Amtsblatt für den Bezirk Nagold und für Altensteig-Stadt. Allgemeiner Anzeiger für die Bezirke Nagold, Lalw und Freuden stadt

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Altenyeig, Freitag den 13. Oktober

Jahrgang LS»»

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Die Neichspräsidentenwahl.

* Am 3. Tezember soll der Reichspräsident- durch das deutsche Volk gewählt werden, nachdem der bisherige , Reichspräsident Ebert es dringend wünscht, aus dem Zu- - stand des Provisoriums er ist in Weimar seinerzeit : von der Nationalversammlung berufen worden, bis zur j Verabschiedung eines entsprechenden Wahlgesetzes her- - auszukommcn. Tiefes Gesetz erschien im Jahr 1921, aber ! die innerpolitischen Ereignisse, Kapp-Putsch und die Ent- j scheidung über Oberschlesien, verzögerten die Angelegen- ! heit. Reichskanzler Tr. Wirth machte bei seinem Stutt­garter Besuch mit Rathenau in diesem Frühjahr die erste ? Ankündigung, daß. die Wahl des Reichspräsidenten noch i Heuer zu erfolgen habe, und der Reichstag wird sich nächste ! Woche mit einem entsprechenden Gesetzentwurf zu befassen j haben. !

Nach der Reichsverfassung vertritt der Reichspräsident ! das Reich völkerrechtlich, er ernennt und entläßt die Reichs- ! beamten und die Offiziere, hat den Oberbefehl über die gesamte Wehrmacht des Reichs. Er kann, wenn im Teut- ! scheu Reiche die öffentliche Sicherheit und Ordnung erheb- lich gestört oder gefährdet wird, die zur Wicderherstel- s lung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nötigen z Maßnahmen treffen, erforderlichen Falles mit Hilfe der ? bewaffneten Macht einschreiten, übt für das Reich das ! Begnadigungsrecht aus, soweit dies nicht der Zuständig- s keit der Länder überlassen ist, wie in Süddeutschland. ^ Reichskanzler und die Reichsminister werden vom Reichs-- ^ Präsidenten ernannt und entlassen. Er kann den Reichs­tag auflösen und hat die verfassungsmäßig zustande ge­kommenen Gesetze auszusertigen und im Reichsgesetzblatt zu verkünden.

lieber den jetzigen Zeitpunkt der Wahl kann man an­gesichts der starken innerpolitischen Spannungen, der wirtschaftlichen Krise und der finanziellen Notstände ver­schiedener Meinung sein. Dazu kommen noch außerpoli­tische Erwägunegn. Wir brauchen ein geschlossenes Auf­treten aller Deutschen, eine Wahl bedeutet Parteigezänk und Spaltung der Volksgenossen. Tie maßgebendsten Männer der in kapitalistischer Wirtschaftsform lebenden Nationen sehen in Ebert noch denSozialisten", den Vertreter einer Wirtschaststheorie, die Deutschlands finan­ziellen Zusammenbruch mindestens nicht verhindert hat. Ob sie dem als Parteimann Erwählten und ob sie einem Deutschland unter seiner Präsidentschaft jenes Vertrauen schenken würden, dessen wir zum Wiederaufbau bedür­fen, ist zweifelhaft. Für kreditfähiger würde unseren Frie­denskontrahenten sicherlich ein Deutschland mit einem Prä­sidenten aus dem Bürgertum gelten, denn nur dieses Bürgertum kann die zum Wiederaufbau unentbehrlichen geistigen und wirtschaftlichen Kräfte stellen.

Alle diese Erwägungen sind zu überprüfen, ohne Rück­sicht auf rein politische Ziele und Einstellungen. Gewiß hat Herr Ebert in hohem Maße die Achtung des Bürgertums erreicht. Er ist und bleibt eine Persönlichkeit, die ihren Mann voll gestellt hat. So ist es zu erklären, daß der demokratische Reichsparteitag sich für eine Wieder­wahl Eberts eingesetzt hat. Ueber die Haltung der So­zialdemokratie besteht kein Zweifel, denn Ebert ist ihr be­deutendster Vertreter. Tie übrigen Parteien haben sich noch nicht ausgesprochen. Man hat nun einen über­parteilichen Wahlausschuß im Auge, der die Frage näher prüfen soll, wobei allerdings.das Bestreben vorherrscht, vorweg der Wiederwahl Eberts einen brei­ten Boden zu sichern. Neuerdings verlautet, daß es nicht ausgeschlossen ist, daß. der in Aussicht genommene überparteiliche Wahlausschuß und die. Koalitionsparteien sich dahin einigen werden, Herrn Ebert zu bitten, daß er auf eine Volkswa hl zurzeit verzichtet und im Amte bleibt.

Das wäre eine Lösung, die zu begrüßen wäre, denn der Beschluß des Reichskabinetts für eine Präsidentenwahl M gegenwärtigen Augenblick ist wirklich unzeitgemäß, ob­wohl fast sicher feststeht, daß Ebert die größte Zahl der stimmen auf sich vereinigen könnte. Wozu dann die Wahl? Eine Kleberei am Amt kann man ihm auch bei hinaus sch leben der Wahl nicht zum Vorwurf machen. Das Erfordernis der Stunde ist: nicht Parteikämpfe wir haben ohnedies genug nicht Spaltung und Zersplitte­rung, sondern Schaffung einer nationalen Einheit und eurer Volksgemeinschaft. Darum jetzt keine Reichspräsi-

Eine ungeheuerliche Rechtsbeugung.

Tie Vc .sügung der Interalliierten Rheinlandkommis- siou, wonach die gegen den Hochverräter und Verleumder Smeets verhängten Strafen er war insgesamt zu 8 Monaten Gefängnis verurteilt worden nicht voll­streckt werden dürfen, stellt eine Ungeheuerlichkeit dar, die alle Verfügungen, die bisher von der Interalliierten Rheinlandkommission getroffen worden find, in den Schat­ten stellen dürfen. Tie Kommissionbegründet" ihren un­geheuerlichen Beschluß in einer längeren Note damit, daß die von Smeets begangenen publizistischen Untaten nurTaten von einer winzigen Wichtigkeit" darstellen.

Ten deutschen Gerichtsbehörden wird von der Rhein­landkommission der Vorwurf gemacht, daß sienicht be­seelt seien von der Sorge um eine genaue Gerechtigkeit". Weiter wird behauptet, daß Smeets wegen seiner politi­schen Handlungen Gegenstand der Verfolgungen gewesen sei. In Wirklichkeit ist Smeets auf Grund greifbarer Vergehen nach, einem ordentlichen Gerichtsverfahren verur- urteilt worden. Smeets hat in einem Artikel mit der UeberfchriftTer gerechte Ebert" den Reichspräsidenten als Platzhalter der Hoheuzollern bezeichnet und behauptet, der Reichspräsident habe zur Zeit der Rationierung der Nahrungsmittel in Deutschland ohne Marken sich Nah­rungsmittel beschafft. Wegen der in dem Artikel enthal­tenen Beleidigungen, von denen hier nur zwei Proben ge­geben sind, ist Smeets zu drei Monaten Gefängnis verur­teilt worden. Sein zweites Vergehen besteht in einer Be­leidigung eines Postbeamten, den ergemeiner Bandit und Landesverräter" beschimpfte. Sein drittes Vergehen besteht in einer Beleidigung eines Polizeikommissars aus Leipzig, dem erunerhörte Brutalität"durch nichts zu überbietende Feigheit" undhundsgemeine Handlungs­weise" vorwarf. Man muß sich weite daran erin­nern, daß die Internationale Rhcinlandkc Mission die seinerzeit über Smeets verhängte Verhaftung aus eige­ner Machtvollkommenheit wieder aufgehoben hat.

Tie gegen die deutsche Rechtssprechung von der Inter­alliierten Rheinlandkommission erhobenen Vorwürfe rei­hen sich in würdiger Weise den bisher von jener Seite ausgesprochenen Verdächtigungen und Beschimpfungen an.

5W Millionen Goldkronen für Oesterreich.

Tie WienerReichspost" beantwortet die Frage, was das in Genf gewährte Darlehen von 500 Millionen Goldkronen für Oesterreich bedeute wie folgt:

Mit der Tarlehenssumme, die nach der Genfer Konvention für Oesterreich ohne irgendwelche Abzüge beschafft werden wird, erhält, wenn man die 130 Mil­lionen Goldkronen vorschußweise bereits gewährter und in die jetzige Finanzaktion einbezogener Kredite in Abzug bringt, Oesterreich 7800 Milliarden rund 8 Billionen neues Geld, in jetzigen österrei­chischen Kronen berechnet. Niemals zuvor ist ein Dar­lehen von solcher Größe, das unserem Staate zur Ordnung seiner Wirtschaft einen dementsprechend be­deutenderen Spielraum gewährt, in den österreichi :n Handlungen mit dem Auslande in Erörterung ge­standen. Tie Höhe der Garantiesumme übertriff.- dre kühnsten bisher gehegten Erwartungen.

Tie 7800 Milliarden, die Oesterreich erhalten wrrd, stellen das 35fache sämtlicher Staatseinnahmen eines Monats dar, das heißt, sämtlicher Eingänge aus di­rekten und indirekten Steuern, Zöllen und Ertragnisien der Monopole und Domänen, nach dem im September dieses Jahres erreichten Höchsteingange berechnet. Das in Genf erreichte Darlehen kommt also, wenn man die letzten Monatseinnahmen zugrunde legt, rund einem dreijährigen Erträgnisse der gesamten Staats­einnahmen gleich. "

Wir haben in Oesterreich anderthalb Mrllronen Haus­haltungen. Es entfallen somit auf jeden Haushalt 2.5 Millionen, auf jeden der sechs Millionen österreichischen Staatsbürger 1,3 Millionen österreichische Kronen, dre Oesterreich zur Wiederaufnahme seiner privaten und öffentlichen Wirtschaft empfängt.

Mit den acht Billionen erhält Oesterreich und seine Volkswirtschaft Ruhe. Mit den acht Billionen wrrd die Festlegung des österreichischen Geldwertes erreicht werden. Damit werden alle furchtbaren Folgeerschei­nungen der fortwährenden Geldentwertung, die sprung­hafte Veränderung der Preise, das Zurückbleiben der Einnahmen großer Bevölkerungsschichten hinter der Preiserhöhung, die Unsicherheit der Produktion und des Handels, die Unberechenbarkeit der staatlichen Be­dürfnisse. das Veriaaen der steuervolitiscken Maß­

nahmen beseitigt. Die Bevölkerung wird wieder beruhigt zu sparen anfangen dürfen, denn keine Ge d- entwertung bedroht mehr den Sparpfennig. Ter wichtigste Antrieb allgemeiner Gesundung wird damit auch in die Privatwirtschaft wieder eingeschaltet. Tie Anstrengungen für die Ordnung unseres Geldwesens, in Genf erreichte Summe reicht aus, unsere eigenen unserer Staats- und Volkswirtschaft fruchtbar zu ma­chen und gewährt uns den Austritt zu einem aus­kömmlichen und gesicherten Dasein. Wer findet bei solchen Tatsachen die Verwegenheit, die dargebotenen 8 Billionen anszuschlagen?

Es ist selbstverständlich, daß kein Schuldner in der ökonomischen Lage Oesterreichs eine so große Tar- lehensgewährung erreichen kann, ohne selbst Sicher­heiten zu bieten. Tie von uns verlangten Sicherheiten gehen über Maßnahmen nicht hinaus, die bezwecken, den Sinn der Anleihe, die wirtschaftliche Aufrichtung, die Rettung Oesterreichs, zu erreichen. Sie haben des­halb Wirksamkeit nur für zwei Jahre, einen Zeit­raum, der ausreichen wird, die wirtschaftliche Ord­nung des Landes herzustellen. Ter staatlichen Un­abhängigkeit des Landes wird nicht nahegetreten, im Gegenteile, diese wird besser, so sagt das katholische Partei- und Regierungsorgan, geschützt als sie bisher tatsächlich geschützt war. Tie Bestimmungen über has Kontrollkomitee, das nicht in Oesterreich arbeiten und an die österreichische Regierung nicht einmal direkte Begehren oder Wünsche richten darf, zeigen das deut­liche Bestreben, maßvoll zu bleiben und feine Empfind­lichkeiten zu schonen. Ter Generalkommissär wird weder Bürger einer der europäischen Großmächte, 'noch eines politisch interessierten Nachbarstaates sein; es wird so in der Bestimmung seiner Person alles aus­geschaltet, was als künftige Machtbeherrschung Oester­reichs durch eine fremde politische Gewalt gedeutet werden könnte. So fragt das Blatt nochmals, wer bei solcher Sachlage die Verantwortung auf sich neh­men möchte, die dargebotenen 8 Billionen auszu­schlagen.

Der NaLhenan-Mordprozeß.

Strafanträge uns Plaidohcrs.

Leipzig, 12. Okt. Nach Beendigung der Verneh­mungen hielt Oberreichsanwalt Tr. Ebermaher die Anklagerede. Er führte u. a. aus, es handle sich uml eine vorsätzliche und mit Ueberlegung ausgeführte Tö­tung. Tie Täter seien Kern, Fischer und Te» chow, die in gemeinsamer Absicht als Mittäter ge­handelt hätten. Tie Beweggründe zu diesem Ver­brechen nicht nur gegen den ermordeten Minister, son­dern gegen das ganze deutsche Volk hätten die An­geklagten selbst bezeichnet: Rathenau war ein Schäd­ling und Jude. Letzter Grund sei gewesen, wie Techow gesagt habe, daß ihnen das Geld ausgegangen sei, - womit Techow die rechtsstehenden Kreise gemeint habe. Zu der Frage, ob der Mordvlan aus dem eigenen Kopf der Angeklagten erwachsen sei, oder ob hinter ihnen Persönlichkeiten gestanden hätten, deren Werkzeug sie sie gewesen seien, was nach dem Rathenaumord be­hauptet worden sei. erklärte der Overreichsanwalt, er könne nach der heutigen Lage der Tinge diese Behaup­tung nicht als voll erwiesen ansehen. Er halte es jedoch für seine Pflicht, darauf hinzuweisen, daß in der Verhandlung gewisse Umstände eingetreten seien, die den Gedanken nahelegten, daß politische Organi­sationen hinter den Tätern ständen. Bei sämtlichen anderen Taten der letzten Zeit handle es sich um die­selben Kreise, ja fast immer um dieselben Personen. Es stehe fast, daß durch die fortgesetzte antisemitische Hetze eine Atmosphäre geschaffen worden sei, die den Mordvlan habe reifen lassen.

Auf Grund dieser Ausführungen gelangt der Ober­reichsanwalt zu folgenden Strafanträgen:

Ernst Werner Techow wegen Mittäterschaft: Todes­strafe und dauernder Verlust der Ehrenrechte.

Hans Gert Techow als Jugendlicher: wegen Bei­hilfe 4 Jahre Gefängnis und Wegen Begünstigung Monate Gefängnis, im ganzen 4 Jahre 3 Monate Gefängnis.

Günther: wegen Beihilfe 6 Jahre Zuchthaus und wegen Begünstigung 9 Monate Gefängnis, zusammen 6 Jahre 3 Monate Zuchthaus und 10 Jahre Ehr­verlust.

Salomon wegen Beihilfe 5 Jahre Zuchthaus.

Warnecke: 4 Jahre Zuchthaus.

Niedrig 6 Jahre Zuchthaus. Tie drei letzteren je 5 Jahre Ehrverlust.

Ilse mann: wegen Beihilfe 4 Jahre Zuchthaus und wegen Begünstigung 9 Monate Gefängnis, im ganzen 4 Jahre 9 Monate Zuchthaus und 5 Jahre Ehrverlust,

Schütt und Diestel: bezüglich Beihilfe Freispre­chung und wegen Begünstigung je 6 Monate Ge- fänanis.