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Sonntagsgedanken.

Was schützt vor ungerader Bahn,

Bewahrt vor Lügen und Trügen?

Lüg allererst dich selbst nicht an,

Wirst andre nicht belügen.

Fr. Th. Bischer.

Zum Sonntag.

Lanvesbnßtag.

Bon Prälat I). Planck.

Ein Tag der gemeinsamen Beugung soll der Landes­bußtag sein. Wenn sonst im Kämmerlein der einzelne Christ vor seinem Gott bekennt, was er gefehlt, fragt, was bei ihm anders werden müsse und für sich neue Vorsätze und Entschlüsse faßt, so soll am LandeLüuß- tag die große Gemeinde an heiliger Stätte sich de­mütigen über gemeinsame Schuld und gemeinsam sich aufraffen zu neuem, geläutertem Leben.

Buße heißtSinnesänderung". So hat es der große Bußprediger Johannes der Täufer und Jesus selbst als erste Forderung ausgesprochen:Aendert euren Sinn!" Haben wir nun wirklich unseren Sinn, unsere Richtung und Gesinnung geändert? Oder steht das nicht eben als Aufgabe vor uns? Wie mächtig ist unter uns die Oberflächlichkeit, die so viel als möglich Geld erraffen, so viel als möglich genießen will. Wem ist die Seele, die eigene Seele, die Seele der Kin­der, die Seele der Volksgenossen das wertvollste? Wie viele oder wenige denken zuerst an ihre Pflicht, stellen das Gemeinwohl unbedingt über den eigenen Vorteil und Gottes Reich über alle vergänglichen Ziele? Ist es nicht immer noch so: ein Teil des Volks hungert und erliegt unter der Last, und ein anderer lebt in Ueber- flutz und Ueppigkeit!

Aber ist dann gerade jetzt der Ruf zur Buße am Platz? Brauchen wir nicht vielmehr Trost und Er­mutigung? Ja, verdienen wir nicht jetzt als Volk geradezu Anerkennung, die einen dafür, wie sie leiden und kämpfen, die anderen dafür, wie sie sich einsetzen für die Brüder? Gottlob, daß dieser erste Lichtstrahl uns aufgegangen ist, daß wir Volk und Führer beseelt sehen von gutem Geist, daß wir uns nicht mehr schä­men müssen über einer geradezu unerhörten Zerrissen­heit und Erbärmlichkeit in unserem öffentlichen Leben! Aber so steht es doch noch lange nicht, dgß wir über alles Bußetunmüssen hinaus wären.

Zur Lage.

Drunten an der Ruhr und am Rhern, an der Hauptschlagader des europäischen industriellen Lebens, wie der englische Erstminister Bonac Law dieser Tage im englischen Unterhaus diese deutschen, von Franzosen und Belgiern vergewaltigten Provinzen bezeichnet^, geht es Mm aus Leben oder Tod der deutschen Wirtschaft. Die Lage hat sich in dieser Woche weiter verschärft, einmal im neu besetzten Gebiet selbst, dann aber auch in den diplo­matischen Beziehungen zwischen Deutschland und Frank­reich und schließlich auf der äußeren weltpolitischen Linie durch die Erklärungen der englischen Regierung im bor­stigen Parlament und die derzeitigen Verhandlungen zwi­schen Frankeich unrd England, bei denen es sich um den Eisenbahnverkehr über den Brückenkopf bei Köln handelt, dm die Engländer besetzt halten.

Di« Franzosen haben Wesel und Emmerich besetzt Md damit die letzte Eisenbahnbrücke bei Wesel über den Rhein und die nördlich aus dem Ruhrgebiet führende Eusnbahnstrecke. Die Abschnürung des Rheinlandes vom übrigen Deutschland ist damit vollständig. Die Be- setzung von Emmerich ist auf handelspolitischem Gebiet don Wichtigkeit, weil sich dort der Uebergangsverkehr nach Holland abspielt. Im Ruhrgebiet selbst macht sich derstärkter Druck der Franzosen und Belgier auf ganzen Linie bemerkbar. Sie mußten bereits, da ihrefriedliche Aktion" durch den deutschen Widerstand nichts oder blutwenig erzielt hat, in Brüssel verhandeln, um sich über die Besetzungsmethoden zu verständigen, ^lgien hat, so verlautet, nicht das gleiche Interesse am Ruhrgebiet wie Frankreich und ist nur mit einem be­schränkten Programm in dre Aktion getreten. In Frank­reich dagegen ist die mächtige Jndustriegruppe des Ei- Ms und Stahls, das Gönnte des Forges, der trei­bende Geist für Poincare und Millerand. Das sieges- tolle französische Grubenkapital will im Ruhrgebiet herr- ihM und besitzen chud hat deshalb die Politik der fran­ko ßschen Jmverialiiren (Weltbeberrichers und die der

größten und ausschlaggebenden Partei, oen Nanonaivrocr, vor seinen Wagen gespannt. Das deckt sich mit der s geistigen Atmosphäre des französischen Volkes, die seit Jahrzehnten imRevanchegedanken" und nach dem Krieg durch die übertolleSieger"stimmung großgezogen wurde, zugleich aber auch mit dem Charakter und der Ge­schichte des französischen Volkes. Einer ihrer großen Geister, Voltaire, hat die wesentlichsten Eigenschaften der Franzosen mit dem einesTigers" undAssen" ver­glichen. Das Vorgehen der Franzosen in volkreichen Städten an der Ruhr spiegelt chese Charakteristik wider. Tie Gewalttaten, Brutalitäten, Ausweisungen, Verhaf­tungen, die zahllosen Zwischenfälle, die die Zeitung gar nicht alle registrieren, viel weniger in ihrer ganzen Ruch­losigkeit schildern kann, liegen alle in dieser Linie des blu­tigen und raubgierigenTigers" und des hinterlistigen, rachsüchtigenAffen". Kann man etwa den Uebersall aus einen friedlichen Schnellzug bei Wanne- der wie ein Jn- dianerstück aus Wildwest anmutet, in den Vorkommnissen dieser Woche in Gelsenkirchen, Recklinghausen und Essen, bei denen friedliche Bürger in brutalster und gemeinster Weise behandelt, am Leben und Privatvermögen geschä­digt, ja Vertrieben und ermordet wurden, anders charak­terisieren? Neben Beamten aller Art werden die Füh­rer des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens, aber auch einfache Leute aus dem Volk davon betroffen. Dabei bleiben noch die ungeheuren Besetzungs- und Requi­sitionslasten bei Landwirten, Kaufleuten und Gasthosbe- sitzcrn ganz außerhalb dieser Willkürakte. Nur eines kann den französischen Raubzug zu uichte machen: Die einheitliche treue Gesinnung der westfälischen Bevölkerung, die fe stg eschl offene Abwehrfront an der Ruhr und am Rhein. Dieser Widerstand mit moralischen Mit­teln, der passiven Resistenz, ist es, der das französisch­belgische Ruhrabenteuer bisher so erfolglos machte. Diese Mittel sind höchst wirksam im Verkehrs- wie im Wirt­schaftsleben. Sobald französische Gewalt eingreift, steht das Rad der Arbeit still. Mit der militarisierten Eisen­bahn haben die Franzosen bisher nur wenige Kohlen­züge hinausgeschafft, und mit der verschärften Blockade, durch die die Ausfuhr von Jndustrieproduk- ten, vor allem aus der Metallbranche, unterbunden wur­de, wird es nicht viel besser gehen. Die moralische Seite der Frage ist von den Franzosen einst selbst beantwortet worden, als französische Kriegsgerichte nord- französisch« Industrielle aburteilten, weil sie im Verdacht standen, 19141918 mit den Deutschen Geschäfte ge­macht zu haben. Wenn heute imFrieden" damals war bekanntlichKrieg" deutsche Männer ihrem Va­terland durch Verweigerung der Dienste an die franzö­sische Eindringlinge die Treue halten, so tun sie nur ihre Pflicht. Mag Frankreich, wie es täglich aus der Presse tönt,andere Maßregeln" ergreifen, an der moralischen Berechtigung des deutschen Widerstands kann es nicht rütteln. Und gerade dieser Widerstand ist es, der die Ach­tung Deutschlands unter allen Weltvölkern in diesen fünf schweren Wochen wieder gefestigt hat. ^

Neben der Ruhrbevölkerung steht die badische Bevölke­rung des Offenburger Gebiets unter französischer Bedrückung und Ausbeutung, aber auch im selben festen Abwehrkampf, gestützt durch das deutsche Volk. Reichs- vräsideut Ebert und Innenminister Oeser haben bei ihrem B such in Karlsruhe, Mannheim und Darmstadt den starken Wißen zur Einheit und Treue für das Reich gefördert, unv aus Württemberg ist durch Staatspräsi­dent Dr. Hieber das Bekenntnis zum Durchhalten in der Abwehr gegeben worden.

Auf diplomatischem Gebiet geht der Noten­krieg zwischen Deutschland und Frankreich weiter. Kein Tag vergeht, an dem nicht die deutsche Regierung ir­gendeine Protestnote m Paris und Brüssel überreichen i läßt gegen die wahnwitzigen Gewalttaten im neubesetz­ten Gebiet. Poincare und Millerand, die beiden Haupt­macher, haben immer ihre Ausreden und Abweisungen, die man nachgerade nicht mehr ernst nimmt. Den deutschen Ministern' wagten sie, zu verbieten, das besetzte Gebiet zu betreten. Kurz und bündig wurde diese Franzosennote zurückgegeben und als rechtswidrig erklärt. Neuerdings hat sich auch die Rheinlandkommission als die Verwalte­rin des altb. setzten Gebietes ins Zeug gelegt und Verord­nungen erlassen, die erkennen lassen, daß die Kommission nur ein Werkzeug Poincares ist. Und trotz dieser Helfer bis netzt eitel Mißerfolg mit aller Gewaltpolitik! Kein Wunder, daß der zähe und beharrliche Franzose nach neuen Mitteln iuckt. um den sticken Widerstand W

brechen. Gerüchte und Andeutungen gehen tn oer Wein» Presse um über Besetzungsabsichten gegen alte deutsche Hafenstädte wie Hamburg und andere, daß Frankreich als im Kriegszustand mit Deutschland befindlich sich erklären wolle usw. Alles nur Merkmale jener Gewalt­politik, die Kohlensperre, Ausfuhrverbot für Jndustrie- erzeugnisse und Jagd auf Kraftwagen, mit denen zur Zeit die Lebensmittelzufuhr an der Ruhr bewerkstelligt wrrd, verfügt und die letzten Endes zu Blutvergießen führen muß. Das ist Katastrophenpolitik.

Das StichwortKatastrophe" ist in London durch Donar Law in seiner Unterhausrede gefallen. Tie eng­lische Regierung habe den Angriff aus das Ruhrgebiet sür einen gefährlichen und für das Wirtschaftsleben Euro­pas verhängnisvollen Schritt gehalten. Frankreich habe sich selbst schwereren Schaden zugesügt als Deutschland. Es habe so gut wie nichts erhalten. Bonar Law sieht dunkel in die Zukunft, er ist besorgt um das Schicksal der Entente, darum will er weiterzuwarten", will die englischen Truppen in Köln belassen, trotzdem er überzeugt ist,daß Frankreich mit der Durchführung seines Ruhr­planes eine Katastrophe herbeiführen wird." Dieses Zu-' warten befolgt auch Amerika, obwohl dort nun Entschlie­ßungen im Senat eingebracht sind, die Frankreichs Vor­gehen verurteilen. Immerhin behält man in England eines im Auge: zu intervenieren, das heißt durch Verhandlungen zwischen Deutschland und Frankreich eine Verständigung zu erzielen. Da aber die beiden Gegner, Deutschland und Frankreich, auf ihren Standpunkten be­harren, dort in passivem Widerstand, hier in lustig­fröhlicher Gewaltpolitik, wird sich kaum eineJnterven- tionsmöglichkeit" ergeben. Trotz einiger wenig erfreu­licher Erscheinungen bei den deutschen Linkspolitikern blerbt die Stellungnahme der Reichsregierung nach wie vor richtunggebend: Keine Verhandlungen, ehe die Fran­zosen und Belgier nicht das Ruhrgebiet räumen.

Noch zur wirtschaftlichen Entwicklung dieser Woche einige Bemerkungen! Der Dollar ist von rund 5000l> Mark auf 18 000 Mark gesunken. Die deutsche Mark, hat also ihren Wert in der Welt bedeutend verbessert, was auf Maßnahmen der Reichsbank und des Reichsfinanz­ministeriums iin Handel mit Devisen zurückzuführen ist. Eine erfreuliche Tatsache! Es ist nur zu wünschen, daß diese Besserung anhält und dauernd ist. Immerhin ist für die Industrie die Ausfuhrmöglichkeit dadurch beschränkt. Auch die Warenpreise werden im Preisabbau in den näch­sten Wochen folgen müssen. Manchem erscheint dieser Dollarsturz und diese Markbesserung als trügerische Hoff­nung angesichts der politischen Lage Deutschlands. Gleich­zeitig mit der Besserung der Mark hat sich der Kurs des französischen Franken in der Welt verschlechtert, was mit der französischen Gewaltpolitik zusammenhängt. Hof­fen wir, daß es gelingt, unser Finanzwesen weiter der Ge­sundung entgegenzuführen. So schließt die Woche mit nicht hoffnungslosem Ausblick trotz Kampf und Ueberteue- rung, Not, Elend und Verarmung, die das deutsche Volk- noch bedrücken.

Das französische Gewaltregiment.

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Weitere Verhaftungen in Offenburg.

Offenbnrg, 16. Febr. Amtlich wird mitgeteilt: AM Tonnerstag nachmittag 5 Uhr wurden in Offenburg die Amtmänner Dr. Maier und Müller, welche dies Amtsgeschäfte des ausgewiesenen Oberamtmanns Schwö-s rer übernommen hatten, von den Franzosen verhaftet.! Amtmann Peter hat jetzt die Dienstgeschäfte über»! nommen. -

WTB. Karlsr»h«, 1«. Febr. «u» Offenburq wird be- richtet: Amtwan« Peter, der -m Feststellung von S ichschädr» »ach Offeuburg ««tsandt «»«de« war, wurde von den Fran­zosen aur-ewtesea. Nachdem di« h- -er«» Beamte« vom Be» ztrttamt entfernt worden waren, w«rde« di, übrigm Beamte» von fra»z. Soldaten au« dem Be»irk»a«t hiuaur-,trieben.

Lndwkgshafe«, 16. Febr. Hier kamen zwei Eisen­bahnwagen durch, in denen sich deutsche Schutzpolizei­beamte, die im Ruhrgebiet von den Franzosen ver­haktet worden waren, befanden. Ta die pfälzischen Eisenbahner sich weigerten, die beiden Eisenbahnwagen weiterzubefördern, entstanden im Zugsverkehr grö­ßere Stockungen. Die deutsch«« Schutzpolizeibeam­ten sollen nach Saarbrücken gebracht und dort im ZellengefängniS untergebracht werden. Bet ihrem Auf­enthalt in Ludwigshafen wurden sie sehr scharf be­wacht. Es gelang ihnen aber, einen Zettel berauszu- hängen, auf dem stand, daß sie bisher keinerlei Nahruna erhalten HNte«.