8ck. Mutmaßliches Wetter. Für Freitag und Jamstag ist vielfach bewölktes, strichweise regnerisches und mäßig kühles Wetter zu erwarten.
Wildbad, 5. Nov. Im Alter von 68 Jahren ist der General' a la Suite des Königs, General der Infanterie a. D. Karl von Schott hier in einem Anfall von Schwermut aus dem Leben geschieden. Er war am 9. April 1845 in Eßlingen geboren und im Jahre 1866 als Landwehrmann einberufen worden. 1868 wurde er zum Offizier befördert, 1870 zum Oberleutnant, 1874 Hauptmann, 1884 Major, 1889 Oberstleutnant, 1891 Oberst, 1896 Generalmajor, 1899 Generalleutnant und 1912 als General der Infanterie charakterisiert. Er hat den Feldzug 1870/71 mitgemacht und war u. a. Kommentur des Militärverdienstordens, den ihm der König 1899 verlieh.
Arnbach, OA. Neuenbürg, 5. Nov. Unter zahlreicher Anteilnahme der Gemeinde und auswärtiger Gäste wurde das neue, nach Plänen von Stadtbaumeister Stribel-Neuenbürg erbaute Schulhaus seiner Bestimmung übergeben. Nach Verabschiedung vom alten Schulhaus zog man zu dem stattlichen neuen Schulgebäude, wo nach der Schlüsselübergabe seitens des Technikers an den Gemeindeoorstand Bezirksschulinspektor Baumann die Festrede hielt und Dekan Uhl das Weihegebei sprach. Es folgte ein Festessen im „Adler" mit zahlreichen Reden. Das neue Schulgebäude mit seinen lichten Räumen und seiner modernen Ausstattung (Niederdruckheizung, Schlller- und Volksbad) ist auch der Landschaft in besonders gelungener Weise angepaßt.
8t. Nagold, 5. Nov. Die hiesige 2 evgl. Stadtpfarrstelle ist dem Stadtpfarrerverweser Immanuel Scbairer in Tübingen übertragen worden.
Württemberg.
Das Submissionswesen im volkswirtschaftlichen Ausschuß.
Bei den fortgesetzten Beratungen hatte sich der volkswirtschaftliche Ausschuß der Zweiten Kammer mit der wichtigen Frage der gesetzlichen Regelung des Submisstonswesens zu befassen. Der Berichterstatter Liesching (Vp.) stellte dazu den Antrag: „Die Regierung zu ersuchen, den Ständen in möglichster Bälde einen Gesetzentwurf betr. die Regelung des Submissionswesens vorzulegen und vor der Einbringung desselben Vertreter des Handwerks, des Handels, der Industrie und der Arbeiterschaft zu hören." Ein Mitglied des Zentrums beantragte, hier noch die Worte einzuschalten: „für die Behörden des Staates und der öffentlichen Körperschaften". Bei der Abstimmung wurde diese Einschaltung mit 11 gegen 4 Stimmen (Kreh, Kenngott, Hornung, Engelhardt) gutgeheißen und darauf der Antrag Liesching im ganzen mit 10 gegen 3 Stimmen (3 Soz.) bei 2 Enthaltungen (Rübling und Kreh) angenommen. Der Minister des Innern Dr. v. Fleischhauer machte verschiedene Bedenken gegen die gesetzliche Regelung geltend und bezweifelte insbesondere auch, ob damit dn Interessen des Handwerks speziell gedient wäre. Die Verwaltungsvorschriften seien für die Behörden ebenso bindend, wie ein Gesetz. Angesichts der Strittigkeit mancher Fragen auf diesem Gebiete sei zu befürchten, daß bei einer gesetzlichen Regelung eine Einigung der verschiedenen Faktoren nicht zu erhoffen sei. In noch entschiedenerer Weise wandte sich Finanzminister v. Eeßler gegen eine gesetz
liche Regelung: dieselbe werde die erhofften Vorteile nichr bringen und die Handwerker werden auch bei einer gesetzlichen Regelung nicht zufrieden sein, weil eben die Entscheidung über die Submissionen in der Hand der Behörden liege. Staatsrat v. M o st h a f vertrat demgegenüber die Auffassung, daß dem Verlangen nach gesetzlicher Regelung ein berechtigter Kern zugrunde liege; allerdings könnte die ganze Materie nicht gesetzlich geregelt werden; z. B. könnte eine Bestimmung über den angemessenen Preis (mit 7 /L) ins Gesetz nicht ausgenommen werden. Das Submissionswesen liege hauptsächlich bei' den Gemeinden im Argen; weil hier noch jede Regelung fehle. — Des weiteren beschloß der Ausschuß dann noch, daß die Kosten für die Zuziehung von Sachverständigen von der vergebenden Behörde übernommen werden müssen.
Landesversammlung des Teutsch-Evan. Frauenbundes.
Tübingen, 5. Nov. Der Württ. Landesverband des Deutsch-Evang. Frauenbundes hielt gestern hier unter dem Vorsitz von Fräulein Schmi d t - Stuttgart seinen Verbandstag ab. Dekan Faber eröffnete die Tagung mit einer Andacht; dann referierte die Vorsitzende über die geleistete Vereinsarbeit. Die Bemühungen um Aufnahme von Frauen in Kirchenkommissionen hatten Erfolg, ebenso die Bestrebungen in Sachen des passiven Wahlrechts der Frauen bei den Kassenwahlen. Ergebnislos blieb jedoch das Verlangen nach einem Vorgehen gegen die Animierkneipen. Die Generalsekretärin des Verbandes, Fräulein Sprockhofs-Hannover, referierte dann über das. Thema: „Frauenbewegung und Deutsch- Evang. Frauenbund". Die Darlegungen der Rednerin gipfelten in der Forderung der Besserstellung der Frau in geistiger, rechtlicher, wirtschaftlich-sozialer und sittlicher Hinsicht, doch müßten diese Forderungen nach den Gesichtspunkten der Logik und der gegebenen Möglichkeit durchgekämpft werden; Radikalismus und sprunghaftes Stürmen seien zwecklos. Für eine politische Gleichberechtigung der Frau mit dem Mann hält Rednerin die Zeit noch nicht für gekommen. Einen zweiten Vortrag hielt Prof. Dr. Wurster-Tübingen über „Die Frau and der Alkohol". Der Redner stellt fest, daß in Württemberg verhältnismäßig am meisten getrunken werde von ganz Deutschland und daß Württemberg auch die meisten Kneipen habe. Um dem zu begegnen, müßten sich die Frauen in die erste Reihe der Alkoholgegner stellen und dort wirken, indem sie selbst abstinent werden und wieder eine deutsche Haussitte aufrichten, die dem Mann den Verkehr im Wirtshaus nicht nur überflüssig mache, sondern, da er es dann besser zu Hause findet, verleide. In der anschließenden Diskussion wurde auch die Forderung nach Aufrichtung eines zeitgemäßen, neuen Studentenideals erhoben. Um )46 Uhr konnte die Landesversammlung geschloffen werden. Sie war sehr gut besucht.
Der verhaftete Waisenhauskassier.
Ochsenhausen, 5. Nov. Subdirektor Bernhard, bisher zugleich Kassier des kgl. Waisenhauses, ist auf Verfügung des Untersuchungsrichters verhaftet und in das Landgericht Ravensburg eingeliefert worden. — Bernhard ist gebürtig von Laimnau, Oberamts Tettnang und schon jahrzehntelang mit der hiesigen Waisenhauskassenführung beauftragt. Er war in den achtziger Jahren Kameralamtsbuchhalter in Weingarten, kam dann auf die Buchhalterstelle beim Kame- ralamt hier, das jetzt in Biberach ist. Früher hatte der Ackerbaulehrer die Waisenhauskasse. Als dieser starb, bekam Kameralamtsbuchhalter Bernhard die Kasse. Sie wurde ihm vom Staat aus auch gelassen, als er aus verschiedenen Gründen den Staatsdienst
! quittierte. Man har diese staatliche Fürsorge um'den Mann nie recht verstehen können, namentlich -ann erst recht nicht, als der Waisenhauskassier Subdirektor einer großen Versicherungsgesellschaft wurde und Nur mehr über den Sonntag daheim war. Bernhard galt allgemein als reich und als routinierter Geschäftsmann, besonders da seine Geschäftspraktiken im Versicherungswesen ihm viel Geld einbrachten. Auch als Heiratsvermittler war er erfolgreich. Seine Tätigkeit als Waisenhauskassier hat er so ausgeübt, daß sie ihm wenig Freunde bringen konnte. Wenn er nun infolge seiner scharfen Geschäftstätigkeit mit dem Gesetz in Konflikt kommt, so findet er wenig Mitgefühl im Volk, umsomehr aber seine bedauernswerte Familie. Er galt nämlich auch als rechthaberisch, rücksichtslos und hatte viele Händel. Seine finanziellen Verhältnisse waren offenbar schon länger not- leidend, denn die Banken diskontierten Bernhards Wechsel in letzter Zeit nicht mehr. Seine Stellung bei der Magdeburger Lebensversicherungsgesellschaft hatte er vor einem Vierteljahr auch verloren. Die Kaution, die er bei der Versicherungsgesellschaft Janus stellen mußte, wurde aus fremder Tasche geleistet und ist gefährdet. Von anderer Seite hört man auch, daß er viel Geld verloren habe durch Darlehen an Versicherungen, und daß er von noch Geriebeneren Ubers Ohr gehauen worden sei. Was daran wahr ist, wird die gerichtliche Untersuchung weisen.
Göppingen, 5. November. Nach dem Ergebnis der Wahlen zur Ortskrankenkasse entfallen auf den Wahlvorschlag der nationalen Vereine 17 Vertreter im Krankenkassenausschuß auf den der freien Gewerkschaften 33 Vertreter. In den Vorstand der Krankenkasse kommen von den freien Gewerkschaf- tenö und von den nationalen Vereinen 3 Vertreter. Das seitherige Ergebnis hat sich demnach insofern verschoben, als unter Hinzurechnung der Arbeitgebervertreter die bisherige sozialdemokratische Mehrheit im Ausschuß sowohl wie im Vorstand in eine Minderheit verwandelt wurde.
Crailsheim, 6. Nov. Rechtsanwalt Dr. Lang ist, wie man sagt, wegen Gebührenüberforderung verhaftet worden. Die Verhaftung erregt überall großes Aufsehen.
Ulm, 5. November. Ein'schweres Unglück ereignete sich gestern mittag auf dem hiesigen Bahnhof. Als der von Nürtingen gebürtige, ledige Ankuppler Lochner in Ausübung seines Berufes auf eine Bremse springen wollte, gelang es ihm nicht. Er wurde an die nebenstehende Mauer gedrückt und übel zugerichtet. In der Nacht ist er seinen Verletzungen erlegen.
A«» Welt r»n- Zeit.
Der König der Belgier beim Kaiser.
Neues Palais b. Potsdam, 5. Nov. Der König der Belgier ist heute nachmittag einige Minuten nach 6 Uhr zum Besuche des Kaisers und der Kaiserin mit Gefolge auf der Station Wildpark eingetroffen. Alsbald nach der Ankunft nahmen der Kaiser und der König den Tee bei der Kaiserin in deren Gemächern ein. Um 6 Uhr war im Apollosaal eine Tafel beim Kaiserpaar im kleineren Kreise.
Von der „Hansa".
Das Zeppelinluftschiff „Hansa", das seit 15 Monaten ununterbrochen im Dienst ist, legte am 2. Nov. seine 300. Fahrt zurück. Bei diesen Fahrten hat das Schiff eine Eesamtfahrzeit von 632 Std. 16 Min. zu verzeichnen und eine Strecke von 34 336 Kilometer zurückgelegt, wobei es 6337 Personen, d. h. im Durchschnitt bei jedem Aufstieg 21, befördert hat.
Das Angtnckshaus.
34.) Roman von Georg Türk.
Dreizehntes Kapitel.
Die Nacht gehört der Poesie, der Tag der Nüchternheit.
Was dir am Abend lieblich und märchenhaft erschien — du siehst es am Morgen mit anderen Augen an. Die Wunder der Dämmerung sind verschwunden. Du erwachst und siehst mit klaren Augen in die Welt.
In der Nacht redet das Herz, am Tage der Verstand.
Am Mittag des folgenden Tages kam der Assessor ins Pfarrhaus. Er war neugierig, zu sehen, was für ein Gesicht sein Freund heute machen würde. Zu seinem Erstaunen fand er ihn ernst und verstimmt.
„Nun?" fragte er. „Was soll das heißen."
„Ich war zu rasch gestern!" entgegnete ihm der Pfarrer. „Ich war zu rasch!"
Und als der Assessor lachte, fuhr er ärgerlich fort: „Du bist schuld daran! Du hast mich überrumpelt."
„Gewiß! Und ich bin stolz darauf. Wenn man ein Menschenkind, wie du bist, nicht schiebt, dann bleibt alles auf demselben Fleck."
„Ich wollte, daß alles auf demselben Fleck geblieben wäre, bis ich weiß, was für ein Geheimnis in der Familie steckt. Der Sohn in Amerika. —"
„Schon wieder der verwünschte Sohn in Amerika! Das wird jetzt bald lächerlich! Er ist in
Amerika und du bist in Deutschland! Was geht dich der Amerikaner an! — Und dann: Nehmen wir einmal an, dieser geheimnisvolle Mensch hätte wirklich etwas Fluchwürdiges vollbracht, etwas ganz Entsetzliches — würdest du dann Maria weniger lieb haben?"
„Ich war — bis gestern — Maria noch nicht näher getreten! Freilich: lieb habe ich sie schon lange. Angenommen, ich hätte erfahren, daß es dieser Sohn in Amerika mir unmöglich machen würde, eine Tochter aus dieser Familie zur Frau zu nehmen . . . dann . . . dann . . . hätte ich eben diese Liebe zu Maria aus meinem Herzen gerissen, wenn es auch weh getan hätte! Ich wäre von der Bildfläche verschwunden! Ich hätte mir nichts vorzuwerfen gehabt; denn ich verhielt mich stets korrekt.
— Aber nun heißt es: alea iacta!"
„Höre einmal: Vielleicht ist hinter dem Geheimnis gar nichts von Bedeutung. Du siehst Gespenster.
— Mensch, mach die Augen auf! Schau Maria an! Müssen da deine Bedenken nicht zerfließen, wie Nebel vor der Morgensonne?"
Ueber des Pfarrers Gesicht zog ein Leuchten.
„Maria!" flüsterte er. Und leise fuhr er fort: „Mein Verstand sagt mir: Du warst zu rasch; und mein Herz ruft dagegen: Nein! Nein! — Ich will mir Mühe geben, daß das Herz über den Verstand siegt! Wenn ich mein Herz reden lasse, dann muß ich dir dankbar sein! Denn mein Herz sehnt sich nach Maria und schlägt ihr entgegen und mein Herz jubelt, daß es sich keinen Zwang mehr antun muß."
„Bravo!" rief der Assessor. „Das war einmal vernünftig geredet! Das wäre mir eine Liebe, die an lauter Wenn und Aber gebunden ist! Laß dein Herz sprechen, Freund! In der Liebe ist der Verstand ein schlechter Berater!"
„Und was meinst du: Wird die Mutter einverstanden sein?"
„Was diesen Punkt anlangt, muß, denke ich, der Verstand zu Rate gezogen werden! Und der sagt mir: Die Frau ist wie sie ist! Aber, sie hat drei Töchter! Merk wohl auf: Drei Töchter! Ich denke, sie ist froh, wenn sie eine unter die Haube bringt."
„Du redest sehr prosaisch."
„Der Verstand ist immer prosaisch. — Es ist dir zuzutrauen, daß du gleich vor sie hintrittst und ihr sagst: So und so ist die Sache! — Ich würde das nicht tun. Du mußt die Mutter allmählich selber darauf kommen lassen! Das ist viel schöner. Und ich sage dir: Mütter haben scharfe Augen! Ueberhaupt diese Mütter! Die Erlenstädter Mütter sehen, daß mein Goldfinger ringlos ist. Ei, wie sie auf mich aufpassen! Ein königlicher Bezirksamtsassessor! Frau königliche Bezirksamtsasseor! Was für ein Titel! Wenn die wüßten! Die werden schauen, wenn sie am vierzehnten August meine Verlobung im Erlenstädter Wochenblatt lesen werden!"
Er wurde plötzlich ernst.
Da legte ihm der Pfarrer die Hand auf die Schulter und sagte: „Vorhin hast du mir den Rat gegeben: Laß dein Herz sprechen, Freund! Mutz ich dir den Rat zurückgeben? Was sagt dir dein Herz?" (Fortsetzung folgt.)