werden. Unter den deutschen Architekten wurde nun ein Wettbewerb ausge­schrieben, an dem sich eine große Anzahl beteiligten. Das Preisgericht erkannte in seiner Mehrheit dem Professor Möhring den 1. Preis zu. Ueber die Köpfe des Preisgerichts hinweg, nachdem das preisgericht­liche Urteil schon veröffentlicht war, übertrug der Kaiser persönlich die Ausführung des Baues dem Geh. Hofrat Ihne, der sich am Wettbewerb nicht be­teiligt hatte, aber merkwürdigerweise trotzdem so­fort einen Entwurf für das neu zu errichtende Haus unterbreiten konnte. Die Arbeit des ganzen Wett­bewerbs, insbesondere die des preisgekrönten Archi­tekten ist demnach völlig umsonst gewesen. Das kai­serliche Eingreifen hat in den Kreisen der Bauwelt peinliches, entrüstetes Aufsehen erregt. Jetzt hat sich das Preisgericht, dem eine Reihe der tüchtigsten deut­schen Architekten angehört, in einer Eingabe an das Auswärtige Amt in Berlin, von dem der Wettbe­werb ausgeschrieben wurde, gewandt. Darin wird betont, daß die Erteilung des Auftrages an den Ge­heimrat von Ihne in Widerspruch mit den Bestim­mungen des Auswärtigen Amtes stehe, wonach in Aussicht genommen sei, einen der Preisträger mit der Aufstellung des genauen Entwurfes zu betrauen. Die technischen Preisrichter stehen auf dem Stand­punkt, daß diese Bestimmung für das Auswärtige Amt bindend sei, und bitten daher den Staatssekre­tär unter Anerkennung der allgemeinen deutschen Wettbewerbsgrundsätze, einem der vier Architekten, denen das Preisgericht die Preise zuerkannt Hut, die weitere Bearbeitung des Bauplanes zu übertragen.

Von der Ordenssucht.

Daß der Erbauer des Völkerschlachtdenkmals, Ge­heimrat Thieme, denroten Adlerorden vierter Klasse" abgelehnt hat, wird von der deutschen Presse nahezu einmütig gebilligt. Ein wirkliches Verdienst hätte der Mann freilich erst, wenn er überhaupt je­den Titel und jeden Orden zurllckgewiesen hätte, nicht bloß vierter Klasse. Die Ordensjägerei, schrei­ben die Hamburger Nachrichten, hat sich bei uns ge­radezu als eine Unart ausgebildet, und oft genug wird uns die reine Freude an großen Stiftungen und überragenden Werken getrübt, weil die Stifter und Urheber gar zu auffällig nach Orden- und Titeln geschielt haben. Das weit ausgedehnte Ordens-,und Titelwesen, an dem un­ser eZeit krankt, kann sogar zumVer- hängnis unseres Volkes werden. Denn die Fähigkeit, in einem Werk aufzugehen und mit der menschlichen Person ganz zurückzutreten, ist das beste Können eines Volkes. Und darum liegt seine Kraft auch in den freien Berufen, die wissen, daß ihnen Orden und Titel nicht blühen. Die großen Leistungen des deutschen Volkes, die wirklich die Ach­tung und den Neid anderer Völker erregen und den Wohlstand des eigenen schaffen, werden in der em­sigen, unauffälligen Arbeit hervorgebracht, die mit allem anderen, nur nicht mit Orden und äußerlichen Auszeichnungen rechnet. Ob das Ordenswesen ein

Als er es wieder verließ, wußte er nicht, was ge­spielt worden war und lief wieder durch die Straßen.

In einer Seitengasse kam er vor eine Wein­schenke.

Nur vergessen! Nur vergessen!"

Die liebenswürdige Kellnerin setzte sich gleich zu ihm hin ... .

Um drei Uhr nachts läutete er an einem Hotel den Hausknecht heraus.

Er warf sich ins Bett und fiel in einen bleier­nen Schlaf. ,

Erst am Hellen Mittag erwachte er mit rasendem Kopfweh.

Als er seinen Rock anzog, knisterte ein Papier in seiner Tasche. ^ ^

Er holte es hervor. Es war der Brief Elisa­beths.

Wütend zerriß er ihn und warf die petzen zum Fenster hinaus.

Dann besann er sich.

Ach so!" sagte er mit bitterem Auflachen.Ich habe ja einen Ausflug verabredet mit der reizenden Kellnerin von gestern!"

Er trank eine Tasse schwarzen Kaffee und be­gab sich zum ausgemachten Platz.

Sie war schon da, chik und elegant gekleidet.

Eine wilde, unnatürliche Lustigkeit und Ausge­lassenheit kam über ihn.

Erst in der Nacht kehrten sie zurück.

Wieder saß er in der Weinschenke und trank . .

(Fortsetzung folgt.)