Neues vom Taae.
Eine Hetze der Trviftnschicber.
Berlin» 18. Sept. Entgegen der in einem Teil der Tagespreise ausgesprochenen Behauptung, daß^ die Behörde des Kommissars für Tevisenerfassung 500 Personen neu eingestellt habe, stellt der Kommissar für Tevisenerfassung fest, daß sich seine Behörde lediglrch ans dem von der bisherigen Prüfungsstelle der Devisenbeschaffungsstelle übernommenen Personal zusammensetze. Tie gleiche Behauptung, daß an das übernommene Personal von ihm bereits Weihnachtsgratifikationen ausbezahlt worden seien, ist ebenfalls unzutreffend.
Eine Tagung der rheinischen Sonderbündler.
Paris, 18. Sept. Havas berichtet aus Düsseldorf: Tie Rheinische unabhängige Partei veranstaltet am 30. September einen Rheinischen Tag, an dem rn Düsseldorf 150—200 000 Mitglieder der Sonderbünd- lerischen Parteien aus allen Gegenden der Rheinlands Zusammenkommen sollen, um vernehmlich ihrem Wunsche Ausdruck zu geben, eine friedliche und unabhängige Rheinische Republik zu konstituieren. Dieser, offenbar vom Düsseldorfer Propagandadienst heraus- gegebencn Meldung fügt Havas hinzu, es werde angenommen, daß diese Kundgebung von kapitaler Bedeutung für die Außenpolitik sein soll.
Baldwin und Poincare.
Paris, 18. Sept. Stanley Baldwin und Poincare werden sich morgen begegnen. Aus englischer Quelle war angekündigt worden, daß es sich lediglich um einen Höflichkeitsbesuch des englischen Ministerpräsidenten handle. In gut unterrichteten Kreisen tut man indessen diese englische Mutmaßung ziemlich ungläubig ab. Man zweifelt nicht daran, daß Poincare mit dem englischen Ministerpräsdienten die verschiedenen Gegenwartsfragen erörtern wird. Man hofft, > daß die Unterhaltung zur Beseitigung der zwischen Frankreich und England bestehenden Mißverständnisse erheblich beitragen wird.
Aus London meldet das „Berliner Tageblatt": In London nimmt man an, daß Baldwin aus seiner Durchreise durch Paris Poincare einen Besuch abstattet. Tie Ansichten gehen jedoch auseinander, ob es sich hierbei um einen bloßen Höflichkeitsbesuch handeln oder ob es zu einer Aussprache über die Ruhrfrage kommen wird. Tie Blätter weisen darauf hin, daß Baldwin in i Paris von seinem Privatsekretär Waterhouse erwartet wird, woraus aus die große politische Bedeutung der s Zusammenkunft zu schließen sei. „Star" meint, daß i jetzt, nachdem die Mussolini-Krise vorerst beigelegt ser, j sich eine gute Gelegenheit für die Staatsmänner biete, das neue deutsche Angebot in allen seinen Einzelheiten durchzusprechen.
Vorbereitung zur Annexion von Fiume.
Rom, 18. Sept. Tie Regierung von Fiume ist zurückgetreten. Ter italienische Ministerrat hat einen Militärgouverneur ernannt.
Laut „Franks. Ztg." ist General Giardino, der im Weltkrieg Kriegsminister war, als Militärgouverneur nach Fiume gesandt worden. Ties kam unerwartet, der Beschluß wurde jedoch beifällig ausgenommen, da die italienische Regierung keinen anderen Weg fand, die Anarchie in Fiume zu beendigen. In größter Spannung erwartet nun Italien, welche Haltung Süd- llawien, die übrigen Balkanstaaten und die Groß- : nächte einnehmen werden. Man hofft jedoch auf eine beruhigende Wirkung der Versicherung, daß die Verhandlungen mit Belgrad durch die Entsendung Giar« Sinos unberührt bleiben.
Ruhrchronik.
Münster, 18. Sept. Betrunkene Soldaten drangen in Dortmund in die Wohnung einer Witwe ein und vergewaltigten die im Bett liegende Frau. Tie Koste ganger wurden mit Gewehren in Schach gehalten. Tie Täter wurden durch herbeigerufene französische Gendarmerie festuenomme«.
Die Liebe nur allein ist Lebe»,
Kannst du drin Hirz der Liebe weih'u,
So hat dir Gott genug gegeben —
Hril dir! Die ganze Welt ist dein!
Hoffman» v. Fallersleben.
Heimgefunden.
Novelle von Maria Harltng.
(93) M chdr^ck verboten.)
Leise Verhallen die letzten Töne; kein Laut regt sich. So still ists, daß man meint, das Blatt zur Erde fallen zu hören, das sich lautlos vom Baume getrennt.
Ta tönt plötzlich ein herzbrechendes Schluchzen durch die Stille und eine Stimme, die den Frauen das Blut stürmisch durch die Adern treibt, stöhnt auf: „Warum Hab ich nach Seifenblasen gehascht und das Gold am Boden liegen gelassen. Wie anders hätte alles kommen können."
Frau Gehring ist mit dem Aufruf: „Heinz! Heinz! mein lieber Junge! Endlich findest Du den Weg z« mir!" zum Fenster geeilt, ihre Arme halten den Widerstrebenden fest umschlungen.
„Laß mich, Mutter Liefe!! Rühr mich nicht an. Du weißt nicht, wen Du in Deinen Armen hältst."
„Doch, ich weiß es, Heinz meinen Jungen Hab ich wieder, Heinz, wie konntest Du mir das antun, wie konntest Du so ganz vergessen, daß im kleinen Schulhause jemand war, der sich so entsetzlich nach Dir bangte?"
„Ach, Mutter Liesel, ich war so ganz auseinander, damals als mir Fritz kaltlächelnd sagte, Liesel sei seine Braut: daß ich mit aller Welt haderte. Ich wollte vom Sch>ukh«us nichts mehr wissen, das mir solches Leid
Einführung der freien Juckerwirtschaft.
Berlin, 18. Sept. Wie das „Berl. Tagebl." mitteilt, hat das Reichskabinett einem Gesetzentwurf des Reichsernährungsministeriums zugestimmt, der für das Jahr 1923/24 die Einführung der freien Zuckerwirt- schaft vorsieht.
Fortsauer der Unruhen in Lörrach, s Lörrach, 18. Sept. Tie Unruhen in Lörrach dauern k noch an. Nachmittags wurden von den Ausrührern ? Handgranaten in die Sipo geschleudert, die dieselbe - mit einem scharfen Schuß beantworteten. Weiter kam ! es nochmals zu einem Zusammenstoß. Im ganzen wur- : den zwei Demonstranten verwundet, von denen einer i bereits gestorben ist. Verschiedene Fabrikanten haben ! jedem ihrer Arbeiter und Arbeiterinnen 15 Schweizer > Franken ausbezahlt. Tie Schokoladenfabriken haben ! noch 10 Pfund Zucker jedem Arbeiter dazu gegeben, j Andere Firmen haben ihren weiblichen Arbeiterinnen ! 110 und den männlichen Arbeitern 150 Millionen als , Abschlagszahlung auf die Wirtschaftsbeihilfe ausbezahlt, j Tie Sicherheitspolizei hat den Sperrbezirk weiter aus- ; gedehnt. Tie Gefangenen, die sie in der vergangenen z Nacht und heute vormittag machte, meist junge Bur- ; scheu, mußten Holz usw. herbeischleppen, um Ver- ; schanzungen für die Maschinengewehre usw. zu er-, ! richten.
? Brarr-katastrophs.
Lonanesch^gcn, 18. Sept. Im 'nahen Wotterdin- gen entstand am Lienstag morgen im Sägewerk Strobel ! Feuer, das sich bei dem herrschenden Sturm mit großer Schnelligkeit ausbreitete 26 bis 28 Wohnhäuser mit Wirtschaftsgebäuden fielen dem Brande zurch Opfer. Das Feuer konnte lokalisiert werden. Zwei Kinder werden vermißt. Der Schaden an Vieh!, Getreide und Futtervorräten ist sehr groß.
! Tie KMenkicferrmgsverhandkunse« mit Frankreich!
gescheitert.
Ko-keuz, 18. Sept. In Koblenz haben Verhandlungen zwischen der NHeinlandkommission, den Gemeinden und Jndustrievertretern über die Wiederaufnahme der für Frankreich in Betracht kommenden Produkte des besetzten Gebietes stattgefunden. Diese Verhandlungen sind gescheitert an der Haltung der Franzosen in der Kohlenfrage, insbesondere der Zahlung der Kohlensteuer. Tie Franzosen glauben, daß sie es nicht mehr nötig hätten, Konzessionen zu machen, da wir sie ihnen freiwillig anbieten.
Unaufhörlicher Milliardenranb.
Bochum, 18. Sept. Am Montag vormittag beschlagnahmten die Franzosen bei der Stadthauptkasse 50 Milliarden. Tie Franzosen verlangten von der Stadt Herne täglich 4000 Franken und von der Stadt Aeksenkirchen täglich 6000 Franken. Beide Städte haben die Zahlung abgelehnt.
Vo« Marokkanern ermordet.
Frmrkfnrt a.M., 18. Sept. Zwei Marokkaner bekamen in einem Kaffee in einem Orte in der Nähe Frankfurts um ein Mädchen mit einem jungen Klavierspieler Streit. Sie schleppten den jungen Mann bis zu einer Mühle und schlachteten ihn dort ab. Die französische Behörde setzte die Täter fest.
Ter französische Minister für öffentliche Arbeite« im Ruhrgebiet.
Paris, 18. Sept. Aus dem Ruhrgebiet wird gemeldet, der französische Minister für öffentliche Arbeiten besuchte im Verlaufe seiner Inspektionsreise auch die Zeche „Viktor", die erste deutsche Zeche, die unter französischer Regie arbeitet und auf der 1200 deutsche und polnische Arbeiter beschäftigt find und täglich 1000 Tonnen Kohlen gefördert werden. Ebenso besuchte der Minister die von den Franzosen eingerichteten Leckereien in Recklinghausen. ^ .
„Nun aber bist Tn wieder hier, mem Junge, nun lasse ich Dich nicht mehr fort. Komm erst einmal herein ins Zimmer, Du wirst gewiß auch Hunger haben. Elfchen, zünde die Lampe an und dann sorge schnell, daß unser Gast etwas zu essen bekommt."
Doch Heinz schüttelt den Kopf.
„Nein, Mutter Liesel, ich brauche nichts!" erwidert er düster. „Ich wollte nur noch einen Blick in das traute altgewohnte Stübchen tun, niemand sollte mich? sehen, da war es Elfriedens Lied, das mich am Fenster festhielt. Laß mich jetzt wieder wandern, mir ist doch nicht zu Helsen."
„Nein Heinz, so lasse ich Dich nicht fort. Elfrrede so mache doch Licht, wo steckst Du denn?"
Elfriede gibt keine Antwort, sie ist still hinausgegangen, als sic in dem Fremden Heinz erkannte. Heiße Schamröte steigt ihr ins Gesicht bei dem Gedanken, daß er ihre Worte vorhin gehört haben könnte. Sie kann ihm jetzt nicht unter die Augen treten, jetzt nicht. Zudem wird er ja auch allein bei der Mutter am ehesten die rechten Worte zu einer Aussprache finden.
Frau Gehring ist es indes doch gelungen, Heinz zu bewegen, ins Zimmer zu kommen. Mit zitternder Hand zündet sie die Lampe an. Als der Helle Lampenschein voll auf den Eintretenden fällt, zuckt sie wie in körperlichem Schmerz zusammen. Auch Heinz zögert momentan auf der Schwelle; er scheint sich seines vernachlässigten Aeußeren zu schämen.
Frau Gehring aber hat sich schnell gefaßt, eine heiße Angst ist ja in ihr, ein unbewachter Blick könne den so überaus empfindlichen Heinz von der Schwelle vertreiben. So lächelt sie denn, obwohl ein Schluchzen ihr in der Kehle würgt.
„Komm nur herein, mein Junge, Du siehst, ich bin allein. Elfriede wird wohl in die Küche gegangen fern, um nach dem Essen zu sehen."
Heinz taumelt näher, erschreckend bleich und hohläugig, mit schlotternden Gliedern steht er jetzt mitten i« Zimmer.
Aus Atadt und kand.
Rltenrtelg, 19. September
" Falsch« MIllio»i«sch«r>e. Zu Milllonenschrtnrn über- dr uckie rot« SO cos Markschrin« find auch hier im Vrrkhr. ES sei davor gewarnt.
* Dirtfiahl. I» eine« hiesigen «asthof wmde Sam», tag Nacht eivfebnchm urd reiche Beute gemacht. Hoffentlich
Nadelstomwholzvttkauf der hi.stgm Siadtgemeinde, bei wel" ch,m 518 Fstm. Fichten- und TannenfiLmme zu Verlaus kamen, wurde ein Tmchschvlllkerlö» von 3731 Proz. erzielt'
— Tie sechsfachen Reichsbahn-Fahrpreise. Die Erhöhung des Multiplikators der Reichsbahntarife bringt eine ganz außergewöhnliche Steigerung der Fahrpreise^ die in dem bewirkten Ausmaße einzig dasteht. Durch' die sechsfache Schlüsselzahl hat man ab 18. September mit folgenden Kilometerpreisen zu rechnen: '200 000t Mk. in vierter Klasse, 300 000 Mk. in dritter, MO 000 Mk. in zweiter und 1800 000 Mk. in echter, wohl- gemerkt für den einzelnen Kilometer. Tie Schnellzugszuschläge betragen in der dritten Klasse 4,5, 9 und 13,5 Mill. in den drei Zonen (1—75, 76—150, über 150 Km.), in zweiter Klaffe das Dreifache, in erster Klasse das Sechsfache der zuerst genannten Sätze. Eine Fahrkarte von Stuttgart nach Berlin kostet in den drei Klassen 129, 208 und 624 Mill.
Reue Fernsprech- und Tekegramm-Gebühren.
Wie schon angekündigt, sind die neuen Fernsprechgebühren, ehe sie überhaupt in Kraft traten, schon wieder verdoppelt worden. Sie betragen jetzt vom 16. Sept. ab für ein Ortsgespräch von einer Teilnehmerstelle oder einer öffentlichen Sprechstelle aus 500 000 Mk. Mindestens werden dabei für einen Hauptanschluß monatlich angerechnet in Ortsnetzen mit nicht mehr als 50 Hauptanschlüssen 20 Ortsgespräche, bei mehr als 50 bis einschl. 1000 Hauptanschlüssen 30 Ortsgespräche, bei mehr als 1000 bis einschl. 10 000 Hauptanschlüssen 40 Ortsgespräche, bei mehr als 10 000 Hauptanschlüssen 50 Ortsgespräche. Für ein Ferngespräch von nicht mehr als 3 Minuten Tauer werden erhoben bei einer Entfernung bis zu 5 Km. einschk. 500 000 Mk., von mehr als 5 bis 15 Km. einschl. i Mill., bis 25 Km. 1,5 Mill., bis 50 Km. 3 Mill., bis 100 Km. 4,5 Mill., für jede angefangenen 100 Km. mehr 1,5 Mill. Für dringende Gespräche daS Dreifache, für Blitzgespräche das Hundertfache der Gesprächsgebühr für ein gewöhnliches Ferngespräch. Vor» tagsanmeldung 0,5 Mill., Auskunftsgebühr 0,5 Mill„ Streichungsgebühr für Gespräche 0,5 Mill-, X?-, Vidi-Gebühr für eine Person je 2 Mill., für jede weitere Person 1 Mill., Unfallmeldegebühr 3 Mill. — Im Telegrammverkehr sind die wichtigsten Gebühren vom 16. Sept. an für Ferntelegramme: Grundgebühr 800 000 Mk. und außerdem für jedes Wort 400 000 Mk., Ortstelegramme: Grundgebühr 400 000 Mk. und außerdem für jedes Wort 200 000 Mk. Vom 1. Okt. an für abgekürzte Telegrammanschriften jährlich 120 Mill., für regelmäßige besondere Zustellung IN Mill.
„Ich brauche nichts, Mutter Liefet, ich bin ja nur gekommen, um auf der Mutter Grab zu sterben!" stößt Heinz heiser hervor. „Da, nun weißt Du, was ich wollte. Einmal mußte ich noch die Heimat, einmal das Vaterhaus und das kleine Schulhaus Wiedersehen! O, ihr wißt ja nicht, wie das Heimweh an mir gezehrt hat, aber ich wollte hart sein, ich wollte die Heimat, die mir so weh getan, nicht wieder sehen, und nun bin ich doch gekommen, das Heimweh war stärker als Zorn und Haß."
Aufschluchzend schweigt er still, Frau Liesel aber schlingt in überwältigender Barmherzigkeit die Arme um seinen mageren Körper und zieht seinen Kopf an ihre Brust.
„Heinz, mein Heinz, warum bist Du nicht eher gekommen? Hast Du denn nie geahnt, wie ich mich nach Dir sehnte?"
„Laß mich los, Mutter Liesel, wenn Du wüßtest, wie tief ich gesunken bin, Du würdest Dich mit Abscheu von mir wenden."
Fester-nur noch hält Frau Liesel den Widerstrebenden, sie zwingt ihn neben sich auf das Sofa.
„Nicht so tief, mein Junge, daß nicht unsere Lieb« eine Brücke bauen könnte, die über den Abgrund hinüber- führt!" erwidert die einfache Frau schlicht.
Da sinkt Heinz ausschluchzend in die Knie, er birgt seinen Kopf in Frau Liesels Schoß.
„Unsere Liebe! sagtest Du, Mutter Liesel, unsere Liebe. O, wenn Du wüßtest, was Du mir mit diesen Worte« gegeben. Ich habe vorhin Elfriedens Worte gehört, o, warum mußte die Erkenntnis mir nicht früher kommem. daß dieses edle, reine Mädchen mir sein Herz geschenkt! Nun ist es zu spät."
»Zu spät ist es nie, mein Junge. Elfriede gehört auch nicht zu den Frauen, die ihrer Liebe untreu g»- worden. An ihrer Liebe zu Dir kann nichts rütteln, weder ein verfehltes Leben, noch der Gedanke, daß ihre LrÄbe Grwideruna rindet "
(Kortsrtznng folgt )