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Amtsblatt für den Bezirk Nagold und für Altenstsig-Stadt. Allgemeiner Anzeiger für die Bezirke Nagold, Lalw und Zreudenstadt

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Mteusteig, Mittwoch den 88. 3u«i

Jahrgang Lvrr

Ae dürfen es nicht vergessen

daß im 1« JMi ein neues Bezugsvierteljahr unserer Zeitung beginnt und daß die Zeitung rechtzeitig bestellt sein muß, MN man sie ununterbrochen erhalten will.

Di? Trauerfeier für RaLhenau im Reichstag.

Berlin. 27. Juni. Der ReichStagssaal ist über Nacht in eine Trauerhalle verwandelt worden. Die Logen- brMungen sind schwarz umkleidet, schwarze Schleis?: wallen von den Bogenlampen herab. Um den Präsiden­tentisch aber hat man einen hochragenden Baldachin errichtet, unter dem der dunkle, von der schwarz-rot- goldenen Jahne umhüllte Metallsarg Platz gefunden s'at. Würdig, keierli^. von einer bewegenden Schön- best ist dieser Trauerschmuck. Aber nicht eigentlich- der. denn Blumen sind über das Haus gebreitet, blü­hende Blumen in reicher Fülle. Hortensienbüsche win­den sich die Tribünen entlang und grüßen aus allen Nischen. Die Kränze aber, für die im Saal kein Raum mehr blieb, hat man in der Wandelhalle nieder- xelegt, in der man, den Wunsch der greisen Mutter des Ermordeten ehrend, das Kaiserstandbild nun doch nicht verhüllt hat.

""Der Eindruck der Versammlung ist ergreifend. Und ergriffen sind sicher auch die Versammelten, unter denen man neben Adolf v. Harnack auch Dr. Strese- mann erblickt, der auf die Trauerkunde vom Sams­tag nach Berlin zurückgekehrt ist. Sehr zahlreich sind die deutschnationalen Bänke besetzt, nur Westarp und tzelfierich sind ferngeblieben. Kurz vor 12 Uhr betritt, am Arm des Kanzlers, zusammengesunken, nur noch ein schmächtiger, schwarzer Schatten, Walter Rathe­naus alte Mutter, die ehemalige Hofloge: Ein An­blick, der mit unbezwinglicher Gewalt an die Herzen «reift.

Ein wenig später erheben die Trauergäste sich von den Sitzen. Der Reichspräsident, geleitet vom Kanz­ler und vom Reichstagspräsidenten Löbe, ist erschie­nen und nimmt, nachdem die Coriolan-Quvertüre ver­rauscht ist, das Wort. Kluge, feine, abgewogene Sätze von der natürlichen Berufung Rathenaus zum Füh­rer und Staatsmann. Die verruchte Tat, die ihn aus dem Leben gerissen, wurde so zum Frevel der Nation, die erneut in einen zersetzenden Kampf der Le: enschaften bineinaezoaen wurde.

Nach dem Reichspräsidenten widmete der Vizepräsident drs Reichstags, Zentrumsabgeordneter Dr. Bell, dem Ber> storbenr» einen herzlich gehaltenen Nachruf.

Mr sie Fraktion der neutsch-demokratischen Partei Mach Reichstaasabgeordueter Korell:Als die Nach­richt von der Ermordung Rathenaus in dieses Haus gelangte, da gab es wohl Wut und Leidenschaft, aber das Erschütterndste waren die Tränen, die in graue Bärte hineingericselt sind. Sie waren der Ausdruck der Scham darüber, daß es Deutsche gibt, die sich an einem Sohn der eigenen Nation vergreifen, der Lichts anderes wollte, als sie in bessere Zeiten hinauf- lühren. Er ist im Dienste des Vaterlandes gefallen. Walter Rathenau hat Großes in der Wirtschaft ge­ichaffen, aber er ist nicht in ihr versunken. Er trat aus sich heraus und entwickelte Ideen, wie sich nach seiner Üeberzeugung die veränderte Lage in Deutsch­land und der Welt anzupassen hätte. Als Rathenair am vorigen Donnerstag zu gleicher Zeit so entschieden lund so besonnen für die Not unserer unglücklichen rhei­nischen Heimat eintrat, da dankten die Rheinländer ihn: aus tiefstem Herzen. Was Rathenan geleistet hat, entsprang dem Quell seiner Persönlichkeit. An diesen halten wir uns, wenn wir uns fragen, was er in der Zu unft geleistet hätte. Rathenau war ein treuer Sohn. Wer im Kleinsten nicht treu ist, ist auch im Großen nicht treu. Mit großer Pietät* wahrte er das An­denken seines verstorbenen Vaters. Unendlich viel ver­liert die betagte Mutter in ihm. Ihr rufe ich zu: So groß das Opfer ist, das das Vaterland von ihr ver­langt hat, möge sie es bringen in de. Maße, wie chr Sohn in gleichem Sinne groß gewesen ist. Allein die Sache, nicht der Ruhm und die Ehre leiteten rhn. Darin gleicht er Friedrich Naumann. Walter Rathenau ist als Jude gefallen und ist als Persönlich­reit jener Idee von der völkischen Reinheit erlegen, Ae nichts anderes ist als eine Verirrung menschlichen Instinktes. Wir müssen uns in Deutschland von dieser widerchristlichen Atmosphäre abwenden. Das Vater­land muß über der Partei stehen. Es braucht alle seine Söhne, einerlei, welcher Rasse sie sind. Alle müssen in diesem Staate nicht nur geschützt sein, son­dern sie müssen auch diejenige Achtung genießen, dre

jeder Mensch für sich zu neanspruchen das Recht hat. Angesichts des Sarges von Dr. Rathenau reichen wir willig allen denen die Hände, die die deutsche Republik schützen und ausbauen wollen. Trauermusik schloß die Feier ab. Vor dem Reichstagsgebäude hatte eine Kompagnie der Reichswehr Stellung genommen, die den Sarg, als er aus dem Gebäude gebracht wurde, ehrend begrüßte. Eine Reichswehrkapelle spielte einen Trauermarsch. Der Sarg wurde auf einen mit Blu­men geschmückten Lrichenwagen gebracht. Diesem folg­ten nur 2 Wagen, in denen die nächsten Angehöriger Platz genommen hatten. Der Fug bewegte sich nach Oberschöneweide hin zur Familiengruft.

*

Weitere Erfolgs in -er Mordnntcrsuchung.

Berlin, 27. Juni. In einer Unterredung mit einen Mitarbeiter desBerliner Tageblattes" machte Ober­regierungsrat Dr. Weiß, der Chef der Berliner po­litischen Polizei u. a. folgende interessante Angaben Zu dem besonderen Beobachtungsdienst gehören auch zahlreiche Haussuchungen bei politischen Oganisationen, insbesondere bei den antisemitischen Verbänden. So hat in der Nacht vom Montag auf Dienstag eine Haussuchung in den Büroräumen des Verbandes national gesinnter Soldaten, dessen Ehren­vorsitzender Ludendorfs ist, stattgefunden, wobei außer­ordentlich interessantes Material beschlagnahmt wer­den konnte. Dieses Material wird nun gesichtet und sofern Verhaftungen sich notwendig machen sollten, werden sie sofort erfolgen. Auch in der bekannten Or­ganisation Roßbach in Wannsee hat gestern eine Haussuchung stattgefunden. Ueber deren Resultat ist aber noch nichts bekannt, da die Beamten auch hier noch mit der Sichtung des Materials beschäftigt sind. Interessant ist die Wiederverhaftung des Studenten Werner Flesch. Dieser hatte bekanntlich kurze Zeit nach dem Bekanntwerden der Mordtat sich Einlaß in das Reichstagsgebäude verschafft, um dem Abg. Helf- ferich ein Lorbeer-Bukett mit einer schwarz-weiß-roten Schleife, welche die Auf­schrift trugDem Retter der deutschen Ehre" zu überreichen. Flesch war zunächst von der Polizei­wache des ReichstaasgebäudeZ verhaftet, später aber wieder vom Polizeipräsidium auf freien Fuß gesetzt worden. Gestern nun ermittelten Untersuchungsbeamte sehr 'belastendes Material über das Vorleben von Flesch. So erfuhren sie, daß Flesch sehr intim mit Erhardt befreundet sein soll. Daraufhin wurden die Beamten, die davon Kenntnis hatten, daß Flesch in dem Büro der Deutschnationalen Volkspartei weilt, beauftragt, Flesch sofort wieder in Haft zu neh­men. Zu der Verhaftung Karl Tillessens sagte Dr. Weiß, dieser sei nicht erst auf das Gerede Flesch's, sondern auf Grund schweren Belastungsmate­rials, das der Polizei zugegangen war, 'festgenom­men worden. Es haben sich nämlich verschiedene Zeit­igen gemeldet, die Tillessen am Montag in Berlin ge­sehen haben wollten, so daß also Tillessen in den Ver­dacht der Täterschaft geriet. Es wurden für diesen sofort telegraphisch die Grenzen gesperrt und außer­dem sämtliche Plätze und Ortschaften in der Umge­bung Flensburgs, wohin Tillessens Spur führt, be­nachrichtigt. Tillessens Vernehmung wird von entschet- d nder Bedeutung für die weiteren Nachforschungen s- ^nrch die Aussagen des Oberförsters hat man b "n können, daß die Täter in einem Opel--

a in einem älteren Großspuren-Wagen

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r. ' »ni. Durch die Aussagen von zwer

!einw». . n ist, wir derLolalanzeiger" be­richtet, . -rdachtausz weibe st immte

Person,.. e .nkt worden. Die Beschreibung ides einen Täters, dessen mädchenhaftes Aussehen her- .vorgehoben wird, paßt auf einen früheren aus­wärts wohnenden Offizier. Seine Verhaftung ist telephonisch verfügt, e enso dis eftres anderen aus­wärts wohnenden früheren Offiziers, der in dem drin­genden Verdacht steht, mittelbar oder unmittelbar mit den Mördern in Verbindung zu stehen. Endlich sind mehrere Personen, meistens frühere Offiziere :nd Stu­denten sowohl in Berlin als auch außerha. verhaf­tet worden, die geheimen Organisationen aimebören.

Bayern und die Nilsnahmcvcrorvnung.

München, 27. Juni. Wie stern von zuständiger Seite mttgeteilt wurde, bestehr ,ür die bayerische Re­gierung kein Anlaß zu den in der Ermächti­gung der teichsregierung vorgesehene» Maßnahmen, da bis zur Stunde in Mün­chen alles ruhig ist, und insbesondere, da die nationalistischen Parteien die für 28. Juni geplanten Kundgebungen abgesagt batten. Die Stellungnahme der bayerischen Regie­

rung habe sich, so wurde weiter mitgeteilt, in dieser Beziehung vollkommen mit der württembergischen ge­deckt. Inzwischen jedoch haben die nationalistische« Gruppen nunmehr eine Entschließung gefaßt, nach der die Massenkundgebung gegen die Schuldlüge von Ver­sailles am 28. Juni doch abgehalten werden soll, und zwar in der Weise, daß keine gegen eine Partei, gegen die bestehende Staatsform gerichtete Wendung in ir­gend welcher Weise beabsichtigt oder vorgenommen wird. Es ist anzunehmen, daß nunmehr auch die bayerische Regierung ihren Standpunkt ändert. Dies umsomehr, als in den gestern abend stattgefundenen, außerordentlich stark besuchten Einspruchsversammlun­gen der Mehrheitssozialisten einer der Vorsitzenden mitgeteilt hat. daß, wenn die Kundgebung gegen den Frieden von Versailles erfolgen werde, die Arbeiter­schaft die ihr geeignet erscheinenden Maßnahmen zur Verhinderung die'er Veranstaltung ergreifen werde.

Die Bayerische Bolkspartei hat eine In­terpellation im Landtag eingebracht, die sich mit der Verordnung zum Schutze der Rcvublik befaßt. In der Begründung wird darauf hingewiesen, daß die Verordnung zu schweren Bedenken Anlaß gebe und vor allem die Justizhoheit der Länder ausschalte. Aus der Fassung geht hervor, daß die Partei die Verord- ^ nung zum Teil ablehnt. Gestern nachmittag hat der bayerische Ministerrat eine Sitzung abgehalten, in der diese Interpellation besprochen worden sein dürfte.

In Berlin gehen Gerüchte von einer Spannung zwischen der bayerischen und der Reichs­regierung. Demgegenüber wurde von zuständiger Seite mitgeteilt, daß hier an maßgebenden Stellen nichts bekannt sei. Der Erlaß des Reichspräsidenten stbzw. der Reichsregierung bedeutet vielmehr nach der Anschauung der hiesigen Regierungskreise einen we­sentlichen Fortschritt gegenüber den anläßlich des Erz­bergermordes erfolgten Erlassen, daß die Beschlußfas­sung über Maßnahmen diesmal in das Ermessen der Landesregierungen gelegt sei.

Landesvorstand und Landtagsfraktion der Deutsch­demokratischen Partei in Bayern veröffentlichen eine Kundgebung, in der dem Abscheu an dem heimtücki­schen Mord Ausdruck gegeben, die Zerklüftung unseres Volkes und die Verhetzung durch maßlose Beschimp­fungen und Verdächtigungen der Reichsregierung be­klagt und alle gut Denkenden zur Verteidigung des Staats und seiner Verfassung, sowie an der Mitarbeit am Frieden un-eres Volkes aufaewrdert werden.

»er «ra»z Sr- Reich»prSfitzt»te».

WTB. «er«», 37. Juni. Der Reichspräsident hat am Sarge Rathenaus eine» Kranz niedrrgelegt, der auf einer Schleif« in den Reichsfarben die Inschrift trägt: .Dem im Dienste des Vaterlands gefallenen Reichsminifter Dr. Walter Rathenau in Dankbarkeit. Der Reichspräsident.*

Blutiger Zusammenstoß in Hamburg.

Hamburg, 27. Juni. Die gestrigen Demonstrationen auf dem Heilgengeistfeld spielten sich im allgemeinen programmäßig ab. Lediglich nach Schluß der Demon­stration kam es beim Abmarsch der Massen zu einer Schießerei zwischen Demonstranten und einer kleineren Abteilung der Schutzpo­lizei, die am Bismarckdenkmal Sperrdienst versah. Die Schutzpolizei hatte, wie verlautet, entgegen den Anweisungen des Senats mit Gewehren und Maschi­nengewehren Ausstellung genommen und ein Plakat aufgestellt mit der AufschriftWer weiter geht, wird erschossen". Die Demonstranten fühlten sich durch das Plakat provoziert und versuchten, es zu entfernen, wobei es zu dem Zusammenstoß kam. Die Schutzpolftsi gab zunächst Schreckschüsse ab, wodurch ejdoch die De­monstranten sich in ihrem Vorgehen nicht auftab n ließen. Der Zusammenstoß forderte auf Seiten Wr Demonstranten einen Toten und sechs N e r - wundete. Für die Schutzpolizei ist Verstärkung ab­gegangen.

Ser Miniftermord und die deutsche Kreditfähigkeit.

Der Mord an Rathenau und seine politischen Beglcil- zustände setzen Deutschiland der ernsten Gefahr aus, au seiner internationalen Kreditfähigkeit Schaden zu nehmen. Näher denn je seit der politischi-militärischen Katastrophe des Weltkrieges waren wir in diesen letzten Wochen der Erneuerung des Vertrauens der Weltfinanz gekommen. Das hat sich, gefördert durch den von den weltwirtschaft­lichen Verhältnissen ausgehenden Zwang, gezeigt auf der pariser Konferenz internationaler Bankiers, die, wenn sie