Deutsche Soldaten auf französischem Boden.

Die Agence Havas meldet unterm 5. ds.: 9V Soldaten des Jnf.-Reg. zu Metz, die von einem Leut­nant und einem Feldwebel geführt wurden, über­schritten heute früh 7 Uhr 30 aus Versehen die Grenze bei Arnaville und marschierten bis zur Zoll­station. Als sie von einem Brigadier der Zollstation unterrichtet worden waren, daß sie sich auf französi­schem Gebiet befinden, marschierten sie wieder auf deutschen Boden zurück. Von zuständiger Seite wird hierzu gemeldet: Es handelt sich lediglich um einen Zug Reservisten, die dort vollkommen fremd waren und von einem jungen Offizier geführt wur­den, der ebenfalls dort vollkommen fremd war und die heute früh in der Dunkelheit hinter Novöant das Erenzzeichen nicht gesehen hatten und einige hundert Meter weit auf französisches Gebiet gekommen wa­ren. Sobald sie bei der französischen Zollstation Ar­naville bemerkten, daß sie sich auf französischem Boden befanden, sind sie sofort wieder auf deutschen Boden zurückgekehrt.

Ein Familiendrama.

Berlin, 6. Nov. Der 77jährige Photograph und Reklameschilder-Fabrikant Listenfeld erschoß auf freiem Felde in der Feldmark Lübars seine beiden 36 und 42 Jahre alten Töchter, das 9jährige Kind der letzteren und dann sich selbst. Die beiden Töchter Lichtenfelds waren gestern wegen Verbrechens wider das keimende Leben zu 3 Wochen bezw. 9 Monaten Gefängnis verurteilt worden. Aus diesem Grunde hat Listenfeld die Tat im Einverständnis mit seinen Töchtern begangen. Die eine der beiden Töchter war erst vor einigen Tagen aus Kaiserslautern zu der gerichtlichen Verhandlung nach Berlin gekommen.

Um den Verdienst.

Die heldenmütige Rettungsaktion der beiden LloyddampferGroßer Kurfürst" undSeydlitz" be­züglich der Katastrophe desVolturno" hat den Norddeutschen Lloyd veranlaßt, den beteiligten Offi­zieren und Mannschaften besondere Auszeichnungen und Gratifikationen zukommen zu lassen. Ferner gingen einzelnen Personen der beiden Besatzungen persönliche Dankschreiben der Direktion zu.

Die Festlegung des Osterfestes.

Die Frage der Festlegung des Osterfestes soll in den letzten Monaten erheblich gefördert worden sein. Die Schwierigkeiten lagen bisher am Vatikan, der sich nicht entschließen konnte, der Frage näher zu tre­ten. Nun scheint ein Anschauungswechsel in Rom eingetreten zu sein. Der Papst hätte sich neuerdings bereit erklärt, Vorschlägen über diese Frage von be­rufener Seite näher zu treten. Im preußischen Kul­tusministerium hat man sich neuerdings mehr mit der Anregung des Professors Dr. Wilhelm Förster beschäftigt, den ersten Sonntag nach dem 4. April für das Osterfest zu bestimmen.

Ein schweres Eisenbahnunglück in Frankreich.

Mclun, 4. Nov. Der Eilzug von Nizza ist heute abend in der Nähe des hiesigen Bahnhofs mit einem Postzug zusammen­gestoßen. Melun liegt auf der Linie Paris-Fontainebleau. Der Postzug Nr. 11, der um 8 Uhr 40 Min. Paris verläßt, bestand aus 10 Postwagen mit etwa 100 Postbeamten, welche die Post nach dem südöstlichen Frankreich übermitteln. Der Schnellzug von Marseille sollte gegen 10 Uhr in Paris ein- treffen. Die beiden Züge bohrten sich mit einem Anprall in­einander ein. Unmittelbar auch mit dem Zusammenstoß brach in dem Postzug Feuer aus, das sich alsbald über den ganzen Zug verbreitete. Es wurde sofort von Melun aus ein Hilfs­dienst eingerichtet, zu dem auch die Truppen hinzugezogen wurden. Die Hitze des brennenden Postzuges war aber so groß, daß es den Rettern fast unmöglich gemacht wurde, in die Trümmer dieses Zuges vorzudringen. Die Post nach Lyon, Marseille, Algerien, nach Korsika und Tunesien ist vernichtet.

Paris, 5. Nov. Nach den letzten Meldungen beträgt die Zahl der bei dem gestrigen Eisenbahnunglück bei Melun ge­töteten und verbrannten oder verstümmelten Personen bis jetzt 35; darunter hat man bis zur Stunde 14 Postbeamte erkennen können. Von dem Postzug Nr. 11, in dem sich 68 Beamte be­fanden, sind die beiden nach Besancon und Pontarlier be­stimmten Postwagen und von dem Schnellzug die zwei ersten Personenwagen erster und zweiter Klasse gänzlich zertrümmert worden und verbrannt. Das Unglück soll dem Zugführer des Marseiller Schnellzuges zuzuschreiben sein, der die drei Halte­signale vor dem Bahnhof von Melun mit einer Schnelligkeit von etwa 90 Kilometer in der Stunde überfuhr, worauf sich sein Zug in den Postzug bei einer Gleisabzweigung hinein­bohrte. Die Gasbehälter der Personenwagen platzten gleich­zeitig und setzten die Trümmer sofort in Brand. Der Präsi­dent der Republik besuchte heute die im Krankenhaus Mar­seille untergebrachten Verletzten, 13 an der Zahl, unter denen sich auch ein Deutscher mit Namen Aberback aus Hamburg befindet, der das linke Bein gebrochen hat.

Soldatentod.

Ueber den Tod des Oberleutnants von Raven, der neu­lich von Kamerun aus gemeldet wurde, ist ein vorläufiger telegraphischer Bericht des Bezirksrichters Seger, der seinen dienstlichen Wohnsitz in Nola hat, eingegangen. Der Bericht ist, wie dasD. Kolonialbl." milteilt, am 13. Okt. aus der Gegend zwischen Nauku und Nola abgesandt und offenbar mit Boten nach Njafsi, dem Endpunkt der Telegraphenlinie

(etwas über 200 Kilometer in der Luftlinie gemessen), ge­schickt worden. Von dort ist er drahtlich an das Gouverne­ment in Buea gegangen und von diesem mit Kabel nach Ber­lin geschickt worden. Er lautet folgendermaßen:Auf gegen­seitige Anzeige französischer und deutscher Faktoristen wegen Bedrohung der Eingeborenen Ngukus marschierte ich dorthin, wo ich am 10. eintraf. Ich traf dort den Postenführer von Nola, Oberleutnant von Raven, der mit dem für Sosso be­stimmten Sergeanten Zoia und 18 Mann herbeigeeilt war, weil ein französischer Faktorist, der dort für die Compagnie Forestistre ansässig, brieflich mitgeteilt hatte, sein Leben sei gefährdet. Die Dörfer Ngukus bis auf das Hauptdorf waren trotz der Versicherung, daß ein kriegerisches Vorgehen nicht be­absichtigt sei, leer. Tie Eingeborenen, mit denen ich nur aus der Entfernung verhandeln konnte, weil sie sonst weg­liefen, bestätigten die Anzeige wegen Bedrohung, drohten aber mit Feindseligkeiten, wenn der Postenführer und der Richter mehrere Tage bleiben würde. Am 12. vormittags wollte der Faktorist den ihm angeblich gewogenen jungen Häuptling von Nguku als Zeugen holen, um die Haltlosigkeit der Anzeigen gegen ihn zu beweisen. Auf dem Weg zum Hauptdorf schossen die Eingeborenen auf ihn, mittags auf die Soldaten, die ihn zu der im Dorf gelegenen Faktorei bringen sollen, und verletzten Leute von ihm. v. Raven beschloß nun, das Haupt­dorf räumen zu lassen. Auf dem Wege dorthin ließen die Eingeborenen einige Soldaten vorüber und schossen dann aus uns aus dem Busch, v. Raven erhielt Lungenschuß rechts und war in wenigen Minuten tot, ich Pfeilschuß rechten Ober­schenkel. Räumung des Dorfes konnte unter diesen Umständen nicht durchgeführt werden. Eingeborene zündeten darauf französische Hauptfaktorei an und schossen nachts ins Lager. Oberleutnant v. Raven starb etwa 214 Uhr nachmittags. Um seine Leiche nicht dort zu lassen, sondern nach Nola zu bringen, marschierten Zoia, der Faktorist und ich heute, den 13., nach Nola ab."

Tie Bürgermeisterwahl in Newyork.

Newyork, 5. Nov. Tammany wurde vollständig geschla­gen, Mitchel wurde mit einer Majorität von mehr als 100 000 Stimmen zum Bürgermeister gewählt. Auch die übrigen fusio- nistischen Kandidaten mit Ausnahme der Präsidenten der Stadtbezirke Oueens und Richmont wurden mit großer Majo­rität gewählt. Tammany verliert auch die Majorität in der Staatslegislatur, wo bereits 85 Republikaner, 48 Demokraten und 5 Progressisten gewählt sind. Das Ergebnis aus 12 Distriken fehlt noch. Außer in Massachusetts und Virginien wurde auch in Newjersey ein demokratischer Gouverneur ge­wählt, dessen Kandidatur energisch von Wilson und Brhan unterstützt wurde. Während Tammany in Newyork eine vernichtende Niederlage erlitten hat, sind die Demokraten an anderen Orten im allgemeinen erfolgreich gewesen. Präsident Wilson ist besonders befriedigt über das entscheidende Ergeb­nis in Newjersey, das er als eine Bestätigung seiner Politik durch seinen eigenen Staat betrachtet. Staatssekretär Bryan erklärt, das Ergebnis der Wahlen sei eine Bestätigung der Politik des Präsidenten.

<Seri«ht»saal.

Tübingen, 6. Nov. Das Schwurgericht hat den Schrei­ner Schunter aus Monakam, der in der Nacht zum 1. Sep­tember sein eigenes Wohnhaus anzündete, daß Haus und Fahrnis niederbrannten, zu 4 Jahren Zuchthaus verurteilt. Gefängnis für einen Milchfälscher. Heilbronn, 5. Nov. Der Melker bei der Euts- verwaltung Altböllingerhof, Gmde. Neckargartach, Georg Friedrich Denner, wurde vom Schöffengericht wegen Milchfälschung zu einer Gefängnisstrafe von 3 Wochen und zur Kostentragung rechtskräftig ver­urteilt. Er war an der zum Verkauf gekommenen Milch gewinnanteilsberechtigt und hat im ganzen Wasserzusätze von nachweisbar über 600 Liter vor­genommen. Das Gericht nahm ein fortgesetztes Ver­gehen i. S. d. N. 10 Ziffer 1 des Gesetzes betreffend den Verkehr mit Nahrungsmitteln an und erkannte wegen der Raffiniertheit auf eine Freiheitsstrafe.

Landwirtschaft nnd Märkte.

Sindelfingen, 5. November. Da die Maul- und Klauen­seuche in der Schweiz, wie es scheint, weiter um sich greift, sodaß im Laufe des Winters ein Auflauf von Schweizer Far- ren ausgeschlossen ist, haben die landwirtschaftlichen Bezirks­vereine auf den am letzten Montag hier abgehaltenen Verkauf von 11 Farren auf der Farrenzuchtstation Sindelfingen beson­ders aufmerksam gemacht. Die Versteigerung war daher äu­ßerst zahlreich besucht und die Tiere wurden zu noch selten erreichten Preisen abgesetzt.

Wöchentlicher Saatenstandsbericht der Preisberichtstelle des Deutschen Landwirtschaftsrats. Das trockene schöne Herbstwetter hielt während der letzten Woche in Deutschland größtenteils an und war bei Tage wie bei Nacht für die Jahreszeit außergewöhnlich mild. Vom 27. bis 29. Oktober wurden vielfach 20 Grad Celsius erreicht oder etwas über­schritten. Erst am Schluffe der Berichtswoche traten in ver­schiedenen Gebieten Regenfälle ein. Die Kartoffelernte kann als beendet angesehen werden, die Zuckerrübenernte schreitet rüstig vorwärts. Der Stand der Futterpflanzen ist im all­gemeinen befriedigend, wenn auch hin und wieder über Mäusefraß geklagt wird. Die Herbstbestellung ist fast ganz be­endet. Die Wintersaaten stehen im allgemeinen gut, die Sep­tembersaaten häufig sogar üppig, während man hin und wie­der für die Entwicklung der späten Saat wegen der Trockenheit etwas besorgt war. Auch Mäuse- und Schneckenfraß ist in den Wintersaaten stellenweise beobachtet.

Familien«Nachrichten

Geburten. Balingen: Rechtsanwalt Harr 1 T. Dettenhausen Pfarrer Weitbrecht 1 S. Nagold: Forstoerwalter Birk iS. Fleinheim: Pfarrer Schoch 1 T. Stuttgart: Dr. Ernst Lahnstein iS. To­desfälle. Stuttgart: Karl Lang, städt. Steuerwächter a. D., 63 I. Hermann Meyer, Kaufmann Johs. Schneider. Gg. Kapff. Math. Künzert, Witwe. Baurat Albert Beitter. Pauline Ramm geb. Schäfer, Witwe, 80 I. Heinrich Seih, 60 I. Bernh. Queck, Schuhmachermeister. Elis. Bleß geb. Hummel, 82 I. Christ. Hiller geb. Kaiser. Eßlingen: Julius Zündler, Privatier, 71 I. Friedrich Weinmann, 42 I. Backnang: Karoline: Mayer geb. Bäuerle. Un - terweißbach: Sophie Lauber, Witwe. Hall: Kath. Fuchs geb. Beck. Karoline Laidig, Eugen Lachenmayer. Enslingen: Fr. Wieland, Ortsrechner, 69 I. Crailsheim: Helene Goppelt, Witwe. Hamburg: Dr. med. Julius Miller (Württemberger, 46 I. Gmünd: Dominikus Urbon, Goldarbeiter, 74 I. Karl Siegele, Vete­ran, 70 I. Uhingen: Dorothea Wittlinger geb. Mau­rer, 83 I.

Für die Schriftleitung verantwortlich: Paul Kirchner. Druck und Verlag der A. Oelschläger'schen Buchdruckerei.

NeklaineteN.

Einer erzählt es dem andern, daß wir in

Kathreiners Malzkaffee ein wohlschmecken­des, billiges und gesundes Familiengetränk haben. So ist Kathreiners Malzkaffee in 25 Jahren zu einem Volksgetränk ersten Ranges geworden. VieleMillionen trinken ihn täglich.

Lanckwirkchaftl. öeMzverein.

Lalw.

In der Woche vom 17.23. lfd. Mts. finden durch den staatlichen Molkeretsachverständigen, Herrn Molkerei- inspektor Betz aus Leutkirch folgende

MchwiiMafllsche Vorträge

statt:

am 17. Nov. abends 8 Ahr Borttag ln Zwerenberg

(Gasthaus zum Ochsen),

am 18. Nov. abends 8 Ahr Borttag in Nevweiler

(Gasthaus zum Lamm),

am is. Nov. abends 8 Ahr Borttag in vberbollwangen

(Gasthaus zum Hirsch),

am 22. Nov. abends 8 Ahr Borttag in Deckenpfronn

(Gasthaus zum Hirsch),

badmläuemngs- unä kuttemngzkurle

finden statt:

am 18. und is. l. Ms. vormittags s11 Ahr

in der Molkerei zu Neuweiler

am 21. nnd 22. l. Mts. oomlttags s11 Ahr

in der Molkerei zu Deckenpfrouu.

Die Kurse sind unentgeltlich. Interessenten werden zur Benützung dieser Einrichtungen freundlichst eingeladen.

Calw, den 5. November 1913.

Bereiusvorstaud: Regirrungsrat Binder.