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Amtsblatt für den Bezirk Nagold und für Altensteig-Stadt. Allgemeiner Anzeiger für die Bezirke Nagold, Lalw und Freudenstadt

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Jahrgang ivr»

Der 9. November.

* In der Geschichte des deutschen Volkes wird der 9. November als der Jahrestag der deutschen Revolution für alle Zeiten ein doppeltes Gesicht zeigen: auf der einen Seite die vom rosigen Hauch ersehnte und errungene Freiheit im Sinne der Arbeiterklasse, auf der andern das düstere Antlitz des furchtbaren Schicksals, des Zu ammcn- bruchs des deutschen Volkes und des monarchischen Staates.

Jetzt, nach vier Jahren, Haber: wir den zeitlicher: Ab­stand gefunden, um die Vorgänge des 9. November 1918 zu überprüfen. Die Ereignisse lasten wie ein schwerer Alpdruck aus unserem Volk und all der Niederbruch des­sen, was als unerschütterlich galt, wie ein furchtbares Erleben. Sv kommt es, daß der 4. Jahrestag der deut­schen Revolution in der Seele des Volkes gemischte Ge­fühle auslöst, selbst bei denen, die damals ar: der Ent­wicklung beteiligt waren oder wenigstens ihre heimliche Freude hatten: Ungeheure Enttäuschung, fanatischer s Grimm und stille Resignation, das sind die drei Haupt­äußerungen, die sich seststellen lassen neben jenem poli­tischen Fanatismus derer, die die Revolution heute noch preisen.

Die deutsche Revolution war keine Bewegung, die aus dem deutschen Volk mit elementarer Wucht herauswuchs.

' Arbeiter und Bürger wurden zum größten Teil von ihr überrascht. Das kam daher, daß die Seele des Volkes an dm Fronten weilte. Die lange Dauer des Krieges, die furchtbaren Entbehrungen des Volkes, die unglückliche zerrissene innerdeutsche Politik, die versagende Kunst der deutschen Diplomatie hatten den Boden zubereitet, auf dem radikale Elemente den Umsturz in Szene setzen konn­ten. Wer die Ereignisse in der Nähe miterlebt hat, der weiß, daß die Sozialdemokratie zunächst nicht willens war,! eine Revolution zu machen, Wohl aber eine Umgestaltung^ des Systems im Sinne politischer Freiheiten herbei- > zuführen. Und erst in entscheidender Stunde nahm sie unter schweren Kämpfen die Revolutionsfahne den Radi­kalen ab, riß die Führung an sich, um eine Entwicklung nach russischem Muster zu verhindern. Die radikalen Umstürzler aber erstrebten die Uebertragung des Bolsche­wismus aus Deutschland. Daß das verhindert wurde, bleibt ein Verdienst der Sozialdemokraten, die vom No­vember 1918 bis ins Frühjahr 1919 in diesem Kampf um das Niederreißen ihren Mann stellten. Dabei mutz aber auch gesagt werden, daß ihre Oppvsitionsstelluirg namentlich die des linken Flügels zur damaligen kaiser­lichen Regierung, mit die Atmosphäre des Umsturzes schuf.

Nach der Revolution hißte man das Banner der Demokratie im Sinne der Volksherrschaft, zunächst jener , Demokratie, die der größte Heuchler der Geschichte, Wil- j son, dem deutschen Volke vorgegaukelt hatte, um es zu 1 zermürben und dem Entsagungsfrieden geneigt zu machen,

! aus dem dann die Vernichtung von Versailles und der deutsche Niedergang, den wir heute erleben, herauswuchs. Von jener Scheindemokratie mit internationalem Einschlag und den SchlagwörternVöllerversöhnung" undSelbst­bestimmungsrecht" und anderen ist das deutsche Volk durchl furchtbare Erfahrungen und Erlebnisse schwerster Art geheilt worden wenigstens der größere Teil. Das deutsche Voll, das in seinem Kern konservativen und demo­kratischen Tendenzen zugleich huldigt, war bis zum Um­sturz im höchsten Sinne unpolitisch. Erst die seither ver­gangenen Jahre haben die politische Seele wachgerüttelt. Aber noch zeigt sie alle jene Kinderkrankheiten politischer Unreife und Unselbständigkeit.

Damals im November 1918 wäre nach den Oktober- Vorgängen im Reichstag und bei der Reichsregeirung eine demokratische Umgestaltung gesichert, eine zeitge­mäße fortschrittliche Entwicklung verbürgt gewesen. Die Revolution hat politisch diesen Faden ruhiger Entwicklung abgerissen. Bisher haben wir ihn nicht wiedergefunden. Wohl ist das Ziel enier nationalen Demokratie von fast allen bürgerlichen Parteien restlos anerkannt. Aber die Kämpfe drehen sich nunmehr im tiefsten Grund um die Frage: Sozialismus oder Demokratie. Was wir in den letzten Jahren erlebten, ist ein Schwanken zwischen beiden Pro­blemen, weil Männer dieser politischen Ideale die Füh­rung haben, aber keine Richtung zu tonangebender Bedeu­tung gelangen kann. So kann man sagen: Die poli­tische Revolution in Deutschland ist noch nicht abgeschlossen. Sie wird durch den Wahnsinn des Versailler Friedens, durch "ie Poincaresche Macht- und Hvßpolitik weit er getrieben.

Von a.. .au, was die Revolution von 1918 und '.hre. Führer versprachen, ist bitter wenig in Erfüllung ge­gangen. Freilich liege:: die Gründe dafür auf außen-^ politischem Gebiet. Wir habenweder Friede noch Brot, noch Freiheit". Und das, was ein süddeutscher Staats­präsident der Revolution verhieß,eine Zeit ungeahnten, Wohlstands und Fortschritts auf aller: Gebieten" erst recht! nicht. Trümmerhaufen des Glücks und des Fortschritts im Voll schuf die Revolution in ihrer letzten Auswirkung, ohne daß sie es wollte, well sie ohne Rücksicht auf die außenpolitischen Kriegsverhältnisse, um eines politischen Phantoms willen die deutsche Machtstellung zerbrach. Wer unsere nationalen Verluste an Voll, Land und deutschem Mut mit in Rechnung für die Revolution stellt, der wird das Urteil jenes bayerischen Kardinals auf dem Münchener Katholikentag in diesem Sommer verstehen, der die Re­lation vom 9. November 1918 als das größte Verbrechen am deutschen Voll kennzeichnete. Heute unter Not und Entbehrungen, die in diesem Ausmaß ohne Revolution wohl nicht über uns gekommen wären, erscheint uns dieses Urteil gerecht. Ob aber zu anderen Zeiten nicht auch wieder milder gerichtet werden wird, muß dahin gestellt bleiben. Die Geschichte ist das Weltgericht. Auf jeden Fall ist der 9. November 1918 ein schwarzer Tag in der deutschen Geschichte, und ihn zu feiern, sollte dem überlassen bleiben, der in politischem Fanatismus und Idealismus die ursächlichen Zusammenhänge zwischen der Bollsnot der Gegenwart und dem Umsturz von 1918 übersieht.

Der deutsche Zusammenbruch

Drei Gutachten.

Ter vierte Untersuchungsausschuß des parlamentarischen Unterausschusses, der die Gründe des deutschen Zusammenbruchs im Jahre 1918 klarlegen soll, übergibt der Öffentlichkeit als erstes Material drei Gutachten seiner Sachverständigen, die in sich abgeschlossene Arbeiten darstellen. Weitere Teile sollen folgen. -Ter Ausschuß selbst hat zu den Gutachten noch keine Stellung genommen, das soll erst nach Abschluß des gesamten für seine Unter­suchungen in Betracht kommenden Materials geschehen

Oberst a. D. Schwertfeger behandelt die Frag« der Polirschen und militärischen Verant­wortlichkeit, und zwar zunächst bis zum Beginn der Offensive des Jahres 1918. Er untersucht dabei in erster Linie das Verhältnis zwischen Kaiser, Reichs­leitung und Oberster Heeresleitung von dem Moment, wo der Oberbefehl durch Hindenburg und Ludendorfs übernommen worden war. Besonders ausführlich ver­weilt Schwertfeger bei der Kontroverse Ludendorff- Wahuschaffe. Er schildert dann die Versuche, die vor dem Sturz von Bethmann-Hollweg unternommen wor­den sind, um die Reichsleitung und die Oberste Heeres­leitung in Einklang zu bringen. Den Höhepunkt bilden dabei die Verhandlungen von Vrest-Litowsk, wo, nach­dem die Entscheidung des Kaisers angerufen worden war, die Reichsleitung einen Sieg über die Oberste Heeresleitung davontrug, einen Papier-Sieg, wie Schwertfeger darlegt; denn tatsächlich blieb das Ueber- gewicht der Obersten Heeresleitung bestehen, wie es .die bald darauf folgende Entlassung Valentinis zeigte. Nach einer Würdigung der zur Schuldfrage vorliegen­den Literatur bejaht Schwertfeger die Notwendigkeit der militärischen Offensive vom Frühjahr 1918. Er kommt zu dem Schluß, daß eine vertretbare Schuld bei keiner der damals Verantwort­lichen Persönlichkeiten vorliegt. Es sei das Schicksal des deutschen Volles gewesen, daß ihm in diesem Ringen nicht Männer vom Formate Bismarcks zur Verfügung standen.

Professor Hans Delbrück, dessen in zwei Teilen erstattetes Gutachten ursprünglich als Korreferat gegen­über den beiden Sachverständigen gedacht war, ist, wie er in seinem Vorwort ' selbst mitteilt, mehrfach über diesen Rahmen hinausgegangen und hat seiner Arbeit die Form von selbständigen Referaten gegeben. Er saßt sich gegenüber Schwertfegers Ausführungen kurz. Delbrück unterscheidet bei der Verantwortlichen militärischen Führung scharf zwischen Hindenburg und Ludendorff, wobei man, wenn man von einer höchsten Verantwortlichkeit sprechen wollte, sich nur an Luden­dorff halten könne. Er macht sich die sachlichen Fest­stellungen Schwertfegers im wesentlichen zu eigen, kommt aber zu dem Ergebnis, daß Ludendorfs die große Offensive begonnen habe, ohne selbst felsen­fest an den endgültigen Sieg mit den Waffen geglaubt zu haben.

General a. D. v. Kühl spricht sich über die mi­litärischen Grundlagen der deutschen Offensiv« aus. Bei einem Vergleich der Stärkeverhältnisse kommt er zu dem Schluß, daß die deutschen Truppen mit 192 Divisionen im März und mit 204 Divisionen im Mai gegen 178 bzw. 188 Divisionen der Gegner nicht unerheblich im Vorsprung gewesen seien, wobei aller­dings die Gefechtsstärke diese Ueberlegenheit nicht auf­wies. Heranziehung deutscher Truppen von anderen Kriegsschauplätzen sei kaum möglich gewesen, höchstens hätte man die Tivi ionen aus der Ukraine, die später, :m September und Oktober, für den Westen freigemacht wurden, schon im. Frühjahr einsetzen können. Tie da­malige Stärke der deutschen Abteilungen in Finnland, in der Türkei, in Mazedonien und im Kaukasus werde überschätzt! Wohl aber hätte sich eine stärkere Ver­wendung österreichischer und bulgarischer Truppen er­möglichen lassen müssen. Daß das nicht geschah, ist nach Kühl hauptsächlich auf den Widerstand der Kaiserin Zita zuräckzuführen, vielleicht auch auf eine nicht ganz gerechtfertigte Unterschätzung der öster­reichisch-ungarischen Soldaten durch die deutsche Hee­resleitung. Ueberschätzt habe man die Stärke der Ame­rikaner im Frühjahr 1918. Dagegen hätte man zu dieser Zeit nicht an die Möglichkeit eines so schnellen Eingreifens der Amerikaner glauben können, wie es dann tatsächlich erfolgte. Getäuscht habe man sich auch über den Schiffsraum der Entente für amerikanische Truppentransporte und über die Wirkung unserer U-Boote. Aus all diesen Jrrtümern will Schwertfeger der Obersten Heeresleitung einen Vorwurf nicht ma­chen, da das Urteil, ob der Entschluß der Offensive gerechtfertigt war, durch sie nicht berührt werde. Auch die Frage, ob die Oberste Heeresleitung die Offensive einstellen sollte, verneint der.General. Ein Angriff sei meist nicht verlorener als eine Verteidigung; anderer­seits aber hätte die Lage der deutschen Armee bei Einnahme einer reinen Verteidigungsstellung sich nur verschlechtern können. Außerdem drängte der man­gelnde Ersatz dazu, den Angriff zu wagLn als einzige Möglichkeit zur Abkürzung des Krieges.

In seiner Erwiderung auf das Gutachten v. Kühl erinnert Professor Delbrück an die Ludendorff'schen Kriegsziele. Ter Plan, Belgien für ein Schutz- und Trutzbündnis politisch und wirtschaftlich reif zu ma­chen, habe zu einem Vernichtungsfeldzug geführt. Aber dem Ziele, auf das die Operationen Ludendorffs im Jahre 1918 angelegt waren, konnten die vorhandenen Mittel nicht entsprechen. Eine völlige Unterwerfung der französischen und englischen Widerstandskraft, wenn man sie nun einmal anstrebte, erforderte einen un­mittelbaren Angriff auf Amiens. Ludendorff aber habe, um einen taktischen Erfolg zu erzielen, den An­griff an einer anderen Stelle angesetzt, nur weil die Front des Feindes dort schwach war. Er habe dabei die Schwierigkeiten des Verpflegungs- und Munition Nachschubs unterschätzt, dagegen den ungeheuren Vor­teil unausgenützt gelassen, den die Teilung des feind­lichen Oberkommandos bot. Ter gemeinsame Ober­kriegsrat wurde durch die verschieden gerichteten Ziele der beiden Oberkommandierenden geradezu sabotiert: der eine strebte den Schutz der Kanalküste, der andere den Schutz von Paris an. Mit General v. Kühl ist Delbrück darin einig, daß die deutsche Armee im Jahre 1918 angreifen mußte. Aber es hätte nur ein Angriff mit beschränkten Zielen sein dürfen. Ten Gegnern mußten möglichst schwere Verluste beigebracht werden; aber nach jedem deutschen Erfolg war es nötig, gemäßigte deutsche Bedingungen anzubieten, so daß die Völler schließlich den Friedensschluß einer! Fortsetzung des Blutvergießens vorgezogen hätten.

Oberst Schwertfeger und General v. Kühl habst sich ausdrücklich Vorbehalten, in den weiteren Teilen ihrer Arbeit, deren Veröffentlichung erst später zu er­warten ist, Stellung zu den Darlegungen Prof. Del­brücks zu nehmen.

Neues vom Tage.

Für unsere Kolonien.

'Hamburg, 7. Nov. Anläßlich der Aufstellung des Wißmann-Tenkmals, das früher in Daresalam war, fand am Jahrestag der Schlacht bei Tanga (4. Nov.) in der Universität eine Feier statt, an der u. a. die Familie Wißmann, Staatssekretär Tr. Müller, die Ver­treter des Senats, der Bürgerschaft, der Behörden, die früberen Gouverneure: Herzog Adolf Friedrich von Mecklenburg, Frhr. Recbenbera. Tr. Seitz, frühere Witz- mann-Olllli-'re und andereOllafrikaner" teilnahmen. Staatssekretär Müller betonte in einer Ansprache: Das Wiederaufbannnnikterium und . der Tenkmalsausschutz beabsichtigten, durch Aufstellung des Denkmals dem im deutschen Volke fortlebenden Kolnnialaedan«