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HBsblaLt füs dm Bezirk Nagsld rra- für Altensteig-Ltadt. Allgsmemss Anzeiger für die Bezirke Nagold, Lal« und jreudenstadt.

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Nk. 89.

Freitag de« 18 , Februar.

Sichrgaa- IS»

Unser Recht und unser Wille.

Seit fünf Wochen fast sieht die Welt untätig zu, wie mitten im Frieden deutsche Gebiete mit Kriegsmitteln und Kriegsgewalt übec-zogen, die Restbestande an Wirt­schaftskraft, die Mitteleuropa noch geblieben, zerstampft und zerschlagen und wehrlose Männer an Leib und Gut und Familie gestraft werden, weil sie sich weigern, ihrem Vaterlande die Treue zu brechen und für Welsche Fron­dienste zu leisten. Poincare behauptet, er habe das Recht dazu, französische Soldat?», die einst auch bei uns im Rufe der Ritterlichkeit standen, ein Handwerk zuzumuten, ft unrühmlich, so unwürdig eines Kulturvolkes, daß sie sich über kurz oder lang angewidert abwenden müssen. Wer hat ihm das Recht gegeben und wer ihn darin be­stätigt? England, Frankreichs Verbündeter, steht ab­seits, verhüllten Hauptes. Es weiß, daß Frankreich Un­recht tut, es hat ihm das schon einmal, nach dem Ein­bruch in Frankfurt, bestätigt, und es hat sich jetzt wieder vsn seinen Rechtsberatern bescheinigen lassen. Trotzdem säumt es, ein Bekenner der Wahrheit zu sein. Wir Deutsche, Volk wie Regierung, bestreiten das Recht, das Poincareunbestreitbar" nennt. Wir bestreiten, daß er das Recht hat, mit Heeresgewalt in das Herz Deutsch­lands vorzu stoßen, weil Deutschland die Lieferungen an Holz und Kohle nicht bis zur letzten Telegraphenstange und dem letzten .Kohlenstück erfüllt hat; wir bestreiten, daß das Recht dazu aus den Paragraphen 17 und 18 der Zweiten Anlage zu den Wiederherstellnngsbcstim- mungcn des Friedensvertrags herausgedeutet werden kann; wir bestreiten, daß die. Anfangsfrist für die Be- fchung der rheinischen Gebiete noch gar nicht zu laufen begonnen habe; wir bestreiten, daß eine räumliche Aus­dehnung der Besetzung rm Versailler Vertrag vorgesehen ist: wir bestreiten, daß beivorsätzlichen Verfehlungen" Deutschlands andere alswirtschaftliche und finanzielle Sperr- und Vergeltungsmaßregeln" ergriffen werden kön­nen, wir bestreiten aus Par. 18, daß solche Maßnahmen von einer Macht allein getroffen werden dürfen und be­haupten, daß dazu alle an den Wiederherstellungsbestim­mungen beteiligten Staaten ihre Zustimmung geben müs­sen; wir bestreiten, daß der Wiederherstellungsausschuß, zumal nachdem Amerika ausgeschieden ist und eine Ein­stimmigkeit durch die mehrfach bezeugte Enthaltung Eng­lands nicht mehr erzielt wird, befugt ist, sich zum Werk­zeug des französischen Willens herzugeben, sich zu einer Zweigstelle des Quai -d'Orsay zu machen, wie General m diesen Tagen sagte; wir bestreiten der Rheinland­kommission das Recht, über die ihr in Artikel 3 des Winlandabkommens Anerkannte Befugnis, Verordnun­gen zu erlassen,soweit dies für die Gewährleistung des Unterhalts, der Sicherheit und der Bedürfnisse der Etreitkräfte der alliierten und assoziierten Mächte- iig ist", hinauszugehen und aus dem rechtswidrigen , Einbruch in das Ruhrtal eine Amtsgewalt abzuleiten, kraft deren sie die staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten der Bewohner der besetzten Gebiete und die deutschen Hoheitsrechte unwirksam zu machen sucht; 'wir bestrei­ten endlich der französischen Regierung das Recht, aus Störungen des Eisenbahnverkehrs, die sie selbst durch ihren Rechtsbruch hervorgcrusen, den Vorwand abzu­leiten, auch badische Teile deutschen Bodens zu besetzen. Was wir hier in kurzen Strichen andeuten, vertreten Rcchtsgelehrte von Weltruf mit guten Gründen und Be­legen; das Recht, das Poincareunbestreitbar" nennt, M also durchaus bestreitbar und wird mit Fug be­stritten.

Aber wer entscheidet? Wo ist die Stelle in der Welt, die den Rcchtssinn, den Mut und auch die Macht hätte, der Wahrheit die Ehre zu geben? Etwa der V öl- ftrbund, den man uns als die Zufluchtstätte aller Be­drängten und Bedrückten gepriesen hatte? Der Rat, den ft sich gesetzt und der just eben in Paris tagte, ist aus- einandergegangen. ohne mit einem Sterbenswörtchen an die deutsche Note gerührt zu haben; auch nicht Herr -oranting, der doch uns Deutsche im Kriege so tapfer hu schmälen wußte und vor Paris allerlei hoffnungsvolle Töne redete, hat keine Lippe riskiert. Der Völkerbund Üt, was er war: eine Rückversicherungsanstalt der Siegermächte, und er legt offenbar Wert darauf, es zu bleiben. Irgendwann und Irgendwo aber tuuß der Stern ausgehen und über der Krippe haltmachen, m der das Recht gebwreR wird, ans das auch wir Deut­sche Anspruch haben.

Bis dahin müssen wir uns selbst helfen, in-^ dem wir dem Unrecht, mag es noch so gewaltsam auf- treten, widerstehen. Wir wissen, was hinter dem Schein! z des Rechts, in den Poincare sich hüllt, zu suchen ist, daß z er nichts ist, als eine vorgeschobene Kulisse für die Gier! s nach deutschem Gut. Seit Versailles ist es von dem Be- ! i gehren nach der Ruhr in Frankreich nicht mehr still ge- s worden, und soeben erst hat uns der Amerikaner Ray! , Stannard Baker in seinem im Aufträge Wilsons geschrie- , benen Buch erzählt, schon bei den Päriser Verhandlungen! l inr Frühjahr 1919 hätten die französischen Staatsmänner ' j nicht nur die Rheingrenze verlangt, sondern auchdies « vollständige, aus militärische Besetzung gegründete Kon-! k trolle über Essen und die Kruppschen Werke, über den! grüßern Teil der rheinisch-westfälischen Kohlengruben und! über die Metallindustrien". Jetzt ists erreicht, französische! Truppen stehen an der Ruhr, die Villa Hügel ist vollge­pfropft mit französischer Einquartierung. Freilich, in Paris hatte man sich die Sache erwas anders vorgestellt; kein Mensch hätte dort daran gedacht, daß man bei dem militärischen Spaziergang nach Deutschland hinein so in den Regen und unter die Traufe kommen würde. Man hatte zwar mit großen Augen die Jahre hindurch nach der Ruhr gestiert, daß aber die seelische Einstel­lung des deutschen Volkes in diesen Jahren eine andere geworden war, als man sie 1918 antraf, das hatten nur wenige erkannt, und unter diesen wenigen der alte Clemcnceau, den man in Amerika mit der Nase darauf gestoßen hatte, wie gefährlich der Marsch an die Ruhr sei. An dem unbeugsamen Geradsinn der West­falen und an dem vielfach verknoteten, feinmaschigen Wirtschaftsbetrieb dieses Jndustriebezirks, in dem sich nur auskennt, wer darin in langer Erfahrung zu hantieren gewohnt war, ist die Gewalt der fremden Bajonetten zu­schanden geworden. Diesen Betrieb, nachdem er einmal gestört, mit Kräften aus der Fremde wieder in Gang setzen zu wollen, bedeute ungefähr dasselbe, sagt einer der Aus­gewiesenen, als ob man mit Garderobefrauen und Kulis­senschiebern die Walküre aufführen wolle.

Aber noch steht den tapfern Männern der Ruhr das Schwerste bevor: weitere Bedrückung, Arbeitslosig­keit, Lockungen und Entbehrungen werden nicht ausblei- ben, so teilnahmlos sich auch in allen Erdteilen deutsche und sogar fremde Hilfsbereitschaft regt. In Paris ma­chen sich zwar Anzeichen des Unwillens darüber be­merkbar, daß die verheißene Reparationskohle immer noch nicht eintrifft; aber wir haben im Kriege die Zähigkeit !nnd Ausdauer der Franzosen kennengelernt und werden auch jetzt mit ihr rechnen müssen. Das weiß jeder Deut­sche, wie auch der Mann auf der Straße instinktmäßig fühlt, wie richtig das Wort Ennos ist, daß die schlimm­sten Folgen der Besetzung nicht so schlimm sein können, wie die des Nachgebens. Deshalb werden die Welschen auch weiterhin an der Ruhr und am Rhein, im Bergischen Land und bei den Badenern auf Granit beißen..

Aber diese Männer haben, schreibt dieKöln. Ztg.", ein Recht darauf, zu beanspruchen, daß man ihnen auch draußen im Reich den Rücken stärkt. Man nehme sich überall ihre Selbstbeherrschung zum Muster. Auch ihnen zuckt es sicherlich in allen Muskeln, wenn ihnen der Franzose die Pistole auf die Brust setzt oder die Reitpeitsche über ihren Rücken fährt; aber sie wis­sen, daß im stolzen Leiden, in dem unbezwingbaren Wil­len die Kraft der Abwehr in unserm Befreiungskämpfe liegt. Sic verstehen es, wenn den Brüdern in den nicht nicht besetzten Gebieten das Blut auswallt, wenn sie von den Dingen an Ruhr und Rhein hören; aber sie ver­langen, daß man auch dort die Leidenschaft im Zügel hält. Wir brauchen die verhaltene deutsche Leidenschaft, die sich in Spannkraft und Taten umsetzen muß, für höhere Auf­gaben der Zukunft in den kommenden Notzeiten. Bor allem verschone man uns wenigstens jetzt mit dem Partei- gewäsch, mit dem Gehaben gewisser Kreise, die sich immer noch gebärden, als hätten sie die Vaterlandsliebe in Erb-' Pacht genommen. Sie bilden sich ein, damit könnten sie den Nndrnck erwecken, als vb sie die schiebende Trieb-, kraft wären, während sie nur die Geschobenen sind. Nie. haben Bürger und Bauer und Arbeiter so einmütig! Schulter an Schulter zur Abwehr bereit gestanden für! Vaterland, Heimatscholle und Heimatherd wie heute: wer: dieses heilige Feuer mißbraucht, um Parteisuppen daran zu kochkn, wird zum Schädling am Volke. Lassen wich den Arbeitern ihre Organisation, ihre Klassenkampfziele;! sie haben ein Recht aus ihre Ideale wie die andern, denN' sie sieben als Vortrupp nnd unerschütterliche Phalanx im.

Deutschen Freiheitskampfe. Wir werben einander nocy bitter nötig haben.

Neues vom Tage.

England nnd die Ruhraktto«.

London, 16. Febr. Lord Curzon sagte im Ober­haus: Wenn man im deutsch-französischen Streit jetzt eine Vermittlung anböte, würde Deutschland sagen, es könne ihr nur zustimmen, wenn die Besetzung des Ruhrgebiets aufgehoben würde. Unter einer derartigen Bedingung würde aber wieder Frankreich keiner Ver­mittlung zustimmen. Ter Versuch, der vor zwei Wochen in Paris unternommen wurde, um ein Eingreifen des Völkerbunds zu ermöglichen, sei mißglückt, da nach der Satzung des Völkerbunds eine solche Frage nur durch die betreffende Regierung bei dem Völker­bund anhängig gemacht werden könne. Es brauche nichr betont zu werden, daß die britische Regierung für ein Eingreifen des Völkerbunds sei. Wenn dieser Bund vollkommen wäre, so würde nichts besser sein als ein Eingreifen des Bundes. Lord Greh habe auf die Not­wendigkeit des Eintritts Deutschlands in den Völler­bund hingewiesen. Es befinde sich aber noch eine an­dere große Nation außerhalb des Bundes, deren Mit­arbeit von großer Bedeutung wäre. Wie sehr sich auch die öffentliche Meinung in Amerika gegen ein Eingreifen in die europäischen Angelegenheiten sträube, so wüürden doch die amerikanischen Interessen immer mehr davon berührt. England habe von "Zeit zu Zeit Anzeichen wahrgenommen, die daran (Hinweisen, daß Amerika einen anderen Standpunkt 'ein­nehmen werde. Er selbst sei nach wie vor der An­sich, daß das Eingreifen Amerikas große Be­deutung haben werde. Man brauche nicht zu den­ken, daß er (Curzon) gegen ein internationales Vor­gehen zur Lösung der Wiederherstellungsfrage sei, im Gegenteil meine er, daß diese Frage früher oder später international entschieden werden müsse. Lord Greh verurteilte die Ruhrpolitik, die seiner Ueberzeugung nach zu einer Katastrophe führen mutz. Er sehe keine andere Lösung als einen Richter- spruch des Völkerbundes.

Tie Türkei und die Alliierten.

Paris, 15. Febr. Aus Konstantinopel wird gemeldet, daß der Kommandant von Smyrna die alli- Werten Schifsskommandanten davon verständigt Hab«, 'daß ihre Schisse im Falle des weiteren Verbleiben« im Hafen von Smyrna blockiert würden. j

Koustautiuopek, 15. Febr. In der Note, die die alliierten Oberkommissare der Regierung von Angora in der Frage der Räumung des Hafens von Smyrna überreicht haben, weigern sich die alliierten Regie» rungen den türkischen Forderungen nach- zukommen. Sie sind jedoch bereit, wenn die Tür­ken von der Durchführung des Ultimatums absehen, als Zeichen ihres Entgegenkommens statt der 22 Kriegs­schiffe, die jetzt vor Smyrna liegen, nur noch 10 dort' zu belassen. Die alliierten Vertreter in Konstantinopel verhandeln weiter mit der Regierung von Angora, um eine Verständigung zu finden.

Die Lage im Ruhrgebiet.

Esse«, 16. Febr. Ter Verkehr auf dem Rhein- Herne-Kanal ist von den deutschen Arbeitern für die Franzosen dadurch unmöglich gemacht worden, daß sie Deutschen einen Kahn im Kanal versenkt haben.

Bochum, 15. Febr. Wegen des Zwischenfalls am 8. Februar, wo ein französischer Soldat verletzt wor­den ist, ist der Stadt Bochum eine Buße von 200 000 Mk. aukerleat worden.

Buer, 15. Febr. In Wejteryolt ist eine Frau vor» französischen Soldaten überfallen und vergewal­tigt worden.

Aacheu, 15. Febr. Ter verantwortliche Redakteur oer sozialdemokratischenFreien Presse", Ernst Kä­scher, wurde verhaftet, gefesselt abgeführt und sodann unverzüglich ausgewresen. Seine Fa­milie wurde ebenfalls ausgewiesen mit einer Frist von drei Tagen.

, Verstärkung der Güterblockade.

Essen, 15. Febr. Die französisch-belgische Besatzung hat in den letzten Tagen Maßnahmen getroffen, um die Güterblockade in verstärktem Umfang durchzuführen. Trotzdem ist ein genau geregeltes System noch nicht zur Anwendung gelangt. Tie einschränkenden Maßnahmen werden bis jetzt noch aus den verschiedenen Kontroll­stationen verschiedentlich dnrcbgeführt.