Neuenbürg, 27. Okt. Unser Bezirk ist in den vergangenen Monaten von einer großen Zahl von Brandsällen heimgesucht worden. Man hatte es in den meisten Fällen mit einem oder mehreren Brand­stiftern zu tun. Daß die Aufregung mehr und mehr an Ausdehnung gewinnt, ist demnach begreiflich. Um ein rascheres Erscheinen der Bezirksbeamten bei Nachtbrandfällen in den Vezirksorten zu ermöglichen ist nunmehr eine telephonische Nachtverbindung zwi­schen den Unfallmeldestellen und den Wohnungen des Oberamtmanns, Amtmanns, Bezirksfeuerlöschinspek- tors, Stationskommandanten und einiger hiesiger Kraftwagenbesitzer eingerichtet worden.

Neuenbürg, 27. Okt. Ein hiesiger Bürgerssohn, der von bescheidenen Anfängen aus durch Fleiß und Energie, durch Glück und Gunst der Verhältnisse es in fremden Landen zu einer tüchtigen Lebensstellung gebracht hat, John Ernst Beherle, vollendete am Freitag im fernen San Franziska in Kalifornien das achtzigste Lebensjahr. Im Herbst des Jahres 1894 hat der pietätvolleNeuenbürger" dem evangel. Kirchen­gemeinderat hier den schönen Betrag von 20 000 Mark über­wiesen zur Verwendung für gemeinnützige kirchliche Zwecke. Im Jahre 1862 ist der Vater, Johann Ernst Beyerle Kupfer­schmied hier, im Jahre 1853 die Mutter, Karoline, geb. Bohnenberger, in hiesiger Stadt verstorben. So viel wir hö­ren, erfreut sich der edle Wohltäter feiner Heimatstadt noch immer verhältnismäßig rüstiger Kraft. Das furchtbare Un­glück, das vor etlichen Jahren über das wundervolle, von den Fluten des Stillen Ozeans umspülte San Franziska in dem durch alle Blätter bekannt gewordenen Erdbeben hereinbrach, hat der betagte Mann glücklicherweise unversehrt überstanden.

Württemberg.

4. Württemb. Frauentag.

Göppingen, 27. Okt. Am Samstag begann der vierte Württb. Frauentag des auf einem neutralen Boden stehenden Verbandes württb. Frauenvereine. Die Leitung der Ver­handlungen hatte Frl. Math. Planck-Stuttgart inne. Die Verhandlungen waren durchweg gut besucht. Sie wurden .eröffnet mit Berichten über die neuen Verbandsvereine. Es erzählte Frl. Mina V e s l e r - Stuttgart vom dortigen Frauenklub, dem jetzt 800 Mitglieder angehörten und der alleinstehenden berufstätigen Frauen und Mädchen ein ange­nehmes, gern besuchtes Heim biete. Frau Oberbürgerm. H ep p- Reutlingen schilderte das Leben und die Arbeit in der Orts­gruppe des Frauenvereins in Reutlingen, die von 30 auf 450 Mitglieder angewachsen sei. Die Ortsgruppe habe Fürsorge­einrichtungen für Kinder getroffen, eine von Frau Kom­merzienrat Laiblin gestiftete Kinderkrippe sei in Bälde ein­gerichtet; dem Verein ist eine Wöchnerinnenfürsorgestelle an­gegliedert. Für die jüngste Ortsgruppe, Göppingen, berichtete Frl. Göhner: eine Wöchnerinnenfürsorge sei in Vorberei­tung. Nach diesem Bericht hielt Frl. Hilde Sperling über den- VereinJugendpflege", der ein Glied der Gesamt­organisation darstellt, einen Vortrag, dann über die Frauen­bewegung und die berufstätige Frau Frl. Martha Schieber und Schwester Martha Oesterlen- Stuttgart. Ein Drittel aller Erwerbsarbeit werde von Frauen geleistet. Die Frauen­

bewegung werde in Deutschland vertreten durch 46 Verbände mit 927 Vereinen und 48 Einzelverbänden, die insgesamt Million Mitglieder haben. An die Vorträge reihte sich eine Besprechung an, in der die Mängel der Dienstbotenfrage be­rührt und u. a. eine Ausbildung der Dienstboten in Haus­haltungsschulen und dergl. verlangt wurde. (Vielleicht mit Abiturientenzeugnis? Bisher Pflegte eine tüchtige Hausfrau ihre Dienstboten selbst auszubilden, weil sie die Kenntnisse dazu hatte!) Abends fand eine zweite Versammlung statt. Dabei hielten Frl. Mathilde Planck, Reg.-Rat v. Schönmann, Oberbürgerm. Keck und Hauptlehrer Bosch Begrüßungs­reden. Frl. Göhner sprach über den Göppinger Frauenverein, Frl. Planck über die Frauenbewegung in Württemberg. Die Rednerin begrüßte den Anschluß der Frauen u. a. an die politischen Vereine und schließt aus dem allmählichen Ver­stummen der Gegner der Frauenbewegung, daß jetzt ein­gesehen werde, warum sich die Frau nicht länger bloß vom Strome des Lebens mitreißen lasten, sondern selber schwim­men wolle. Am Sonntag wurde eine Entschließung an­genommen, in der die zuständigen Behörden gebeten werden, die Ausbildung einer Handels-, Hauswirtschafts-, Zeichen-, Turn- und Gewerbelehrerin, Handarbeits- und Lehrerin an Frauenarbeitsschulen, Kindergärtnerinnen 1. 'Kl., für den mitt­leren Post- und Telegraphendienst vom Besitz eines staatlichen Abgangszeugnisses einer höheren Mädchenschule abhängig zu machen. Frau Chefredakteur Heuß - Knapp aus Heilbronn fand mit einem Vortrag über dieFrauenfrage und die Haus­frauen" lebhaften Beifall.

Erschlagen.

Stuttgart, 27. Okt. Beim Umbau des Cafes Bristol stürzte ein Stein herab und traf vier Ar­beiter. Einer der Arbeiter wurde sofort erschlagen, ein weiterer starb nach kurzer Zeit) die beiden an­dern liegen schwer verletzt im Katharinenhospital.

Unsere Wälder.

Aus der von der kgl. württ. Staatsforstverwaltung auf­gestellten Uebersicht über die für das Betriebsjahr 1913 auf 1914 zum Verkauf bestimmten Hölzer, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, daß die Holzhiebe im Durchschnitt nicht auf­geführt sind, ist ersichtlich, welches die ertragreichsten Forst­ämter in Württemberg sind. Nadelholz (Nutz- und Brennholz) findet sich am stärksten in den Forstämtern Pfalzgrafenweiler (22 000 Meter), Schönmünzach (20 500 Meter), Obertal (19 950 Meter), Enzklösterle (19 500 Meter), Langenbrand (18 300 Meter), Weißenau (17 200 Meter), Mochenwangen (16 600 Meter), Hohenberg (16 000 Meter), Schussenried 15 500 Meter) und Baindt (15 300 Meter). Eichenholz (Nutzholz) weisen am meisten auf die Forstämter Ringingen 550 Festmeter), Langenau (480), Schwaigern (450), Ein­siedel und Bermaringen (je 350), Creglingen (340), Herren­berg, Hohenheim und Plattenhardt (je 300) und endlich Schrozberg (250). Die Buchen (Nutz- und Brennholz) haben ihren stärksten Bestand in den Forstämtern Einsiedel (8805 Meter), Kohlstetten (8750), Hohengehren (8390), Plochingen (7640), St. Johann (7320), Heidenheim (6290), Oberkochen (6180), Königsbronn (5500), Plattenhardt (5200) und Mochental (5090).

Die Kosten des Bosch-Kampfes.

Zu welchen Riesenausgaben dieSchweißtropfen" der Arbeiter herhalten müssen, das zeigt ein Blick auf die Quar­talabrechnung des Metallarbeiterverbandes. Für denBosch­kampf", wie ihn die Stuttgarter Mitteilungen des Verbandes nennen, mußte die Hauptkaste im 2. Quartal 141 388 ^(. 5 H, im 3. Quartal 234 250 10 zusammen also 375 638 ^

15 Z aufbringen, dazu kamen noch 161 076 07 Z aus der

Lokalkasse. Der Gesamtaufwand für diesen Kampf, der be­kanntlich ganz zu ungunsten der Sozialdemokratie ausgegangen ist, betrug, nach Abzug einiger kleiner anderer Posten, nicht weniger als über 528 000 Die Lokalkaffe reichte ge­rade noch aus, um die festgesetzten Unterstützungssätze auszu­zahlen. Dabei muß der Bericht Mitteilen, daß ein beträchtlicher Rückgang der Mitgliederzahl zu verzeichnen ist. Die Mitglie­der werden tüchtig bluten müssen, bis die so unnötig und wertlos ausgegebenen Gelder wieder beisammen sind. Um wie viel diese Besteuerung wohl höher ist als die Staats­und Gemeindesteuern? fragt der Schw. Merkur.

In die Luft geflogen.

Mühlheim a. D., OA. Tuttlingen, 28. Okt. Heute vormittag 9 Uhr 10 ist das Dampfkesselhaus der Uh­renfabrik von Müller u. Co. infolge Kesselexplosion in die Luft geflogen. Der Heizer wurde schwer ver­letzt unter den Trümmern hervorgezogen. Der Ee- bäudeschaden ist groß.

Oberbettringen O. A. Gmünd, 27. Okt. In der Scheuer des Dreikönigwirts Schirle ist der 76 Jahre alte Alois Neu­kamm, ein Verwandter des Wirts, tot aufgefunden worden. Er war vom Oberling gestürzt und hatte sich die Hirnschale eingeschlagen.

A«» Welt und Zeit.

Die badischen Stichwahlen.

Um zu verhüten, daß bei den am nächsten Donnerstag stattfinden Stichwahlen der Rechtsblock noch weitere Sitze in der Zweiten Kammer erobert, haben Nationalliberale, Fortschrittler und Sozialdemokraten sich dahin geeinigt, daß in 17 von den 20 Stichwahlkreisen nur ein einziger Kandidat als Vertreter des Großblocks auftritt. Alle übrigen liberalen Kandidaturen werden zurückgezogen. Nach diesem Abkom­men kandidiert in acht Bezirken ein Nationalliberaler, in vier ein Fortschrittler, in fünf ein Sozialdemokrat. In den drei Wahlkreisen Karlsruhe-Land, Mannheim-Stadt und Mann- heim-Weinheim wird der Kampf zwischen den Kandidaten der Linken ausgefochten. Der Wahlaufruf des Zentrums verlangt für solche Wahlbezirke, in denen Sozialdemokraten mit Demo­kraten in der Stichwahl stehen, Wahlenthaltung, in Bezirken, in denen Sozialdemokraten mit Nationalliberalen ringen, tritt das Zentrum für die letztem ein.

Der Krieg zwischen Krankenkaffen und Aerzten.

In Berlin fand ein vom Deutschen Aerzteverein Un­berufene außerordentlicher deutscher Aerztetag statt, um zu den Streitigkeiten zwischen den Aerzten und den Krankenkaffen Stellung zu nehmen. Es gelangte die Resolution zum Beschluß: Der außerordentliche deutsche Aerztetag macht es jedem ein­zelnen Arzt und jeder ärztlichen Vertretung zur Pflicht, von

Das Ilngtückshairs.

25.) Roman von Georg Türk.

Gewiß! Wie kommen Sie jetzt darauf?"

Mir war heute den ganzen Tag etwas selt­sam zumute. Ich lief ziemlich planlos im Haus her­um und wußte eigentliche nicht, weshalb! Da be­kam ich Lust, auf unserem Boden zu kramen. Was liegt da für altes Gerümpel! In einer finsteren Ecke steht eine wurmstichige Truhe. Lange muß sie nicht geöffnet worden sein. Als ich den Deckel hob, stieg ein modriger Geruch empor. Ich fand allerlei drin: eine alte Bibel mit vielen Kupfern, Gebet­bücher und dergleichen, und ganz unten lag ein dickes Buch, in Schweinsleder gebunden. Und was meinen Sie, was es enthält?"

Nun?"

Eine Beschreibung der Lebensschicksale der Be­wohner dieses Hauses. Geschrieben ist diese Chronik ums Jahr achtzehnhundertfünfundzwanzig."

Wenn Meinhart das hört, geht er, glaub' ich, sogar insUnglllckshaus"!"

Es ist mir schon aufgefallen, daß er nie zu Ihnen kommt."

Ja, da hat er seine Gründe. Er hat Angst vor den Mäulern in Erlenstadt! Diese Erlenstädter würden sofort sagen, er käme nicht um meinetwillen, sondern um Ihretwillen!"

Ah! darum kommt er nicht in dieses Haus. Freilich, er muß als Pfarrer auf seinen Ruf achten."

Ich habe ihm schon oft gesagt, daß ich seine Be­denken nicht teilen kann!"

Hm, ja! Sie können ihm ja die alte Chro­nik mitbringen. Oder"

Sie sprang plötzlich auf.

Wie wäre es!" rief sie, und der Schalk saß in ihren Augen,wenn wir ihn mit der Chronik in unser Haus locken würden? Wenn Sie ihm zum Beispiel sagten: Im Unglückshaus liegt eine alte Chronik, aber dort bleibt sie auch liegen! Wer sie sehen will, soll kommen!"

Das ist eine vortreffliche Idee. Ich sage Ih­nen: Er kommt! Eine Chronik zu erhalten, steigt er sogar in die Hölle!"

Nun nehmen Sie aber Ihre Geige! Das gestern Versäumte muß nachgeholt werden. Ich will nur schnell Anna holen!"

Sie trat aus der Stube und rief leise den Na­men der Schwester.

Die kam und sah Maria forschend ins Gesicht. Als sie ihre Munterkeit bemerkte, nickte sie befriedigt.

Die beiden Schwestern setzten sich aufs Sopha.

Anna schlang ihren Arm um Maria und lehnte ihren Kopf an deren Schulter.

Hans Ringer spielte fröhliche Weisen. Tanz­weisen prickelten ihm durch die Finger, am Ende war es, als ob seine Geige jauchze und lache . . .

Endlich sagten die beiden Mädchen gute Nacht und gingen.

Als sie schon den Gang entlang nach ihrer Stube gingen, rief Hans Ringer Maria noch einmal zurück.

Ich möchte gern Ihre Meinung hören! Glau­ben Sie, daß Elisabeth auf mich warten wird?"

Noch einmal nahm Maria Elisabeths Bild in die Hand, sah es lange an und sagte, indem sie es zurückgab:Ich glaube nicht, daß diese Augen trü­gen können!"

Hans Ringer stand allein in seinem Zimmer, in den Anblick Elisabeths versunken, und seine Lippen murmelten:Maria ist ein liebes, kluges Mädchen! Sie hat es gemerkt, wie ich dich liebe, Elisabeth! Sie hat es verhütet, daß ich dich vergesse. Ich hätte dich doch nicht vergessen können! Zu tief hat sich dein Bild mir ins Herz gegraben. Ja, ich liebe dich, Elisabeth! Nun warte aber auch auf mich. . . . denn sonst sonst! Aber ich weiß: du wirst auf mich warten! Maria sagt es auch: diese Augen können nicht trügen!"

Neuntes Kapitel.

. . . Sie gibt also die Chronik nicht her," sagte der Pfarrer,ich müsse ins Haus kommen! Das will mir nicht recht passen!"

Ja!" antwortete der Assessor gleichmütig,'dann mußt du eben auf die Chronik verzichten!"

Was soll ich in dem Haus? Die Frau will von Pfarrer und Kirche nichts wissen!"

Aber die Tochter ist von deinen Predigten er­baut."

So! Hm! Sie gibt dir also die Chronik wirklich nicht mit?"

Nein! Höre meinen Vorschlag! Heute ist Samstag. Morgen zur Besuchszeit erscheinst du im Unglückshaus, machst unten einen kurzen Besuch und kommst dann in mein Zimmer. Dort liegt die Chro­nik bereit."

Unten soll ich auch Besuch machen?"

Ich begreife dich nicht! Frau Hellmuth gehört zu den Seelen, die dir anvertraut sind. Erkennst du denn gar nicht deinen Beruf, auch diese Frau auf den rechten Weg zurückzuführen?"

,;Laß deinen Spott! . . Aber vielleicht hast du recht. Der Urkunde zulieb will ich den Erlen- städtern Gelegenheit geben, über mich zu reden!"

Der Pfarrer Friedrich Meinhart saß in der Stube der Familie Hellmuth.

Der Sohn war beim Frühschoppen. Aber die Mutter und die drei Töchter waren da.

Er kam sich recht unglücklich vor.

Die Mutter sah ihn verwundert an, als wollte sie sagen:Was willst du da?"

Die älteste Tochter schwieg wie die Mutter.

Anna spielte mit ihrem Schürzenzipfel.

Auch Maria schien verlegen, doch war sie die erste, die das Schweigen brach.

Sie knüpfte das Gespräch an Meinharts Predigt, die er im Vormittagsgottesdienste gehalten hatte. Sie wollte über einen Gedanken, den er angedeutet hatte, nähere Auskunft haben. (Forts, folgt.)