ArttLsblatt für dsn B^rrk Nagolö und für AKsuHeig-LtadL. Allgemeiner Anzeiger für die Bezirks Nagold, Calw und Freudenstadt
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Sonrrtagsgedankeu.
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wenn eins das andere liebt und ,., er nicht befiehlt, sie nicht gebeut, und beide so behutsam sein,MM als wolltens erst einander ft eist:.
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Zur Lage.
Noch selten hat das deutsche Volk mit angespanntester Aufmerksamkeit und Teilnahme den Vorgängen in der Reichshauptstadt so sein Ohr und Herz geliehen, wie in dieser Woche, wo man Entscheidungen über das Schicksal Deutschlands, hervorgehend aus den Verhandlungen zwischen Reichsregierung und Reparationskommission, erwartete. Nun legt sich zum Wochenschluß neue Enttäuschung und Mutlosigkeit auf die Volksseele, denn die Reparationskommission ist nach Paris zurückgereist und wird von der Seine aus auf die deutschen Vorschläge für die Stabilisierung der Mark antworten. Wieder scheint es, daß alle Konferenzen, Beratungen, Schriftstücke usw. umsonst gewesen sind. Und doch handelte es sich noch nicht einmal um die deutsche Krankheit, die Reparationslast, sondern nur um eine Wirkung dieser, um die kranke entwertete Mark. So erscheint der Weg von der Stabilisierung der Mark bis zur Befreiung von den unerträglichen Lasten des Versailler Vertrages ein noch recht weiter und mühseliger zu sein. Die Frage ist nur, ob der Patient, der kranke deutsche Wirtschaftskörper, es. so lange aushält, bis auf neuen Konferenzen ohne Zahl und durch neue Krisen endlich die wirtschaftliche Vernunft über die Politik siegt.
Man wollte in Berlin Wege finden, um die Zahlungsfähigkeit Deutschlands zu heben, damit es seinen Verrichtungen aus dem Versailler Frieden Nachkommen »kann. Bekanntlich hat man infolge des Sinken des Markwertes in der ganzen Welt, Deutschland für die 'letzten fünf Monate des laufenden Jahres bereits einen »'Zahlungsaufschub für die Reparationen gewähren müssen. Die Bank von England hat schon vor einem Jahr lund die internationale Bankierkonferenz in Paris unter »dem Vorsitz des Amerikaners Morgan im Juni d. I. >die Zahlungsunfähigkeit und die mangelnde Kreditfähigkeit Deutschlands festgestellt. Nun hat sich die Repara- ckionskommission in Berlin eingehend unterrichtet. Da man aber dem Schuldner Deutschland bei den Alliierten nie ganz vertraut, trotz allen Ersüllungswillens, hat die Reichsregierung Finanzsachverständige des Auslandes zur Untersuchung der deutschen Finanzen und für Vorschläge zu einer Markbesserung berufen. Diese haben drei Gutachten abgegeben, die eine höchst bedeutsame Kundgebung und das einzig erfreuliche Ergebnis der Berliner Beratungen darstellen. Die ersten Vorschläge der deutschen Regierung, die eine Stützung der Mark durch ein internationales Syndikat unter Mitwirkung der Reichsbank forderten und entsprechende Maßnahmen im Innern vorsahen, wurden von der Reparationskommission als zu unbestimmt b e- zeichnet. Der nunmehr erweiterte zweite deutsche Vorschlag stützt sich auf die Gutachten der ausländischen Sachverständigen. In dem Gutachten der englisch-amerikanisch-schwedischen Sachverständigen wird eineWährungs- stelle gefordert, die Schaffung einer Devisenreserve, die Befreiung des Devisenhandels von Bevormundung und die Bildung eines internationalen Konsortiums zur Leistung von Vorschüssen in Ergänzung der Leistungen der Reichsbank. So könne bei einem Dollarkurs von 3500 die deutsche Zahlungsbilanz ins Gleichgewicht gebracht werden. In dem zweiten mehr finanztechnischen Gutachten der holländischen und schweizerischen Sachverständigen, dem sich der Engländer Brand mit eigenen Auslassungen angeschlossen hat, wird die Stützung der Mark durch hochvalutarische Länder mit mindestens 500 Millionen Goldmark näher dargelegt. Daneben enthalten die Gutachten, namentlich das erstgenannte, eine Reihe von Ausführungen von grundsätzlicher Bedeutung, die in dre große Politik Hinüberzielen. Denn die ganze Stützungsaktion der Mark wird von Vorbedingungen abhängig gemacht: der Ausgleich der deutschen Zahlungsbilanz werde nur möglich sein, wenn Deutschland von den Zahlungen aus dem Versailler Vertrag durch ein mindestens zweijähriges Moratorium und von der Kobleneinfuhr, die durcb die Lieferung, der
Atterrftetz. Samstag de» ir. November.
Jahrgang 1SLL
Reparationskohle nötig ist, befreit werde. Eine cndgük- - tige Regelung der Reparationsverpflichtungen sei unerläßliche Voraussetzung der Gesundung. Das alles ist an ,die Adresse der Entente gerichtet, wozu noch kommt, daß ^gefordert wird, Deutschland im auswärtigen Handel die» »Gleichberechtigung und das Recht zu geben, Zölle von cher Luxuseinfuhr zu erheben und die Meistbegünstigung Mr die Ausfuhr zu erlangen. An Deutschland ist in demj
Gutachten der Apell zu eigener Anstrengung und zu aufbauender Politik gerichtet. Der Marksturz wird „vorwiegend auf einen Zusammenbruch des Vertrauens" zurückgeführt.
Soweit die Vorschläge in Berlin. Sachverständige und Reparationskommission sind abgereist, letztere, um in Paris zu tagen und zu entscheiden. Die Stabilisierung hängt damit wieder in den Angeln der Reparationspolitik eines Poincare, der erst am Donnerstag im Senat sein Programm gegen Deutschland entwickelte, das immer noch trotz aller wirtschaftlichen Vernunft dahin lautet: Deutschland muß bezahlen. Für die Brüsseler Konferenz, deren Beginn übrigens infolge der gespannten Weltlage, der Orientkonferenz usw. noch in weiter Ferne steht, kündete er bereits an, daß man dort feststellen werde, daß Deutschlands Kohlen- und Holzlieferungen unregelmäßig seien. Das Vertrauensvotum des französischen Senats für eine wirkungsvolle Politik der Sicherheit Frankreichs und die Gewährleistung der Entschädigungszahlungen wiegt mehr als die Berliner Verhandlungen. Das ist bitter, aber wahr. Der frühere französische Wiederausbauminister Loucheur hat zwar große Pläne für den Wiederaufbau Europas entwickelt, es aber dennoch auf das Rheinland abgesehen. Auch die Programmrede des englischen Außenministers Lord Curzon gibt wenig Hoffnungen. Er führte in einer Wahlrede u. a. aus: „Frankreich ist geneigt zu glauben, daß wir Deutschland gegenüber eine unzulässige Nachgiebigkeit zeigen; das ist keine gerechte Beschuldigung. Unsere Sympathien würden natürlich eher mit dem Lande sein, an dessen Seite wir gekämpft haben, als mit dem Lande auf der anderen Seite hes Stacheldrahtes. Wir waren immer von dem Gefühl durchdrungen, daß die wirtschaftliche W iederaufr ich- tung Deutschlands für Europa von wesentlicher Bedeutung ist, und es sollte Deutschland die Möglichkeit gegeben werden, lein Gleichgewicht und seine Selbstachtung wieder zu gewinnen. Ich möchte Deutschland nicht auf Kosten des Alliierten begünstigen und möchte versuchen, zwischen den beiden fair zu sein. Ich hoffe noch, daß wir mit friedlichen Mitteln zu einer Lösung kommen, und ich glaube, daß jeder Versuch, die Frage mit Gewalt oder durch willkürliche Maßnahmen zu erledigen, fehlschlagen würde. Bonar Law hat Frankreich die Freundeshand hingestreckt, und ich hoffe, daß Frankreich sie ergreifen wird."
Zunächst wird also, trotz aller günstigen Perspektiven, die die Gutachten der Sachverständigen eröffnen, keine Erleichterung, sondern eher eine Verschlechterung unserer wirtschaftlichen Verhältnisse eintreten.
Dazu kommt, daß die neue Woche die innerpolitischen Auseinandersetzungen im Reichstag, der am nächsten Montag Zusammentritt, wiederbringen wird in einer Aussprache über die Reparations- Verhandlungen und die brennenden Finanz- i. d Wirtschaftsfragen. Die Regierungs Neubildung, d. h die Erweiterung der Regierungskoakitiou, läßt sich nicht mehr hinausschrcben. Die vorbereitenden Besprechungen sind bereits im Fluß. Bayern erhielt in dem früheren königl. Kultminister Dr. von Knilling einen neuen Ministerpräsidenten, dessen Programm sympathisch berührt. Er will föderalistische Politik machen, ein starkes Bayern in einem einigen Deutschland erstreben. Die Scha-uer- gerüchte der Linkspresse über bayerische Putschpläpe der Münchener Nationalsozialen, die sich übrigens auch in Württemberg bemerkbar machen und vielfach als eine Art deutscher „Faszismus" dargestellt werden, sind- ebenso unrichtig wie die Nachrichten der sozialistischen Presse über das 800 Millionenbrautgeschenk des früheren Kaisers an seine nun in Doorn angctraute neue Gattin, die bereits von zuständiger Seite widerlegt sind. Nur eines ist festzustellen, daß in den Nationalsozialen eine neue Politische Partei heranwächst, die ebenso wie andere Parteien ihre Ideale und Ziele mit Kraft vertritt, die allerdings bei ihrer Erreichung dem gegenwärtigen Staare gefährlich werden können. Nur deshalb verdient die neue
Bewegung größte Aufmerksamkeit. Im „roten" S a ch s e u ist bei den Landtagswahlen die sie Mehrheit aus Vereinigten Sozialisten und Komm nisten verstärkt wieder gewählt worden. Ob sich die feindlichen Brüder auf die Dauer vertragen oder ob einck Regierungsbildung mit Hilfe der Demokraten möglich wird, muß sich bei dem Zusammentritt des neuen Landtags zeigen, j Auch sonst in der Welt hat man gewählt. In den V e r- Aeinigten Staaten scheint der Wahlsieg der Demokraten in Frage gestellt zu sein. Für das Repräsentantenhaus sind 228 Republikaner und 204 Demokraten, für den Senat 53 R. und 43 D. gewählt. Die Demokrat» -Wollen als ersten Antrag die Aufhebung des vielumstrit- tenen Alkoholverbots einbringen. Auch in Polen wurden Wahlen zunr polnischen Reichstag (Sejm) vorgenommen, wobei der Minderheitsblock Erfolge hatte, wa- aber an der deutschfeindlichen Politik Polens nichts ändern wird. In Italien find die Faszisten Herr? der Lage und die neue Regierung an der Arbeit. Die Orienkonferenz in Lausanne wurde auf Ende November verschoben. Ein neuer Orientkonflikt drohte durch das Verhalten der Angoratürken in KonstantinopelZ -vo sie das alte türkische Regiment absetzten und unter Rifat Pascha eine Diktatur errichteten, die soweit ginA daß sie die Alliierten hinausjagen und die Durchfahrt von fremden Kriegsschiffen mir mit ihrer Erlaubnis gestatten wollten. Auf die Vorstellungen der Entente haben sie jedoch ihre Forderungen zurückgestellt. Im übrigen ist die Lage im „nahen Osten" noch sehr unge-j l.ärt, wie die Politik Frankreichs und Englands in den Orientfrageir. Dßc Orientkrise ist noch in der Schwebe. Erst die en-llischen Wahlen, die in kommender Woche stattfinden, tu rügen Klarheit in die große Welt- pvlitik, nicht zusttztl.auch über die Reparationsfrage,! bis man daun,in Brüssel sich auf Kosten Deutschlands „verständigt".
Neues vom Tage.
^ Aendernng des Einkommensteuergesetzes.
Berlin, 10. Nov. Ter Reichsrat hat die von der Regierung eingebrachte Novelle zum Einkommensteuergesetz gegen die Stimme Thüringens angenommen. Tis »Vorlage enthält u. a. folgende Abänderungen des geltenden Gesetzes für 1923: Tie Grenze des steuerbaren Einkommens, für die nur 10 Prozent zu erheben sind, wird auf das Vierfache erhöht. Tie allgemeine Einkommensteuer ermäßigt sich um je 2400 Mk. für den Steuerpflichtigen und dessen Ehefrau, wenn das steuerbare Einkommen nicht mehr als 400 000 Mk. beträgt und um 4800 Mk. für minderjährige Kinder. Außerdem sind besondere Ermäßigungen für Steuerpflichtige über 60 Jahre vorgesehen, deren Einkommen 200 000 Mk. nicht übersteigt. Für 1 922 wurde in der Regierungsvorlage lediglich der allgemeine Steuertarif etwas ermäßigt. Ter Betrag, bis zu dem die Steuer nur 10 Prozent beträgt, wurde von 100 000 Mk. auf 250 000 Mk. erhöht. Tie Abzüge von der allgemeinen Einkommensteuer für 1922 sollen betragen w 340 Mk. monatlich für den Ehemann und dessen Ehefrau und je 610 Mk. für jedes Kind.
Explosion eines Benzindampfers.
Lnxhafen, 10. Nov. An Bord des Hamburger Dampfers „Leopold David", der von Rotterdam mit einer Benzinladung ankam, erfolgte eine Kesselexplosion, die so schweren Schaden anrichtete, daß das Schiff innerhalb einer halben Stunde sank. Von der 17 Mann starken Besatzung sind 11 Mann gerettet worden. Tie Explosion war so stark, daß von dem Vorderschiff sämtliche Platten weggerissen wurden, so daß es nur noch aus einer Reihe von Spanten bestand. Das ganze Hinterschiff stand alsbald nach der Explosion in Flammen. Tie Rettungsarbeiten, an denen sich mehrere Dampfer beteiligten, wurden durch die auf dem Wasser schwimmenden brennenden Benzinmassen sehr erschwert.
Französische Hetze gegen Teutschlantz.
Paris, 10. Nov. In der Senats-Sitzung erklärte Poincare am Schluß: Frankreich hat für Rechnung Deutschlands 90 Milliarden an die Reparationskom>- mission an Reparationen und Pensionen vorgestreckt. Es kann nicht in der gefährlichen Lage blsiben, in die eS durch das Ausbleiben der deutschen Zahlungen versetzt worden ist. Frankreich ist weder imperialistisch noch militaristisch. Es ist sogar die am wenigsten imperialistische Nation. Es hat nicht den Wunsch, Deutschland zu vernichten. Es verlangt nach Gerechtigkeit und es hat da- Vertrauen, daß es diese durch die Lovalität und Treue seiner Verbündeten erreichen wird.
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